5. Passionsandacht

Und die ganze Versammlung stand auf, und sie führten ihn vor Pilatus und fingen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König.

Das Lamm, das erwürget ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum,
und Weisheit und Stärke,
und Ehre und Preis und Ruhm.
Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

1 Und die ganze Versammlung stand auf, und sie führten ihn vor Pilatus 2 und fingen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König. 3 Pilatus aber fragte ihn und sprach: Bist du der Juden König? Er antwortete ihm und sprach: Du sagst es. 4 Pilatus sprach zu den Hohenpriestern und zum Volk: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen. 5 Sie aber wurden noch ungestümer und sprachen: Er wiegelt das Volk auf damit, daß er lehrt hier und dort in ganz Judäa, angefangen von Galiläa bis hierher.
6 Als aber Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mensch aus Galiläa wäre.
7 Und als er vernahm, daß er ein Untertan des Herodes war, sandte er ihn zu Herodes, der in diesen Tagen auch in Jerusalem war. 8 Als aber Herodes Jesus sah, freute er sich sehr; denn er hätte ihn längst gerne gesehen; denn er hatte von ihm gehört und hoffte, er würde ein Zeichen von ihm sehen. 9 Und er fragte ihn viel. Er aber antwortete ihm nichts. 10 Die Hohenpriester aber und Schriftgelehrten standen dabei und verklagten ihn hart. 11 Aber Herodes mit seinen Soldaten verachtete und verspottete ihn, legte ihm ein weißes Gewand an und sandte ihn zurück zu Pilatus.
12 An dem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde; denn vorher waren sie einander feind.
13 Pilatus aber rief die Hohenpriester und die Oberen und das Volk zusammen 14 und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt; und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden, derentwegen ihr ihn anklagt; 15 Herodes auch nicht, denn er hat ihn uns zurückgesandt. Und siehe, er hat nichts getan, was den Tod verdient. 16 Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben. 17 Er mußte ihnen aber zum Fest einen Gefangenen losgeben.
18 Da schrien sie alle miteinander: Hinweg mit diesem, gib uns Barabbas los! 19 Der war wegen eines Aufruhrs, der in der Stadt geschehen war, und wegen eines Mordes ins Gefängnis geworfen worden. 20 Da redete Pilatus abermals auf sie ein, weil er Jesus losgeben wollte. 21 Sie riefen aber: Kreuzige, kreuzige ihn! 22 Er aber sprach zum dritten Mal zu ihnen: Was hat denn dieser Böses getan? Ich habe nichts an ihm gefunden, was den Tod verdient; darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben. 23 Aber sie setzten ihm zu mit großem Geschrei und forderten, daß er gekreuzigt würde. Und ihr Geschrei nahm überhand. 24 Und Pilatus urteilte, daß ihre Bitte erfüllt werde, 25 und ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen.

Lukas 23, 1 – 25

Lieber Gott, segne Du nun Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Jesus tritt seine Macht ja nicht erst zu Ostern oder Himmelfahrt an. Da wird offenbar, was von Anfang an wahr ist.
Die Johannes-Passion von Bach spricht das gleich im Eingangschor aus:
„Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm
in allen Landen herrlich ist.
Zeig uns durch deine Passion,
daß du, der wahre Gottessohn,
zu aller Zeit,
auch in der größten Niedrigkeit,
verherrlicht worden bist.“
Im heutigen Abschnitt der Passionsgeschichte können wir sehen, wie Jesus seine Macht ausübt, über den Hohen Rat, Pilatus und Herodes. Sie alle haben ihn in ihrer Macht, und Jesus läßt ihnen ihre Macht, Jesus macht dem Hohen Rat, dem Pilatus, und auch dem Vierfürsten Herodes, die Macht nicht streitig. Doch Jesus behält seine Eindeutigkeit. Alle anderen verwickeln sich in Widersprüchen. Jesus verwickelt sich in keinen Widerspruch.

  1. Der Hohe Rat – Einerseits stand für ihn fest, daß Jesus
    beseitigt werden mußte. Anderseits war er darauf bedacht, daß alle Regeln des Gerichts beachtet werden. Das ging sogar so weit, daß ihre (falschen Zeugen) keinen schlüssigen Beweis liefern konnten. Erst als Jesus selbst bekennt, daß er der Messias und der Sohn Gottes sei, da war der Fall klar – „Was brauchen wir weiter Zeugnis?“
    Einerseits wollte der Hohe Rat die Todesstrafe für Jesus. Und nach seiner Überzeugung war die Todesstrafe auch rechtens. Andererseits legte er Wert darauf, daß er nicht selbst es vollstreckte, sondern die Römer. Wenn der Hohe Rat das Urteil im Namen Gottes fällte, dann sollte er die Vollstreckung des Urteils auch guten Gewissens wollen. Es ist ein Widerspruch. Die Verurteilung: Ja. Die Hinrichtung : Ja. Aber die Verantwortung für die Hinrichtung: Nein.
    Jesus hatte sich als Messias und Gottessohn bekannt. Damit konnte Pilatus nichts anfangen. Also verklagte der Hohe Rat Jesus als Revolutionär und Terrorist vor Pilatus. Bis dahin hatte Jesus sich nie mit den Römern angelegt. Im Gegenteil: Er hatte öffentlich gelehrt, daß man dem Kaiser geben solle, was des Kaisers ist – also den Römern Steuern zahlen. Er hat den Diener eines römischen Offiziers geheilt, und den Offizier selbst als Vorbild des Glaubens hingestellt (Matthäus 8). Trotzdem stellen sie Jesus als aufrührerischen Gegenkönig vor, der nach der Macht greift, gegen den Kaiser in Rom. – Dabei gehörte die Hoffnung auf den Messias zur Identität Israels. Nun meinen sie, sie können Jesus als Messias bei den Feinden denunzieren – als wäre Messias-Sein ein Verbrechen. – Ein furchtbarer Widerspruch. Im Johannes-Evangelium hören wir dann, wie der Hohe Rat sich völlig von dieser Hoffnung lossagt: „Wir haben keinen König, denn den Kaiser.“ (Johannes 19, 15). Der Hohe Rat meint, er könne das taktisch vor einem Heiden sagen. Aber am Ende kann er es nicht zurücknehmen.
    Ein weiterer Widerspruch: Eben verklagen sie Jesus als einen gefährlichen Revolutionär und Terroristen, aber ohne Beweis; und dann wählen Barabbas zur Amnestie, zur Freilassung aus. Barabbas war ein verurteilter Terrorist. Das war bewiesen. Dessen Freiheit fordert der Hohe Rat, und die Hinrichtung Jesu. Freiheit für den Mörder und Hinrichtung des Heilers.
    Und dann: Einerseits die römische Macht anerkennen, indem man zu Pilatus kommt, und ihm einen vermutlichen Feind Roms ausliefert – und dann Pilatus vorschreiben, wie er zu urteilen hätte.
    Das ist noch nicht alles: Der Hohe Rat beschuldigt Jesus, daß er Volk „aufhetze und aufwiegele“. Niedrige Instinkte bedienen, enthemmen. – Eben ausgesprochen, tun sie genau das. Sie überreden das Volk, um Barabbas zu bitten. Sie enthemmen das Volk, die Kreuzigung zu fordern. Sie wiegeln das Volk auf, Pilatus niederzuschreien.
    Ein Widerspruch nach dem anderen!
  2. Der Vierfürst Herodes. Er war kein Nachkomme Davids. Er
    war kein Jude. Durch Intrige und Kontakte war er unter dem Schutz der Römer an der Macht. Und doch mochten er und Pilatus sich nicht. Er kommt zum Passafest nach Jerusalem. Will er mitfeiern? Will er der Jüdischen Religion seinen Respekt zollen? Nun wird seine Meinung von Pilatus gefragt – Er wird ernstgenommen! Doch ein Urteil gibt er nicht ab. Er hofft, ein Zeichen zu sehen. Also Sensation. Etwas zum angeben und erzählen. Ob Jesus der Messias ist oder nicht, scheint ihn nicht zu interessieren. Sicher spürt sein geübter Machtinstinkt, daß Jesus überhaupt keine Gefahr darstellt. Jesus greift nicht nach der Macht, wie Herodes sie hat. Er läßt Jesus vorführen. Auffällig ist das weiße Kleid, mit dem er Jesus abführen läßt, zurück zu Pilatus. Sollte das Kleid Jesu Unschuld bezeugen? – Im Alten Testament war ein Weißes Kleid (1. Mose 41, 42) das Gewand des Königs – oder auch des Hohenpriesters. Eine große Würde war damit verbunden! – Im Römischen Reich wurden Bewerber auf ein hohes Amt so bekleidet. Wollte Herodes Jesus als Bewerber zum Römer Pilatus schicken? Es ist alles sehr mehrdeutig! – Aber ein diplomatischer Erfolg auf Kosten Jesu: Denn nun ist das Eis zwischen Herodes und Pilatus gebrochen. Sie werden Freunde.
  3. Pilatus: Auch hier zwingt allein die Anwesenheit Jesu
    Pilatus zu krassen Widersprüchen. Pilatus bezeugt wiederholt, daß er keine Schuld an Jesus finde. Unschuldig im Sinne der Anklage. Jesus stellt keine Gefahr für die römische Macht dar. Jeder Versuch, Jesus „loszuwerden“ schlägt fehl. Ihn zu Herodes zu schicken, ist ja auch so ein Versuch, die Zuständigkeit abzugeben, auch das Angebot der Amnestie, der Freilassung. Das alles kann er nur anbieten, weil er als römischer Statthalter die Macht hat. Und doch will er es mit dem jüdischen Volk nicht verderben. Auch er handelt gegen sein klares Urteil, gegen sein Gewissen. Er urteilt, daß ihre Bitte erfüllt würde. Geschrei der Masse als Bitte.
  4. Das Volk. Das Volk hatte Jesus als König mit „Hosianna!“
    begrüßt. Schon früher hatte es ihn zum König ausrufen wollen (Johannes 6, 15). Und dann jetzt das krasse Gegenteil. „Kreuzige!“ –also nicht nur nicht König, sondern Vernichtung.
  5. Jesus verwickelt sich nicht in Widersprüchen. Das kostet ihm
    sein Leben. Und rettet die Wahrheit, die Treue Gottes, der Israel ja nicht nur einen König, sondern auch einen leidenden, heilenden Knecht verheißen hatte: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Jesaja 53.

Jesus wird auch in dir und in mir Widersprüche auslösen. Widersprüche, die vorher da waren, und vor ihm ans Licht kommen. Das ist ein Zeichen seiner Macht. Dann kommt es darauf an, diese Macht als heilsam anzunehmen, und nicht mit Aggression Jesus wegzuschieben. So werde ich die Widersprüche nicht los, sie werden nur größer.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Christus vor Pilatus, Gemälde von Mihály von Munkácsy, 1881, Gemeinfrei

Judika

Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.

Das Lamm, das geschlachtet ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum
und Weisheit und Stärke
und Ehre und Preis und Lob.
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

19 Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt.
20 Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon.
21 Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen!
22 Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch?
23 Ach daß meine Reden aufgeschrieben würden! Ach daß sie aufgezeichnet würden als Inschrift,
24 mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen!
25 Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben.
26 Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.
27 Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

Hiob 19, 19 – 27

HERR, segne Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Hiob. Der Mann des Leidens. Schlag auf Schlag verliert er seine Kinder, seinen Besitz, dann auch noch seine Gesundheit. Schrecklich! Ein Leiden an Leib und Seele. Und was das alles noch zur Hölle macht, ist die Anklage, daß er das Leiden verdient habe. „Selber schuld!“ Das sind vernichtende Worte! – Ob jemand anders sich mir sagt, oder ob ich sie mir selber sage. Genau das mußte Hiob erleiden – drei Freunde kommen zu ihm, um ihn in seinem Unglück zu trösten. Aber in allen ihre Reden schimmert immer wieder durch: „Hiob, du mußt das verdient haben. Gott straft nicht ohne Grund!“ – Doch Hiob schweigt nicht. Er redet. Und solange er redet, ist die Situation noch nicht abgeschlossen – so lange muß er gehört werden.
Doch wer will einen Leidenden hören?

