Quasimodogeniti

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias.

Der HERR ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden.
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen

Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten’s nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht. Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt’s ihnen, desgleichen auch die Fische. Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.

Johannes 21, 1-14

HERR, segne Dein Wort an uns; Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!

Das dritte Mal offenbart Jesus sich seinen Jüngern. Das erste Mal war am Ostersonntag. Das zweite Mal war eine Woche später – davon haben wir im heutigen Evangelium gehört: Die Umkehrung des ungläubigen Thomas; und nun zum dritten Mal.
Das war nötig. Denn Jesus steht am Ufer, „aber die Jünger wußten nicht, daß es Jesus war.“ Wenn Jesus sich nicht aktiv bewußt zeigt, sichtbar macht, manifestiert, dann können sie ihn direkt vor Augen haben – sie sehen ihn nicht. Maria von Magdala hatte ihn vor sich, und meinte, er wäre der Gärtner (Johannes 20, 15); die Emmaus-Jünger vom Ostermontag haben ihn neben sich, und halten ihn für einen Touristen (Lukas 24, 18).
Jesus hat eine Weise, sich zu zeigen, den Augen zu geben, die göttlich ist. Anders als wir Menschen. Andere gucken uns an, und machen sich ein Bild von uns, das können wir nicht verhindern! Wir meinen es gut, wir geben uns Mühe – aber es kann passieren, daß jemand uns anguckt, und uns ganz anders sieht und versteht, als wir es meinen.
Jesus gibt sich zu sehen. So, wie er sich gibt, werden unsere menschlichen Bilder von ihm überwunden. Darum heißt es: Jesus „offenbarte“ sich. Er schuf sein Bild in den Jüngern.
Dieses Bild ist dann nicht etwas von Jesus abgetrenntes. Auf meinem Handy oder Wischkästchen sind in der Familiengruppe inzwischen – 1000?- Bilder von Kindern und Enkelkindern. Die Bilder hab ich bei mir, aber die Kinder sind zum Teil weit weg. Ich kann die Bilder anschauen und an die Enkelkinder denken, aber ich habe sich trotzdem nicht bei mir. Wenn Jesus sich offenbart, dann hat man ihn. So, wie er ist, gibt er sich. Offenbarung zielt nicht auf ein eigenes Bild, sondern auf Glauben. Und Glauben im Neuen Testament ist Haben. Bei sich haben.
Wie offenbart Jesus sich denn?

  1. Seine Jünger sind beieinander. Dieses Mal sind es Sieben.
    Petrus, Thomas, Nathanael, die beiden Söhne des Zebedäus, also Jakobus und Johannes, und zwei weitere Jünger. Sie sind gemeinsam Zeugen, sie erleben die Offenbarung gemeinsam. Sieben können gemeinsam sagen, was sie gesehen und gehört haben. Sieben unterschiedliche Perspektiven. Die Offenbarung ist nicht Besitz eines Einzelnen, dem alle dann glauben müssen. Der Einzelne hätte dann ein Monopol. Die anderen würden niemals wissen, ob sie Jesus genau so sehen, wie der einzelne. Sieben können so darüber Zeugnis ablegen, daß auch andere teilhaben. Jesus will das so.
  2. Petrus sagt: Ich gehe fischen. Er sagt nicht: Ich gehe hin,
    Jesus zu suchen. Die Ostergeschichten sind immer Überraschungsgeschichten. Das fängt ja damit an, daß die Frauen am Ostermorgen den Lebendigen bei den Toten suchen (Lukas 24, 5-6). Sie suchen den Toten Jesus und begegnen dem Auferstandenen. Petrus erfüllt seine Aufgabe. Er war ja Fischer. Von irgendwas mußte er ja leben! Also geht er fischen. Die anderen 6 Jünger machen mit, sie steigen mit ein ins Boot. – Wer das Evangelium kennt, der weiß: Fischen ist nicht gleich Fischen! Hatte nicht Jesus zu Petrus und Andreas gesagt: „Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen“? (Matthäus 4, 19). Doch wie? Das mußte ihnen noch offenbart werden! Gott hatte schon durch den Propheten Jeremia angesagt: „Siehe, ich will viele Fischer aussenden, die sollen die verlorenen von Israel zurückbringen.“ (Jeremia 16, 16+14-15). Diese Worte Gottes sind schon bereit! Und Jesus wird sie an seinen Jüngern wahrmachen!
  3. Sie fischen nachts. Der Morgen kommt, und sie haben
    nichts gefangen. Sie werden an eine Grenze geführt. Der Morgen ist das Ende der Zeit zum Fischen. So wie die Frauen am Ostermorgen das leere Grab sehen müssen, so erleben die sieben Jünger diese Grenze. Für sie ist es eine Enttäuschung. Aber das ist Teil der Offenbarung. Hätten sie mit Erfolg gefischt, dann wären ihre Augen und Herzen voll von ihrem Erfolg. Die Geschichte wäre nicht so weitergegangen, wie wir sie für alle Zeiten von Johannes hören werden.
  4. Am Rand des Sees, am Ufer, steht Jesus schon. Jesus fragt:
    „Kinder, habt ihr nichts zu essen?“ Jesus ist ein Fragekünstler. Einen, der 38 Jahre krank war, fragt er: Willst du gesund werden? (Johannes 5, 6); und die traurige Maria am Grab fragt Jesus: „Warum weinst du?“ (Johannes 20, 15). – Die erwachsenen Männer nennt er Kinder, und fragt: „Habt ihr Fisch für mich?“ – Da müssen sie es aussprechen. Das ist Teil der Offenbarung. Während sie diese Frage beantworten, und sie ihre Grenze bewußt erleben, ist Jesus schon dabei, Neues in ihnen zu schaffen.
  5. Nun sollen sie tun, was Er sagt. Sie werfen die Netze auf
    die andere Seite. Das ist nur eine Kleinigkeit. Keine Überforderung. Aber sie tun es im Namen Jesu. Und haben Erfolg. Jesus hat diese Situation geschaffen. Jesus hat sie dahin geführt. Die Jünger sind da, wo nur eine kleine gehorsame Tat auf einmal große Wirkungen hat. Eben müssen sie spüren, wie arm sie sind. Und danach sind sie ganz reich. Dazwischen ist Jesus auf der Grenze, und sein Wort. Das verändert die ganze Situation.
  6. Es ist der HERR! – Jesus ist schon längst da, und hat auch
    schon gesprochen. Er hat sie an die Grenze geführt und beschenkt. Aber dann erst dämmert es bei ihnen. Sie erkennen Jesus dann, wann er es will und bestimmt. Als sie es merken, daß es Jesus ist, sind sie schon ganz tief drinnen. So wie die Emmaus-Jünger. Als sie Jesus erkennen, sagen sie: „Brannte unser Herz nicht schon vorher? Er war ja schon die ganze Zeit bei uns!“ Wenn es bei uns dämmert, ist schon viel passiert, was Jesus für uns getan hat. Das kann man sich nicht ausdenken. Unser Leben mit Jesus ist etwas, was er sich ausdenkt, und nicht wir. Darum ist es voller Wunder.
  7. Sie kommen ans Ufer. Dort wartet schon ein Fest. Ein
    Feuerchen mit Fisch und Brot. Jesus brät einen kleinen Fisch. Und die Jünger kommen an mit 153 großen Fischen. Das wird ein riesiges Fest! Es wird dann riesig, wenn der erste Fisch von Jesus selbst der erste ist. Dann ist ein Anfang da, der ohne Ende ist. Es wäre viel darüber zu sagen. Wie Jesus es so einrichtet, daß seine Jünger beitragen, obwohl es ja alles seins ist, und er darüber verfügt. „Es geht durch unsere Hände, kommt aber her von Gott.“ Heute halten wir fest: Das Fest Gottes hat schon angefangen. Genau auf der anderen Seite unserer Grenze wartet Jesus und hat schon alles bereit. Es brutzelt und duftet schon. Wo Jesus einlädt und den Anfang macht, da ist kein Ende in Sicht.
  8. Liebe Dorothea, lieber Johann und lieber Notker. Ihr wart
    nun nicht sieben, sondern 3, mit mir 4. Wir haben ganz normale Dinge getan: Geredet, zugehört, gelesen. Unterricht. Vielleicht habt ihr mal eine Grenze erlebt: Das verstehe ich nicht, das kann ich mir nicht vorstellen, wie auch immer. Aber Jesus hat uns zusammen geführt. Das Wasser der Taufe hat einen Anfang bei euch gemacht. Jesus war da. Er hat gesagt: Lernt die Gebote, betet das Vaterunser, hört meine Worte, schaut, was Gott tut. Das ist der Anfang, von dem was nicht aufhören wird. Jesus hat sich euch gezeigt, offenbart, er hat sein Bild in euch geschaffen. Das Ziel ist Gottes Fest. Eine Freude, die stärker ist, als der Tod. Eine Liebe, die vergeben kann, ein Glaube, der immer wieder zu Gott findet, immer.
    Auch heute werdet ihr etwas tun, was scheinbar ganz normal ist: Am Altar essen und trinken. Aber weil Jesus da ist, ist es etwas ganz anderes. Mit seinem Leib und Blut kommt er selbst und übernimmt die Situation. Unsere Grenze ist sein Anfang.
    Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Ostermontag

Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande.

Der HERR ist auferstanden –
Er ist wahrhaftig auferstanden.
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Gestalten und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande. Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß. Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Gestalten und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen, und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen und hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden. Und ich sah, und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Gestalten und um die Ältesten her, und ihre Zahl war vieltausendmal tausend; die sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Und die vier Gestalten sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an.

Offenbarung 5.6 – Offenbarung 5.14

HERR, Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Wege. Amen

Liebe Gemeinde!

Was hat denn der genommen? So könnte man fragen.
Ein Lamm mit sieben Hörnern und sieben Augen?
Und dann auf einmal Harfen und goldene Schalen?
Und dann ein versiegeltes Buch? Blut? Engel? Alle beten ein Lamm an? Er hört jedes Geschöpf, auch die im Meer, hört er sprechen? Was hat denn der genommen?
Wenn wir uns etwas erklären wollen, was uns fremd vorkommt, dann können wir nicht anders, als nach dem fragen, was das alles irgendwie zusammenhält. Und wenn man nichts finden kann, dann sagt man eben: Da ist kein Sinn, er hat im Rausch ohne Zusammenhang phantasiert, es geht gegen alles, was wir kennen.
Nun. Johannes hat nichts genommen. Gott hat ihm das Ziel gezeigt, das Ende aller Dinge bei Gott. – Da muß eine andere Sprache gesprochen werden, oder besser: Die menschliche Sprache, die sonst über alltägliche, vergängliche Dinge spricht, muß dann eine auf eine andere Ebene gehoben werden.
Wenn Johannes von einem Buch spricht, dann ist die für uns normale Bedeutung von „Buch“ auf jeden Fall mitgemeint. Aber das ist sozusagen das Minimum. Johannes spricht mindestens von einem Buch, aber zugleich von „Buch“ in seiner größtmöglichen Bedeutung. So ist es mit allen anderen Wörtern und Bildern.
Und der Schlüssel ist und bleibt: Johannes spricht von einer Welt, in der das Kreuz und die Auferstehung Jesu Christi die allergrößte und alles bestimmende Tatsache und Wirklichkeit ist. Ohne Kreuz und Auferstehung Christi ergibt die ganze Offenbarung des Johannes überhaupt keinen Sinn. Und wer nicht ein Leben lang Karfreitag und Ostern gefeiert hat, wird nicht ein einziges Wort der Offenbarung des Johannes richtig verstehen.
Unser Predigttext verschafft uns einen ganz kleinen Einblick in die Zukunft, in der nicht unsere Gedanken und Gefühle versuchen, irgendwie Licht auf Jesus zu bringen, sondern in der Jesus die Sonne ist, die alles erscheinen läßt und ans Licht bringt, wie alles vor Gott am Ende ist und sein wird. Nicht nur unsere Gedanken und Gefühle, sondern die gesamte Schöpfung.
Wenn Ostern also ein Sonnenaufgang ist, dann ist die Offenbarung ein Bilderbuch der Realität im Licht des Ostermorgens.
Jetzt sind die Faktoren, die Jesus ans Kreuz gebracht haben, offen am Tag: Unrecht, Feigheit, Lieblosigkeit, Mißtrauen, Begierde. –
Wir sollen nun sehen im Licht der Faktoren, die Ostern möglich gemacht haben. Die sind jetzt Realität, aber verborgen. Doch, das glauben wir, ihnen gehört die Zukunft.

