Okuli

Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

1 Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte.
2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.
5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß!
6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.
9 Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia?
10 Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, daß sie mir mein Leben nehmen.
11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben.
12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

1. Könige 19, 1-13

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Schon wieder ein ernster Predigttext! Doch ernste Dinge wollen angesprochen werden. Wir müssen wissen, daß wir mit den ernsten, schweren Dingen nicht alleine fertig werden müssen, oder auch können.
Ein lebensmüder Prophet, der Gott bittet, zu sterben: „Es ist genug! So nimm nun, HERR, meine Seele! Ich bin nicht besser, als meine Väter.“
Das ist jetzt nicht deine oder meine Depression. Hier ist einer, der alles gegeben hat – nur für Gott. Elia hatte ohne menschliche Rückendeckung das Volk Israel zu Gott zurückgerufen. Er hat am eigenen Leib den Zorn von Menschen erlitten, die keinen Gott über sich anerkannten, sich nichts sagen ließen, und aus ihren Begierden eine Religion nach der anderen machten. Elia hat im Namen des HERRN, des Schöpfers Himmels und der Erde, gegen Baal gekämpft.
Baal – Ein Götze, der Erfolg, Reichtum, Fruchtbarkeit, Rausch, Wollust versprach, der das Begehren der Menschen nach alledem ganz und gar als berechtigt bejahte und gegen Opfer alle Wünsche erfüllte. Das Leben ist erst wirklich, wenn ich es steigere, intensiviere. Leben an sich ist nichts, es muß Erfolg her, es muß Besitz her, alle Sinne – die Augen, die Ohren, der Gaumen, die Zunge – die müssen alle durch intensive Erfahrungen überwältigt und in Rausch gebracht werden. Der Mensch lebt erst, wenn sich alles steigert, groß wird, viel wird, immer mehr, immer krasser. Das hat seinen Preis. Opfer sind nötig, den Götzen herumzukriegen. Aber die Opfer nimmt der Mensch gern auf sich, wenn er glauben darf, daß der Götze, diese unheimliche Macht, seine tiefen Sehnsüchte versteht und bestätigt.
„Du willst das? Du kannst nicht anders? Ich versteh das.“ So spricht Baal. Gott spricht anders.
Die rauschhaften Opfer und Feste ließen es fühlen: Hier ist alles möglich! Die Erfüllung meiner Sehnsüchte ist in Reichweite, das Ende meiner Sorgen ist nahe!
Das war unwiderstehlich, wie eine Hypnose. Israels König Ahab hatte eine Frau geheiratet, die kannte sich damit aus, Isebel. Ein König, der die Bedürfnisse des Volkes eins zu eins bediente, wenn das kein Programm war! Da war der eine Gott Israels mit Seinen Geboten aus dem Sinn verschwunden. Ja – irgendwie durfte er sicher vorkommen, aber den Baal durfte niemand aufhalten.
Dann kommt Elia. Er ruft zurück. Gegen die ganze Hypnoseist es schier aussichtslos. Doch schließlich kam es zu dem Showdown auf dem Berg Karmel. – Gott der HERR, oder Baal!
Gott ließ ein Wunder für Elia geschehen. Die Baalspriester sahen auf einmal alt aus. Der Prophet hat sie auf Gottes Befehl alle getötet. Ein furchtbarer Auftrag. Im Neuen Testament gibt es das nicht, aber die Wahrheit, für die Elia kämpfte gegen den Baal, die gilt auch im Neuen Testament.
Jetzt hatte Israel einen spektakulären Beweis für Gottes Überlegenheit. Das Volk akzeptiert das. Aber die Mächtigen nicht. Isebel, die Königin, droht Elia mit dem Tod.