  1. Hiob beschreibt eine erschütternde, bittere Erfahrung:
    „Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt.“ Das Leiden kann einen Menschen sehr leicht isolieren, trennen. Was soll man auch machen? Ich weiß doch, daß der andere nicht fühlt, was ich fühle. Die Sprache versagt. Menschen verlieren die Geduld. Sie wenden sich ab – aus verschiedenen Gründen. Sie wollen nicht daran erinnert werden, daß es ihnen auch so gehen könnte. Sie wissen nicht, wie sie helfen können oder sollen. Sie können es einfach nicht mehr hören oder mit ansehen. Tief in uns steckt auch der Verdacht oder die Angst: Leiden oder das Unglück können ansteckend sein. Da muß man sich fern halten. – Selbst wenn es gut gemeint ist: Eine versteckte Anklage oder Abwendung – der Leidende spürt sie, das Leid ist wie ein Vergrößerungsglas.
    Auch wenn das Leiden zum Leben gehört, bleibt es eine Verlegenheit.
    Muß es denn sein? Warum?
    Doch das Leiden ist da, auch wenn wir es nicht verstehen, auch wenn es keine Antwort gibt. Das Leiden braucht unsere Zustimmung und Einsicht nicht.
  2. „Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und
    nur das nackte Leben brachte ich davon.“ Das nackte Leben – das heißt: Außer Überleben gibt es keine Perspektive. Aber ein Überleben, das nur weiter ein Leiden ist. Wer gesund ist und nicht leidet, nicht belastet ist, der kann mit seinem Leben etwas anfangen, etwas unternehmen, arbeiten, reisen, etwas aufbauen, etwas erkennen, Menschen begegnen. Hier wird eine Erfahrung beschrieben, daß ein Mensch nur noch weiterlebt, sonst nichts. Der Körper läßt mehr nicht zu. Alle Möglichkeiten, am Leben teilzunehmen, schwinden dahin. Man ist abhängig. Wenn niemand kommt, ist man allein und steht vor dem Nichts.
  3. „Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, meine Freunde;
    denn die Hand Gottes hat mich getroffen!“ Dann kommt die Ahnung auf: Gott selbst ist gegen mich. Eine grausige Überzeugung! Wenn Gott gegen mich ist, dann gibt es keine Hilfe. Menschen können dahin kommen, so etwas zu glauben. Alles, was mir passiert auch die kleinste Kleinigkeit, wird zum Beweis dafür, daß Gott gegen mich ist. Und was positiv ist, das ist nur ein Schein, eine Täuschung. – Wie sollen die armen Freunde antworten? – Doch Hiob geht noch weiter:
  4. „Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt
    werden von meinem Fleisch?“ – Was für Worte! „Warum verfolgt ihr mich, wie Gott?“ Auch die Freunde werden zum Beweis dafür, daß Gott gegen Hiob ist. Wie soll ein Freund da antworten? – Diese Worte führen uns an eine Grenze. Es gibt wirklich Grenzen für einander da zu sein. Wer am Bett eines Komakranken war, ahnt das. Es gibt kein Zeichen mehr, daß man den Menschen erreicht. – Ich mußte einmal eine junge Frau beerdigen, die an Drogen gestorben war. Der Vater sagte: „Ich wußte, daß meine Worte sie nicht mehr erreichten; und mußte davon ausgehen, daß ihre Worte nicht mehr wirkliche Sprache waren, auch wenn sie wie Sprache klangen.“ Das ist eine harte unbarmherzige Grenze. Meistens kann diese Grenze nicht ausgesprochen werden. Doch Hiob spricht sie aus. Während seine Freunde mit ihm sprechen, merkt Hiob, wie hilflos sie sind.
  5. „Ach daß meine Reden aufgeschrieben würden! Ach daß
    sie aufgezeichnet würden als Inschrift, mit einem eisernen Griffel in Blei geschrieben, zu ewigem Gedächtnis in einen Fels gehauen!“ Wir schwachen Menschen hören das, und wollen es am liebsten schnell wieder vergessen. Wie könnte man mit solchen Worten weiterleben? Sie sind zu schwer! – Mit solchen Worten kann man ja kaum noch sein eigenes Leben weiterleben, wenn man sie ernstnimmt.
    Doch sind sie ja wahr! Sie beschreiben eine Realität und eine Erfahrung von zahllosen, namenlosen, unbeklagten Menschen. Was Hiob sagt, hat sein Recht, auch wenn es uns an unsere Grenzen führt, und uns zeigt, was wir sind: Wir sind Geschöpfe, und nicht Gott. Dieses ganze Leiden beweist uns: Du bist wirklich nicht Gott! Diese Abhängigkeit zeigt uns: Wir sind geschaffen, Gott hat uns gemacht, Gott unser Leben in der Hand. Alles, was wir uns vom Leben erhoffen, alles was schön und gut ist, ist Gottes Gabe. Wir haben Glück und Erfolg, Gesundheit, Freunde, Familie, weil Gott uns diese Gaben schenkt. Dazu gehört auch die Fähigkeit, klug zu handeln. Einigermaßen alltagsfähig zu sein, wie es heißt. Das ist Gottes Gabe. „Was hast du aber, daß du nicht empfangen hast? So du es aber empfangen hast, was rühmst du dich denn, als ob du es nicht empfangen hättest?“ fragt der Apostel Paulus (1. Korinther 4, 7). Wir vergessen das sehr schnell und schätzen uns deshalb falsch ein. Darum will Hiob, daß seine Worte in Stein gemeißelt werden.
  6. Liebe Gemeinde! Glaubt es oder nicht: Dies ist kein
    deprimierender Text! Ja, das könnte man meinen! Daß wir so massiv und deutlich an unsere Grenzen erinnert werden. Das klingt nach Spaßverderben und Entmutigung. Aber nur solange, wie man weiter ohne Gott sein will. Wenn ich merke, daß ich wirklich nicht Gott bin, sondern nur sein Geschöpf, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder will ich dann, daß es überhaupt keinen Gott gibt – wenn schon ich nicht Gott bin, dann bitte niemand! – Oder: Ich fange an, mich wie ein Geschöpf zu verhalten, und wende mich trotz allem aufs Neue Gott zu.
    Hiob tut das Zweite.
    Er sagt: Nur Gott selbst kann mir helfen. Er sagt: „Aber ich weiß, daß mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Und ist meine Haut noch so zerschlagen und mein Fleisch dahingeschwunden, so werde ich doch Gott sehen.“ Ich weiß, daß mein Erlöser lebt. Ich weiß, daß der da ist, der mich aus diesem Elend herausholen will und kann. Ein Gott, der es in der Hand hat, mich so leiden zu lassen, der hat es auch in der Hand, dieses Leiden zu beenden. – Hiob macht seine ganze Situation zu etwas zwischen ihm und Gott. „Gott“, sagt er, „Gott, nur du kannst es, sonst niemand, wenn jemand, dann Du, Gott!“ – Und er spricht von Gott als einem Erlöser. Das ist jemand, der kommt und einen Sklaven freikauft, oder einen Verschuldeten aus dem Gefängnis freikauft. – „Gott, Du wirst am Ende über dem Staub sein – also, wenn alles zu Staub geworden ist, dann bist du noch da und bist noch Gott. – Und selbst wenn mein Leib ganz kaputt ist – ich werde dich, Gott sehen. – Wie weiß Hiob das? Ist es logisch? Es ist auf jeden Fall ein Wunder, daß Hiob so spricht. Daß Gott der Schöpfer auch der Erlöser ist. Daß der Gott, der Himmel und Erde aus dem Nichts geschaffen hat, auch einen Menschen aus dem Nichts heraus neu machen kann. Es muß ein Gott sein, der das tut.
    Und Hiob sagt: Dieser Gott wird als letzter über dem Staub sein, und das wird der Gott sein, mit dem ich gekämpft habe, der Gott, dem ich mein Herz ausgeschüttet habe. Der Gott, der mich so bitter und schwer hat erfahren lassen, daß ich nur ein Geschöpf bin und kein Gott. Der Gott wird mich an Ende über mir sein, um mich neu zu schaffen.
    Der Gott wird nicht ein anderer Gott sein – und ich, Hiob, werde auch nicht ein anderer sein, denn Hiob sagt weiter:
    „Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.“ Ich, der ich hier mit dem Tod allein bin, und mit allem, was mich fühlen läßt, daß es alternativlos ist, ich werde bei Gott sein, diese meine Augen, diese meine Haut. Bei Gott und mit Gott.
    Hiobs Worte sind festgehalten worden. Sie haben Generationen daran erinnert: Du bist nicht Gott. Das kann weh tun. Das wird weh tun. Aber Hiobs Worte haben vor allem diese Möglichkeit offengehalten und nicht aufgegeben: Du bist nicht Gott, aber du hast einen Gott, der ist ein Erlöser. Und es gibt nichts, aus dem dieser Erlöser dich nicht herausholen wird.
    Hiobs Worte haben den Platz frei gehalten für Jesus Christus. Das ist der Gott, der zuletzt über dem Staub sich erhob – bei seiner Auferstehung von den Toten – das heißt: Jesus ist der Erlöser, der vorher selbst im Staub war. In den kommenden Tagen werden wir Ihn wieder begleiten auf Seinem Weg, wie er an Leib und Seele zu Staub gemacht wurde. Durch das Böse, das Menschen tun. Das hat ihn zu Staub gemacht. Aber diesen Staub hat er jetzt unter sich. Er ist ja Gott. Der Staub ist nicht über Ihn, sondern Er ist über dem Staub, und kann aus Staub Menschen machen. Dazu ist Jesus auf die Erde gekommen. Wenn er gepredigt hat, wenn er böse Geister verjagt hat, wenn er Kranke geheilt hat – dann hat nichts anderes getan, als aus pulverisierten Menschen wieder lebendige Menschen zu machen. Er erhebt sich über den Staub.
    Ein Christ ist ein Mensch der sagt: Jesus, erhebe dich über mich, der ich spüre, wie ich Staub bin. Das passiert auch bei der Taufe: Da sagt ein Mensch: Ich bin nicht Gott, ich bin ein Geschöpf, aber ich habe einen Erlöser. Und in der Taufe sagt Jesus zu dem Menschen: Ich hole ich raus. Das steht fest. Staub ist für mich kein Problem. Ich hab das hinter mir, sagt uns der Auferstandene: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste (bei der Schöpfung) und der Letzte (bei der Auferstehung) und der Lebendige; ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes.“ (Offenbarung 1, 18).
    Diese Worte erheben sich über die Worte Hiobs. Sie gehen auf wie die Sonne über Hiobs Worte.
    Wir wissen nicht, wie Hiob sagen konnte: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“ – aber wir haben den Erlöser vor Augen. Er hat sich gezeigt, er hat mit uns gesprochen und spricht mit uns, er ist vor den Augen der Welt in den Staub gegangen, als er gekreuzigt wurde, und Er ist auferstanden, und spricht: Friede sei mit dir, mein lieber Staub. Ich mache Dich schön.

Beitragsbild: Hiob und seine Freunde: Gemälde von Ilja Jefimowitsch Repin (1869)
Foto: Wikimedia Commons (CC0)

Okuli

Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder
2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.
3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. 4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung.
5 Denn das sollt ihr wissen, daß kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger – das sind Götzendiener – ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
6 Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen.
8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts;
9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

Epheser 5, 1-9

HERR, segne Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Wer zu Jesus kommt – zu dem Jesus, wie ihn uns die Apostel und Evangelisten verkündigen – der erlebt Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.
Wer ehrlich ist, dem leuchtet das sofort ein.
Man lese alle Evangelien: Man wird nicht ein Wort, nicht eine Tat Jesu finden, aus der nicht Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervorleuchten.
Über die Verlorenen hat er sich erbarmt. Den Leidenden hat er Lasten abgenommen. Besessenen hat er Frieden gebracht. Die Güte ist unbestritten.
Er war auch streng und schroff mit denen, die überheblich und selbstgefällig, ja von sich selbst geblendet waren. Das war gerecht. Denn er achtete nicht auf das Ansehen der Menschen. (Matthäus 22, 16).
Das alles tat er in Wahrheit. In ihm war keine Lüge und kein Irrtum.
Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit – diese Worte werden hell, wenn wir seinen Weg ans Kreuz genau betrachten. An keiner Stelle zeigt er Rachegelüste, er schützt seine Jünger, daß sie nicht mit ihm verhaftet werden, und doch sagt er ihnen die Wahrheit, daß sie alle an ihm irre werden würden (Matthäus 27, 31). Ebenso bezeugt er die Wahrheit vor dem Hohen Rat und vor Pilatus. Die Liebe verbindet diese drei: Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Und die Liebe ist das einzige Wort, daß den Leidensweg Jesu zusammenhält und Sinn gibt. Darum sagt Paulus über Jesus und seinem Kreuz: „Christus hat uns geliebt und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.“ – Gott zu einem lieblichen Geruch: Das Kreuz hat Gott umgestimmt, es hat Gottes Herz geöffnet.
Paulus sagt uns heute, daß wir in dieser Liebe leben sollen. Wir sollen Gottes Nachfolger in der Liebe sein. Diese Liebe bei uns ist Frucht. Sie wächst in unserem Leben aus der Liebe Jesu, die uns meint, erreicht und ergreift. Die Liebe, von der Paulus uns schreibt, ist nicht irgendeine andere, neue, separate Liebe, die ich in mir selbst aus dem Nichts hervorbringen müßte. Wir sollen nicht so lieben, als würden wir nicht von Christus geliebt werden.
Im Gegenteil. Kinder des Lichtes, wie der Apostel uns nennt, leuchten heute mal vor allem durch das, was sie NICHT tun. Die Kunst des Weglassens. Wir bleiben im Licht Gottes, wenn es durch uns weiterleuchtet.
Diese Kunst des Weglassens trägt Paulus uns in drei Bereichen auf:
Im Bereich der Sexualität, des Besitzes und der Sprache. In diesen drei Bereichen will und kann Gottes Liebe, die uns Jesus gebracht hat, dieses erreichen, daß am Ende Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit dabei herauskommen.