  1. Ein Thron – 1 Thron. Die eine Macht, die alles bestimmt,
    ist sichtbar. Nicht wie heute, wo Macht sich verbirgt, unansprechbar und unerreichbar ist. Vor einem Thron kann man erscheinen und um Gnade bitten. Vor einer anonymen verborgenen Macht ist das unmöglich. Ein Thron spricht öffentlich und verbindlich und steht zu seinem Wort, und kann beim Wort genommen werden. Eine Welt, in der das Gegenteil zutrifft, hat Gottes Zukunft noch vor sich.
  2. Um den Thron sind „Älteste“ und „Gestalten“ – also
    Personen und Wesen, die im Sinne der einen Macht, und das kann nur Gottes Macht sein, reden und handeln. Die Eine Macht Gottes begegnet uns konkret in Gottes Dienern. Gottes Diener wirken nicht aus sich selbst heraus, sondern Gott wirkt und spricht durch sie. Ihr Dienst ist nicht egoistische Machtausübung, sie sind auch nicht willenlose Roboter oder Funktionäre, sondern sie sind erfüllt von dem Geist, der die Macht hat, und spiegeln die Weisheit und Liebe in der Macht in allem, was sie sagen und tun.
  3. Das Lamm mit den sieben Hörnern und sieben Augen. Das
    ist nicht eine groteske Mutation! Sieben ist eine heilige Zahl, sie bildet Heiligkeit und Vollkommenheit ab. Also: 7 Hörner sind: Heilige und vollkommene Macht. Macht ohne Nebenwirkungen, die nicht beabsichtigt sind. Macht ohne Berechnung, Macht ohne Taktik, Macht ohne Eigeninteresse, Macht ohne Korruption, Macht ohne Propaganda, Macht ohne Heimlichkeit.
    Und 7 Augen: Heilige und vollkommene Erkenntnis: Also Wissen ohne Nebenwirkungen, ohne Berechnung, ohne Taktik, ohne Eigeninteresse, ohne Korruption, ohne Propaganda und ohne Heimlichkeit. Diese Sieben „gehen als die Geister Gottes aus in alle Lande.“ Sie bleiben in jeder Situation gleich, und sind keinem Opportunismus unterworfen, lassen sich nicht fremdbestimmen.
    Das wird von dem Lamm ausgesagt. Und das Lamm ist der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, und sich aus Liebe freiwillig geopfert hat. Das Lamm, das sich um der unendlichen Schuld der Menschheit geopfert hat, das allein hat vollkommene Macht und Erkenntnis. Man kann alles wissen und über alle Machtmittel verfügen, wenn man aber nicht weiß, daß Gott seine Geschöpfe liebt, und für die Menschen, die sich von ihm abgewandt haben, Sein Liebstes hingegeben hat, wer das nicht weiß, dessen Wissen gehört nicht zur Zukunft Gottes. Und wer nicht erfahren hat, daß Gott dann am meisten Gott ist, wenn er um Jesu willen vergibt, und das diese Vergebung ein Werk der allergrößten Allmacht ist, dessen Macht wird nicht in die Zukunft Gottes passen.
  4. Ein Buch. In diesem Buch ist die ganze Geschichte der
    Menschen als Gottes Vergebungsgeschichte festgehalten. Das ist sozusagen die harte Währung der Geschichte Gottes mit uns Menschen. Wie weit weg waren wir von der Gnade Gottes, was hat Vergebung in uns Menschen bewirkt? – Das sind die wirklichen Schritte der Geschichte. Das sind die Ereignisse, die in der Ewigkeit ihre Gedenkfeste und Jubiläen haben werden. Das sind Ereignisse, die vor der Welt meistens verborgen sind, und scheinbar unwichtig, und keine Sensation. Im Licht der Ostersonne werden sie das Geschichtsbuch Gottes, in dem in alle Ewigkeit mit unerschöpflicher Begeisterung und Freude gelesen werden wird.
  5. Die Diener – die Ältesten und Gestalten bekennen, daß
    das Lamm Gottes die einzige Person ist, die fähig und geeignet ist, dieses Buch zu öffnen. Jesus mit seiner heiligen Macht und Erkenntnis wird dieses Buch nicht verderben oder verändern – er wird von diesem Buch der Gnade auch nicht beschämt werden, oder davor verstummen.
  6. Harfen und Goldene Schalen – das sind Lieder und
    Gebete. Lieder und Gebete zu Gott sind die angemessenste Art, sich als Geschöpf vor seinem Schöpfer zu verhalten. Im Gebet wird klar, daß ich mich nicht selbst gemacht habe, und mein Leben nicht erhalten kann – das muß und das will der Schöpfer tun, und als vernünftiges Wesen, als Ebenbild Gottes, paßt es, wenn ich Gott bitte um Alles. Damit erkenne ich Gott als Gott an. Eben so in den Liedern – vor allem in Dankliedern, da erkenne ich auch an: Das konnte nur Gott tun, und er hat es getan, und er hat mich damit gemeint. Die Loblieder spiegeln die Herrlichkeit des Schöpfers im Geschöpf. Davon haben wir so wenig! Und es ist oft sehr verborgen und wird von der Welt, die den Karfreitag ermöglicht hat, belächelt, wenn nicht verachtet. Doch in diesen Gebeten und Liedern fängt Gottes Zukunft heute bei uns an. Im Lichte der Ostersonne werden die Lieder und Gebete von heute wie Gold, kostbar, rein und heilig vor der ganzen Welt glänzen, und jeder wird sich glücklich preisen, daß er heute in dieser Welt gesungen und gebetet hat.
    Das hat das Lamm Gottes, Jesus, der sich für uns hingegeben hat, in uns geschaffen. Das macht uns schon heute zu Königen und Priestern: Könige sind Personen, die in Freiheit Gottes Gaben erkennen und benutzen. Priester sind Personen, die berechtigt sind, vor Gott zu treten und mit Gott zu sprechen. „Du hast sie unserm Gott zu Königen und Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden.“ – Das singen die Diener Gottes vor seinem Thron.
    Gott hat dem Johannes diesen kosmischen Gottesdienst gezeigt. Es geht immer wieder darum, daß alle Geschöpfe zugeben, gerne zugeben und von ganzem Herzen bekennen: Wie gut, daß das Lamm Gottes die Macht hat! – Dieser Sohn Gottes, der Gottes Liebe in alle Finsternis gebracht hat, Gottes Liebe intakt hineingetragen hat in alle verzweifelten Situationen – Wie gut, daß er das letzte Wort hat!
    „Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob.“ Dieser Jesus, der heilige und vollkommene Macht und Erkenntnis hat – er kann am besten mit Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke umgehen. Bei ihm sind sie am besten aufgehoben. Darum müssen wir ihm die Ehre geben. Das ist das Beste für uns. Nicht wenn wir uns Macht und Erkenntnis anmaßen, sondern wenn das alles ihm gehört. Denn bei ihm muß alles der Vergebung und der Gnade dienen. Jesus kann und wird es umfunktionieren, daß Erkenntnis nicht der Lüge dient, daß Macht nicht der Zerstörung dient. Darum: Alle Macht dem Lamm!
    Was hat Johannes genommen? Keine Drogen, kein Rauschmittel! Sondern das Evangelium hat er genommen, oder besser: Das Evangelium hat ihn genommen.
    Was er gesehen hat, das steht jetzt schon als Ziel fest.
    Und jeder Schritt, den wir mit dem Evangelium, mit Gebet und Loblied gehen, bringt uns diesem Tag in der Ostersonne näher.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Ostergrab: Das Grab ist leer und die Frauen gehen, um das den anderen Jüngern zu berichten. © Stefan Schlechter

Ostern

Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.

Der HERR ist auferstanden,
er ist wahrhaftig auferstanden.
Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.

Und der HERR verstockte das Herz des Pharao, des Königs von Ägypten, dass er den Israeliten nachjagte. Aber die Israeliten waren unter der Macht einer starken Hand ausgezogen. Und die Ägypter jagten ihnen nach mit Rossen, Wagen und ihren Männern und mit dem ganzen Heer des Pharao und holten sie ein, als sie sich gelagert hatten am Meer bei Pi-Hahirot vor Baal-Zefon. Und als der Pharao nahe herankam, hoben die Israeliten ihre Augen auf, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Und sie fürchteten sich sehr und schrien zu dem HERRN und sprachen zu Mose: Waren nicht Gräber in Ägypten, dass du uns wegführen musstest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, dass du uns aus Ägypten geführt hast? Haben wir’s dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben. Da sprach Mose zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein. Und der HERR sprach zu Mose: Was schreist du zu mir? Sage den Israeliten, dass sie weiterziehen. Du aber hebe deinen Stab auf und recke deine Hand über das Meer und teile es mitten durch, sodass die Israeliten auf dem Trockenen mitten durch das Meer gehen. Siehe, ich will das Herz der Ägypter verstocken, dass sie hinter euch herziehen, und will meine Herrlichkeit erweisen an dem Pharao und aller seiner Macht, an seinen Wagen und Männern. Und die Ägypter sollen innewerden, dass ich der HERR bin, wenn ich meine Herrlichkeit erweise an dem Pharao und an seinen Wagen und Männern. Da erhob sich der Engel Gottes, der vor dem Heer Israels herzog, und stellte sich hinter sie. Und die Wolkensäule vor ihnen erhob sich und trat hinter sie und kam zwischen das Heer der Ägypter und das Heer Israels. Und dort war die Wolke finster und hier erleuchtete sie die Nacht, und so kamen die Heere die ganze Nacht einander nicht näher. Als nun Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der HERR zurückweichen durch einen starken Ostwind die ganze Nacht und machte das Meer trocken und die Wasser teilten sich. Und die Israeliten gingen hinein mitten ins Meer auf dem Trockenen, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. Und die Ägypter folgten und zogen hinein ihnen nach, alle Rosse des Pharao, seine Wagen und Männer, mitten ins Meer. Als nun die Zeit der Morgenwache kam, schaute der HERR auf das Heer der Ägypter aus der Feuersäule und der Wolke und brachte einen Schrecken über ihr Heer und hemmte die Räder ihrer Wagen und machte, dass sie nur schwer vorwärtskamen. Da sprachen die Ägypter: Lasst uns fliehen vor Israel; der HERR streitet für sie wider Ägypten. Aber der HERR sprach zu Mose: Recke deine Hand aus über das Meer, dass das Wasser wiederkomme und herfalle über die Ägypter, über ihre Wagen und Männer. Da reckte Mose seine Hand aus über das Meer, und das Meer kam gegen Morgen wieder in sein Bett, und die Ägypter flohen ihm entgegen. So stürzte der HERR sie mitten ins Meer. Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Männer, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb. Aber die Israeliten gingen trocken mitten durchs Meer, und das Wasser war ihnen eine Mauer zur Rechten und zur Linken. So errettete der HERR an jenem Tage Israel aus der Ägypter Hand. Und sie sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen. So sah Israel die mächtige Hand, mit der der HERR an den Ägyptern gehandelt hatte. Und das Volk fürchtete den HERRN und sie glaubten ihm und seinem Knecht Mose. Damals sangen Mose und die Israeliten dies Lied dem HERRN und sprachen:
Ich will dem HERRN singen, denn er hat eine herrliche Tat getan;
Ross und Mann hat er ins Meer gestürzt.
Der HERR ist meine Stärke und mein Lobgesang
und ist mein Heil.
Das ist mein Gott, ich will ihn preisen,
er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben.

Mose 14.8 – 2. Mose 15.2

HERR, Dein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Wege. Amen

Liebe Gemeinde!

