Aschermittwoch

Von | März 3, 2022
Nicolas Poussin: Die Anbetung des Goldenen Kalb

Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem Vater, und von dem HERRN Jesus Christus, dem Sohn des Vaters, in der Wahrheit und in der Liebe, sei mit euch!

1 Als aber das Volk sah, daß Mose ausblieb und nicht wieder von dem Berge zurückkam, sammelte es sich gegen Aaron und sprach zu ihm: Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat.
2 Aaron sprach zu ihnen: Reißt ab die goldenen Ohrringe an den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter und bringt sie zu mir.
3 Da riß alles Volk sich die goldenen Ohrringe von den Ohren und brachte sie zu Aaron.
4 Und er nahm sie von ihren Händen und bildete das Gold in einer Form und machte ein gegossenes Kalb. Und sie sprachen: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!
5 Als das Aaron sah, baute er einen Altar vor ihm und ließ ausrufen und sprach: Morgen ist des HERRN Fest.
6 Und sie standen früh am Morgen auf und opferten Brandopfer und brachten dazu Dankopfer dar. Danach setzte sich das Volk, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um ihre Lust zu treiben.
7 Der HERR sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt.
8 Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben’s angebetet und ihm geopfert und gesagt: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat.
9 Und der HERR sprach zu Mose: Ich sehe, daß es ein
halsstarriges Volk ist.
10 Und nun laß mich, daß mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen.
11 Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott, und sprach: Ach HERR, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast?
12 Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, daß er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden? Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn und laß dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst.
13 Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig.
14 Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.
15 Mose wandte sich und stieg vom Berge und hatte die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand; die waren beschrieben auf beiden Seiten.
16 Und Gott hatte sie selbst gemacht und selber die Schrift eingegraben.
17 Als nun Josua das Geschrei des Volks hörte, sprach er zu Mose: Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager.
18 Er antwortete: Es ist kein Geschrei wie bei einem Sieg und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage, ich höre Geschrei wie beim Tanz.
19 Als Mose aber nahe zum Lager kam und das Kalb und das Tanzen sah, entbrannte sein Zorn und er warf die Tafeln aus der Hand und zerbrach sie unten am Berge
20 und nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und ließ es im Feuer zerschmelzen und zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab’s den Israeliten zu trinken.