  1. Sexualität. In der Zeit nach dem Weltkrieg haben
    Generationen sich vorgenommen, offen zu reden, „ohne falsche Scham“, wie man damals oft gönnerhaft sagte. Da fragt man, ob diese Aufklärer auch eine „echte“, oder „wahre“ Scham anerkannt hätten, oder ob sich nicht am liebsten alle Scham abgeschafft hätten. Es ist nicht soweit gekommen. Wie soll man über dieses Thema reden, ohne einerseits weltfremd, oder andererseits peinlich zu sein? – Jesus kann uns sofort und direkt helfen. Er spricht von zwei unausweichlichen Wirklichkeiten, die wir bedenken müssen. Bei Matthäus im 19. Kapitel macht er klar: „Gott, der im Anfang den Menschen gemacht hat, der machte, daß ein Mann und eine Frau sein soll, und sprach: Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen, und an seiner Frau hängen, und die zwei werden ein Fleisch sein; so sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ – Hier werden Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit zusammengebracht: Ein Mann und eine Frau sind zusammen nach Gottes Willen ein Fleisch. Ein gemeinsames Leben. – Vor unseren Augen sehen wir zwei Menschen. Vor Gott sind sie eins, und Gott behandelt und segnet die zwei als eines. Das ist eine große Realität. Daß ein Mann und eine Frau füreinander da sind in guten und in schweren Zeiten. Da ist viel Güte möglich. Daß ein Ja-Wort mit Gottes Hilfe gehalten wird, das ist eine große Wahrheit. Daß ein Mann Eine Frau haben soll, und eine Frau Einen Mann – das sieht aus wie Gerechtigkeit, oder?
    Unsere Augen sehen aber: Hier ist ein Mann – da ist eine Frau, sind die wirklich ein Fleisch? Ein Organismus? Und der Feind Gottes will uns einreden: Ihre Einheit ist keine Realität. Die Güte, die Gerechtigkeit, die Wahrheit ist nur eine Täuschung, oder eine Last. Der Teufel sagt: Es gibt doch so viel mehr! – Ein Mann kann viele Frauen haben. Eine Frau kann viele Männer haben. Oder was für Kombinationen auch immer. Gott kann mich nicht aufhalten! Ehebruch, Hurerei – Worte, die man nicht gerne ausspricht. Sie stehen aber dafür, daß man sich über Gottes Ordnung hinwegsetzt. Mit dem Ergebnis, daß die Sexualität unverbindlich wird. Die Wirklichkeit, ein Fleisch zu sein, wird mutwillig, absichtlich und programmatisch verleugnet. Es zählt nur die eigene Lust. Das Gegenüber, welches Gott mir geben will, mit dem ich das Leben teilen soll, ist dem dann untergeordnet, und wird im Ergebnis geleugnet.
    Vor Gott ist das so, daß ich damit den Menschen, mit dem Gott mich zusammengefügt hat, oder zusammenfügen will, daß ich diesen Menschen verleugne, mich von ihm lossage. Gott sagt: Freund, dann sagst du dich auch von mir los. – In der Sprache des Paulus klingt das dann so: Das sind Götzendiener. – Das sind strenge und heilige Worte. Aber es sind nicht harte Worte. – Jesus spricht nämlich bei Matthäus 19 noch von einer anderen Realität, mit der wir immer rechnen müssen: Die Härte unseres Herzens. – Als Jesus nämlich feierlich bestätigt, daß ein Mann und eine Frau von Gott selbst zusammengefügt werden, da fragen die Pharisäer: Aber das Gesetz sieht doch eine Scheidung vor! So steht es bei Mose geschrieben! – Da sagt Jesus: „Moses hat die Scheidung zugelassen, wegen der Härte eures Herzens.“ – Nur die Härte es Herzens macht es möglich, daß man den Menschen verleugnet, den Gott einem anvertraut hat, oder anvertrauen will.
    Darum ruft Paulus zur Kunst des Weglassens auf. Alles, was uns dazu verführt, die Realität „Einheit von Mann und Frau vor Gott“, zu verleugnen. Und das sollen wir weglassen. Alle Gedanken, Worte und Werke, die die Sexualität aus der Einheit vor Gott herauslösen, sollen wir weglassen. Menschen, die das tun, bringen mehr Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit in die Welt. Gottes Licht scheint durch sie.
  2. Besitz: Ohne Besitz kann kein Mensch ein gottgefälliges
    Leben führen. Ich brauche Kleidung, ich brauche ein Zuhause, ich brauche einen Bereich, über den ich selbst bestimme. Ich brauche einen Ort, „wo ich mein Haupt hinlegen kann“, wie Jesus sagt (Matthäus 8, 20). Der Mensch hat Leib und Seele, und beide sollen erhalten werden. Ehepaare sollen die Möglichkeit haben, ihre Kinder bei sich unterzubringen, einen Schutzraum, wo sie ihre Liebe – als Ein Fleisch vor Gott – den Kindern weitergeben. Das kann man nicht am Straßenrand! Da darf nicht jeder beliebiger Mensch einfach sich einmischen! Darum gibt Gott uns Menschen Seine Gaben. Die Früchte der Erde, Arbeitskraft; Vernunft, die plant und überlegt, Zusammenarbeit und Arbeitsteilung, Wirtschaft, Bildung ….. alles, damit wir Menschen als Gottes Ebenbild in dieser Welt leben. Darum greift Gott selbst ein und sagt: Du sollst nicht stehlen! – Zwischen Mein und Dein unterscheiden ist eine Sache vor Gott, eine Heilige Sache. Doch unser Herz kennt das Begehren und die Maßlosigkeit. Jesus sagt dazu: „Kein Mensch lebt davon, daß er viele Güter hat.“ (Lukas 12, 15). Auch warnt er eindringlich vor dem Sorgen: „Wer ist unter euch, der, wie sehr er sich darum sorgt, seines Lebens Länge eine Spanne zusetzen könnte?“ (Lukas 12, 25). Stattdessen muß es immer mehr sein. Die Gier nach mehr, nach neuem. Der Rausch am Besitz. Der Neid auf andere, die scheinbar mehr haben. Die Sucht danach, reich zu werden, und der Traum, sich alle Wünsche zu erfüllen, und niemanden mehr um etwas bitten zu müssen, nie wieder warten zu müssen. Wie auch immer. Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Die haben da keine Chance mehr. – Und zeigen wir dabei bitte nicht auf die anderen! Auch, wer wenig hat, und von Neid zerfressen und getrieben ist, ein Götzendiener. Paulus ruft uns zum Weglassen auf. Das fängt damit an, daß wir Gottes Gaben als Gaben Gottes wahrnehmen.
  3. Worte – Unser Predigttext warnt uns vor unnötige und
    schädliche Sprache. „Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. … „Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams.“ Unverbindliche, mehrdeutige, manipulative Sprache. Die Welt ist voll davon. Wir sind umgeben von Sprache, bei der der Sprecher und der Hörer einander nicht gegenüberstehen. Da ist ein Plakat, mit Werbung oder mit einer politischen Botschaft. Wir sehen nicht, wer sie ausspricht. Und die Person, die den Text macht, sieht mich nicht. Damit fängt die Unverbindlichkeit an. Wie ist es gemeint? Wie kommt es an? Ist es gut gemeint? Bin ich gemeint? Was soll ich glauben? Was hat man mit mir vor? – Wir dürfen den Geschmack für ehrliche, verbindliche und aufrechte Sprache nicht verlieren! Die Seele braucht zuverlässige, klare Worte. Paulus warnt davor, Gottes Gaben lächerlich zu machen. Jesus warnt auch: „ Ich sage euch, daß die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie geredet haben. Aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden.“ (Matthäus 12, 36-37). Traurig ist es, wenn Menschen den Drang haben, aus allem einen Witz zu machen, oder alles ins Zynische zu ziehen: Wird schon schlecht gehen! – Ich will das hier nicht wiederholen. Warum? Weil sich das ins Gedächtnis festsetzt.
    Gott läßt sich nicht spotten. Wer die Sprache so mißbraucht, der lebt trotzdem auch davon, daß andere die Wahrheit sagen. Denn wenn alle lügen, dann kann man mit der Lüge nichts mehr erreichen, wie mit dem Falschgeld: Falschgeld funktioniert nur solange, wie Menschen vertrauen, daß es echtes Geld gibt. Und ohne Vertrauen kann kein Mensch leben. Wer lügt, mißbraucht also das Vertrauen der Menschen. Gott will aber, daß Vertrauen sich lohnt. Darum läßt Er es zu, daß Betrüger von der Lüge zerstört werden.
    Wir sollen diese Sprache weglassen. Lieber Danken – Gott Danken und einander Danken. Dann kommt Gottes Licht durch. Das bringt mehr Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Osterlamm mit Kreuznimbus, Kreuzfahne und Kelch (St. Josef, Bolzum)

Estomihi

Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

1 Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!
2 Sie suchen mich täglich und begehren meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, daß Gott sich nahe.
3 »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?«
Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter.
4 Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll.
5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat?
6 Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Laß los, die du mit Unrecht gebunden hast, daß ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!
7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich!

Jesaja 58, 1-9

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die
Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!

Jesus wurde mal nach dem Fasten gefragt. Er antwortete in einem Gleichnis:
Wie können die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? – Es kommt aber die Zeit, daß der Bräutigam von ihnen genommen wird – dann werden sie fasten. (Matthäus 9,15). Er spricht da von sich selbst als dem Bräutigam und seiner Gemeinde als der Braut. Die Brautleute sind die Diener der Gemeinde – also die Prediger und alle Verantwortlichen.
Jesus sagt also, daß es nur ein Grund zum Fasten gibt: Wenn er, Jesus, nicht bei seiner Gemeinde ist. Wenn seine Gnade nicht da ist, dann werden Christen einen Schnitt machen, um zu ihm zurückzufinden.
Ohne Glauben wird man den Grund zu Fasten also überhaupt nicht erkennen oder nachvollziehen.
In Psalm 63, 4 spricht uns der Heilige Geist vor, und er führt uns dahin, daß wir es nachsprechen können: „HERR, deine Güte ist besser als Leben, meine Lippen preisen dich.“ – Deine Güte ist besser als Leben. Also mitten im Sattsein ensteht ein Hunger nach der Güte Gottes. Mitten im Leben wird mir bewußt, daß ein Leben ohne Gott kein Leben ist.
Diese Erkenntnis, oder besser: dieser Hunger, wird zu einem Schnitt führen. Einem Schnitt von dem, was sonst so feste Teil meines Lebens erscheint. Schnitt im Konsum.
Im Alten Testament wurde gefastet – und Fasten war immer ein Zeichen, eine Begleiterscheinung von Buße. Man fastete, um näher zu Gott zu kommen. Das Fasten an sich führte natürlich nicht zu Gott. Sondern durch Fasten sollte die Konzentration auf Gottes Wort gefördert werden. Die Güte Gottes, die „besser ist als Leben“, sollte an Leib und Seele wieder erfahren werden.
Das Volk Israel wußte, was sich gehört.
Es wurde gefastet. Gefastet, daß es weh tat. Es war unübersehbar. Alle machten mit. Man ließ den Kopf hängen, wie ein Schilf – also geknickt, und bettete sich in Sack und Asche. Der Verzicht war deutlich. Man machte einen Schnitt.
Doch Gott war unzufrieden. Und der Prophet Jesaja mußte das dem Volk Israel klar machen. Das war nicht einfach, denn Israel sah sich eindeutig im Recht. Mit seinem Fasten machte es doch alles richtig! Der Verzicht war doch beeindruckend, und für jedermann erkennbar! Israel machte eindeutig alles richtig!
Darum muß Gott seinem Propheten Mut machen, und ihm den Rücken stärken, das hat er nötig. Denn wenn jemand meint, daß er alles richtig macht, dann sorgt das für Empörung, wenn er zur Buße gerufen wird! Gott sagt zu Jesaja:
„Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!“ – Es soll unüberhörbar sein. Und klar durchdringend wie eine Posaune: So kommt ihr bei Gott nicht an! Das ist nicht leicht einzusehen, denn sie scheinen Gott doch die ganze Zeit zu suchen, so spricht der HERR nämlich:
„Sie suchen mich täglich und begehren meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, daß Gott sich nahe.
»Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?«“ – Sie reden die ganze Zeit über Gott, gehen in den Tempel, nehmen am Gottesdienst teil.
Doch etwas stimmt nicht. Sie tun das alles, „als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte.“ – Sie meinen, daß sie bei Null anfangen, und daß das Fasten sie ins Plus bringt. Das Fasten ist nicht ein Ausdruck der Buße. Sie suchen nicht Gottes Gnade, sondern etwas anderes. Vielleicht Erfolg, oder das Ende einer bedrohlichen Situation. Israel wurde oft militärisch bedroht oder wirtschaftlich unter Druck gesetzt – wer weiß?, es gab auch damals Seuchen und Katastrophen! Darum fragten sie Gott: »Warum fasten wir und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib und du willst’s nicht wissen?« Warum ändert unser Fasten nicht die Situation? So konnten sie nur deshalb fragen, weil sie meinten, mit dem Fasten könnten sie Gott in eine Pflicht bringen: Weil wir fasten, muß Gott helfen.
Doch da spricht noch nicht der Heilige Geist, denn der Heilige Geist sagt: „Deine Güte ist besser als Leben!“ – Sie wollten noch das Leben erhalten, in Sicherheit bringen. Doch im Evangelium von heute sagt Jesus zu seinen Nachfolgern: „Wer sein Leben absichern will, der wird es verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und und um des Evangeliums willen, der wird es erhalten“ – der ist endgültig bei Gott in Sicherheit.
Unser Gott nimmt es genau, er will wirklich selbst gesucht werden, wirklich er selbst.
Jesaja mußte Israel vor den Kopf stoßen. Da, wo sie sich in Sicherheit wiegten, waren sie in größter Gefahr. Sie mußten umdenken. Sie mußten über sich selbst erschrecken, und einfach hoffen, daß Gott neu mit ihnen anfängt.
Jesaja zeigt Symptome auf: „Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt alle eure Arbeiter. Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein.“ – Weil sie Gott nicht von ganzem Herzen suchen, und vor Gott über sich selbst erschrecken, können sie ihren Nächsten nicht lieben wie sie selbst. Da ist dann doch das eigene Leben besser oder wichtiger als die Güte Gottes. Man verfolgt eigenen Interessen im Geschäft, setzt sich durch. Da wird gehadert und gezankt. Man pflegt Groll, Neid, Eifersucht. Abhängige werden vernachlässigt. Man ist selbst im Tempel, vor Gott, noch mit dem eigenen Egoismus unterwegs. Verurteilt seinen Nächsten. Rechnet aus, was er verdient, und vor allem, was man ihm vorenthalten kann.
Das sind für den Propheten Jesaja eindeutige Zeichen dafür, daß Israel nicht fastet, um bei Gott anzukommen, sondern Israel fastet, um Gott vor seine eigenen Interessen zu spannen. Das Ziel ist also nicht Gott und seine Gnade, sondern das eigene Ich. Ein Ich ohne Gott. Ein Ich als Gott. – Ein solches Ich sieht nicht die Not des Mitmenschen. Wer Hunger hat, ist lästig, oder selber schuld, oder eine Bedrohung. Ähnlich ist es mit allen, die Not haben: Die Nackten, die Obdachlosen, die Elenden.
Doch wer bei Gott in Sicherheit ist, sieht die Not nicht als Bedrohung. Wer aus dem Glauben heraus hilft, rechnet nicht Verluste aus, sondern der Dank, oder die Erleichterung des Nächsten ist ein Gewinn.
Das ist ein Wunder. Gott ruft uns dazu, und will das Wunder dann auch tun. Wir sollen Gott dann noch einmal ganz neu kennenlernen:
„Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich!“
Das Ziel ist: Ich kann wieder beten und erfahre, wie Gott nicht nur antwortet, sondern ganz für mich da ist.
Es ist völlig klar, daß eine Politik, egal welche, das nicht leisten kann. Sie kann nicht sagen: Wenn du mein Programm erfüllst, wirst du Gott kennen lernen und besser beten können.
Gott ruft jeden von uns, mit seinen Möglichkeiten für andere da zu sein. Es heißt schließlich: Brich dem Hungrigen DEIN Brot. Nicht das Brot eines anderen! Auch soll ich mich nicht an Gottes Stelle setzen, und anderen Vorschriften machen.
Das bedeutet dann auch: Das Brot, was ich weitergebe, kommt ganz beim Nächsten an, und damit auch bei Gott. Sobald ich mit dieser Gabe mich selbst in ein besseres Licht stellen will, und andere damit verurteilen oder unter Druck setzen will, dann ist es nicht mehr eine Sache des Glaubens, sondern der Heuchelei, und dann ist Gott raus. Jesus sagt ganz klar: „Wenn du Almosen gibst, sollst du nicht lassen vor dir posaunen, wie die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen. Amen – sie haben nichts davon. Wenn du es tust, so soll die linke Hand nicht wissen, was die rechte tut. Amen – das kommt bei Gott an.“ (Matthäus 6, 2-4).
Liebe Gemeinde – es wird heute viel posaunt: Was richtig, nötig, gut, korrekt und was nicht alles ist. Die Medien sind voll davon. Menschen werden unter Druck gesetzt. Auch im Namen des Christentums. Gott zieht sich daraus zurück. Jesus sagt: „ Ihr Lohn ist nur der Posaunenton“ – also das fragwürdige Ansehen bei fragwürdigen Menschen, und sonst nichts.
Die Posaune des Jesaja ist stärker. Der Ruf zu Gott zurück. Mit dem Gebet:
„Deine Güte ist besser als Leben.“