Und dieses Mal stellt Elia sich nicht, sondern läuft „um sein Leben“ – um seiner Seele willen. Nicht aus Angst.
Elia denkt: Wenn ein eindeutiges Wunder die Königin nicht überzeugt, dann muß Gott selbst an ihr handeln.
Propheten haben es nicht leicht.
Elia hat alles gegeben. Aber das Ergebnis ist: Die Bosheit läßt sich nicht überzeugen. Elia bekommt einen Einblick in die Macht, die das Böse über Menschen haben kann. Wie Menschen alles dem Götzen in den Dienst stellen. Den Verstand, die Gefühle, die Macht, alles. Es gibt keine Schwachstelle. Wer mit Gott unterwegs ist, kann solche Erfahrungen machen.
Elias muß weg. Er braucht neue Klarheit. Wie kann es weitergehen? Hat Gott überhaupt noch etwas mit ihm vor? Ist er zu weit gegangen?
Ganz allein in die Wüste, in die Einsamkeit. Ganz allein mit seinen Gedanken und Gefühlen, seinen Erinnerungen.
Die Einsamkeit macht, daß man seinen eigenen Gedanken immer mehr glaubt. Die eigenen Gefühle sind die ganze Wirklichkeit, es scheint nichts anderes zu geben.
„Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ Er sieht keinen Weg mehr – NACHDEM er schon Dinge getan hatte, die für einen Menschen über die Kraft gehen! Das ist keine Lebensmüdigkeit, die von Torheit oder Götzendienst kommt. Er leidet das alles, weil er Gott gedient hat.
Es ist alles vergeblich. Die Menschen bleiben, wie sie sind. Gottes Wort wirkt nicht. Baal hat zwar nicht Himmel und Erde geschaffen, aber die Herzen besitzt er, und die Gedanken gängelt er, die Lüge verdreht jede Wahrheit.
Elia sieht nicht mehr, was Gott tut. Vielleicht hatte er sich zu genau ausgemalt, wie die Königin Isebel ihm Recht gibt, und mit der Baal-Religion aufhört. Und das Gegenteil war gekommen.
Ohne es zu merken, machen wir Gott auch Vorschriften, oder lassen Erwartungen bei uns zu: Gott muß doch …. oder wenn Gott nicht jetzt, oder bald, …. dann ….. Und das führt dazu, daß wir nichts anderes mehr sehen können.
Elia sieht keinen Weg mehr. Leib und Seele verweigern sich.
Er schläft. Seine Gedanken schweigen, die inneren Stimmen verstummen, die Szenarien und Bilder, die er immer wieder beschwört, die knallhart beweisen, daß es keinen Weg gibt, diese Bilder weichen. Solch ein Schlaf ist eine Gabe Gottes. Nehmen wir ihn dankbar an!
Das nächste ist ein Engel. Ein Brot, ein Wasser. Keine Lösung für die Weltgeschichte, oder für das Volk Israel, kein Programm gegen Baal. Sondern eine Kleinigkeit für Elia. Eine göttliche Kleinigkeit. Mit Sterben ist erstmal nichts, Elia, soviel ist klar.
Ein Wink von Gott, wie ein Gruß. Doch dieser Gruß meint Elia. Den erschöpften, verschmachteten, verzweifelten Elia. Dieser Elia ist Gottes Elia. Gott kann das, in Kleinigkeiten ganz da sein. Gott erhört Elias Gebet – aber ganz anders – nicht mit dem Tod, nicht mit der Bekehrung von Isebel, sondern mit dem Zeichen: „Nimm das: iß, trink, ich will, daß es dich gibt.“
Einmal schläft Elia noch. Und noch einmal schickt Gott einen Engel. Noch bevor die Zweifel, die Bilder, die Stimmen zurückkommen können, noch einmal Brot und Wasser. Erst jetzt hört Elia: „Du hast einen weiten Weg vor dir.“
Und dann geschieht das Ungeheuerliche: 40 Tage und 40 Nächte
geht er „in der Kraft der Speise“. Die Kraft der Speise ist, daß sie eine Kleinigkeit von Gott ist. Das können wir nicht diätetisch ausrechnen. Unsere Seele kann Kräfte empfangen und dem Leib weitergeben. Wenn Gott sie anspricht, ist alles möglich.