Frohe Ostern! – Manche haben da schon ein Problem. Ostern? – Das ist doch ein Fest einer heidnischen Frühlingsgöttin „Ostara“! – Glauben wir an eine Frühlingsgöttin? Ein britischer Kirchenvater Beda der Ehrwürdige, der im Jahre 735 starb, setzte sich dafür ein, daß man in seiner Muttersprache Englisch nicht mehr „Easter“ / „Ostern“ sagte, sondern „Passa“ – nach dem alttestamentlichen Passa-Fest. – Die Niederländer sagen ja „Pasen“, die Franzosen „Paques“, die Russen „Paßcha“, ebenso die Griechen, die Italiener „Pasqua“.
Beda hatte nicht Erfolg. Es heißt immer noch „Happy Easter!“, und bei uns „Frohe Ostern!“ – Aber was wir feiern, ist klar: Es es ist die wunderbare, herrliche und trostreiche Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus von den Toten.
– Wenn wir einander „Frohe Passa!“ wünschen würden, dann würden wir vielleicht besser verstehen, warum wir diesen Bericht aus dem Alten Testament heute hören.
Es ist die Geschichte des Exodus, des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten durch das Schilfmeer, und seine Rettung vor der todsicheren Vernichtung durch die haushoch überlegenen Soldaten des Pharao.
Das war die Geburtsstunde Israels als Volk vor Gott. Das war die eine gemeinsame Erfahrung, auf die Israel immer wieder zurückgriff, um sich zu vergewissern, wer es ist. Wer es durch Gott ist.
Es ist ja auch tief beeindruckend. Eine Sammlung von 12 Stämmen, die Generationen lang von einer Weltmacht versklavt war, bricht auf. Unter Mose ging es los, Richtung Ostern, in der Gewißheit: Gott geht mit uns. Der Gott unserer Vorfahren Abraham, Isaak und Jakob ist bei uns und wird uns in das versprochene Land führen. Nach Generationen der Sklaverei, wo sie an Leib und Seele niedergehalten wurden, waren sie auf den Weg in die Freiheit.
Und dann das große Entsetzen: Vor ihnen das Meer, und hinter ihnen die Kampfwagen und tödlichen Waffen des Pharao – die unerbittlich näher kamen. Natürlich schrieen sie da zum HERRN, und bedrängten Mose: „Waren nicht Gräber in Ägypten, daß du uns wegführen mußtest, damit wir in der Wüste sterben? Warum hast du uns das angetan, daß du uns aus Ägypten geführt hast?
Haben wir’s dir nicht schon in Ägypten gesagt: Lass uns in Ruhe, wir wollen den Ägyptern dienen? Es wäre besser für uns, den Ägyptern zu dienen, als in der Wüste zu sterben.“
Lieber zurück in die Sklaverei! Laß uns in Ruhe mit Gott und Freiheit! Der furchtbaren Vernichtung mußten sie ins Auge sehen. In ihren Herzen und Gedanken stand fest: Wir sind schon so gut wie tot!
Wer will da Mose sein? Doch Mose ist ja nicht in eigener Verantwortung da. Wir wissen nicht, was in ihm vorgegangen ist. Er sagt im Auftrag Gottes: „Fürchtet euch nicht, steht fest und seht zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie niemals wiedersehen. Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.“ – Das Volk Israel hat nicht nur keine eigene Sicherheit, keine sichtbare Garantie, sondern auch noch die Bedrohung vor Augen, und in den Ohren. Wahrscheinlich hat die Erde vor dem Rollen der Kampfwagen unter ihren Füßen gebebt. – Sie haben nur die Zusage Gottes, die sie von Mose hören: „Der HERR wird für euch streiten.“ Sorgt euch nicht, sondern guckt zu! – So wie ihr die Feinde jetzt seht, so seht ihr sie zum letzten Mal. – So sehr wie ihr jetzt schreit und zittert, so sehr werdet ihr stille sein. Wehrlos standen sie da. Sie hatten nur Gott und seine Zusage.
Und das war genug. Gott öffnete seinem Volk einen Weg durch das Meer. Und dasselbe Meer verschlang dann die Heerscharen des Pharao. Weg waren sie.
Diese ganze Erfahrung blieb Israel unverloren. Diese Erfahrung so gut wie tot im Nichts zu sein, und dann wunderbar ins Leben zurückgeholt zu werden, und zu erleben, wie eine Bedrohung ihre Macht verliert – diese Erfahrung mit Gott wurde unverlierbar gerettet in das Lied des Mose:
„Ich will dem HERRN singen, denn er hat eine herrliche Tat getan; Roß und Mann hat er ins Meer gestürzt.
Der HERR ist meine Stärke und mein Lobgesang
und ist mein Heil.
Das ist mein Gott, ich will ihn preisen,
er ist meines Vaters Gott, ich will ihn erheben.“
Damit wird ein für allemal bekannt und festgehalten – man könnte mit der heutigen Mediensprache sagen: „geframed“ – Das hat Gott getan! Er hat uns damit gemeint! Gott tut, was er sagt!
Schon vorher hatte Mose dem Volk Gottes Gebot gegeben: Ihr sollt diese Befreiung feiern. Das Passafest. An diesem Fest war jeder Israelit dazu berufen, fest zu glauben und nach zu erleben: Ich gehöre zu denen, die ausgeliefert und hilflos am Meer standen, und auf die die Übermacht des Pharao unaufhaltsam zurollte. Ich gehöre zu denen, die Gott gerettet hat. Ich gehöre zu denen Gott sagt: Ich will, daß du lebst. Ich bin dein Gott.
Jesus hat dieses Fest gefeiert. Er ist an diesem Tag gekreuzigt worden – und in der Passazeit ist er aus dem Grab, nachdem die ganze Übermacht des Todes sich an ihm ausgetobt hatte, und gezeigt hatte, was Vernichtung ist, er ist in der Passazeit aus dem Grab von den Toten auferstanden.
Darum hat die Christenheit von Anfang an gesagt: Die Auferstehung Jesu ist unser Passa. Jesus hat für uns gegen die Mächte, die uns vor Gott auslöschen wollen, und Gott bei uns auslöschen wollen, bekämpft. Christus ist unser Mose, Christus ist unser Engel, der zwischen uns und den Tod eintritt. Am Kreuz hat er den Angriff des Todes und des Bösen auf sich genommen, damit er uns nicht trifft und umbringt.
Seine Auferstehung ist unser Weg durch das Meer. Mit seiner Auferstehung können wir durch das durchgehen, was uns sonst verschlungen und weggespült hätte, das Meer des Todes. Und seine Auferstehung ist wie das Meer, daß die Macht des Todes für uns weggespült hat.
Durch die Taufe haben wir ein Wasser, das die Macht des Todes von uns abwäscht und den Angriff des Bösen wegspült.
„Wir haben unser Passalamm: Christus!“ , sagt Paulus den Christen in Korinth. (1. Korinther 5, 7).
Israels Erfahrung mit dem rettenden Gott, die im Lied des Mose und im Passafest aufbewahrt war, hat Jesus selbst in sich aufgenommen und und ein Passa oder Ostern eröffnet.
Ein Kirchenlied besingt das:
Heut gehen wir aus Ägyptenland – damit ist der Machtbereich des Todes und der Sünde gemeint –
aus des Pharao Dienst und Band – wir sind nicht mehr gebunden und festgelegt durch unsere Schuld –
und das rechte Osterlämmelein –das ist der Auferstandene Jesus Christus-
essen wir heut im Brot und Wein. – Das ist das Sakrament des Altars.
(Nicolaus Herman: Erschienen ist der herrlich Tag, V. 10; 1560)
Wir werden unsere Sprache nicht willkürlich ändern – wir werden weiter „Frohe Ostern!“ sagen.
Aber wir wissen: Es ist Frohes Passa! Frohe ewige Rettung und Freiheit.
Amen

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: . Die Evangelische Kirchenfahne weht über dem Eingang der Kirche.© Stefan Schlechter

Osternacht

Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen.

Der HERR ist auferstanden –
Er ist wahrhaftig auferstanden!
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen

Als aber der Sabbat vorüber war und der erste Tag der Woche anbrach, kamen Maria von Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Und siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot. Aber der Engel sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, dass ihr Jesus, den Gekreuzigten, sucht. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht die Stätte, wo er gelegen hat; und geht eilends hin und sagt seinen Jüngern, dass er auferstanden ist von den Toten. Und siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen. Siehe, ich habe es euch gesagt. Und sie gingen eilends weg vom Grab mit Furcht und großer Freude und liefen, um es seinen Jüngern zu verkündigen. Und siehe, da begegnete ihnen Jesus und sprach: Seid gegrüßt! Und sie traten zu ihm und umfassten seine Füße und fielen vor ihm nieder. Da sprach Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: Dort werden sie mich sehen.

Matthäus 28, 1-10

Lieber Herr und Heiland, der Du dem Tod die Macht genommen hast, bring uns unvergängliches Leben durch Dein Evangelium. Amen.

Liebe Gemeinde!

„Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?“ – fragt Engel die heiligen Frauen.
Eine allmächtige Frage!
Diese Frauen sind mit ihren Füßen bei den Toten – denn sie gehen zum Grab, dem Endpunkt.
Diese Frauen sind mit ihren Händen bei den Toten – denn sie tragen Gefäße, mit Ölen und Kräutern, als letztes Zeichen der Liebe und der Verehrung.
Mit ihren Herzen und Gedanken sind sie bei den Toten – denn sie gehen ja zum Friedhof, zu den Gräbern, zum Grab, erfüllt mit dem Schmerz und dem Gedanken des Endes, des unwiderruflichen Endes.
Der Auferstandene läßt es zu, daß sie diese Erfahrung machen. Sie sollen den Lebendigen bei den Toten suchen; dann werden sie dem Auferstandenen begegnen. Bei den Toten sollen sie sehen und erleben, daß der Tod überwunden ist. Es soll keine theoretische Aussage sein, kein zweideutiges Bild, etwas, was man auch anders verstehen könnte.
Ein leeres Grab ist ein leeres Grab, ein Engel Gottes der sagt: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden!“ Dann haben sie ihn gesehen und erkannt.
Sie sind zu den Toten gegangen. Doch damit ist etwas entscheidendes noch nicht gesagt.
Sie sind zu dem Verdammten, dem Verurteilten gegangen.
Denn Jesus war ja nicht an einer Krankheit gestorben, oder an einem Unfall; auch nicht an Altersschwäche.
Die Frauen sind nicht gekommen, eine unheilbare Krankheit zu beklagen. Jesus hatte sie vor den Augen der Welt besiegt mit wunderbaren Heilungen.
Die Frauen sind auch nicht gekommen, dämonische Zerstörung oder einen schaurigen Schicksalsschlag zu beklagen. Jesus ist nicht von einem geistesgestörten Menschen ermordet worden – Jesus war Herr über die Mächte der Finsternis, er gebot über sie.
Die Frauen beklagen auch nicht die gnadenlosen Gewalten der Natur, denn Jesus ist nicht abgestürzt oder ertrunken. Er hatte den Sturm auf dem See zum Schweigen gebracht.
Auch der Hunger oder irgendein Mangel hatte Jesus nicht von den Frauen genommen. Hatte er nicht gesagt: „Meine Speise ist, daß ich tu den Willen des, der mich gesandt hat und vollende sein Werk“? (Johannes 4, 34). Auch die Gnadenlosigkeit des Hungers und aller Entbehrung beklagen die Frauen nicht, als sie zum Grab gehen, zu den Toten.
Auf alle diese Mächte hatte Jesus eine Antwort . Mit einem Machtwort, oder selbst mit dem Saum seines Gewandes (Matthäus 14, 36) konnte er seine Macht ausüben. Ja, auch Tote auferwecken.
Jesus ist einen Tod gestorben. Und das ist der Tod eines Verurteilten, Verdammten, ja Verfluchten. „Verflucht ist jeder, der am Holz hängt“, heißt es im Gesetz des Mose (5. Mose 21,23); der Apostel Paulus zitiert das Wort und zeigt auf Christus (Galater 3, 13). Zwei der höchsten Instanzen haben ihn verurteilt: Der Hohe Rat Israels, das höchste religiöse Gericht, und Pilatus im Namen des höchsten weltlichen Gerichts, des kaiserlichen Roms. Und das Volk, die Mehrheit, hatte energisch zugestimmt. – Jesu Kreuz war als Vollstreckung dieses schweren Urteils ein notwendiger Tod. Ein Urteil lautet ja: Das muß geschehen! Dieser hat den Tod verdient, also muß er sterben. In den Augen des Hohen Rats, des Pilatus, aber auch des Volkes war der Tod ein gerechter, ein verdienter Tod. „Der Tod ist der Sünde Sold,“ sagt der Apostel Paulus. Alle Schuld hat Tod in sich. Und bei einem Todesurteil über ein schuldiges Leben wird das offenbar.
Einen solchen Tod hat Jesus erlitten; einen solchen, und keinen anderen. Und Jesus hat diesen Tod, diesen verfluchten Tod auf sich genommen. Den Tod, der der Ausdruck des Rechts ist.
Aus diesem Tod ist Jesus auferstanden. Diesen notwendigen Tod hat er nicht durch ein Machtwort oder ein Wunder besiegt, sondern durchs Erleiden. Er hat diesen Tod bewußt und freiwillig auf sich genommen.
Die Frauen gehen zum Grab und wollen den Toten aufsuchen – sie dorthin, wo der Tod seine ganze Macht, seine Notwendigkeit bewiesen hat.
Darum feiern wir heute nacht nicht einen Teil- oder Etappensieg, sondern eine vollständige, endgültige Überwindung des Todes. Denn mehr als den Fluch und der rechtmäßigen Notwendigkeit kann der Tod nicht zu bieten.
Paulus sagt das so: „Was Christus gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott.“ (Römer 6, 10). Mit anderen Worten: „Christus, von den Toten erweckt, stirbt hinfort nicht – der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen.“ (Römer 6, 9).
Die Auferstehung Jesu setzt dem Tod eine ewige Grenze. Über diese eine Person hat der Tod sein Recht für alle Zeiten verloren.
Die Frauen gehen zum Grab, der Stätte der Todsicherheit, der Endgültigkeit und erleben nun: Nein. Dieser eine Tod mußte NICHT sein. Die Soldaten hatten nicht recht; Pilatus hatte nicht recht, der Hohe Rat hatte nicht recht, das Urteil war Unrecht. Diesem Jesus von Nazareth ist nicht recht geschehen.
Im Gegenteil: Er hat nun für alle Ewigkeit recht, und der Tod hat Unrecht. Jesu Auferstehung ist also so etwas wie ein Freispruch, eine Rechtfertigung. Ihm wurde maximales Unrecht angelastet, doch nun wird ihm maximales Recht zugesprochen.
„Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?“ – Das müssen wir als maximal verstehen: „Was sucht ihr den, mit dem allermeisten Recht auf Leben bei denen, die am allermeisten den Tod verdient haben?“ – „Was sucht ihr den, der das Recht auf Leben verteilen kann, hier, wo alle liegen, die den Tod verdient haben?“
Wir merken: Die Frauen wollen ihrem geliebten Herrn ein letztes Liebeszeichen geben – und damit eigentlich bestätigen, daß der Tod ihnen endgültig dieses Leben weggenommen hat.
Das suchen sie.
Aber was finden sie? Sie finden nicht nur einen verlorenen, geliebten Menschen wieder – sondern sie finden viel mehr: Sie finden den, der nicht nur lebt, sondern auch Leben, ja unverlierbares Lebensrecht geben kann.
Paulus sagt das so: „Christus ist um unserer Sünde willen dahin gegeben, und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt.“ (Römer 4, 25). Christus ist auferstanden, um Lebensrecht gegen das Todesurteil zu schenken.
Bei jeder anderen Todesart wäre es fraglich gewesen, was die Auferstehung für uns sein könnte. Eine Sensation, aber für uns unerreichbar.
Doch diese Überwindung des Todesurteils im Namen des göttlichen und weltlichen Gesetzes hat unendliche Bedeutung für alle, die auch unter dem Gesetz sind, und über denen eine Verurteilung des Gesetzes schwebt. – Mit anderen Worten, diese Auferstehung dieses Toten geht alle Sünder etwas an.
Alle, die erkennen, daß das Gesetz Gottes etwas gegen sie in der Hand hat, die sollen mit den Frauen zum Grab laufen, und dann sagt der Engel nicht mehr: „Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?“ – Sondern dann heißt es: „Kommt her, ihr Todgeweihten, und werdet lebendig mit diesem Auferstandenen, findet das Leben im Namen Jesu!“
Nun sind die Frauen mit ihren Füßen, mit ihren Händen, Herzen und Gedanken nicht mehr beim Tod, sondern
„sie gehen eilend zu Grab hinaus mit Furcht und großer Freude“, ihre Füße, Hände, Herzen und Gedanken sind nun beim Lebendigen, und sind getragen vom Leben und bringen Leben. „Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, daß sie nach Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.“ (Matthäus 28, 10).
Nach dieser Begegnung sind die Frauen wirklich heilig: Sie sind gesegnet mit Kraft gegen den Fluch, gegen das Todesurteil und gegen den Tod selbst.
Die Auferstehung ist das Fest des Lebens – des wieder geschenkten Lebens. Und damit ist es das Fest der Vergebung. Denn Vergebung ist ja nichts anders als: Das Todesurteil wird nicht vollstreckt.
Wir kommen also dem Auferstandenen am nächsten, wo wir in seinem Namen Vergebung bekommen. Vergebung nimmt dem Tod die Macht. Und der Tod hat Macht dort, wo Sünde ist (1. Korinther 15, 56). Ostern macht Vergebung möglich; und Vergebung im Namen des Auferstandenen ist ausgeteiltes Ostern. Unser Gesang weiß das: „ Das ist die rechte Osterbeute, der wir teilhaftig werden: Friede, Freude, Heil, GERECHTIGKEIT (das Ergebnis von Vergebung) im Himmel und auf Erden. Hier sind wir still und leben fort bis unser Leib wird ähnlich dort Christi verklärtem Leibe.“ Auferstehungsleiber werden Leiber sein, die hier die Vergebung bekommen haben.