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Kampf zwischen Fasching und Fasten, Peter Bruegel d. Ä., 1559

Sexagesimä

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. Er aber sprach: Euch ist’s gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören. Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.

Lukas 8, 4-13

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die
Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Es scheint alles zunächst sehr einfach. Und am Ende ist es auch einfach. Aber: Es ist ganz anders, als wir denken.
Es ist alles ganz einfach:
Ein Sämann geht aus zu säen. Der Same wird ausgesät, und dann geschehen vier Dinge.
Die Saatkörner fallen auf den Weg. Da haben sie keine Chance. Sie werden zertreten, und weggepickt. Es gibt keine Frucht, keine Zukunft.
Andere Saatkörner fallen auf felsigen Boden. Das sieht erstmal gut aus. Die Saat keimt und ein grünes Pflänzchen geht auf. Aber es geht nicht gut. Die Wurzeln kommen nicht an das Wasser, und die Sonne verdorrt das Pflänzchen. Wieder kein Ergebnis, kein neues Leben.
Wieder andere Saatkörner fallen zwischen andere Pflanzen – Dornen – die nehmen der keimenden Pflanze Kraft, Licht und Luft weg. Sie erstickt, verkümmert und am Ende bleibt nichts.
Endlich fallen auch Saatkörner auf gutes Land, und es gibt neues Leben, in Hülle und Fülle : Hundertfache Ernte. Die Zukunft ist sicher.
Aussaat zielt auf Frucht. Niemand schmeißt Saatkörner einfach so um sich. Der Sämann hat eine Absicht. Und die ersten drei Ergebnisse sind nicht seine Absicht. Der Weg, der Felsen und die Dornen machen nicht sichtbar, was der Sämann vorhatte, man kann am Weg, auf dem Felsen und unter den Dornen nicht erkennen, was das überhaupt für Saat ist, die da ausgestreut wurde. Das wird erst in der Frucht eindeutig erkennbar.
Das ist einfach.
Aber auch die Erklärung des Gleichnisses ist einfach:
Das Wort Gottes wird ausgestreut, verkündigt. Natürlich mit dem Ziel, daß es Frucht bringt, Glauben schafft, und überhaupt neues Leben bei den Menschen anfängt, ein Leben, das nicht dem Tod geweiht ist, sondern ewig ist. Das ist Gottes Absicht. Das will Er.
Das Wort Gottes erreicht aber Menschen, die sind wie eine beschäftigte Straße: Da jagt ein Bild das andere, ein Eindruck den nächsten. Das Hirn oder das Herz ist ein vielbeschäftigter Bahnhof. Das Wort Gottes hinterläßt nicht den geringsten Eindruck. Oberflächliche Begeisterung für alles, was irgendwie die Sinne reizt, löscht das Wort Gottes aus, und der Feind Gottes schnappt Gottes Ruf zum Leben einfach weg – Zack! – als wäre nichts gewesen. Dieser Hörer ist verloren.
Oder es bleibt was hängen, sagt Jesus. Menschen sind begeistert. Sie haben sowas noch nie gehört! Auf einmal erleben sie es überhaupt, daß sie mal angesprochen werden, und nicht nur unterhalten oder bespaß. „Daß es so etwas Tiefes und Sinnvolles geben kann! Wow! Und schon so alt! Und ja, es hat unsere Kultur so geprägt! Ja! Und es ist echt interessant!“ – – Aber dann hört man: Es geht auch um Gebote. Im Gottesdienst sind merkwürdige Menschen, mit denen ich in meinen Kreisen nicht prahlen kann. Oder ich erlebe, daß Gott Leiden in meinem Leben zuläßt. Oder es kommt ein Thema wie Kreuzigung oder Sünde. Und auf einmal ist die Begeisterung futsch und dahin. Das war wohl nichts.
Das mit den Dornen ist auch leicht zu verstehen. Ein Mensch hört Gottes Wort, will dabei bleiben. Und dann kommen Sorge, Reichtum und Wollust. Diese drei. Sorge, Reichtum und Wollust führen ein Eigenleben. Nehmen die Seele in Anspruch und saugen sie aus. Sorge, Reichtum und Wollust tun sich wichtig, werden groß. Und Gott lernt man dabei nicht kennen. Da bleiben am Ende weder Sorge, noch Reichtum, und schon gar nicht Wollust. Gegen eigene Schuld, gegen die Macht des Bösen und gegen den Tod können diese Drei nichts ausrichten. – Da bleibt nichts übrig.
Dann das gute Land. Gott spricht, und es geschieht. Hörer hören und folgen. Sie wurzeln ein in Gottes Wort und erfahren, welche Kraft es hat. Sie halten Rückschläge aus und geben im Leiden nicht auf. Sie lassen sich nicht permanent ablenken, und gehen nicht jedem neuen Schnickschnack auf den Leim. Durch Gottes Hilfe merken sie, daß „niemand davon lebt, daß er viele Güter hat“ (Lukas 12, 15) – der Reichtum verliert seine Macht. Jesus fragt sie: „Wer ist unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, wie sehr er sich darum sorgt?“ (Matthäus 6 27) – Und antworten: Niemand. Die Sorge bringt nichts, nur Schlimmeres. – Diese Hörer werden frei davon, Knechte ihrer Süchte und Genüsse zu werden, „denn die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.“ ( 1. Johannes 2, 17). – Die Wollust ist nicht mehr allmächtig. Und diese Menschen, die das Gute Land sind, erleben, wie Gott bei ihnen aus Nichts Großes schafft. Inneren Frieden. Freiheit zur Liebe. Hoffnung in schweren Zeiten. Und vieles mehr.
Liebe Gemeinde, auch das alles ist einfach.
Das Bild ist wunderbar, als Gleichnis – und wenn man das alles überträgt: Hier das vierfache Ackerfeld, mit dem Samen und der Frucht , und auf der anderen Seite Das Wort Gottes, und wie es neues Leben schafft, und wie auf der Seite des Menschen Hindernisse und Probleme sind. – Wer ein bißchen nachdenken kann, der kann den Vergleich erkennen. Es ist nicht sooo schwer!
So! Und jetzt fängt die Predigt erst richtig an.
Denn da stehen ja noch mehr Worte. Und die stoßen einen vor den Kopf, und dann ist auf einmal nichts mehr leicht und einfach.
Erstens: Warum sagt Jesu, obwohl die Sache doch so einfach erscheint, das rätselhafte Wort: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ –
und zweitens: das allerschwerste: Er spricht davon, daß Menschen das Reich Gottes „nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.“
Diese beiden Sätze sind das geheime Fundament von dem, was wir bis jetzt gehört haben. Und wir verstehen diese Sätze Jesu dann am besten, wenn wir uns erstmal an den Kopf fassen, und fragen: Hab ich jetzt überhaupt schon etwas verstanden?
Sehen, und doch nicht sehen; hören, und doch nicht hören. Man hat es vor der Nase und kapiert es nicht. Jesus nimmt dieses Wort von dem Propheten Jesaja. Ein wichtiges Wort, denn es wird fünfmal im Neuen Testament zitiert. Gott sagt zum Propheten Jesaja bei seiner Berufung: „Geh hin uns spricht zu diesem Volk: Höret, und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! Verstocke das Herz dieses Volks, laß ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind – daß sie sich nicht bekehren und heil werden.“ (Jesaja 6, 9.10). Wir denken: Predigt und Gleichnisse sollen das Verstehen leichter machen, den Zugang zum Reich Gottes öffnen, wie eine Tür. Aber hier sagt Gott dem Prediger Jesaja: Mach durch deine Predigt die Augen, Ohren und Herzen deiner Gemeinde zu. – Was soll das? – Das hört sich so an, als sollte der Säemann erst durch den Samen das Ackerfeld hart und unfruchtbar machen! Dann ist der Säemann aber kein Säemann, oder? Warum denn überhaupt predigen? Warum denn überhaupt zuhören? – Da steht es geschrieben. Und, wie gesagt: Zitiert von Jesus bei allen vier Evangelisten, und auch Paulus zitiert es zustimmend (Römer 11,8). Wir kommen nicht daran vorbei. Da muß ja fast sagen: Dann ist das Wort Gottes nicht ein Same, der neues Leben schafft, sondern das Gegenteil, oder? – Dann müßte man ja Verständnis für die Menschen haben, die nichts mit der Bibel anfangen können. Die Welt ärgert sich ja über vieles im Wort Gottes. Überhaupt, daß Gott uns etwas zu sagen hat, und daß das klar definiert und festgelegt ist: Ein Ärgernis! – Daß Gott Mensch wird, daß er von den angesehensten Menschen schrecklich hingerichtet wird, und von den Toten aufersteht – mußte das wirklich sein? – Und daß wir Menschen Sünder sind – das ist doch eine Beleidigung! Wie viele Menschen wissen gerade genug von Gott oder dem Christentum, gerade genug, um es abzulehnen, zu verwerfen.
Das Wort Gottes übt damit eine Macht aus. Es zwingt die Menschen, sich zu offenbaren.
Mit anderen Worten: Das Wort Gottes macht erst deutlich, daß meine Seele eine Durchgangstraße ist, wo der Teufel alles Gute wegklauen kann. Das Wort Gottes zeigt mir, wie oberflächlich und wetterwendisch ich bin, sodaß kein Segen in meinem Leben Wurzel schlagen kann. Das Wort Gottes macht mir erst klar, welche Macht, kranke Macht, Reichtum, Sorge und Wollust in meinem Leben haben, sodaß sie Gottes Neuanfang in mir abwürgen und ersticken. Gottes Wort zeigt mir, daß ich noch gar nicht angefangen habe, zu leben, daß ich nicht wirklich weiß, was es bedeutet, zu lieben, was es ist, einen Gott zu haben, und wie unsicher meine Hoffnung überhaupt ist.
Da müssen wir durch. Einerlei, wie lange wir schon in der Kirche sind, oder wie kurz. Diese Worte zeigen uns, daß wir wirklich Patienten sind, die in Gottes Notaufnahme müssen, mit dringendem Tatütataa!
Und darum sagt Jesus auch das andere: „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ – Da denkt man auch: Wozu sagt er das? Er redet doch schon! Meine Ohren sind gesund! – Doch Weg, Steine und Dornen zeigen: Man hört, und es kommt nichts an. Es müssen neue Ohren her! Ohren, die bis zu Herz hin offen sind. Ohren, die dahin führen, daß wir wie aus einer langen dunklen Nach aufwachen und sagen: „Mache mich zum guten Lande, wenn dein Samkorn auf mich fällt. Gib mir Licht in dem Verstande und was mir wird vorgestellt, präge du im Herzen ein, laß es mir zur Frucht gedeihn.“ (Gesangbuch 129, 4). Mache mich zum guten Land, ohne Dich bin ich es nicht! – Jesus spricht nicht nur, sondern er schafft im Reden auch die richtigen Ohren in uns. Am Ende ist es ganz einfach

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Erhard Schoen, Gleichnis vom Sämann, um 1525

Lichtmeß

Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will. Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist. Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde, – darum bin ich vor dem HERRN wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke –, er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.