Elia kommt zu dem Berg, wo Gott durch Mose das Gesetz gegeben hatte, wo Gott den Bund mit seinem Volk Israel geschlossen hatte. Für den Glauben können Orte sprechen – oder doch helfen sie, sich zu erinnern, daß Gott gesprochen hat. Mose wurde auch einmal von Israel enttäuscht, Israel hatte sich das goldene Kalb zum Gottesbild gemacht. Da ging Mose auch in eine Felskluft und sagte: Gott, laß mich deine Herrlichkeit sehen. (2. Mose 34).
Gott fragt jetzt Elia: Was tust du hier? – Das ist kein Vorwurf. Diese Frage ist wie das Wasser und das Brot eine göttliche Kleinigkeit. Elia soll reden, aber nicht mehr im sinnlosen Selbstgespräch, sondern vor seinem Gott.
„Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, daß sie mir mein Leben nehmen.“ Er sagt es, wie es ist. Wie es für ihn ist. Wie alles gegen Gott spricht. Wie Gott scheinbar nichts tut. Wie die Macht der Lüge und des Bösen ungehemmt triumphiert.
Könnten wir das? Ganz ohne Filter? Wenn man über das Gebet spricht, dann kann man sich über Bitten und Danken verständigen, auch über Loben. Aber Klagen? „Es hilft nicht, zu klagen!“ Oh wie anständig das klingt! Elia zeigt uns: Klagen hilft ganz gewaltig. Klagen vor Gott, natürlich. Aber so richtig.
Faktenchecker werden feststellen, daß nicht alles stimmt. Elia war nicht allein. Gott wußte von 7000 in Israel, die nicht ihre Knie vor dem Baal gebeugt hatten. Aber das macht nichts. Elia klagt. Er klagt über die Gottesferne vor Gott. Das sollte mehr passieren. Vor Gott. Aus unserem Herzen. Klagen darüber, daß Baal sich so durchsetzt, und wir Christen ihn schon respektieren, einfach, weil er die Menschen so im Griff hat. Klagen, daß Gottes Wort uns so unklar vorkommt, oder so fremd.
Gott fragt. In dieser Frage: „Was ist, Elia?“ eröffnet Gott einen Schutzraum für Elia – dieser Schutzraum fängt alles alles auf, denn der Schutzraum ist göttlich. Elia muß nicht mehr seine Gebete ängstlich mithören, nein, alles muß raus. Vor Gott. Paulus sagt: Wir wissen nicht, was wir bitten sollen, sondern er, Heilige Geist vertritt uns aufs beste mit unaussprechlichem Seufzen. (Römer 8, 26).
Gott erhört das Gebet. Aber wieder anders. Elia erlebt einen Windsturm, ein Erdbeben und ein Feuer. Alle drei sind Gottes Diener, Gott hat sie in seiner Macht. (Psalm 104, 4). Vielleicht hatte Elia gemeint, daß Gott mit Sturm, Erdbeben und Feuer die Baalskönigin Isebel strafen sollte. – Ähnlich hatten auch die Apostel Johannes und Jakobus einmal zu Jesus gesagt: „Herr, willst du, so wollen wir sagen, daß Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. – Nämlich auf die Feinde Jesu – Jesus aber wandte sich um und wies sie zurecht.“ (Lukas 9, 54-55). Darum nannte Jesus die beiden dann auch „Donnerskinder“ (Markus 3, 17).
Wir Menschen können uns Gottes Handeln nicht anders vorstellen. Doch Gott war nicht im Sturm, Erdbeben und Feuer, sondern in einem sachten Wind, ein einem gnädigen und freundlichen Wind.
Elia mußte viel Schweres ertragen als Prophet, als Mann Gottes. Unvorstellbar für uns. Doch damit war Gott nicht am Ziel. Das Ziel ist die Freundlichkeit Gottes. Der Heilige Geist ist das, aus dem wir Kinder Gottes neu geboren werden. Sturm, Wind und Feuer beseitigen manchmal, was nicht zu Gott paßt. Aber wenn es Gottes Kinder geben soll, dann schickt Gott seinen Heiligen Geist. Erst wenn der kommt, dann ist Gott mit uns am Ziel.
Das müssen wir glauben.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum Ewigen Leben. Amen.