Beitragsbild: Altar am Ende der Osternacht. © Lioba Fenske

Karfreitag

Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.

Das Lamm, das geschlachtet ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum
und Weisheit und Stärke
und Ehe und Preis und Lob.
Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Amen.

13 Siehe, meinem Knecht wird’s gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.
14 Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt häßlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder,
15 so wird er viele Heiden besprengen, daß auch Könige werden ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn denen nichts davon verkündet ist, die werden es nun sehen, und die nichts davon gehört haben, die werden es merken.
53, 1 Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart?
2 Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.
3 Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.
4 Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.
5 Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.
Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
6 Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.
7 Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.
8 Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war.
9 Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.
10 So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Wenn er
sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen.
11 Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden.
12 Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben, dafür daß er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.

Jesaja 52 und 53

Christe, Du Lamm Gottes, der Du trägst die Sünd‘ der Welt, erbarm Dich unser! Amen.

Liebe Gemeinde!

„Christus ist zu öffentlich gestorben ….“ notiert der spätere Literaturnobelpreisträger Elias Canetti im September 1942.
Zu öffentlich. Man kann ihn also nicht mehr wegdenken oder verbergen. Es ist unmöglich, Ihn und Seine Wirkung aus dem Weltgeschehen herauszuziehen. Eine Welt, in der Jesus nicht erschienen und gekreuzigt worden wäre, ist nicht vorstellbar.
Selbst die Unterhaltungsindustrie, die mit großem Aufwand das Bild einer Welt ohne Gott propagiert, kommt nicht umhin, Christen vorkommen zu lassen, wenn auch oft als Karikatur.
„Stat crux dum volvitur orbis“ – Das Kreuz steht, die Welt dreht. – Solange, oder auch während. –
„Zu öffentlich …“ Der Hohe Rat des Volkes Israel, der den Tod beschlossen hatte, wollte das Fest vermeiden – die Öffentlichkeit wäre zu groß gewesen, und wer weiß, wie die Masse reagiert? Man wollte Unruhe vermeiden. Auch der Verräter Judas hatte sich vorgenommen, Jesus „ohne Aufsehen“ zu verraten.
Es kam anders: Jesus wurde während des Passafestes, als die Stadt randvoll von Gästen aus aller Welt war, draußen vor der Stadt, wo jeder sehen konnte, was da passierte. Und alle Welt konnte lesen, wer da hing: „Jesus von Nazareth, der Juden König“. In hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. (Johannes 19, 19-20). Sprachen, die von Spanien bis Persien, von Britannien bis Ägypten verstanden wurden. – Jetzt wußten es alle: Der König der Juden wurde gekreuzigt. Die Hohenpriester kommen in alle Ewigkeit zu spät zu Pilatus. Er nimmt es nicht zurück; die Welt soll es wissen: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“ (Johannes 19, 22).
„Zu öffentlich …“ In der Hauptstadt Israels, wo Juden aus aller Welt zusammenkamen; unter Pontius Pilatus, dem direkten Repräsentanten des damaligen Weltreichs Rom. Rom und Israel – beide hatten hochentwickelte Informationsnetzwerke und Archive. Beide waren auf ihre Weise Fanatiker der Klarheit, der Deutlichkeit, der Eindeutigkeit. In dieser grellen, überhellen Öffentlichkeit wurde Jesus gekreuzigt. Jeder konnte und kann es wissen. Auch wenn man es nicht mag, oder sich drüber ärgert: Jesus ist zu öffentlich gekreuzigt worden.
Gott wollte es so. Gott will, daß die Menschen das sehen und wissen. Menschen allein könnten diese einmalige Öffentlichkeit nicht schaffen, und auch nicht über bald 2000 Jahre ungebrochen aufrechthalten.
Die Weissagung des Jesaja zeigt uns das.
Gott spricht von seinem Knecht: „Ihm wird es gelingen“ – er wird alles richtig machen. Nicht für sich selbst, sondern als Knecht Gottes wird er seinen Auftrag restlos und vollständig erfüllen. Alles wird stimmen. Kein Mensch wird einen Fehler finden können, egal, wie groß die Öffentlichkeit ist.
„Er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein.“ – Er wird allen sichtbar sein, kein Wort, keine Tat wird verborgen sein. Alles kann überprüft werden. Er wurde ans Kreuz erhöht vor den Augen der Welt. Doch „Gott hat ihm auch einen Namen gegeben, der über alle Namen ist.“ (Philipper 2, 9) Andere Namen waren groß und sind heute vergessen. Das muß jeder zugeben.
„Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt häßlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder“ – man alles getan, ihn vor den Augen der Welt zu diskreditieren, zu denunzieren, zu canceln, zu widerlegen. Das Bild des leidenden Knechtes war und ist nicht anziehend, es erfüllt unsere Ideale nicht. Man muß erschrecken, sich abwenden.
„So wird er viele Heiden besprengen, daß auch Könige werden ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn denen nichts davon verkündet ist, die werden es nun sehen, und die nichts davon gehört haben, die werden es merken.“ – Trotzdem ist es nicht aufzuhalten, daß Menschen davon angesprochen, ja angezogen, werden. Die Mission kann davon erzählen. Menschen, die nie mit Jesus zu tun hatten, werden von ihm angezogen, träumen von ihm. Sein Bild läßt sie nicht los. Nicht nur Loser, sondern auch Könige haben, und werden vor ihm schweigen, weil sie überwältigt sind von seinem Leiden, und seinem Gehorsam und seiner Liebe. Von dem Kreuz, dem Bild der Ohnmacht, geht eine Macht aus. Auch Menschen, „denen nichts davon verkündet ist, die werden es nun sehen, und die nichts davon gehört haben, die werden es merken.“ Das tut Gott allein. Wie sollen Menschen das erreichen oder erzwingen?
Der Prophet Jesaja spricht davon: Menschenworte allein sind nicht in der Lage, den Glauben zu schaffen:
„Wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart?“ – Wer merkt, daß Gott da am Werk ist? Wie soll ein Mensch darauf kommen, daß solch schändliches Leiden für irgendwas gut sein kann? Wer glaubt der Predigt über ihn? Nicht jeder! Menschen können den Glauben an den Gekreuzigten nicht schaffen; diesen Glauben jedenfalls nicht!
„Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte.
Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.“ –
Man sah es ihm nicht an, was er war. Seine Familie war arm und bescheiden. Ohne Glauben ist bei ihm nichts zu holen. Er macht nicht reich, er bietet keine Beteiligung an Macht oder Geschäft. Im Gegenteil! Nur wer an ihn glaubt, hat etwas von ihm. Die anderen ignorieren ihn. Wer Macht und Reichtum begehrt, kann ihn nur verachten.
„Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.“
Doch wir sollen nicht nach dem Augenschein urteilen. Wir sollen hören. Sonst weiß kein Mensch, was da los ist. Hat Gott diese große Weltöffentlichkeit herbeigeführt, um etwas zu zeigen, was die Menschheit sowieso schon kennt: Leiden und Unrecht? – Nein! Die Predigt schafft eine neue Gemeinschaft der Hörer: Es geht um uns. Er trug unsere Krankheit. Die Menschheit denkt: Wenn er es leiden mußte, hat er es wohl verdient. Gott hat ihn geschlagen. Doch wir hören von Jesaja:
„Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.
Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“
Die Wunden sind nicht sein Ende, sondern unser Anfang. Nicht sein Unglück, sondern unsere Chance. Darum leidet der Knecht so öffentlich: Alle sollen es wissen. Er tut es für sie, für uns.
„Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn.“
Die Menschen glauben fest, daß sie ihrer Schuld entfliehen können. Daß Gras darüber wachsen kann. Daß man sich aus allem herausreden könnte. Wir laufen irgendwo hin, wo wir meinen, daß wir vor der Anklage der 10 Gebote sicher sind. Jeder sieht, wo er bleibt. Doch der Knecht Gottes hält stille, er weicht nicht aus. Darum trifft es ihn. Weil er sich fangen läßt, „wirft der HERR unser aller Sünde auf ihn.“ Er kriegt die Rechnung von allen und bezahlt.
„Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf.“
Er tut es ohne Protest. Das mußten auf Golgatha sogar seine Folterer zugeben: Der Hauptmann, und die Soldaten sagten: „Dies war ein Gerechter, der Sohn Gottes.“ (Lukas 23, 47; Matthäus 27, 54). Jesus wird nicht dazu gezwungen, sondern es ist Liebe. Die ganze Welt kann und soll es wissen. Was die Worte des Jesaja über 500 Jahre vorher angekündigt haben, das haben die Augenzeugen auch gesehen und bezeugt. Die Welt soll es wissen: Hier am Kreuz ist die Liebe größer. Sie muß sehr groß sein, wenn sie größer ist, als das Unrecht und das Leiden.
„Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war. Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist.“
Sein Tod war nur Leiden und Schmach und Schande. In den Augen der Welt war er ein Widerlegter, ein Schuldiger, ein Verdammter, den man vergessen konnte. Mit den Verbrechern und Bösewichten sollte sein Name vergessen werden, sein Andenken ausgelöscht werden. – Doch wem hat er geschadet? Wen hat er betrogen?
„So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Wenn er
sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen.“
Die Worte des Propheten offenbaren allen, die es hören: Hier hat Gott gehandelt. Nicht Pilatus, nicht die Soldaten, sondern der HERR, der Dreieinige Gott wollte das. Darauf kann kein Mensch von sich aus kommen.
Doch der Knecht geht den Weg im Blick auf eine große Zukunft. Er wird Anhänger haben, und Gott selbst wird ihm diese Anhänger verschaffen. Genau so wenig, wie der Gekreuzigte wegzudenken ist, so kann man die Christenheit, die Kirche auch nicht aus der Welt abziehen. Sie ist zu öffentlich, zu sehr da. Das ist der Plan des HERRN. Die erste Verbreitung durchs römische Reich geschah ohne Waffen und ohne Geld. Unter Verfolgung und Verleumdung. Aber die Kirche wuchs.
„Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden.“
Es war vor allem ein seelisches Leiden. Eine Schmach, eine Enttäuschung, Einsamkeit, Demütigung, Verspottung.
Doch der Knecht wir das Licht schauen und die Fülle haben. Jesus ist aus all diesem Leiden auferstanden. Gott hat ihm alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben.
Und wer das alles erkennt, der kommt bei Gott gut an. So schafft der Knecht Gottes vielen Gerechtigkeit. Denn wer das erkennt, der erkennt auch, daß sicher nicht auf Jesu Seite gewesen wäre. Auch an mir hat Jesus zu tragen.
„Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben, dafür daß er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und für die Übeltäter gebeten.“
Hunderte Millionen haben unter dem Kreuz ihre Herzen geöffnet, sind zum Nachdenken gekommen, haben neu nach Gott gefragt und Trost gefunden. Das ist schon passiert. Gott hat sie Seinem Sohn zur Beute gegeben, gerade auch die Starken, die scheinbar niemanden brauchen, haben sich zu ihm bekannt und bekennen sich zu ihm. Und er hat für die Übeltäter gebeten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23,34).
Diese Worte des Jesajas, über 500 Jahre vor Christus gesprochen, schaffen eine Öffentlichkeit, die noch größer ist. Denn das können Menschen nicht schaffen. Das ist eine göttliche Sache. Wenn wir Jesaja hören, und Jesus am Kreuz vor uns haben, dann begegnen wir Gott. Die Öffentlichkeit ist so groß, daß wir ihr nicht ausweichen können. Warum auch?
Vielleicht hat der Autor deshalb geschrieben: Christus sei „ZU öffentlich gestorben,“ weil er Gott lieber nicht begegnen wollte. Damit hat er zugegeben, daß Gott im Kreuz da war und da ist.
Amen.

Beitragsbild: Von Rogier van der Weyden – Web Gallery of Art:   Abbild  Info about artwork (WGA has given permission for use of images on Wikipedia.), Gemeinfrei

Gründonnerstag

Aber am ersten Tage der Ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wo willst du, daß wir dir das Passalamm zum Essen bereiten?