Jesaja 49, 1-6

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die
Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Heute endet der Weihnachtsfestkreis im Kirchenjahr. 40 Tage nach der Geburt des HERRN bringen Maria und Joseph gemäß dem Gesetz des Mose den Knaben Jesus zum Tempel nach Jerusalem. Zwei Gesetze mußten sie erfüllen.

  1. Jesus war eine männliche Erstgeburt. Deshalb mußte er
    im Tempel dargestellt und, wie es heißt, ausgelöst werden. Im 2. Buch Mose 13, 15 wird uns gesagt, daß die männliche Erstgeburt Gott gehört. Doch Gott verlangt nicht das Kind als Opfer, sondern gegen ein Opfer bekommen die Eltern ihren Sohn wieder zurück – er wird „ausgelöst“. (2. Mose 13, 2.12.15)Es war eine Erinnerung daran, daß bei der Rettung Israels aus Ägypten Gott durch seine Engel die Erstgeburten Ägyptens tötete, als 10. ägyptische Plage. Diese Darstellung im Tempel führte dem Volk Israel Jahrhunderte lang immer wieder vor Augen, daß seine Freiheit einen Preis hatte. Die Eltern wurden sozusagen für einen Moment in die Situation der Eltern Ägyptens versetzt, die ihre männliche Erstgeburt hergeben mußte. Und es war zugleich ein Weichenstellung Gottes, daß einmal in Israel die Befreiung und Rettung auch ein Opfer kosten würde: Das Opfer des Sohnes Gottes.
  2. Das andere Gesetz war allgemeiner: Nach der Geburt eines Jungen war die Mutter 40 Tage vom Gottesdienst ausgeschlossen. Danach sollte ein Opfer zur Reinigung dargebracht werden. Wenn eine Tochter geboren wurde, sollte das Opfer nach 80 Tagen dargebracht werden. (3. Mose 12, 1-8). Auch war vorgeschrieben, wenn die Eltern sich nicht ein Lamm leisten konnten, dann sollten zwei Tauben geopfert werden. Maria und Joseph gehörten also zu den Armen, denn sie opferten Tauben.
    Diese Opfer waren im Alten Testament. Im Neuen Testament haben sie aufgehört. Nicht, weil sie ein Fehler oder ein Irrtum waren, oder weil wir Menschen schlauer geworden wären, sondern, weil Jesus das Gesetz erfüllt hat.
    Jesus wurde in ein Volk hineingeboren, in dem der Unterschied und die Zuordnung von Mann und Frau heilig war. Es war sofort von immenser Bedeutung, ob eine Junge oder ein Mädchen geboren wurde. Das hat sich durch die Jahrhunderte tief eingeprägt. Das Evangelium kam ans Licht in einem Raum, wo Gott selbst zwischen Mann und Frau unterschieden hat. Ohne diese Unterscheidung hätten wir kein Evangelium.
    Ebenso, wie diese beiden Gesetze, war das Volk Israel getragen und erfüllt von der Hoffnung, die Jesaja ihm verkündigt hat. Damit kommen wir zu unserem Predigttext.
    Wenn wir ihn hören, dann müssen wir behalten, daß diese Worte über 500 Jahre vor Christus verkündigt wurden, also gute 500 Jahre gehört, bedacht und geglaubt wurden in Israel.
    „Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war.“ – Hier spricht ein ICH mit einem ganz gewaltigen Selbstbewußtsein. „Hört mir zu, ihr Inseln!“ – Ich habe etwas zu sagen, was euch alle angeht. Zwischen mir und euch ist zwar das große, wilde, gefährliche Meer. Doch was ich sage, ist größer und stärker als das Meer und seine Stürme und Wogen. Inseln sind isoliert, abgetrennt. Das ist jetzt vorbei.
    Das muß ein gewaltiges Wort sein, stärker als das Meer! Ein Wort, das jede Isolation und Trennung durchbricht und überwindet.
    Doch es ist kein blutrünstiger Weltherrscher, der mit Waffen und Medien oder Finanzen alles unter sich beugen will. Es ist kein Eroberer. Denn er sagt: „Der HERR hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war.“ Er ist gehorsam, er ist ein Diener. Und zwar nicht des Mammons, auch nicht der Wünsche von uns Menschen, sondern der Schöpfer Himmels und der Erden hat ihn berufen, beauftragt. Er ist Knecht Gottes, und Knecht keines einzigen Menschen. Nur Gott hat ihm etwas zu sagen. Von Anfang an, von Geburt an. Sein Weg liegt klar vor ihm.
    Im Neuen Testament sagt Jesus im Johannes-Evangelium: „Die Werke, die mir der Vater gegeben hat, daß ich sie vollende, eben diese Werke, die ich tue, zeugen von mir –also beweisen – daß mich der Vater gesandt hat.“ (Johannes 5, 36). Und in 14,10: „Die Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir wohnt, der tut die Werke.“ Dieser Knecht also zu keinem einzigen Zeitpunkt eine menschliche Entscheidung getroffen, Gottes Knecht zu sein. Schon vor seiner Geburt, im Mutterleib, steht das alles fest. Aber nicht als etwas fremdes, was ihm zwingt gegen seinen Willen. Schon seine Menschwerdung ist Gehorsam, Einwilligung in seinen Auftrag, seine Sendung.
    Das ist ein einmaliger, besonderer Diener Gottes, der sich da hören läßt!
    „Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht,
    mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will.“
    Ein Mund wie ein scharfes Schwert. Er spricht, und durchdringt allen Schein, alle Konstruktionen, hinter denen wir Menschen uns vor Gott verstecken. Sein Wort ist seine Waffe. Mit dem Wort kämpft er, mit dem Wort erreicht er sein Ziel, mit dem Wort übt er seine Macht aus.
    Und das ist unsere große Hoffnung. Das wir gerettet werden durch Anrede. Nicht durch Operationen, wo wir nicht wissen, was dann von uns übrigbleibt. Nicht durch einen großen Umbau, wo wir nie wissen, ob wir endlich gut genug sind. Dieser Knecht spricht, und alles verliert Macht über uns. Darauf hat Israel gehofft, und sich danach gesehnt.
    Im Evangelium hören wir wiederholt, daß Jesus mit Machtworten die Komplexe und Knoten, die arme Menschen so sehr knechten, daß sie oft ins Feuer und oft ins Wasser fallen, anherrschte, anfuhr und rausschmiß. (Matthäus 17, 15. 18, und oft).
    Der Knecht sagt auch, daß Gott ihn „mit dem Schatten seiner Hand bedeckt und zum spitzen Pfeil gemacht und in seinem Köcher verwahrt hat.“ Der Knecht erscheint wie ein normaler Mensch. Doch er wird begleitet von einer ungreifbaren Macht. Ein Schatten ist scheinbar nichts. Aber da ist die Hand, die einen Schatten hat. Dieser Knecht ist so sehr und ganz UNTER Gott, daß Gott ganz da ist, wo der Knecht ist.
    Im Evangelium hören wir immer wieder, daß man Jesus fangen und verhaften wollte, aber „er ging mitten durch sie hinweg“ (Lukas 4, 30); „niemand legte die Hand an ihn, denn seine Stunde war noch nicht gekommen“ (Johannes 7, 30. 44). Er geht seinen Weg, und wie ein scharfer Pfeil hält ihn nichts auf, bis er sein Ziel trifft.
    Doch der Knecht spürt den Widerstand, den er überwindet auf seinem Weg. Der Widerstand ist für ihn eine Last, eine große Last:
    „Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz, wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist.“
    Es scheint alles sinnlos zu sein. Es scheint alles ins Nichts zu gehen. Die Menschen, für die der Knecht sich einsetzt und opfert, nehmen es nicht an. Sie sehen nicht ein, daß sie Hilfe brauchen, oder sie trauen dem Knecht nicht zu, daß er helfen kann. „O du ungläubige und verkehrte Art“, ruft Jesus einmal aus: „Wie lange soll ich bei euch sein? Wie lange soll ich euch ertragen?“ (Matthäus 17, 17). Der Eigenwille, die Blindheit, die Selbstgefälligkeit der Menschen ist riesig. Sie überschätzen sich völlig und ahnen nicht, wie sie vor Gott dastehen. Der Knecht muß das tragen. Unsere Dummheit trägt er als seine Last, die ihn drückt, bis er Blut schwitzt, weil er nicht aufgibt. (Lukas 22,44).
    Doch der Knecht ist nicht von uns Menschen abhängig. Er tut es um Gottes willen: „Wiewohl mein Recht bei dem HERRN und mein Lohn bei meinem Gott ist.“ Seine Liebe zu den Menschen hat ihren Grund in sich selbst. Darum hört diese Liebe nicht auf. Gott wird ihm Recht geben, und der ganzen Welt klarmachen, daß er Gottes Willen vollbracht hat, und nicht seine Gegner.
    Wie diese Rechtfertigung des Knechts aussehen sollte, das konnte man sich in Israel nicht vorstellen. Sie mußte aber kommen. Im Neuen Testament wissen wir, daß das die Auferstehung Jesu von den Toten war. Damit hat Gott klargemacht, daß Sein Knecht alles richtig gemacht hat.
    „Und nun spricht der HERR, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, daß ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde, – darum bin ich vor dem HERRN wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke –, er spricht: Es ist zu wenig, daß du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, daß du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.“ – Der Knecht soll ein Wunder vollbringen: Das Volk Israel wieder vollständig machen. Gute 200 Jahre vor Jesaja hatten die Assyrer 10 der 12 Stämme Israel vertrieben und vernichtet. Und was von ihnen übrig war, war mit den beiden bleibenden Stämmen verfeindet. Das Volk Gottes hatte sein Land verloren, und wurde in alle Welt zerstreut. Andere hatten die Macht über sie. – Im Evangelium hören wir, wie Jesus immer wieder zwischen Galiläa im Norden, und Juda im Süden unermüdlich unterwegs war. Auch, daß er bei den Samaritern war. So hören wir in Matthäus 4: „Es folgte ihm eine große Menge nach – aus Galiläa, aus den Zehn Städten, aus Jerusalem, aus Judäa und von jenseits des Jordans“ (4, 25). Die verlorenen, zerstrittenen und verstreuten Stämme Israels kamen wieder zusammen! Und wie erreicht der Knecht Gottes dieses Wunder, das keine Politik erreichte? Durch Heilung und durch Predigt. Durch Gnade und Hingabe.
    Das ist schon ein Wunder. Doch: Wer Israel wieder zusammenkriegt, der schafft auch alle anderen Völker: „Es ist zu wenig, daß du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, daß du seist mein Heil bis an die Enden der Erde.“ Gottes Licht für die gesamte Menschheit. Simeon sagt es zu dem 40 Tage alten Kinde: „Ein Licht, zu erleuchten die Heiden.“ Und Jesus hat sich auch ausdrücklich so verstanden: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“(Johannes 8, 12).

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Giovanni Bellini, Darbringung Christi im Tempel, etwa 1490 bis 1500

Letzter Sonntag nach Epiphanias

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Denn wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen. Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen. Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift eine Sache eigener Auslegung ist. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem Heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.