2. Mose 32.1-20

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten. Das Gegenteil von Gut ist gut gemeint. „Ich hab‘s nicht gewollt!“, ruft ein Schuldiger, und vor ihm ist der unübersehbare Beweis seiner Schuld.
Das goldene Kalb.
Es sollte ja nicht ein neuer, anderer Gott sein. Nein! „Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!“ – kein anderer! Das war die gute Absicht. Der eine Gott, der sich Abraham, Isaak und Jakob offenbart hatte, der sich dem Mose im brennenden Dornbusch vorgestellt hatte – genau dieser Gott hatte Israel ja aus der Knechtschaft in Ägypten, aus dem Elend und der Hoffnungslosigkeit gerettet. Es sollte kein anderer Gott sein! Keine neue Religion, gar nichts!
Und doch …
Es ist das Gegenteil von gut.
Was denn?
In der Sprache der alten Theologie spricht man von dem „selbsterwählten Gottesdienst“. Man denkt sich etwas aus, oder hält etwas für notwendig, und meint, es passe haargenau zu dem, was man glaubt – aber es ist eine Idee von Menschen, und nicht Gottes Idee. Da hilft auch alle gute Meinung gar nichts.
Was war denn gewesen?
Mose – und Josua – waren als Repräsentanten des Volkes Israel auf dem Heiligen Berg Sinai und empfingen Gottes Gesetz – unter anderem vor allem die 10 Gebote. Mose hatte als Gottes Diener Israel durch manche Krise hindurch geführt. Und nun blieb er aus. Der Berg der Gesetzgebung wird als ein gefährlicher Ort beschrieben: Feuer, Rauch, Blitze gehen von ihm aus. So kam der nagende Zweifel: Kommt Mose überhaupt wieder? Lebt er überhaupt noch? – „Wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat.“ Unsicherheit. Ungeduld. „Wir wissen nicht!“
Ungewißheit. Zweifel. „So lange war er noch nie weg!“
Eine kritische Situation. Irgendetwas konnte passieren – eine Menschenmasse ist in der Krise unberechenbar. Es muß etwas passieren, bevor Panik um sich greift. Ein Zeichen, damit alle wissen, wie es weitergeht.
Aus dieser guten Absicht spricht das Volk zu dem ersten Hohenpriester Israels, zu Moses Bruder Aaron: „Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe!“ Es muß weitergehen! Ein Gottesbild – ein Symbol für Gott, für seine Leitung, für seine Macht. Man kennt sich ja selbst: Unsicherheit, Zweifel, Ungewißheit und Ungeduld führen zu nichts Gutem. Wer weiß wozu man fähig ist! Lieber auf Nummer Sicher gehen! Dagegen kann niemand etwas haben! Das ist die gute Absicht.
Aaron der Hohepriester, der für Religion zuständig ist, erkennt die gute Absicht an. Das ist seine gute Absicht. Er will helfen. Endlich passen Religion und die guten Absichten des Volks zusammen. Endlich wollen Priester und Volk spürbar dasselbe, endlich verstehen sie sich gegenseitig, endlich ziehen Volk und Priester an demselben Strang, endlich kommen die Bedürfnisse des Volks bei dem Priester an, endlich geschieht etwas!
Aaron fordert das Gold von den Ohren und Händen, den Schmuck der Frauen und Kinder. Wie opferbereit doch das Volk ist! Es läßt sich begeistern, alle machen mit – noch nie war Gottesdienst so leicht, direkt und einfach! Man reißt die Ringe von den Ohren – es darf ruhig weh tun!
Erfüllt von guten Absichten und in dem Hochgefühl, endlich ganz aktuell zu sein, entsteht dann das Symbol dieses gemeinsamen guten Willens: Ein Bild aus Gold. Eine sichtbare Zusammenfassung des gemeinsamen Willens: Wir wollen, daß es weitergeht! Und das alles in guter Absicht: „sie sprachen: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!“ Kein anderer Gott! Wir wollen nichts Neues, wir wollen nur Sicherheit, Hilfe gegen die Ungeduld, Überwindung des Zweifels.
Aaron hat nun den Finger am Puls der Volks, und fühlt, was jetzt dran ist: Ein Fest! Die Krise ist vorüber! Wir haben sie gemeistert, denn wir haben zusammengehalten. „Morgen ist des Herren Fest!“ Und es wird gefeiert und gefeiert und gefeiert. Und auf einmal endet die gute Absicht im Gegenteil von Gut. Das Volk ist sich einig, und Gottes Gebote sind auf einmal wie verschwunden. „Sie treiben ihre Lust“, wird da angedeutet. Sie verlieren alle Hemmungen. Alles in guter Absicht ….
Die guten Absichten und Gott – wir Menschen denken, die sind so nahe beieinander, daß man sie fast verwechseln könnte!
Der Rest ist bekannt: Diese ganze Religion, die nicht die Absicht hat, eine neue Religion zu bauen, ist auf keinen Fall die alte, richtige Religion, sie kommt nicht gut an. Mose muß sein eigenes Leben vor Gott aufs Spiel setzen und für das treulose Volk beten, ja, sich praktisch selbst opfern, damit Gott weitermacht. Mose bringt keine guten Vorsätze, keine guten Absichten mit – alles, was Mose in der Hand hat, ist, was Gott versprochen hat: „Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig.“
Und am Ende dann die furchtbare Konsequenz: Ist das goldene Kalb da euer Gott? Ihr sollt euren Gott haben! Und nun muß Israel mitansehen, wie das goldene Bild vernichtet wird. Und dann müssen sie die Nichtigkeit und Schädlichkeit der selbsterwählten Religion am eigenen Leib spüren – sie müssen es trinken, was eigentlich nicht zum trinken ist. Ein Ende mit Schrecken.
Liebe Gemeinde! Was sagt uns das alles?
Gott will nur so gedient werden, wie er gedient werden will. Gott hatte Mose über sein Volk gesetzt, Aaron als der Bruder und Priester hatte nicht die Aufgabe, irgend einen Gottesdienst, irgendein Bild oder irgendein Fest auszurufen oder zu erfinden. Wir sollen das feiern, was Gott gesagt und getan hat. Was Gott sagt und tut, ist unvergänglich, und immer ganz für uns da. Gott segnet uns, wenn wir seinen Geboten folgen. Gott ist immer aktueller als alles, was wir sonst sehen und hören. Wenn wir Gott aktualisieren wollen, dann ist das ein Armutszeugnis, denn damit bekennen wir: Gott spricht nicht mit uns – oder er hat gesprochen, und wir hören ihn nicht mehr. Doch dieser Zustand soll uns in die Buße rufen, in die Umkehr, in die Besinnung. Wenn wir fühlen, daß Gott weit weg ist, dann muß was mit mir geschehen, nicht mit Gott.
Fast 100 % aller guter Absichten wollen Gott ersetzen. Wie oft hab ich als junger Mensch gehört, wenn es um Zweifel ging – vor allem um Zweifel an Gottes Wort -: Das ist alles nicht so – oder nicht mehr so – heute glaubt man das nicht mehr! Verantwortliche in der Religion tun so, als könnten sie den Glauben und den Gottesdienst nach Belieben, und aus Verständnis für die Bedürfnisse des Volks, der Menschen, oder wem auch immer, je nachdem, anpassen, ändern, oder neues als Gottesdienst verkündigen – und damit eine gefühlte Nähe zwischen Gott und dem Menschen herstellen. Es fängt noch nahe bei dem an, was man so kennt, doch über Nacht melden sich Bedürfnisse zu Wort, die keine Hemmungen dulden, die sich nichts sagen lassen.
Gott läßt uns Menschen manchmal warten. Das sollen wir aushalten.
Wenn Gott uns warten läßt, dann sollen wir uns besinnen auf das, was Gott schon gesagt und getan hat.
Die Ungeduld, wie wir sie bei dem Volk in Israel in dieser Geschichte beobachten, setzt das eine aktuelle Gefühl über alles, was Gott gesagt und getan hat. Gott erwartet, daß wir zu Zeiten gegen alles Gefühl ihm vertrauen. Das Gefühl hat nicht immer recht!
Darum Aschermittwoch, darum Verzicht und Fasten als eine Übung. Das Gefühl soll auf seinen Platz. Es ist keine Information, schon gar nicht eine Offenbarung des Willens Gottes. Jede Unsicherheit, jede Krise soll uns dahin führen, wo Gott eindeutig wird, und das ist sein Wort. „Allein die Anfechtung lehrt aufs Wort merken.“ Jesaja 28,19.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum Ewigen Leben. Amen.


Beitragsbild

Nicolas Poussin: Die Anbetung des Goldenen Kalb

1633-1637, Öl auf Leinwand, 154 × 214 cm
London, National Gallery
Kommentar: Pendant zu »Die Überquerung des Roten Meeres«
Land: Frankreich und Italien
Stil: Barock
[Poussin, Nicolas. The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, S. 9371 (c) 2005 The Yorck Project]