Das Lamm, das gewürget ist,
ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum,
und Weisheit und Stärke
und Ehre und Preis und Ruhm.
Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

17 Aber am ersten Tage der Ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wo willst du, daß wir dir das Passalamm zum Essen bereiten?
18 Er sprach: Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister läßt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passa feiern mit meinen Jüngern.
19 Und die Jünger taten, wie ihnen Jesus befohlen hatte, und bereiteten das Passalamm.
20 Und am Abend setzte er sich zu Tisch mit den Zwölfen.
21 Und als sie aßen, sprach er: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch wird mich verraten.
22 Und sie wurden sehr betrübt und fingen an, jeder einzeln, ihn zu fragen: Herr, bin ich’s?
23 Er antwortete und sprach: Der die Hand mit mir in die Schüssel taucht, der wird mich verraten.
24 Der Menschensohn geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird! Es wäre für diesen Menschen besser, wenn er nie geboren wäre.
25 Da antwortete Judas, der ihn verriet, und sprach: Bin ich’s, Rabbi? Er sprach zu ihm: Du sagst es.
26 Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib.
27 Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus;
28 das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
29 Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich von Neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich.
30 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.

Matthäus 26, 17-30

Lieber Gott, segne Du nun Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

„Dies ist das Blut des Bundes“ – in der Liturgie wird dasselbe gesagt mit den Worten: „Dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blut“. Jedes Wort ist nicht neu, es ist alt, uralt, aus dem Alten Testament. Denn wo kein Altes ist, da wird man das Neue nicht erkennen. Ohne das Alte Testament gibt es das Neue Testament nicht, das Neue daran wäre uns verborgen. Und auf das Neue kommt es unbedingt an!
Das Blut des Alten Bundes war das Blut eines Tiers. Als Gott auf dem Berg Sinai die 10 Gebote und andere Gesetze Mose offenbart hatte, stimmte das Volk Israel dem Gesetz zu, und zur Versiegelung wurden junge Stiere geopfert. Die Hälfte des Bluts wurde an den Altar gesprengt, mit der anderen Hälfte besprengte Mose das Volk Israel und sprach: „Seht, das ist das Blut des Bundes, das der HERR mit euch geschlossen hat auf Grund aller dieser Worte.“ (2. Mose 24, 8). Das Blut des Opfers stand für das hingegebene Leben, für höchste Verbindlichkeit. Vergossenes Blut kann nicht zurückgenommen werden. Ein Opfer kann nicht rückgängig gemacht werden.
Es war der Bund zwischen Gott und Seinem Volk Israel, die Grundlage des gemeinsamen Wegs. Die Bedingung war klar: Haltet das Gesetz, und Gott segnet euch; wenn ihr es übertretet, dann folgt Strafe. In diesen Bund war Jesus bei seiner Beschneidung eingetreten.
Israel konnte den Bund nicht halten. Direkt nach dem Bundesschluß hören wir von Goldenen Kalb, einem Götzenbild, das Israel sich machte, und den Bund mit Gott brach. (2. Mose 32). Die Strafe Gottes war streng. So sah es der Bund vor. Und das war dann der Weg Gottes mit seinem Volk im Alten Testament. Ein schwerer, harter Weg. Bis wir von dem Propheten Jeremia eine neue Hoffnung hören: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloß, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR.“ (Jeremia 31, 31-32). Schon im Alten Testament war also klar, daß das Alte Testament alt sein wird, ja durch menschliches Versagen schon alt ist. Israel wartete auf diesen Neuen Bund, den Gott mit ihm schließen würde.
Weil Jesus 100% ans Alte angeknüpft hat, konnte Er das Neue
bringen. Das Alte konnte Ihm nichts mehr anhaben, nichts
mehr von Ihm verlangen, nichts mehr einklagen, nichts mehr
fordern. Jesus ist der Mann, der mit der Geschichte abschließt.
Er ist der Mann, der der Vergangenheit gerecht wurde. Jesus ist
der Mann, der dafür garantiert, daß sich die
Vergangenheit nicht mehr wiederholt in einer ewigen
Wiederkehr des Gleichen. Jesus ist der wirklich neue Mensch,
der ganz und gar nicht von der Vergangenheit festgelegt ist. So
sehr, daß er überhaupt nicht gegen die Vergangenheit rebelliert,
er muß sich nicht einmal von der Vergangenheit lossagen. Im
Gegenteil: Jesus nimmt die ganze Essenz, das Göttliche und
Wesentliche der Geschichte in sich auf und einen neuen Anfang:
Das Neue Testament.
Wir sind in diesem Neuen Bund. Was das Sakrament des Leibes und Blutes unseres HERRN Jesus Christus in uns schafft, ist nicht
mehr der Vergangenheit unterworfen. Nichts aus der
Vergangenheit kann uns mehr einholen und vor Gott anklagen
oder in Frage stellen. Keine Zukunft wird es überholen. Die
heutige Nacht ruft uns, daß mit aller Macht zu glauben und uns
darauf felsenfest zu verlassen.
Jesus feiert mit seinen Jüngern das Passafest. Das
Gedächtnis der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Sklaverei ist ein Zustand ohne Zukunft, ohne Hoffnung. Dein Leben gehört dir nicht. Es gehört dem Pharao. Gott hat Israel aus dieser Hölle befreit. In der Passanacht fing Israels Zukunft und Hoffnung an. Mit dem Essen der ungesäuerten Brote und des Passalamms nahmen sie diese Zukunft in sich auf. Das war so, weil Gott es so geboten hatte. Sie konnten sich nicht selbst befreien. Gott war ihre Freiheit. – Das war das Thema des Passafestes. Wer Israelit war, feierte es mit. Durch dieses Fest gehörte man zu denen, die Gott aus der Tyrannei ohne Hoffnung herausführte in die Zukunft. Dabei wurde auch das Passalamm gegessen. Das Lamm wurde im Tempel in Jerusalem geschlachtet, sein Blut wurde auf den Altar im Tempel gesprengt, und dann wurde es zuhause gebraten und nach einer vorgeschriebenen Ordnung in einer feierlichen Mahlzeit gegessen. Die Jerusalemer waren verpflichtet, Juden von außerhalb Räume für dieses wichtige Fest zur Verfügung zu stellen. Das paßt alles zu dem, was Matthäus uns berichtet. Ähnlich wie den Esel für den Einzug am Palmsonntag, so leiht Jesus den Saal. Seine Jünger gehen los, und finden alles, wie Jesus es gesagt hat.
Jesus fügt sich ganz in dieses Alte ein. Genau wie bei seiner Taufe begibt er sich dorthin, wohin Gott die Unfreien ruft, um den Himmel über sie zu öffnen, und sie aus der Vergangenheit zu lösen, die sie gefangenhält, und sie zu Seinen Kindern macht. Jesus war nicht unfrei, unter einer fremden Macht. Trotzdem erfüllt er das Gesetz. Er ist da, wo Sein himmlischer Vater ihn haben will, und er tut, was der Wille des Vaters ist.
Bei diesem Fest der Befreiung offenbart sich die traurige Wahrheit, daß alle Menschen unfrei sind. Judas wird von seiner Geldgier geknechtet, die macht ihn zum Verräter. Die Jünger werden alle untreu, sie sind feige. Von den Hohenpriestern, Pilatus ganz zu schweigen. Jesus fügt sich in das Alte ein, was das Alte alt macht: Nämlich in unsere Schuld. Schuld, das ist die Vergangenheit, die uns bindet, aufzehrt – die Fehler, die ihr Recht fordern; Irrtümer, die den Segen verfehlen, die Liebe zerstören; Lügen, die Sprache verderben, . . . das ganze Elend, das im Tod endet, wo dann alles alt ist. Das ist die Nacht des Verrats, des Verrats am Leben, an der Wahrheit, an Gott und Seinen Gaben, der alles verdirbt und seinen Glanz auslöscht und alt werden läßt. Die finstere Nacht, in der auch unser Herr Jesus Christus verraten ward.
Es ist die Stunde des Neuen Testaments. Jesus geht in diese Nacht hinein, um die Freiheit des ersten Passa zu retten. Gott, der so frei war, sein Volk gegen alle Widerstande aus der totalitären Macht des Pharao zu befreien, Gott ist jetzt so frei, Seinen Sohn in die Nacht des Verrats zu senden, um einen Neuen Bund zu schließen. Der Neue Bund wird auch sein Blut haben, zu Versiegelung allerhöchster Verbindlichkeit.
Doch das Blut des Neuen Testaments ist nicht das Blut eines unvernünftigen Tiers, das nicht weiß, wie ihm geschieht, das unfreiwillig sein Leben läßt. Es ist das Blut eines Menschen. Das Blut eines Menschen, der sich bewußt, freiwillig, gehorsam und in Liebe hingibt. Das Blut des Sohnes Gottes. Das legt der Sohn Gottes selbst fest. Er sagt: „DAS IST MEIN BLUT“. Wir wissen, warum er in dieser Nacht von Seinem Blut sprechen kann – es ist das Blut, das am nächsten Tag am Kreuz fließen wird. Alle Mächte der Nacht des Verrats werden sich vereinigen, und sich an dem Leib und der Seele Jesu austoben, und Sein Blut wird fließen. Es wird aber als Blut des Neuen Testaments fließen. Ein Blut, das nicht anklagen wird, wie alles andere Blut, angefangen mit dem Blut Abels, das sein Bruder Kain vergossen hatte, und das anklagend zum Himmel schrie (1. Mose 4, 10). Dieses Blut „redet besser“ als Abels Blut (Hebräer 12, 24). Es läßt das Alte alt werden und vergehen; es läßt die Anklage verstummen, die Gnade sprechen; dieses Blut läßt das Neue kommen, das von keiner Vergangenheit eingeholt werden wird, sondern neu bleibt, bis Gott spricht: „Siehe, ich mache alles neu.“ (Offenbarung 21, 5).
Liebe Gemeinde! Wir sind eingeladen an diesen Tisch des Neuen Testaments. Jesus hat es so verfügt und festgelegt, daß Seine Jünger Seinen Leib essen sollen, den Er als ein Opfer hingegeben hat, und Sein Blut trinken, daß er zur Vergebung der Sünden vergossen hat. Hier wird aus Altem Neues geschaffen.
Das Alte muß also hergebracht werden. Das Vergangene, was nicht vergehen will, weil es anklagt, belastet, droht. Dahinein hat der Sohn Gottes Seinen Leib gegeben. Diese alte Last soll abgenommen werden. Diese Anklage soll zum Schweigen gebracht werden, diese Vergangenheit vergehen. Darum ist es völlig angemessen, wenn vom Abendmahl die Beichte nicht allzu weit entfernt ist. Beim Arzt spricht man ja auch die Krankheiten, die Symptome an. Symptome des Verrats, der Finsternis. Der Sohn Gottes ist ja schon dort. Er ist ja schon dort, wo unsere Schuld uns in letzter Konsequenz hinbringen wird. Das Lamm Gottes ist bereit und wartet, diese Last wegzutragen. Sie gehört ihm schon. Wir sollen sie ihm geben.
Oder wollen wir allein im Dunkeln damit fertig werden?

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Von Italo-Byzantinischer Meister – The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=153241

5. Passionsandacht

Und die ganze Versammlung stand auf, und sie führten ihn vor Pilatus und fingen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König.

Das Lamm, das erwürget ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum,
und Weisheit und Stärke,
und Ehre und Preis und Ruhm.
Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

1 Und die ganze Versammlung stand auf, und sie führten ihn vor Pilatus 2 und fingen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König. 3 Pilatus aber fragte ihn und sprach: Bist du der Juden König? Er antwortete ihm und sprach: Du sagst es. 4 Pilatus sprach zu den Hohenpriestern und zum Volk: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen. 5 Sie aber wurden noch ungestümer und sprachen: Er wiegelt das Volk auf damit, daß er lehrt hier und dort in ganz Judäa, angefangen von Galiläa bis hierher.
6 Als aber Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mensch aus Galiläa wäre.
7 Und als er vernahm, daß er ein Untertan des Herodes war, sandte er ihn zu Herodes, der in diesen Tagen auch in Jerusalem war. 8 Als aber Herodes Jesus sah, freute er sich sehr; denn er hätte ihn längst gerne gesehen; denn er hatte von ihm gehört und hoffte, er würde ein Zeichen von ihm sehen. 9 Und er fragte ihn viel. Er aber antwortete ihm nichts. 10 Die Hohenpriester aber und Schriftgelehrten standen dabei und verklagten ihn hart. 11 Aber Herodes mit seinen Soldaten verachtete und verspottete ihn, legte ihm ein weißes Gewand an und sandte ihn zurück zu Pilatus.
12 An dem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde; denn vorher waren sie einander feind.
13 Pilatus aber rief die Hohenpriester und die Oberen und das Volk zusammen 14 und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt; und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden, derentwegen ihr ihn anklagt; 15 Herodes auch nicht, denn er hat ihn uns zurückgesandt. Und siehe, er hat nichts getan, was den Tod verdient. 16 Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben. 17 Er mußte ihnen aber zum Fest einen Gefangenen losgeben.
18 Da schrien sie alle miteinander: Hinweg mit diesem, gib uns Barabbas los! 19 Der war wegen eines Aufruhrs, der in der Stadt geschehen war, und wegen eines Mordes ins Gefängnis geworfen worden. 20 Da redete Pilatus abermals auf sie ein, weil er Jesus losgeben wollte. 21 Sie riefen aber: Kreuzige, kreuzige ihn! 22 Er aber sprach zum dritten Mal zu ihnen: Was hat denn dieser Böses getan? Ich habe nichts an ihm gefunden, was den Tod verdient; darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben. 23 Aber sie setzten ihm zu mit großem Geschrei und forderten, daß er gekreuzigt würde. Und ihr Geschrei nahm überhand. 24 Und Pilatus urteilte, daß ihre Bitte erfüllt werde, 25 und ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen.