2. Petrus 1, 16-21

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die
Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Was ist da auf dem Berg geschehen?
Petrus schreibt von dem, was er gesehen hat. Er, und Jakobus und Johannes, waren Augenzeugen. Jesus hatte sie als Zeugen auserwählt, und nahm sie mit sich auf einen hohen Berg. Petrus nennt den Berg „heilig“. Welcher Berg das genau ist, kann nicht mehr gesagt werden. Wir müssen es auch nicht wissen. Denn alles, was wir wissen müssen, ist nicht an den Berg gebunden. Wenn wir heute auf den Berg gehen, werden wir Jesus nicht näher sein, und auch das, was dort geschah, nicht besser aufnehmen können.
Jesus wurde verklärt vor ihnen. „Sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne, und sein Kleid wurde weiß, wie das Licht.“ Ein Strahlen mitten am Tage, das auch das bei Sonnenlicht noch durchkam. Es kann aber nicht einfach eine Steigerung des Sonnenlichts gewesen sein. Petrus sagt denn auch: „Wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.“ Diese übernatürliche Klarheit und Helligkeit ging von dem Leib Jesu aus. „Herrlichkeit“. Wie will man das umschreiben? Es ist ein Glanz, der nicht oberflächlich ist, nicht äußerlich, sondern von innen kommt, und unzertrennlich von der Person ist. Zur Herrlichkeit gehört auch, daß die Person wichtig ist, daß sie Macht hat, Erkenntnis und Einsicht, es gibt nichts zu verbergen oder erklären: Alles erscheint. Darum gehört auch Reinheit dazu. Es ist nicht verdorben, es ist nichts nur Schein, nichts ist verstellt. Zur Herrlichkeit gehört auch Überlegenheit, Unantastbarkeit. Petrus sagt uns, daß Jesus „Ehre und Preis“ von Gott bekam. Respekt, Achtung, Ehrfurcht – das Ruft Herrlichkeit im Menschen hervor. Petrus, Jakobus und Johannes „fielen auf ihr Angesicht und erschraken sehr“, heißt es im Evangelium. Die Herrlichkeit ließ die erfahren, daß sie als Menschen Geschöpfe sind, die ihr Leben nicht in der Hand haben, ja das Leben auch nicht gemacht haben, und nicht durchschauen. Die Herrlichkeit hat den Aposteln auch als Geschöpfe erfahren lassen, daß sie eben nicht herrlich sind. Daß bei ihnen Innen und Außen nicht übereinstimmen, daß bei ihnen doch viel mehr verdorben war, als sie dachten, daß sie nicht so wichtig waren, wie sie sich selbst nahmen. Sie waren als Menschen Geschöpfe, und als Geschöpfe Sünder und als Sünder sterblich. Sie sahen Herrlichkeit und erlebten, daß sie keine Herrlichkeit hatten. Als Paulus dem Auferstandenen Jesus Christus in Seiner Herrlichkeit begegnet, fällt er auf die Erde, und für ihn ist sein gesamter bisheriger Weg zu Ende. Obwohl man ihm nichts nachsagen konnte und er aus seinem Leben gemacht hatte, was menschenmöglich war als gesetzestreuer Jude (er sagt das selbst: Philipper 3, 5-6). Nach dieser Begegnung weiß Paulus: Mit fehlt die Herrlichkeit, die ein Mensch braucht, um vor Gott zu überleben, oder bei Gott überhaupt anzukommen.
Paulus hatte auch wie Petrus, Jakobus und Johannes bei dieser überwältigenden Begegnung eine Stimme vom Himmel gehört, die klar machte: Dies ist der Sohn Gottes – ihr begegnet jetzt Gott. Eine größere, eine wichtigere, schwerere, herrlichere Begegnung gibt es nicht.
Diese Begegnung begleitete Petrus nun bis ans Ende seines Lebens. Aus dieser Begegnung heraus trat er vor seine Gemeinde, aus dieser Begegnung heraus predigte er und diente er der Christenheit.
Was folgt daraus?
„Wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt.“ Das Evangelium ist nicht eine schlau ausgedachte Propaganda. Petrus und die Apostel haben nicht überlegt: Was wollen die Menschen gerne hören? Was brauchen sie? Womit können wir uns beliebt machen? Womit können wir Aufsehen erregen, damit man über uns spricht? Worüber müssen wir sprechen, daß man uns ernst nimmt? Wie können wir trenden? Was bringt uns auf den Listen nach oben? – Was letztlich darauf hinausläuft: Wie können wir Menschen überrumpeln zu unserem eigenen Vorteil?
„Kluge Fabeln“. Das ist die Luft, die wir heute atmen. Was wird wie gesagt, und was wird im Sprechen noch verschwiegen? Ob das nun Werbung ist, oder Information, oder eine Verordnung, ein Zeitungsartikel: Wir müssen davon ausgehen, daß jedes Wort genau überlegt ist, und man fragt sich dann: Was will man von mir? Warum soll ich das glauben? Meint man da, was man sagt? Man kann das Gefühl bekommen, daß dem Menschen nicht getraut wird. Ohne Sprachregelungen darf ihm nichts gesagt werden, sonst kommt er auf die falschen Gedanken. Man darf den Menschen nicht mit der Wahrheit allein lassen. Man darf ihm die Wahrheit nicht zumuten. Klug ausgedachte Kommunikation erfaßt den Menschen an dem Punkt, wo er nicht nachdenkt, wo er möglicherweise unfrei ist. Oft ist das die Angst. Wenn jemand meine Angst anspricht, dann glaube ich ihm erst einmal. Einfach zur Sicherheit.
Die Apostel haben das nicht getan. Sie haben bezeugt, was sie gesehen und gehört haben. Dazu hat Jesus sie beauftragt. In der Nacht vor seinem Tod, sagt er zu ihnen:
„Ihr werdet meine Zeugen sein, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen.“ (Johannes 15, 27), und nach der Auferstehung sagt er: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen und werdet meine Zeugen sein.“ (Apostelgeschichte 1, 8). Ein Zeuge soll gerade nichts ausdenken. Er soll sagen, was er gesehen und gehört hat. Nicht mehr und nicht weniger. Ein Zeuge vor Gericht zum Beispiel, soll so Zeugnis ablegen, daß der Richter über das, was bezeugt wird, urteilen kann. Jeder Versuch des Zeugen, den Richter zu manipulieren, macht ihn zu einem schlechten, unbrauchbaren Zeugen. Die Apostel haben geredet von dem, was sie gehört und gesehen haben. Und dieses Zeugnis hat Gott benutzt, seine Kirche zu gründen und zu bauen. Der Heilige Geist hat das Zeugnis der Apostel so gestaltet, daß die Hörer darin Jesus so begegneten, wie die Apostel selbst. Jesus hat seine Herrlichkeit in dieses Zeugnis hineingegeben.
Nicht nur haben die Apostel sich nicht mit eigenen klugen Überlegungen oder Strategien abgesichert, sondern sie haben ihre Sicherheit noch ganz woanders herbekommen:
„Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.“ – Hier schreibt Petrus von den Schriften des Alten Testaments. Nachdem er die überwältigende Begegnung mit der Herrlichkeit Jesu auf dem Berg beschrieben hat, spricht er von etwas, das „fester“ ist. Denn: Begegnungen und Sinneseindrücke sind vergänglich. Im Grunde hätte Petrus wie viele Mystiker nach einer Begegnung mit Gott auch sagen können: „Wenn du es nicht selbst erlebt hast, dann weißt du nicht, wovon ich rede. Es ist zu wunderbar, keine Sprache kann es wiedergeben!“ Doch das tut er nicht. Er kann über das Unaussprechliche reden, weil Gott eine Sprache vorbereitet hat. Es ist das Alte Testament. In der Apostolischen Zeit haben die Apostel ihr Zeugnis von Jesus Christus mit der Sprache des Alten Testaments vorgetragen. Im Grunde ist das Neue Testament nichts anderes als die Feststellung: Gott hat erfüllt, was er im Alten Testament versprochen hat. Jesus Christus ist die Erfüllung. Petrus sagt, daß dieses Prophetische Wort „fester“ ist. Es ist belastbarer, als Sinneseindrücke, als das was man einmal gesehen und gehört hat. Nur ein Beispiel: Ohne das Alte Testament hätten die Apostel nicht richtig über den Kreuzestod Jesu sprechen können. Es wäre nichts weiter als ein Scheitern und eine Katastrophe gewesen. Die Reaktion darauf hätte dann nur Entsetzen und Empörung sein können. Doch das Alte Testament kannte das Opfer, das Gott fordert und annimmt. Die Idee, daß einem Opfertier die Schuld von einem Priester übertragen wird. Das Alte Testament kennt die Idee von dem Knecht Gottes, die „unsere Krankheit auf sich nimmt, und unsere Schmerzen auf sich lädt; der um unserer Sünde willen geschlagen wurde, und durch dessen Wunden wir geheilt werden.“ (Jesaja 53). Das waren sozusagen „wartende Worte“ (so nennt sie Papst Benedikt XVI) – die die Apostel dann auslegten um Christus vor der Welt zu bezeugen. Und das schuf den Glauben und die Christenheit.
Also nicht nur haben die Apostel nichts ausgedacht, sie haben auch die Sprache benutzt, die Gott bereitgelegt hatte durch Seine Propheten im Alten Testament.
Und das alles ohne auch nur eine Spur von Manipulation oder Berechnung. Es gehört zur Herrlichkeit Jesu, daß sie ohne jegliche Nachhilfe erscheint. Wenn Jesus bezeugt wird, und das mit der Sprache des Alten Testaments, dann kommt seine Herrlichkeit zu uns. Wenn die Apostel manipuliert hätten, dann hätten sie die Herrlichkeit Jesu komplett verleugnet.
Darum ermahnt uns Petrus: „Ihr tut gut daran, daß ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen.“ Ich trage heute etwas dick auf, aber ich sage es trotzdem. Der Ergebnis von Manipulation ist Dunkelheit. Wenn wir Menschen nur auf unsere Ängste angesprochen werden – oder auf unsere Begierden – wenn wir also nur in unsere wortlosen Gefühlen bestätigt werden, dann wird es dunkel. Dann wird es am hellichten Tag dunkel. Denn dann wird die Angst immer größer, oder die Macht unserer Begierden wird immer größer. Dann kann die Angst nicht mehr überwunden werden, und die Begierden können nicht erfüllt werden, und wir begegnen Gott nicht mehr.
Wir brauchen diese Begegnung, die uns die Herrlichkeit Gottes zeigt. Diese Begegnung läßt uns erfahren, daß wir keine Herrlichkeit in uns haben. Das ja. Aber Jesus hat seine Herrlichkeit für uns. In der Taufe hat er uns seine Herrlichkeit geschenkt. Im Evangelium teilt er seine Herrlichkeit aus. Unser Gesangbuch bezeugt das: „Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid, damit will ich vor Gott bestehn, wenn ich zum Himmel werd ein gehn.“ (ELKG 273, 1).
Die restlichen Worte des Predigttexts unterstreichen nur, was schon gesagt wurde. Die Worte der Heiligen Schrift sind inspiriert vom Heiligen Geist. Gott hat sie gegeben, die Begegnung zu schaffen, die uns frei macht. Er schreibt: „Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem Heiligen Geist haben Menschen im Namen Gottes geredet.“ Darüber könnte man noch viel sagen. Doch für heute sage ich: Hier wird uns gesagt, daß Gottes Wort frei von Manipulation ist. Es ist ein herrliches Wort, ein freies Wort, ein befreiendes Wort.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Transfiguration, Perugino, 1496 – 1500

2. So. nach Epiphanias

Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht’s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt’s dem Speisemeister! Und sie brachten’s ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten’s, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Johannes 2, 1-11

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die
Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Jeremia, der Prophet hatte den Auftrag, von Gottes Gericht und von Gottes Gnade zu sprechen. Wo Gott sich in den Weg stellt, weil wir ihn zum eigenen Schaden verlassen – Gericht. Das kann schwer sein, schrecklich. Das kann so aussehen, daß Gott uns mit dem Bösen allein läßt. Doch Gottes Ziel ist die Gnade: Daß Gott und Mensch einander finden – der Mensch wird geheilt und ganz frisch gemacht.
Bei Jeremia fällt auf, daß Gottes Gericht und Gottes Gnade einem Zeichen festmacht – es ist nicht das einzige Zeichen, aber es paßt zu heute:
In einer Gerichtspredigt sagt Jeremia im Namen des HERRN: „Ich will in den Städten Judas und auf den Gassen Jerusalems wegnehmen den Jubel der Freude und Wonne und die Stimme des Bräutigams und der Braut, denn das Land soll wüst werden.“ (Jeremia 7, 34 – vgl. 16,9 und 25, 10). – Wenn Gott dem Land wieder Gnade gibt, wenn das Gericht vorbei ist, heißt es dann entsprechend: „Man wird wieder hören den Jubel der Freude und Wonne, die Stimme des Bräutigams und der Braut und die Stimme derer, die da sagen: Danket dem HERRN Zebaoth; denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich.“ (Jeremia 33, 11).
Wenn also Gott es gut meint, und das Land segnet, dann hört man die Stimme des Bräutigams und der Braut. Nicht einfach des Mannes und der Frau – sondern des Bräutigams und der Braut. Also die Stimme eines Mannes, der einer Frau sein Ja-Wort gibt, und seine Braut als als wunderbare Gabe von Gott erkennt und bejaht und liebt – und die Stimme der Frau, die das Ja-Wort hört und annimmt und den Bräutigam als Gabe Gottes erkennt und bejaht und liebt. In der Zeit der Gnade und des Segens werden diese freudigen Stimmen gehört. Menschen trauen sich, zu heiraten, eine Ehe einzugehen, und vertrauen auf den Segen und den Schutz Gottes. Ganz klar und ohne jeden Zweifel schließt dieses Vertrauen auch den Wunsch nach neuen Menschen ein, Früchte des Leibes, die in dem Bereich dieser freudigen Stimmen geliebt werden. Und Jeremia deutet es an: Alle freuen sich mit wenn die Stimme des Bräutigams und der Braut gehört werden. Ein Fest, ein Hochzeitsfest.
Wenn diese Stimme aber wegbleibt, wenn der Mut fehlt, das Ja-Wort zu geben und anzunehmen, wenn Männer und Frauen einander nicht als Gaben des Schöpfers sehen können, wenn die Sorge zu groß wird, dann ist das ein Zeichen nicht von Gottes Gnade. Dann ist das ein Zeichen dafür, daß etwas nicht stimmt. Gott ist nicht am Ziel. Der Segen Gottes ist nicht da, wenn die Stimme des Bräutigams und der Braut nicht gehört werden. Wenn sie nicht ihren festen Platz in der Freude eines Landes haben, aus welchen Gründen auch immer. Dann ist Gott nicht am Ziel. Dann ist das nicht ein Fortschritt im Segen Gottes.

Jesus setzt ein Zeichen. Sein erstes Zeichen findet statt bei einer Hochzeit. Versteht ihr jetzt, warum ich mit den Worten Jeremias über Gericht und Gnade diese Predigt angefangen habe?
Jeremia hat es angekündigt. Wenn Gott zu den Menschen kommt und Herrlichkeit und Gnade bringt, dann wird man wieder hören die Stimme des Bräutigams und der Braut!
Es ist das erste Wunder, das Jesus tut, das erste „Zeichen“. Der erste Eindruck prägt sich am tiefsten ein, der erste Eindruck währt am längsten, der erste Eindruck beleuchtet alle Eindrücke danach. Und bei dem Sohn Gottes ist nichts Zufall.
Das erste Zeichen dafür, daß Gott unwiderruflich in Menschengestalt zu uns gekommen ist, ist ein Wunder auf einer Hochzeit.
Damit ist die Hochzeit bis zum Jüngsten Tag geheiligt. Jeder Bräutigam, der seiner Braut sein großes Ja-Wort gibt, und jede Braut, die es erwidert, soll es mit der Gewißheit tun: Das ist vor Gott gut und wahr und schön bis zum jüngsten Tag. Vor Gott ist die Ehe von einem Mann und einer Frau niemals altmodisch, entwicklungsbedürftig, ergänzungsfähig, erweiterungsfähig oder in irgendeiner Weise überholt. Zunächst als Institution. Was wir Menschen daraus machen, braucht jeden Augenblick Gottes Gnade und Unterstützung.
Und was für ein Wunder! Ein Wunder der Diskretion in alle Richtungen. Das Wunder rettet die Freude des Festes – genauer: Es rettet die Freude der Braut. Denn alles kann gelingen und perfekt sein, aber wenn die Braut sich nicht freut, dann ist alles vergeblich. Denn wenn die Braut sich freut, dann freut sich der Bräutigam sowieso. Umgekehrt ist das nicht sicher. – Der Wein steht für die Freude. Die Bibel sagt das. Was wir Menschen daraus machen durch Maßlosigkeit ändert das nicht. Wenn der Wein alle wird, ist die Freude bedroht. Das wäre für das Brautpaar, vor allem aber für die Braut, eine Katastrophe.
Da hilft es auch nicht, daß man 600 Liter reines Wasser zum Händewaschen bereitgestellt hat. Nach der Weise der jüdischen Reinigung. Diese Krüge stehen für das Gesetz. Daß man alles vor Gott richtig machen soll. Das hat alles gute Gründe. Aber die Freude kommt woanders her. Man stelle sich vor, diese Ansage bei einer Hochzeit: „Leute, der Wein ist alle, aber macht mal schön weiter, ihr könnt euch wenigstens reichlich die Hände waschen.“ Ein schlechter Film wäre das!
Der Sohn Gottes hat diese Mission: Die Freude retten. Die gottgewollte Freude.
Seine Mutter Maria ist auch auf der Hochzeit. Sie hat ihn geboren und erzogen. Sie kennt ihn. Sie weiß auch sein Geheimnis. Sie kann mit ihm sprechen, und tut es auch: „Sie haben keinen Wein!“ – Mit anderen Worten: „Hilf diese armen Leuten!“ Die gutmeinenden Mütter der Söhne dieser Welt! Welcher Sohn braucht nicht mal einen Anstoß, weil er Dinge nicht SIEHT! –
Die Antwort Jesu beschäftigt die Menschen. „Was geht’s dich an, Frau, was ich tue?“ – Was ist das? Eine Beleidigung? Sagt Jesus sich von seiner Mutter los? Doch Maria faßt es nicht als Beleidigung auf. Sie bewahrt völlige Ruhe und sagt zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut!“ – Damit überläßt sie ihrem Sohn vollständig seiner Mission.
Luther übersetzt: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht da.“ – Hier geht es um „Schaffen“ um Göttliches. Da steht Jesus allein uns Menschen gegenüber, auf der Seite Gottes. Wir müssen ihn ganz und gar machen lassen.
Wir kennen das Wunder. Die Diener schöpfen auf Jesu Befehl das Wasser. Der Speisemeister kostet. Der Bräutigam wird gelobt. Die Diener für sich sind unwissend, der Speisemeister für sich ist ahnungslos, der Bräutigam für sich kann nur aus allen Wolken fallen, wenn er hört: „Du hast ja den guten Wein bis jetzt aufbewahrt!“ – Wie bitte?
Die Freude ist gerettet, besonders die Freude der Braut. Das Fest ist gerettet. Während Johannes der Evangelist die Szene verläßt, und sagt: „Er offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn“ – kann man sich doch im Hintergrund noch das aufgeregte Gespräch vorstellen. Das Brautpaar, das Personal, schließlich auch die Gäste. Wenn Freude gerettet wurde, kann man nicht schweigen. Dieses Paar muß ganz spezielle Hochzeitstage gefeiert haben. Hoffentlich viele!
Die Stimme des Bräutigams und der Braut. Das besagt noch viel mehr.
Ein Bräutigam ist ja nach Gottes Wort ein Mann, der seinen Vater und seine Mutter verläßt und an seiner Frau hängt – oder klebt, haftet, ja, Gottes Wort sagt es, wie es ist: „Ein Fleisch“, so sagt es Jesus. Und die Braut ist eine Frau, die Gott zu einem Mann führt, der sie mit allem, was er ist und hat, bejaht und als Geschenk von Gott annimmt. So steht es für alle Zeiten bei Mose geschrieben.
Menschen, die Gott kennen, die feiern das. Ein Fest muß diese unsichtbare Wahrheit, die uns himmelhoch über alle Biologie erhebt, nein, die die Biologie in den Himmel hebt, ein Fest muß diese unsichtbare Wahrheit aussprechen, deutlich machen und feiern. Diese Wahrheit, daß Gott selbst zwischen Mann und Frau ist, und daß hier die größten Gegensätze nicht Fremdheit sondern Raum für Liebe sind.
Dieses erste Zeichen Jesu deutet an: Gott nimmt die Menschheit an. Das hat etwas von Hochzeit und Fest. Gott ist gekommen, die Freude bei uns Menschen zu retten. Die wir uns selbst leider immer wieder verderben.
Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung des Johannes, spricht auch diese Sprache: „Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm!, und wen dürstet, der komme; und wer da will der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ (Offenbarung 22, 17). Im Himmel wird es keine Ehen mehr geben. Aber die Sprache des Bräutigams und der Braut wird zwischen Gott und seiner neuen Menschheit erklingen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Die Hochzeit zu Kana, Paolo Veronese, 1563

1. So. nach Epiphanias

Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt zu halten, sondern dass er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat. Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied, und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Ist jemand prophetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß. Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er. Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er. Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er’s gern.

Römer 12, 1-8

O Herr Jesus, bitte schaffe in uns Früchte des Glaubens, die Deinem Vater Freude machen, und als Deine Geschenke unseren Nächsten aufrichten. Amen.

Liebe Gemeinde!
Paulus spricht jetzt mit uns und sagt uns, was es ist, mit dem Dreieinigen Gott zu leben, in dem dreieinigen Gott zu leben, und durch den dreieinigen Gott zu leben.
Jede Glaubenswahrheit ist so beschaffen, daß sie einen Christen vollumfänglich begleitet, trägt.
Wir sind in den Dreieinigen Gott getauft. Vater, Sohn und Heiligen Geist.
Das ist nicht eine Wahrheit, die in sich geschlossen ist, wie in einem Buch auf dem Regal, oder wie ein tiefgekühltes Essen im Kühlschrank, oder wie ein ein Speicherstick, der nicht angeschlossen ist. Die Worte, die wir heute von Paulus hören, haben nur Bedeutung, und werden nur verstanden, wenn für mich als Prediger und für Dich als Hörer Gott Vater der Schöpfer, und Gott Sohn, der aus grundloser Liebe einer von uns geworden ist, und Gott der Heilige Geist, der in uns bei Null anfängt und nicht aufhört, bis alles von uns bei Gott ist – wenn dieser Dreieiniger Gott nicht wirklicher ist, als alles, was wir denken, fühlen und tun, ja auch wirklicher ist, als alles, was wir leiden, wirklicher als alles, was uns fehlt.
Und darüber gibt es keine Frage und keinen Zweifel. Gott Vater, der mich gemacht hat, und will, daß es mich gibt – er ist wirklicher als meine Gedanken, als meine Gefühle, und alles. Gott der Sohn, der aus der perfekten Freude im Himmel freiwillig in unsere verrückte Welt, in unser verwirrtes Menschsein hineingekommen ist, und keinem Angriff auf die Liebe ausgewichen ist, bis in den Tod, der ist auch wirklicher als alles, was ich denke, fühle, sage, tue oder leide. Und Gott der Heilige Geist, der die absolute Kunst beherrscht, Menschen aus ihren Löchern, oder Käfigen, Gefängnissen, oder Gräbern herauszurufen und zu Gott zu locken, der ist auch realer als meine massivsten Gedanken, Gefühle, Taten, und auch realer als meine schlimmsten Schmerzen und Zweifel.
Wenn das nicht feststeht, dann kann hätte Paulus diese Worte nicht schreiben brauchen, ich müßte sie nicht auslegen, und niemand müßte auch nur eine Sekunde Zeit verschwenden, hier in der Kirche einer Predigt zuzuhören.
Es ist so.
„Ich ermahne euch durch die Barmherzigkeit Gottes“ – Ich rufe euch zurück in eure Taufe, zurück zu Gott Vater Sohn und Heiligen Geist, zu dem Gott, der alles für euch getan hat, und noch tut, und wird.
„daß ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst.“ – Ihr gehört euch niemals selbst. Entweder dem Dreieinigen Gott, oder irgendeinem Götzen. Doch die Götzen sind nicht barmherzig. Der Habgier, der Angst oder der Bequemlichkeit zu dienen ist unvernünftig. Dem Dreieinigen Gott gehören ist vernünftig. Auch der Leib gehört Gott. Unser Leib soll dort leben, wo Gott ihn haben will. Dazu gehört es auch, daß unser Leib hier im Haus Gottes sitzt, steht und kniet. Weg von allem. Gott mag das, wenn wir weg von allem sind, und Er die Gelegenheit hat, ganz für uns da zu sein, ohne Störung und Ablenkung.
„Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes,“ – wer seinen Schöpfer kennt, wer Jesus kennt, wer den Heiligen Geist kennt, der gehört nicht mehr zu dieser verrückten Welt, dieser Scheinwelt. Der hat es einfach besser, vor allem in der Seele. Gott baut solche Menschen heimlich um. Heimlich befreit er sie von der Macht des Bösen, von der Macht des Todes und der Verzweiflung. Nur der Dreieinige Gott schafft etwas Neues im Menschen, daß ich ein anderer Mensch werde, und alles Traurige hinter mich lassen kann. Die Taufe trennt uns von der Welt, die ohne Gott glücklich werden will, und es nie werden wird. Jedes einzelne Wort Gottes stärkt die Seele. Das kann auch schmerzlich sein. Aber das Ziel ist gut. Die Welt versteht das nicht, daß Christen nicht einfach alles mitmachen, alles mitglauben, sich über alles mit aufregen. Wir stellen uns nicht dieser Welt gleich. Der Heilige Geist hilft uns von oben, daß es dazu nicht kommt.
„damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ Erst, wenn Gott angefangen hat, uns im Verborgenen umzubauen – durch Sein Wort, durch die Taufe, durch die Gemeinschaft im Gebet und in der Gemeinde, durch das Abendmahl, können wir prüfen, was Gottes Wille ist. Ohne Gottes Eingreifen können wir nur prüfen, was unser eigener Wille ist, oder was wir dafür halten. Was aber oft ein anderer Wille ist. Unser Katechismus sagt uns, daß es außer Gottes Willen nur drei andere Möglichkeiten gibt: Des Teufels, der Welt und unseres Fleisches Wille. Was der Teufel will, kommt für uns nicht in Frage. Von der Welt sind wir schon abgetrennt; bleibt noch unser Fleisch: Also unser Egoismus. Der Egoismus wird sich in der Kirche niemals richtig zuhause fühlen. Je weniger, desto besser für uns, und für alle anderen. Der Egoismus probiert es immer wieder in der Kirche, auch in unserer Kirche. Aber der Dreieinige Gott sorgt in aller Freundlichkeit dafür, daß er nicht glücklich wird.
„Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, daß niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt zu halten, sondern daß er maßvoll von sich halte, ein jeder, wie Gott das Maß des Glaubens ausgeteilt hat.“ – Ich habe einen Schöpfer, also habe ich den lebendigen Gott über mir, der mir mehr zu sagen hat, als alle Menschen, auch mehr als ich mir selbst zu sagen habe. Das macht mich bescheiden. Ich habe Jesus. Der für mich den schweren Weg gegangen ist, wegen meiner Dummheit. Das macht mich auch bescheiden. Ich habe Gott, den Heiligen Geist, der in mir ist, und aus meiner Bescheidenheit unter Gott eine Gotteskindschaft macht, eine Kindheit. Voller Zuversicht und Liebe. Das ist maßvoll. Das ist nicht Arroganz, aber auch nicht Minderwertigkeit, sondern gesund. Das verschafft uns der Dreieinige Gott, wenn wir unsere Leiber zum Opfer geben, und uns von der Welt trennen und ihr nicht nachlaufen. Die Welt kann uns das nicht geben, auch wir selbst nicht. Wir machen es uns nicht selbst, sondern Gott selbst tut es aus Liebe in uns.

„Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied, und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.“ – Eine Lunge außerhalb des Leibes war mal eine Lunge. Ein Auge kommt nicht von der Stelle ohne Füße, und die Füße haben keine Richtung ohne Augen. Der dreieinige Gott macht uns in Seiner Kirche zu neuen Menschen. In der Kirche gehören wir zu einander, wie Körperteile, die zusammen ein Lebewesen sind. Das Leben ist nicht isoliert hier in diesem Kopf – der Kopf lebt mit dem Körper. Ohne Körper ist er irgendwas, aber kein Kopf, schon gar nicht etwas Lebendiges. Ohne Gemeinde, ohne Mitchristen, kann ich als Christ überhaupt nicht wissen, wer ich bin. Welche Begabung ich vom Heiligen Geist habe, wird erst im Leib Christi offenbar. Entscheidend ist nicht mein Selbstbild. Es ist eine Mischung aus unterschiedlichen Wahrnehmungen, und ein Wunder Gottes, wenn in der Gemeinde für einander da sind. Ich sitze nicht zuhause und analysiere mich, und rede mir ein, daß ich dies oder das kann oder nicht kann, und dann setze ich das in der Gemeinde um. Im lebendigen Organismus, aus dem Gottesdienst heraus und im Glanz der Gottesdienstlichen Versammlung zeigt uns Gott, wie für einander da sind. Nicht eine Wahrnehmung setzt sich gegen andere durch, sondern der Heilige Geist baut zusammen.