Lukas 23, 1 – 25

Lieber Gott, segne Du nun Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Jesus tritt seine Macht ja nicht erst zu Ostern oder Himmelfahrt an. Da wird offenbar, was von Anfang an wahr ist.
Die Johannes-Passion von Bach spricht das gleich im Eingangschor aus:
„Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm
in allen Landen herrlich ist.
Zeig uns durch deine Passion,
daß du, der wahre Gottessohn,
zu aller Zeit,
auch in der größten Niedrigkeit,
verherrlicht worden bist.“
Im heutigen Abschnitt der Passionsgeschichte können wir sehen, wie Jesus seine Macht ausübt, über den Hohen Rat, Pilatus und Herodes. Sie alle haben ihn in ihrer Macht, und Jesus läßt ihnen ihre Macht, Jesus macht dem Hohen Rat, dem Pilatus, und auch dem Vierfürsten Herodes, die Macht nicht streitig. Doch Jesus behält seine Eindeutigkeit. Alle anderen verwickeln sich in Widersprüchen. Jesus verwickelt sich in keinen Widerspruch.

  1. Der Hohe Rat – Einerseits stand für ihn fest, daß Jesus
    beseitigt werden mußte. Anderseits war er darauf bedacht, daß alle Regeln des Gerichts beachtet werden. Das ging sogar so weit, daß ihre (falschen Zeugen) keinen schlüssigen Beweis liefern konnten. Erst als Jesus selbst bekennt, daß er der Messias und der Sohn Gottes sei, da war der Fall klar – „Was brauchen wir weiter Zeugnis?“
    Einerseits wollte der Hohe Rat die Todesstrafe für Jesus. Und nach seiner Überzeugung war die Todesstrafe auch rechtens. Andererseits legte er Wert darauf, daß er nicht selbst es vollstreckte, sondern die Römer. Wenn der Hohe Rat das Urteil im Namen Gottes fällte, dann sollte er die Vollstreckung des Urteils auch guten Gewissens wollen. Es ist ein Widerspruch. Die Verurteilung: Ja. Die Hinrichtung : Ja. Aber die Verantwortung für die Hinrichtung: Nein.
    Jesus hatte sich als Messias und Gottessohn bekannt. Damit konnte Pilatus nichts anfangen. Also verklagte der Hohe Rat Jesus als Revolutionär und Terrorist vor Pilatus. Bis dahin hatte Jesus sich nie mit den Römern angelegt. Im Gegenteil: Er hatte öffentlich gelehrt, daß man dem Kaiser geben solle, was des Kaisers ist – also den Römern Steuern zahlen. Er hat den Diener eines römischen Offiziers geheilt, und den Offizier selbst als Vorbild des Glaubens hingestellt (Matthäus 8). Trotzdem stellen sie Jesus als aufrührerischen Gegenkönig vor, der nach der Macht greift, gegen den Kaiser in Rom. – Dabei gehörte die Hoffnung auf den Messias zur Identität Israels. Nun meinen sie, sie können Jesus als Messias bei den Feinden denunzieren – als wäre Messias-Sein ein Verbrechen. – Ein furchtbarer Widerspruch. Im Johannes-Evangelium hören wir dann, wie der Hohe Rat sich völlig von dieser Hoffnung lossagt: „Wir haben keinen König, denn den Kaiser.“ (Johannes 19, 15). Der Hohe Rat meint, er könne das taktisch vor einem Heiden sagen. Aber am Ende kann er es nicht zurücknehmen.
    Ein weiterer Widerspruch: Eben verklagen sie Jesus als einen gefährlichen Revolutionär und Terroristen, aber ohne Beweis; und dann wählen Barabbas zur Amnestie, zur Freilassung aus. Barabbas war ein verurteilter Terrorist. Das war bewiesen. Dessen Freiheit fordert der Hohe Rat, und die Hinrichtung Jesu. Freiheit für den Mörder und Hinrichtung des Heilers.
    Und dann: Einerseits die römische Macht anerkennen, indem man zu Pilatus kommt, und ihm einen vermutlichen Feind Roms ausliefert – und dann Pilatus vorschreiben, wie er zu urteilen hätte.
    Das ist noch nicht alles: Der Hohe Rat beschuldigt Jesus, daß er Volk „aufhetze und aufwiegele“. Niedrige Instinkte bedienen, enthemmen. – Eben ausgesprochen, tun sie genau das. Sie überreden das Volk, um Barabbas zu bitten. Sie enthemmen das Volk, die Kreuzigung zu fordern. Sie wiegeln das Volk auf, Pilatus niederzuschreien.
    Ein Widerspruch nach dem anderen!
  2. Der Vierfürst Herodes. Er war kein Nachkomme Davids. Er
    war kein Jude. Durch Intrige und Kontakte war er unter dem Schutz der Römer an der Macht. Und doch mochten er und Pilatus sich nicht. Er kommt zum Passafest nach Jerusalem. Will er mitfeiern? Will er der Jüdischen Religion seinen Respekt zollen? Nun wird seine Meinung von Pilatus gefragt – Er wird ernstgenommen! Doch ein Urteil gibt er nicht ab. Er hofft, ein Zeichen zu sehen. Also Sensation. Etwas zum angeben und erzählen. Ob Jesus der Messias ist oder nicht, scheint ihn nicht zu interessieren. Sicher spürt sein geübter Machtinstinkt, daß Jesus überhaupt keine Gefahr darstellt. Jesus greift nicht nach der Macht, wie Herodes sie hat. Er läßt Jesus vorführen. Auffällig ist das weiße Kleid, mit dem er Jesus abführen läßt, zurück zu Pilatus. Sollte das Kleid Jesu Unschuld bezeugen? – Im Alten Testament war ein Weißes Kleid (1. Mose 41, 42) das Gewand des Königs – oder auch des Hohenpriesters. Eine große Würde war damit verbunden! – Im Römischen Reich wurden Bewerber auf ein hohes Amt so bekleidet. Wollte Herodes Jesus als Bewerber zum Römer Pilatus schicken? Es ist alles sehr mehrdeutig! – Aber ein diplomatischer Erfolg auf Kosten Jesu: Denn nun ist das Eis zwischen Herodes und Pilatus gebrochen. Sie werden Freunde.
  3. Pilatus: Auch hier zwingt allein die Anwesenheit Jesu
    Pilatus zu krassen Widersprüchen. Pilatus bezeugt wiederholt, daß er keine Schuld an Jesus finde. Unschuldig im Sinne der Anklage. Jesus stellt keine Gefahr für die römische Macht dar. Jeder Versuch, Jesus „loszuwerden“ schlägt fehl. Ihn zu Herodes zu schicken, ist ja auch so ein Versuch, die Zuständigkeit abzugeben, auch das Angebot der Amnestie, der Freilassung. Das alles kann er nur anbieten, weil er als römischer Statthalter die Macht hat. Und doch will er es mit dem jüdischen Volk nicht verderben. Auch er handelt gegen sein klares Urteil, gegen sein Gewissen. Er urteilt, daß ihre Bitte erfüllt würde. Geschrei der Masse als Bitte.
  4. Das Volk. Das Volk hatte Jesus als König mit „Hosianna!“
    begrüßt. Schon früher hatte es ihn zum König ausrufen wollen (Johannes 6, 15). Und dann jetzt das krasse Gegenteil. „Kreuzige!“ –also nicht nur nicht König, sondern Vernichtung.
  5. Jesus verwickelt sich nicht in Widersprüchen. Das kostet ihm
    sein Leben. Und rettet die Wahrheit, die Treue Gottes, der Israel ja nicht nur einen König, sondern auch einen leidenden, heilenden Knecht verheißen hatte: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Jesaja 53.

Jesus wird auch in dir und in mir Widersprüche auslösen. Widersprüche, die vorher da waren, und vor ihm ans Licht kommen. Das ist ein Zeichen seiner Macht. Dann kommt es darauf an, diese Macht als heilsam anzunehmen, und nicht mit Aggression Jesus wegzuschieben. So werde ich die Widersprüche nicht los, sie werden nur größer.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Christus vor Pilatus, Gemälde von Mihály von Munkácsy, 1881, Gemeinfrei

Judika

Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.

Das Lamm, das geschlachtet ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum
und Weisheit und Stärke
und Ehre und Preis und Lob.
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

19 Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt.
20 Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon.
21 Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen!
22 Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch?
23 Ach daß meine Reden aufgeschrieben würden! Ach daß sie aufgezeichnet würden als Inschrift,
24 mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen!
25 Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben.
26 Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.
27 Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

Hiob 19, 19 – 27

HERR, segne Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Hiob. Der Mann des Leidens. Schlag auf Schlag verliert er seine Kinder, seinen Besitz, dann auch noch seine Gesundheit. Schrecklich! Ein Leiden an Leib und Seele. Und was das alles noch zur Hölle macht, ist die Anklage, daß er das Leiden verdient habe. „Selber schuld!“ Das sind vernichtende Worte! – Ob jemand anders sich mir sagt, oder ob ich sie mir selber sage. Genau das mußte Hiob erleiden – drei Freunde kommen zu ihm, um ihn in seinem Unglück zu trösten. Aber in allen ihre Reden schimmert immer wieder durch: „Hiob, du mußt das verdient haben. Gott straft nicht ohne Grund!“ – Doch Hiob schweigt nicht. Er redet. Und solange er redet, ist die Situation noch nicht abgeschlossen – so lange muß er gehört werden.
Doch wer will einen Leidenden hören?

  1. Hiob beschreibt eine erschütternde, bittere Erfahrung:
    „Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt.“ Das Leiden kann einen Menschen sehr leicht isolieren, trennen. Was soll man auch machen? Ich weiß doch, daß der andere nicht fühlt, was ich fühle. Die Sprache versagt. Menschen verlieren die Geduld. Sie wenden sich ab – aus verschiedenen Gründen. Sie wollen nicht daran erinnert werden, daß es ihnen auch so gehen könnte. Sie wissen nicht, wie sie helfen können oder sollen. Sie können es einfach nicht mehr hören oder mit ansehen. Tief in uns steckt auch der Verdacht oder die Angst: Leiden oder das Unglück können ansteckend sein. Da muß man sich fern halten. – Selbst wenn es gut gemeint ist: Eine versteckte Anklage oder Abwendung – der Leidende spürt sie, das Leid ist wie ein Vergrößerungsglas.
    Auch wenn das Leiden zum Leben gehört, bleibt es eine Verlegenheit.
    Muß es denn sein? Warum?
    Doch das Leiden ist da, auch wenn wir es nicht verstehen, auch wenn es keine Antwort gibt. Das Leiden braucht unsere Zustimmung und Einsicht nicht.
  2. „Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und
    nur das nackte Leben brachte ich davon.“ Das nackte Leben – das heißt: Außer Überleben gibt es keine Perspektive. Aber ein Überleben, das nur weiter ein Leiden ist. Wer gesund ist und nicht leidet, nicht belastet ist, der kann mit seinem Leben etwas anfangen, etwas unternehmen, arbeiten, reisen, etwas aufbauen, etwas erkennen, Menschen begegnen. Hier wird eine Erfahrung beschrieben, daß ein Mensch nur noch weiterlebt, sonst nichts. Der Körper läßt mehr nicht zu. Alle Möglichkeiten, am Leben teilzunehmen, schwinden dahin. Man ist abhängig. Wenn niemand kommt, ist man allein und steht vor dem Nichts.
  3. „Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, meine Freunde;
    denn die Hand Gottes hat mich getroffen!“ Dann kommt die Ahnung auf: Gott selbst ist gegen mich. Eine grausige Überzeugung! Wenn Gott gegen mich ist, dann gibt es keine Hilfe. Menschen können dahin kommen, so etwas zu glauben. Alles, was mir passiert auch die kleinste Kleinigkeit, wird zum Beweis dafür, daß Gott gegen mich ist. Und was positiv ist, das ist nur ein Schein, eine Täuschung. – Wie sollen die armen Freunde antworten? – Doch Hiob geht noch weiter:
  4. „Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt
    werden von meinem Fleisch?“ – Was für Worte! „Warum verfolgt ihr mich, wie Gott?“ Auch die Freunde werden zum Beweis dafür, daß Gott gegen Hiob ist. Wie soll ein Freund da antworten? – Diese Worte führen uns an eine Grenze. Es gibt wirklich Grenzen für einander da zu sein. Wer am Bett eines Komakranken war, ahnt das. Es gibt kein Zeichen mehr, daß man den Menschen erreicht. – Ich mußte einmal eine junge Frau beerdigen, die an Drogen gestorben war. Der Vater sagte: „Ich wußte, daß meine Worte sie nicht mehr erreichten; und mußte davon ausgehen, daß ihre Worte nicht mehr wirkliche Sprache waren, auch wenn sie wie Sprache klangen.“ Das ist eine harte unbarmherzige Grenze. Meistens kann diese Grenze nicht ausgesprochen werden. Doch Hiob spricht sie aus. Während seine Freunde mit ihm sprechen, merkt Hiob, wie hilflos sie sind.
  5. „Ach daß meine Reden aufgeschrieben würden! Ach daß
    sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen!“ Wir schwachen Menschen hören das, und wollen es am liebsten schnell wieder vergessen. Wie könnte man mit solchen Worten weiterleben? Sie sind zu schwer! – Mit solchen Worten kann man ja kaum noch sein eigenes Leben weiterleben, wenn man sie ernstnimmt.
    Doch sind sie ja wahr! Sie beschreiben eine Realität und eine Erfahrung von zahllosen, namenlosen, unbeklagten Menschen. Was Hiob sagt, hat sein Recht, auch wenn es uns an unsere Grenzen führt, und uns zeigt, was wir sind: Wir sind Geschöpfe, und nicht Gott. Dieses ganze Leiden beweist uns: Du bist wirklich nicht Gott! Diese Abhängigkeit zeigt uns: Wir sind geschaffen, Gott hat uns gemacht, Gott unser Leben in der Hand. Alles, was wir uns vom Leben erhoffen, alles was schön und gut ist, ist Gottes Gabe. Wir haben Glück und Erfolg, Gesundheit, Freunde, Familie, weil Gott uns diese Gaben schenkt. Dazu gehört auch die Fähigkeit, klug zu handeln. Einigermaßen alltagsfähig zu sein, wie es heißt. Das ist Gottes Gabe. „Was hast du aber, daß du nicht empfangen hast? So du es aber empfangen hast, was rühmst du dich denn, als ob du es nicht empfangen hättest?“ fragt der Apostel Paulus (1. Korinther 4, 7). Wir vergessen das sehr schnell und schätzen uns deshalb falsch ein. Darum will Hiob, daß seine Worte in Stein gemeißelt werden.
  6. Liebe Gemeinde! Glaubt es oder nicht: Dies ist kein
    deprimierender Text! Ja, das könnte man meinen! Daß wir so massiv und deutlich an unsere Grenzen erinnert werden. Das klingt nach Spaßverderben und Entmutigung. Aber nur solange, wie man weiter ohne Gott sein will. Wenn ich merke, daß ich wirklich nicht Gott bin, sondern nur sein Geschöpf, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder will ich dann, daß es überhaupt keinen Gott gibt – wenn schon ich nicht Gott bin, dann bitte niemand! – Oder: Ich fange an, mich wie ein Geschöpf zu verhalten, und wende mich trotz allem aufs Neue Gott zu.
    Hiob tut das Zweite.
    Er sagt: Nur Gott selbst kann mir helfen. Er sagt: „Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.“ Ich weiß, daß mein Erlöser lebt. Ich weiß, daß der da ist, der mich aus diesem Elend herausholen will und kann. Ein Gott, der es in der Hand hat, mich so leiden zu lassen, der hat es auch in der Hand, dieses Leiden zu beenden. – Hiob macht seine ganze Situation zu etwas zwischen ihm und Gott. „Gott“, sagt er, „Gott, nur du kannst es, sonst niemand, wenn jemand, dann Du, Gott!“ – Und er spricht von Gott als einem Erlöser. Das ist jemand, der kommt und einen Sklaven freikauft, oder einen Verschuldeten aus dem Gefängnis freikauft. – „Gott, Du wirst am Ende über dem Staub sein – also, wenn alles zu Staub geworden ist, dann bist du noch da und bist noch Gott. – Und selbst wenn mein Leib ganz kaputt ist – ich werde dich, Gott sehen. – Wie weiß Hiob das? Ist es logisch? Es ist auf jeden Fall ein Wunder, daß Hiob so spricht. Daß Gott der Schöpfer auch der Erlöser ist. Daß der Gott, der Himmel und Erde aus dem Nichts geschaffen hat, auch einen Menschen aus dem Nichts heraus neu machen kann. Es muß ein Gott sein, der das tut.
    Und Hiob sagt: Dieser Gott wird als letzter über dem Staub sein, und das wird der Gott sein, mit dem ich gekämpft habe, der Gott, dem ich mein Herz ausgeschüttet habe. Der Gott, der mich so bitter und schwer hat erfahren lassen, daß ich nur ein Geschöpf bin und kein Gott. Der Gott wird mich an Ende über mir sein, um mich neu zu schaffen.
    Der Gott wird nicht ein anderer Gott sein – und ich, Hiob, werde auch nicht ein anderer sein, denn Hiob sagt weiter:
    „Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.“ Ich, der ich hier mit dem Tod allein bin, und mit allem, was mich fühlen läßt, daß es alternativlos ist, ich werde bei Gott sein, diese meine Augen, diese meine Haut. Bei Gott und mit Gott.
    Hiobs Worte sind festgehalten worden. Sie haben Generationen daran erinnert: Du bist nicht Gott. Das kann weh tun. Das wird weh tun. Aber Hiobs Worte haben vor allem diese Möglichkeit offengehalten und nicht aufgegeben: Du bist nicht Gott, aber du hast einen Gott, der ist ein Erlöser. Und es gibt nichts, aus dem dieser Erlöser dich nicht herausholen wird.
    Hiobs Worte haben den Platz frei gehalten für Jesus Christus. Das ist der Gott, der zuletzt über dem Staub sich erhob – bei seiner Auferstehung von den Toten – das heißt: Jesus ist der Erlöser, der vorher selbst im Staub war. In den kommenden Tagen werden wir Ihn wieder begleiten auf Seinem Weg, wie er an Leib und Seele zu Staub gemacht wurde. Durch das Böse, das Menschen tun. Das hat ihn zu Staub gemacht. Aber diesen Staub hat er jetzt unter sich. Er ist ja Gott. Der Staub ist nicht über Ihn, sondern Er ist über dem Staub, und kann aus Staub Menschen machen. Dazu ist Jesus auf die Erde gekommen. Wenn er gepredigt hat, wenn er böse Geister verjagt hat, wenn er Kranke geheilt hat – dann hat nichts anderes getan, als aus pulverisierten Menschen wieder lebendige Menschen zu machen. Er erhebt sich über den Staub.
    Ein Christ ist ein Mensch der sagt: Jesus, erhebe dich über mich, der ich spüre, wie ich Staub bin. Das passiert auch bei der Taufe: Da sagt ein Mensch: Ich bin nicht Gott, ich bin ein Geschöpf, aber ich habe einen Erlöser. Und in der Taufe sagt Jesus zu dem Menschen: Ich hole ich raus. Das steht fest. Staub ist für mich kein Problem. Ich hab das hinter mir, sagt uns der Auferstandene: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste (bei der Schöpfung) und der Letzte (bei der Auferstehung) und der Lebendige; ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes.“ (Offenbarung 1, 18).
    Diese Worte erheben sich über die Worte Hiobs. Sie gehen auf wie die Sonne über Hiobs Worte.
    Wir wissen nicht, wie Hiob sagen konnte: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“ – aber wir haben den Erlöser vor Augen. Er hat sich gezeigt, er hat mit uns gesprochen und spricht mit uns, er ist vor den Augen der Welt in den Staub gegangen, als er gekreuzigt wurde, und Er ist auferstanden, und spricht: Friede sei mit dir, mein lieber Staub. Ich mache Dich schön.

Beitragsbild: Hiob und seine Freunde: Gemälde von Ilja Jefimowitsch Repin (1869)
Foto: Wikimedia Commons (CC0)

Okuli

Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder
2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.
3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. 4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.
5 Denn das sollt ihr wissen, daß kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
6 Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen.
8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts;
9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Epheser 5, 1-9

HERR, segne Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Wer zu Jesus kommt – zu dem Jesus, wie ihn uns die Apostel und Evangelisten verkündigen – der erlebt Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Wer ehrlich ist, dem leuchtet das sofort ein.
Man lese alle Evangelien: Man wird nicht ein Wort, nicht eine Tat Jesu finden, aus der nicht Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervorleuchten.
Über die Verlorenen hat er sich erbarmt. Den Leidenden hat er Lasten abgenommen. Besessenen hat er Frieden gebracht. Die Güte ist unbestritten.
Er war auch streng und schroff mit denen, die überheblich und selbstgefällig, ja von sich selbst geblendet waren. Das war gerecht. Denn er achtete nicht auf das Ansehen der Menschen. (Matthäus 22, 16).
Das alles tat er in Wahrheit. In ihm war keine Lüge und kein Irrtum.
Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit – diese Worte werden hell, wenn wir seinen Weg ans Kreuz genau betrachten. An keiner Stelle zeigt er Rachegelüste, er schützt seine Jünger, daß sie nicht mit ihm verhaftet werden, und doch sagt er ihnen die Wahrheit, daß sie alle an ihm irre werden würden (Matthäus 27, 31). Ebenso bezeugt er die Wahrheit vor dem Hohen Rat und vor Pilatus. Die Liebe verbindet diese drei: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Und die Liebe ist das einzige Wort, daß den Leidensweg Jesu zusammenhält und Sinn gibt. Darum sagt Paulus über Jesus und seinem Kreuz: „Christus hat uns geliebt und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.“ – Gott zu einem lieblichen Geruch: Das Kreuz hat Gott umgestimmt, es hat Gottes Herz geöffnet.
Paulus sagt uns heute, daß wir in dieser Liebe leben sollen. Wir sollen Gottes Nachfolger in der Liebe sein. Diese Liebe bei uns ist Frucht. Sie wächst in unserem Leben aus der Liebe Jesu, die uns meint, erreicht und ergreift. Die Liebe, von der Paulus uns schreibt, ist nicht irgendeine andere, neue, separate Liebe, die ich in mir selbst aus dem Nichts hervorbringen müßte. Wir sollen nicht so lieben, als würden wir nicht von Christus geliebt werden.
Im Gegenteil. Kinder des Lichtes, wie der Apostel uns nennt, leuchten heute mal vor allem durch das, was sie NICHT tun. Die Kunst des Weglassens. Wir bleiben im Licht Gottes, wenn es durch uns weiterleuchtet.
Diese Kunst des Weglassens trägt Paulus uns in drei Bereichen auf:
Im Bereich der Sexualität, des Besitzes und der Sprache. In diesen drei Bereichen will und kann Gottes Liebe, die uns Jesus gebracht hat, dieses erreichen, daß am Ende Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit dabei herauskommen.