„Ist jemand prophetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß.
Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er. Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er.
Ist jemand Ermahnung gegeben, so ermahne er.
Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorgfältig. Übt jemand Barmherzigkeit, so tue er’s gern.“
Nicht jeder muß reden. Der Glaube kommt nicht aus dem Reden, sondern aus dem Zuhören (Römer 10,17). Prophetisch reden heißt: Das sagen, was nie zurückgenommen werden muß. Jeder Christ, der den Dreieinigen Gott bekennt, oder das Glaubensbekenntnis, der sagt etwas, was er in Ewigkeit nicht zurücknehmen oder bereuen muß. Darum ist das schon prophetisch. Kein Trend ist prophetisch. Im Katechismus hören wir im dritten Artikel: Was tut der Heilige Geist? Er sammelt alle Christen in die Kirche. Das Ziel ist das ewige Leben. Und was passiert zwischen unserer Taufe und der Auferstehung ? „In welcher Christenheit er mir und allen Gläubigen täglich alle Sünden reichlich vergibt.“ – Damit hat Gott einfach genug zu tun bis am Jüngsten Tag. Die prophetische Rede macht das deutlich. Eine Rede, die das nicht deutlich macht, ist auch nicht prophetisch, und hat im Leib Christi nichts verloren.
In einem Leib gibt es nicht getrennte Buchführung. Die Hand rechnet dem Mund nicht vor, was sie alles für ihn getan hat. Denn es ist alles ein Leben im Leib. Jesus sagt, wenn Du spendest, dann soll deine linke Hand nicht wissen, was die Rechte tut. „Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn.“ – Ohne eine Spur von Hintergedanken. So, wie eine Hand dem Mund einen Bissen Essen für den Bauch gibt. Wir geben weiter, was Gott gegeben hat.
Paulus zählt Dinge auf, die nur dort sind, wo der Dreieinige Gott angekommen ist. Die Welt steht daneben und begreift es nicht. Egal, wie alltäglich sie erscheinen, sie sind Wunder, und die Augen des Glaubens sehen sie als Wunder. Auch bei sich selbst. Diese Früchte des Glaubens sind Gottes Hinweise, daß Er in unserem Leben am Werk ist. Er will nicht gestört werden.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Edward Burne-Jones (1833-1898), Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, 1904

Epiphanias

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Mache dich auf, werde licht; denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des HERRN geht auf über dir! Denn siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht. Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden. Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt. Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.

Jesaja 60, 1-6

HERR, segne dein Wort an uns, Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Was in der Heiligen Nacht verborgen und abseits geschehen ist – im kleinen, unwichtigen Bethlehem; in einer armen Familie, die unbedeutend war – das wird nicht von der reichen, grellen, großen, wichtigen Welt überrollt. Der Sohn der Maria, der in Altkleiderresten eingewickelt auf Stroh, beim Viehfutter liegt, ist der Stern. Und alles andere verblaßt gegen ihn.
Epiphanias – wir nennen den heutigen Tag das Fest der Erscheinung. Der Sohn Gottes präsentiert sich. Er zeigt, wer er ist, er veröffentlicht sein Profil-Bild: So will er gesehen werden, so soll er gesehen werden, so wird er gesehen und erkannt werden.
Das heutige Evangelium führt es uns vor Augen. Die Weisen aus dem Morgenland kommen aus dem Nichts, vom Rande der Welt, aus der vollkommenen Fremde, und suchen dieses verborgene, arme Kind. Sie sind die ersten der weiten Welt, die von ganz draußen, aus der hoffnungslosen Gottesferne, die nicht einmal weiß, daß sie Gott nicht kennt, aus der Nacht zum Licht kommen. – Das Kind wirkt und ruft zu sich, und der Ruf wird gehört. Aber wie? Ein Stern? Am Himmel? So hoch, daß wegen dem Säugling in der Krippe 1000e Kilometer weit weg die schlausten Männer ihrer Zeit losgehen, und keine Ruhe haben, bis sie das Kind finden?
Und diese Wissenschaftler, die alles wissen, was man wissen kann, beten an. Sie bezeugen, daß dieses Kind höher ist, als alles, was sie wissen und kennen. Die Weisen machen aus dem Kind nicht etwas Morgenländisches. Sie machen aus dem Kind nicht ein Teil ihres Systems, wie man eine Briefmarke zu anderen Briefmarken ins Album klebt, oder wie man einen neuen Stern ins Lehrbuch einträgt und benennt. – Nicht Jesus kommt ins Album der Weisen, sondern die Weisen sind die ersten in Jesu Album. Jesus wird nicht Teil ihrer Sammlung, sondern sie werden Teil von Jesu Sammlung. Nicht die Weisen definieren Jesus, sondern Jesus definiert sie. Die Weltgeschichte geht nicht über Jesus hinweg, sondern hier klopft das Herz der Weltgeschichte.
Das ist Epiphanias: Jesus, der in Bethlehem geboren ist, wird von niemandem definiert – von Augustus nicht, der die ganze Menschheit durch einen Befehl in Bewegung setzt, von Herodes nicht, der mit geliehener Macht Schrecken verbreitet, von Pilatus nicht, der über die Soldaten Befehl hat, auch nicht von den Hohenpriestern, Pharisäern oder Schriftgelehrten, auch nicht von der Volksmasse in Israel, sondern Jesus definiert sich selbst; er definiert, wer zu ihm gehört, und was aus allen wird, die ihm angehören.
Wobei, man sollte nicht sagen, daß Jesus sich selbst definiert. Er läßt sich zwar von keinem Menschen definieren, aber er ist kein Individualist oder Anarchist, der nichts über sich anerkennt. Er läßt sich definieren durch die Verheißung Gottes in der Heiligen Schrift. Wer Jesus nur als eine historische Gestalt verstehen will, dem entgeht fast alles. Um Jesus zu erkennen, brauchen wir das Wort, das ihn angekündigt hat. Das ist sein Profil.
Unser Predigttext ist solch ein Wort, von dem Jesus sich definieren ließ. Als Jesus seine erste Predigt in einer Synagoge in Nazareth hielt, las er aus dem Buch der Propheten Jesaja, ein Kapitel weiter, Kapitel 61, und seine Predigt war: „Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Augen.“ (Lukas 4, 21).
Auch unser Predigttext erfüllt sich im Neuen Testament, im Machtbereich Jesu. Und wir sind auch im Machtbereich Jesu – oder etwa nicht? Lassen wir uns von etwas anderem definieren, als von der Botschaft Jesu? – Vielleicht von unserem Stolz, oder von unserer Angst, oder von unserem Erfolg, oder von unserem Scheitern? Von unserer Beliebtheit oder von unserer Einsamkeit? – Wie wir uns selbst definieren, das ändert ncht Jesu Profil in unserem Leben! – Und darum erfüllt sich dieses Wort der Schrift auch vor unseren Augen.
„Mache dich auf, werde licht, denn dein Licht kommt.“
Jesus bringt Licht. Jesus ist der Grund, aufzustehen. Das ist sein Profil. So definiert er sich. Im Johannes-Evangelium sagt er unzweideutig: „Ich bin das Licht der Welt.“ (Johannes 8, 12; 9, 5; 12, 46). Jesaja hat das angekündigt. Das Licht der Welt wird in Israel, in Jerusalem, ankommen und aufscheinen, und nicht mehr ausgehen. Er hört nicht auf, zu scheinen und zu leuchten.
„Siehe Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel die Völker“ – Der Schatten des Todes will uns definieren: Du bist sterblich! – Die Finsternis der Lüge, vor allem des Selbstbetrugs, bedeckt uns. In uns selbst ist Finsternis, über die wir erschrecken müssen. Finsterer Haß, finsterer Neid, finstere Verzweiflung. Die greifen nach unserer Seele und wollen uns definieren. Es kann so dunkel werden, daß man den nächsten Schritt nicht sehen kann – auch als ein ganzes Volk.
„aber über dir geht auf der HERR und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“ Trotz aller Bosheit der Menschen, und aller Finsternis der Gottesferne ist Jesus doch in diese Welt gekommen. „Das Licht scheint in der Finsternis“, schreibt der Evangelist Johannes, „ und die Finsternis hat es nicht ergriffen.“ (Johannes 1,5) – Die Finsternis hat es nicht verschluckt. Dieses Licht ist Licht geblieben und bleibt es. An einer Stelle im Evangelium kommt einer aus dem Schatten des Todes zu Jesus, ein Aussätziger, und bittet um Licht: „HERR, wenn willst, so kannst Du mich wohl reinigen.“ Ein tödlich ansteckender Mann. Und Jesus streckt die Hand aus, rührt den Halbtoten an, und spricht zu ihm: „Ich will’s tun, sein gereinigt.“ (Matthäus 8, 3-4). Der Aussätzige hat Jesus nicht angesteckt; Jesus hat ihn geheilt. Das Licht ist nicht im Todesschatten untergegangen, sondern das Licht der Welt hat den Mann aus der Finsternis herausgeholt. Das ist schon das ganze Evangelium. Jesus bringt das Licht, das stärker ist als alles Dunkel – in uns, oder außer uns. Er hat in Kapernaum, in Jerusalem ohne Unterbrechung geleuchtet und hell gemacht, und er tut es ununterbrochen bis heute. Das ist sein Profil.
„Und die Heiden werden zu deinem Lichte ziehen und die Könige zum Glanz, der über dir aufgeht.“ – Wir haben schon gehört von den Weisen, die zu diesem Lichte gezogen sind. Sie kannten sich in der Welt bestens aus, auch am Sternenhimmel. Sie konnten alle Fragen beantworten, alles berechnen, ja, vorhersagen. Sie waren die hellsten Köpfe. Und nun lassen sie alles liegen und suchen das Licht. Auf einmal kommt ihnen alles finster vor. Alles, was Menschen ausgedacht haben, und planen. Sie haben keine Ruhe, denn sie müssen den Gott, der das alles geschaffen hat, kennenlernen. Ohne Gott ist das ganze Wissen ohne Boden, ohne Ziel, ohne Segen.
Das Licht geht auf und scheint, und macht damit deutlich: Das Licht ist nicht in mir. Im Gegenteil: „Das Licht ist in die Welt gekommen, doch die Menschen liebten die Finsternis mehr, als das Licht, denn ihre Werke waren böse.“ (Johannes 3, 19). Wenn Menschen zum Licht kommen, dann ist das ein Wunder, dann ist das etwas, was das Licht selber wirkt.
Die Kirche, die Gemeinde, jeder Christ, ist eine Wirkung des Lichts. Wir sind Kinder des Lichts. (Johannes, 12, 36; Epheser 5,9). Das Licht aus dem Neuen Testament, das Licht aus Bethlehem und Jerusalem, definiert uns, zeigt uns, wer wir sind.
„Hebe deine Augen auf und sieh umher: Diese alle sind versammelt und kommen zu dir.
Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter auf dem Arme hergetragen werden.“ Wir sind nicht allein. Wir sind sind im Album des Lichtes, wir sind Teil der Sammlung Jesu. Wir sind in derselben Menschenmenge, zu der die Weisen aus dem Morgenland gehören, und knien mit ihnen vor dem Kind. Mit uns beten mehr Menschen an, als wir uns vorstellen können.
In der Finsternis, im Schatten des Todes, ist jeder allein, trostlos allein. Das ist jetzt vorbei. Ein für alle Mal vorbei. „Hebe deine Augen auf und sieh umher.“ Im Stall und um in herum kommen Menschen herbei und es sammelt sich. Söhne kommen von ferne. Wir hätten uns sonst sicher nicht kennengelernt. Wer weiß, was wir uns ohne dieses Licht zu sagen gehabt hätten. Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Die Töchter werden auf dem Arme herbeigetragen werden. Gott will, daß sie dabei sind. Wenn getragen werden muß, dann wird eben getragen. Es ist genug Licht für alle da. Es wird niemals weniger.

„Dann wirst du deine Lust sehen und vor Freude strahlen, und dein Herz wird erbeben und weit werden, wenn sich die Schätze der Völker am Meer zu dir kehren und der Reichtum der Völker zu dir kommt.“ – Der Prophet Jesaja spricht mit dem Volk Israel, und wir hören dabei zu. Jesaja spricht zu denen, die Gott beim Wort genommen haben, und am Ende sind. Mit sich selbst und mit der Welt, und vielleicht auch mit Gott am Ende sind. Weil es zuviel Finsternis gibt. Jesaja verspricht ihnen, daß sie vor Freude strahlen werden, daß ihr Herz neu anfangen wird zu schlagen, und sich nicht weiter verschließen wird, sondern sich öffnen wird, für das, was passiert. Jesus sagt in Kapernaum: „Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Augen.“ Was Gott damals gemeint hat, was er im Sinn hatte, das ist jetzt da. Denn ich bin da. Und von ganz wo anders, wie aus dem Nichts, kommen Menschen, gehören dazu und bringen Gaben mit. Spenden, Zeit, Phantasie, Liebe. Das kann man sich nicht ausdenken. Und das ist alles Teil vom Licht, das über uns aufgeht.
„Denn die Menge der Kamele wird dich bedecken, die jungen Kamele aus Midian und Efa. Sie werden aus Saba alle kommen,
Gold und Weihrauch bringen und des HERRN Lob verkündigen.“ – Waren die Weisen aus dem Morgenland aus Saba? Aus Arabien? Irgendwann kamen auch Menschen aus Arabien zu diesem Licht. Jesaja hat es kommen sehen, und alle seine Hörer und Leser haben sich 500 Jahre lang schon darauf gefreut. Wir treten in diese Freude ein, die zum Profil Jesu gehört. Er läßt sich nicht festlegen durch das, was wir verdorben haben. Im Stall von Bethlehem werden wir alle reich. Die Wunder, die wir erleben, gehören allen. Wenn mir gerade kein Wunder geschieht, dann kann ich mich immer noch mit denen freuen, die ein Wunder erleben.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Edward Burne-Jones (1833-1898), Die Anbetung der Heiligen Drei Könige, 1904