  1. Sexualität. In der Zeit nach dem Weltkrieg haben
    Generationen sich vorgenommen, offen zu reden, „ohne falsche Scham“, wie man damals oft gönnerhaft sagte. Da fragt man, ob diese Aufklärer auch eine „echte“, oder „wahre“ Scham anerkannt hätten, oder ob sich nicht am liebsten alle Scham abgeschafft hätten. Es ist nicht soweit gekommen. Wie soll man über dieses Thema reden, ohne einerseits weltfremd, oder andererseits peinlich zu sein? – Jesus kann uns sofort und direkt helfen. Er spricht von zwei unausweichlichen Wirklichkeiten, die wir bedenken müssen. Bei Matthäus im 19. Kapitel macht er klar: „Gott, der im Anfang den Menschen gemacht hat, der machte, daß ein Mann und eine Frau sein soll, und sprach: Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen, und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein; so sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ – Hier werden Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit zusammengebracht: Ein Mann und eine Frau sind zusammen nach Gottes Willen ein Fleisch. Ein gemeinsames Leben. – Vor unseren Augen sehen wir zwei Menschen. Vor Gott sind sie eins, und Gott behandelt und segnet die zwei als eines. Das ist eine große Realität. Daß ein Mann und eine Frau füreinander da sind in guten und in schweren Zeiten. Da ist viel Güte möglich. Daß ein Ja-Wort mit Gottes Hilfe gehalten wird, das ist eine große Wahrheit. Daß ein Mann Eine Frau haben soll, und eine Frau Einen Mann – das sieht aus wie Gerechtigkeit, oder?
    Unsere Augen sehen aber: Hier ist ein Mann – da ist eine Frau, sind die wirklich ein Fleisch? Ein Organismus? Und der Feind Gottes will uns einreden: Ihre Einheit ist keine Realität. Die Güte, die Gerechtigkeit, die Wahrheit ist nur eine Täuschung, oder eine Last. Der Teufel sagt: Es gibt doch so viel mehr! – Ein Mann kann viele Frauen haben. Eine Frau kann viele Männer haben. Oder was für Kombinationen auch immer. Gott kann mich nicht aufhalten! Ehebruch, Hurerei – Worte, die man nicht gerne ausspricht. Sie stehen aber dafür, daß man sich über Gottes Ordnung hinwegsetzt. Mit dem Ergebnis, daß die Sexualität unverbindlich wird. Die Wirklichkeit, ein Fleisch zu sein, wird mutwillig, absichtlich und programmatisch verleugnet. Es zählt nur die eigene Lust. Das Gegenüber, welches Gott mir geben will, mit dem ich das Leben teilen soll, ist dem dann untergeordnet, und wird im Ergebnis geleugnet.
    Vor Gott ist das so, daß ich damit den Menschen, mit dem Gott mich zusammengefügt hat, oder zusammenfügen will, daß ich diesen Menschen verleugne, mich von ihm lossage. Gott sagt: Freund, dann sagst du dich auch von mir los. – In der Sprache des Paulus klingt das dann so: Das sind Götzendiener. – Das sind strenge und heilige Worte. Aber es sind nicht harte Worte. – Jesus spricht nämlich bei Matthäus 19 noch von einer anderen Realität, mit der wir immer rechnen müssen: Die Härte unseres Herzens. – Als Jesus nämlich feierlich bestätigt, daß ein Mann und eine Frau von Gott selbst zusammengefügt werden, da fragen die Pharisäer: Aber das Gesetz sieht doch eine Scheidung vor! So steht es bei Mose geschrieben! – Da sagt Jesus: „Moses hat die Scheidung zugelassen, wegen der Härte eures Herzens.“ – Nur die Härte es Herzens macht es möglich, daß man den Menschen verleugnet, den Gott einem anvertraut hat, oder anvertrauen will.
    Darum ruft Paulus zur Kunst des Weglassens auf. Alles, was uns dazu verführt, die Realität „Einheit von Mann und Frau vor Gott“, zu verleugnen. Und das sollen wir weglassen. Alle Gedanken, Worte und Werke, die die Sexualität aus der Einheit vor Gott herauslösen, sollen wir weglassen. Menschen, die das tun, bringen mehr Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit in die Welt. Gottes Licht scheint durch sie.
  2. Besitz: Ohne Besitz kann kein Mensch ein gottgefälliges
    Leben führen. Ich brauche Kleidung, ich brauche ein Zuhause, ich brauche einen Bereich, über den ich selbst bestimme. Ich brauche einen Ort, „wo ich mein Haupt hinlegen kann“, wie Jesus sagt (Matthäus 8, 20). Der Mensch hat Leib und Seele, und beide sollen erhalten werden. Ehepaare sollen die Möglichkeit haben, ihre Kinder bei sich unterzubringen, einen Schutzraum, wo sie ihre Liebe – als Ein Fleisch vor Gott – den Kindern weitergeben. Das kann man nicht am Straßenrand! Da darf nicht jeder beliebiger Mensch einfach sich einmischen! Darum gibt Gott uns Menschen Seine Gaben. Die Früchte der Erde, Arbeitskraft; Vernunft, die plant und überlegt, Zusammenarbeit und Arbeitsteilung, Wirtschaft, Bildung ….. alles, damit wir Menschen als Gottes Ebenbild in dieser Welt leben. Darum greift Gott selbst ein und sagt: Du sollst nicht stehlen! – Zwischen Mein und Dein unterscheiden ist eine Sache vor Gott, eine Heilige Sache. Doch unser Herz kennt das Begehren und die Maßlosigkeit. Jesus sagt dazu: „Kein Mensch lebt davon, daß er viele Güter hat.“ (Lukas 12, 15). Auch warnt er eindringlich vor dem Sorgen: „Wer ist unter euch, der, wie sehr er sich darum sorgt, seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte?“ (Lukas 12, 25). Stattdessen muß es immer mehr sein. Die Gier nach mehr, nach neuem. Der Rausch am Besitz. Der Neid auf andere, die scheinbar mehr haben. Die Sucht danach, reich zu werden, und der Traum, sich alle Wünsche zu erfüllen, und niemanden mehr um etwas bitten zu müssen, nie wieder warten zu müssen. Wie auch immer. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Die haben da keine Chance mehr. – Und zeigen wir dabei bitte nicht auf die anderen! Auch, wer wenig hat, und von Neid zerfressen und getrieben ist, ein Götzendiener. Paulus ruft uns zum Weglassen auf. Das fängt damit an, daß wir Gottes Gaben als Gaben Gottes wahrnehmen.
  3. Worte – Unser Predigttext warnt uns vor unnötige und
    schädliche Sprache. „Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. … „Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.“ Unverbindliche, mehrdeutige, manipulative Sprache. Die Welt ist voll davon. Wir sind umgeben von Sprache, bei der der Sprecher und der Hörer einander nicht gegenüberstehen. Da ist ein Plakat, mit Werbung oder mit einer politischen Botschaft. Wir sehen nicht, wer sie ausspricht. Und die Person, die den Text macht, sieht mich nicht. Damit fängt die Unverbindlichkeit an. Wie ist es gemeint? Wie kommt es an? Ist es gut gemeint? Bin ich gemeint? Was soll ich glauben? Was hat man mit mir vor? – Wir dürfen den Geschmack für ehrliche, verbindliche und aufrechte Sprache nicht verlieren! Die Seele braucht zuverlässige, klare Worte. Paulus warnt davor, Gottes Gaben lächerlich zu machen. Jesus warnt auch: „ Ich sage euch, daß die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“ (Matthäus 12, 36-37). Traurig ist es, wenn Menschen den Drang haben, aus allem einen Witz zu machen, oder alles ins Zynische zu ziehen: Wird schon schlecht gehen! – Ich will das hier nicht wiederholen. Warum? Weil sich das ins Gedächtnis festsetzt.
    Gott läßt sich nicht spotten. Wer die Sprache so mißbraucht, der lebt trotzdem auch davon, daß andere die Wahrheit sagen. Denn wenn alle lügen, dann kann man mit der Lüge nichts mehr erreichen, wie mit dem Falschgeld: Falschgeld funktioniert nur solange, wie Menschen vertrauen, daß es echtes Geld gibt. Und ohne Vertrauen kann kein Mensch leben. Wer lügt, mißbraucht also das Vertrauen der Menschen. Gott will aber, daß Vertrauen sich lohnt. Darum läßt Er es zu, daß Betrüger von der Lüge zerstört werden.
    Wir sollen diese Sprache weglassen. Lieber Danken – Gott Danken und einander Danken. Dann kommt Gottes Licht durch. Das bringt mehr Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Osterlamm mit Kreuznimbus, Kreuzfahne und Kelch (St. Josef, Bolzum)

Estomihi

Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

1 Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!
2 Sie suchen mich täglich und begehren meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, daß Gott sich nahe.
3 »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?«
Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter.
4 Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll.
5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat?
6 Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Laß los, die du mit Unrecht gebunden hast, daß ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!
7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich!

Jesaja 58, 1-9

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die
Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!

Jesus wurde mal nach dem Fasten gefragt. Er antwortete in einem Gleichnis:
Wie können die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? – Es kommt aber die Zeit, daß der Bräutigam von ihnen genommen wird – dann werden sie fasten. (Matthäus 9,15). Er spricht da von sich selbst als dem Bräutigam und seiner Gemeinde als der Braut. Die Brautleute sind die Diener der Gemeinde – also die Prediger und alle Verantwortlichen.
Jesus sagt also, daß es nur ein Grund zum Fasten gibt: Wenn er, Jesus, nicht bei seiner Gemeinde ist. Wenn seine Gnade nicht da ist, dann werden Christen einen Schnitt machen, um zu ihm zurückzufinden.
Ohne Glauben wird man den Grund zu Fasten also überhaupt nicht erkennen oder nachvollziehen.
In Psalm 63, 4 spricht uns der Heilige Geist vor, und er führt uns dahin, daß wir es nachsprechen können: „HERR, deine Güte ist besser als Leben, meine Lippen preisen dich.“ – Deine Güte ist besser als Leben. Also mitten im Sattsein ensteht ein Hunger nach der Güte Gottes. Mitten im Leben wird mir bewußt, daß ein Leben ohne Gott kein Leben ist.
Diese Erkenntnis, oder besser: dieser Hunger, wird zu einem Schnitt führen. Einem Schnitt von dem, was sonst so feste Teil meines Lebens erscheint. Schnitt im Konsum.
Im Alten Testament wurde gefastet – und Fasten war immer ein Zeichen, eine Begleiterscheinung von Buße. Man fastete, um näher zu Gott zu kommen. Das Fasten an sich führte natürlich nicht zu Gott. Sondern durch Fasten sollte die Konzentration auf Gottes Wort gefördert werden. Die Güte Gottes, die „besser ist als Leben“, sollte an Leib und Seele wieder erfahren werden.
Das Volk Israel wußte, was sich gehört.
Es wurde gefastet. Gefastet, daß es weh tat. Es war unübersehbar. Alle machten mit. Man ließ den Kopf hängen, wie ein Schilf – also geknickt, und bettete sich in Sack und Asche. Der Verzicht war deutlich. Man machte einen Schnitt.
Doch Gott war unzufrieden. Und der Prophet Jesaja mußte das dem Volk Israel klar machen. Das war nicht einfach, denn Israel sah sich eindeutig im Recht. Mit seinem Fasten machte es doch alles richtig! Der Verzicht war doch beeindruckend, und für jedermann erkennbar! Israel machte eindeutig alles richtig!
Darum muß Gott seinem Propheten Mut machen, und ihm den Rücken stärken, das hat er nötig. Denn wenn jemand meint, daß er alles richtig macht, dann sorgt das für Empörung, wenn er zur Buße gerufen wird! Gott sagt zu Jesaja:
„Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!“ – Es soll unüberhörbar sein. Und klar durchdringend wie eine Posaune: So kommt ihr bei Gott nicht an! Das ist nicht leicht einzusehen, denn sie scheinen Gott doch die ganze Zeit zu suchen, so spricht der HERR nämlich:
„Sie suchen mich täglich und begehren meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, daß Gott sich nahe.
»Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?«“ – Sie reden die ganze Zeit über Gott, gehen in den Tempel, nehmen am Gottesdienst teil.
Doch etwas stimmt nicht. Sie tun das alles, „als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte.“ – Sie meinen, daß sie bei Null anfangen, und daß das Fasten sie ins Plus bringt. Das Fasten ist nicht ein Ausdruck der Buße. Sie suchen nicht Gottes Gnade, sondern etwas anderes. Vielleicht Erfolg, oder das Ende einer bedrohlichen Situation. Israel wurde oft militärisch bedroht oder wirtschaftlich unter Druck gesetzt – wer weiß?, es gab auch damals Seuchen und Katastrophen! Darum fragten sie Gott: »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?« Warum ändert unser Fasten nicht die Situation? So konnten sie nur deshalb fragen, weil sie meinten, mit dem Fasten könnten sie Gott in eine Pflicht bringen: Weil wir fasten, muß Gott helfen.
Doch da spricht noch nicht der Heilige Geist, denn der Heilige Geist sagt: „Deine Güte ist besser als Leben!“ – Sie wollten noch das Leben erhalten, in Sicherheit bringen. Doch im Evangelium von heute sagt Jesus zu seinen Nachfolgern: „Wer sein Leben absichern will, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und und um des Evangeliums willen, der wird es erhalten“ – der ist endgültig bei Gott in Sicherheit.
Unser Gott nimmt es genau, er will wirklich selbst gesucht werden, wirklich er selbst.
Jesaja mußte Israel vor den Kopf stoßen. Da, wo sie sich in Sicherheit wiegten, waren sie in größter Gefahr. Sie mußten umdenken. Sie mußten über sich selbst erschrecken, und einfach hoffen, daß Gott neu mit ihnen anfängt.
Jesaja zeigt Symptome auf: „Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein.“ – Weil sie Gott nicht von ganzem Herzen suchen, und vor Gott über sich selbst erschrecken, können sie ihren Nächsten nicht lieben wie sie selbst. Da ist dann doch das eigene Leben besser oder wichtiger als die Güte Gottes. Man verfolgt eigenen Interessen im Geschäft, setzt sich durch. Da wird gehadert und gezankt. Man pflegt Groll, Neid, Eifersucht. Abhängige werden vernachlässigt. Man ist selbst im Tempel, vor Gott, noch mit dem eigenen Egoismus unterwegs. Verurteilt seinen Nächsten. Rechnet aus, was er verdient, und vor allem, was man ihm vorenthalten kann.
Das sind für den Propheten Jesaja eindeutige Zeichen dafür, daß Israel nicht fastet, um bei Gott anzukommen, sondern Israel fastet, um Gott vor seine eigenen Interessen zu spannen. Das Ziel ist also nicht Gott und seine Gnade, sondern das eigene Ich. Ein Ich ohne Gott. Ein Ich als Gott. – Ein solches Ich sieht nicht die Not des Mitmenschen. Wer Hunger hat, ist lästig, oder selber schuld, oder eine Bedrohung. Ähnlich ist es mit allen, die Not haben: Die Nackten, die Obdachlosen, die Elenden.
Doch wer bei Gott in Sicherheit ist, sieht die Not nicht als Bedrohung. Wer aus dem Glauben heraus hilft, rechnet nicht Verluste aus, sondern der Dank, oder die Erleichterung des Nächsten ist ein Gewinn.
Das ist ein Wunder. Gott ruft uns dazu, und will das Wunder dann auch tun. Wir sollen Gott dann noch einmal ganz neu kennenlernen:
„Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich!“
Das Ziel ist: Ich kann wieder beten und erfahre, wie Gott nicht nur antwortet, sondern ganz für mich da ist.
Es ist völlig klar, daß eine Politik, egal welche, das nicht leisten kann. Sie kann nicht sagen: Wenn du mein Programm erfüllst, wirst du Gott kennen lernen und besser beten können.
Gott ruft jeden von uns, mit seinen Möglichkeiten für andere da zu sein. Es heißt schließlich: Brich dem Hungrigen DEIN Brot. Nicht das Brot eines anderen! Auch soll ich mich nicht an Gottes Stelle setzen, und anderen Vorschriften machen.
Das bedeutet dann auch: Das Brot, was ich weitergebe, kommt ganz beim Nächsten an, und damit auch bei Gott. Sobald ich mit dieser Gabe mich selbst in ein besseres Licht stellen will, und andere damit verurteilen oder unter Druck setzen will, dann ist es nicht mehr eine Sache des Glaubens, sondern der Heuchelei, und dann ist Gott raus. Jesus sagt ganz klar: „Wenn du Almosen gibst, sollst du nicht lassen vor dir posaunen, wie die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen. Amen – sie haben nichts davon. Wenn du es tust, so soll die linke Hand nicht wissen, was die rechte tut. Amen – das kommt bei Gott an.“ (Matthäus 6, 2-4).
Liebe Gemeinde – es wird heute viel posaunt: Was richtig, nötig, gut, korrekt und was nicht alles ist. Die Medien sind voll davon. Menschen werden unter Druck gesetzt. Auch im Namen des Christentums. Gott zieht sich daraus zurück. Jesus sagt: „ Ihr Lohn ist nur der Posaunenton“ – also das fragwürdige Ansehen bei fragwürdigen Menschen, und sonst nichts.
Die Posaune des Jesaja ist stärker. Der Ruf zu Gott zurück. Mit dem Gebet:
„Deine Güte ist besser als Leben.“

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Kampf zwischen Fasching und Fasten, Peter Bruegel d. Ä., 1559