2. Passionsandacht

Das Lamm, das erwürget ist,
ist würdig, zu nehmen
Kraft und Reichtum, und Weisheit und Stärke,
und Ehre und Preis und Lob.
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

1 Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, daß seine Stunde gekommen war, daß er aus dieser Welt ginge zum Vater; und wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.
2 Und beim Abendessen, als schon der Teufel dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten,
3 Jesus aber wußte, daß ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und daß er von Gott gekommen war und zu Gott ging,
4 da stand er vom Mahl auf, legte sein Obergewand ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich.
5 Danach goss er Wasser in ein Becken, fing an, den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schurz, mit dem er umgürtet war.
6 Da kam er zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, solltest du mir die Füße waschen?
7 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.
8 Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.
9 Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!
10 Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als daß ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle.
11 Denn er kannte seinen Verräter; darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.
12 Als er nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe?
13 Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch.
14 Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen.
15 Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.
16 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr und der Apostel nicht größer als der, der ihn gesandt hat.
17 Wenn ihr dies wißt – selig seid ihr, wenn ihr’s tut.

Johannes 13, 1-17

Liebe Gemeinde!
Ein einfacher Grundsatz bei Vertrauen und Kommunikation ist: Teile deine Absichten mit! – Sag, was du tust, und warum du es tust!
Jeder wünscht sich das von anderen; jeder tut sich schwer damit. Wenn Wort und Tat übereinstimmen, tut das der Seele gut. Unwahrheit und Lüge sind für die Seele tödlich.
Jesus ist gekommen, die Werke des Teufels zu zerstören (1. Johannes 3, 8). Ein Hauptwerk des Teufels ist die Lüge – Jesus sagt es überdeutlich: „Der ist ein Mörder von Anfang an und steht nicht in der Wahrheit; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er Lügen redet, so spricht er aus dem Eigenen; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge.“ (Johannes 8, 44b).
Jesus ist die Wahrheit in Person, und in der Welt ist die Lüge Normalität. Der Weg Jesu ist der Weg der Wahrheit durch die Welt der Lüge.
Bei der Fußwaschung teilt Jesus seine Absicht mit. „Wißt ihr, was ich euch getan habe?“ Erkennt ihr die Wahrheit in meinem Tun? Merkt ihr, wie Wort und Tat vollkommen übereinstimmen?
Es ist der letzte Abend in Freiheit mit seinen Jüngern.
Es ist nicht irgendein Abend – sondern es ist der Abend vor dem Passafest. Das Fest, das Gottes Eingreifen für seine Leute begeht und feiert. Das Lamm wird geschlachtet, mit dem Gott sich selbst verpflichtet hatte, Israel aus der grausamen Übermacht des Pharaos zu befreien.
Und es war Vollmond. Das Licht der Sonne strahlte in die Finsternis hinein. Und es war Frühlingsbeginn: Die Finsternis war auf dem Rückzug. Das Licht kommt, und geht nicht wieder.
Alles deutet auf Übergang – das Wort „Passa“ bedeutet auch: Vorübergehen – von der Knechtschaft zur Freiheit, von der Finsternis zum Licht. Das alles ist aber nur heilsam, wenn es auch der Übergang von der Lüge zur Wahrheit ist.
Wir kennen die Fußwaschung. Jesus, der Herr und Meister seiner Jünger, steht auf, legt sein Obergewand ab, zieht sich wie ein Diener an, und tut, was ein Diener tut. Er wäscht seinen Jünger den Straßenstaub von den Füßen. Das ist man Gästen schuldig. Doch das tun nicht-jüdische Sklaven. Es ist verkehrte Welt, wenn Jesus, der sonst als Gastgeber, als Lehrer und Herr auftritt, so aus der Rolle fällt. Der Höchste tut das Niedrigste. Der Würdevollste tut das Peinlichste. Der Freie tut das, wozu Menschen sonst gezwungen werden müssen. Was jeder meidet, wenn er es irgend kann, das tut er.
Petrus protestiert. „Solltest du mir die Füße waschen?“ – Warum eigentlich nicht? Warum protestiert Petrus? Von einem Sklaven hätte er den Dienst sicher angenommen. Warum wollen wir nicht enttäuscht werden von Menschen, die wir verehren? Wir wollen nicht irren, wir wollen uns nicht getäuscht haben, wir wollen nicht daneben liegen. Für Petrus ist Jesus ein Ideal. Wenn ein Ideal zertrümmert wird, dann hab ich mich getäuscht. Das ist bitter.
Doch Jesus ist nicht das, was Petrus aus ihm macht. Petrus ist noch nicht in der Wahrheit, die Jesus bringt. Petrus glaubt zu wissen, wer Jesus ist. Eine höhere Meinung, höhere Verehrung und Hingabe kann man nicht für einen Menschen haben, wie Petrus für Jesus hatte.
Doch Jesus muß ihm sagen: „Was ich jetzt tue, das verstehst du nicht, du wirst es aber hernach erfahren.“ Jesus muß sagen, was er tut, was seine Absicht ist. Jesus ist Diener, aber zuerst ist er ein Diener der Wahrheit.
Petrus kann sich absolut keinen Grund vorstellen, weshalb er diesen Dienst von Jesus annehmen sollte: „Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen!“
„Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir“, sagt Jesus dann direkt. Petrus kann Jesus nur haben, wenn er Jesus als den niedrigsten Diener für den peinlichsten Dienst annimmt und bejaht. Entweder Jesus wäscht dir die Füße, oder du hast nichts mit ihm zu tun. Jesus gibt es nur mit Fußwaschung, oder gar nicht.
Petrus meint dann, verstanden zu haben: „Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!“ – Besser kann er nicht antworten, doch zugleich muß man Petrus fragen: Ist Jesus dazu in die Welt gekommen? Daß du besser gewaschen wirst? Ist der Staub auf deiner Haut die Finsternis, die Knechtschaft, die Lüge, die du dringend loswerden mußt? Ist das die Erfüllung von Gottes Verheißung?
Jesus antwortet: „Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als daß ihm die Füße gewaschen werden; denn er ist ganz rein. Und ihr seid rein, aber nicht alle.“ – Wie ist Petrus denn bereits gewaschen? Jesus sagt ihm: Du hast schon einen größeren Dienst von mir angenommen – der dich als ganze Person schon versorgt hat. Die Füße sind dagegen eine Kleinigkeit.
Petrus liegt also doppelt daneben: Nicht nur will er das nicht annehmen, was Jesus ihm geben will, sondern er hat nicht erkannt, daß er schon mehr von Jesus angenommen hat.
Also: Petrus verehrt Jesus, aber im Grunde weiß er nicht, wer Jesus ist, denn er erkennt Jesu Absicht nicht. Und auf Jesu Absicht kommt kein Mensch.
Als Jesus dann noch tiefer sinken mußte, als der Sklave fürs Fußwaschen – als Jesus unter die Übeltäter gerechnet wurde: Da sagten alle Jünger: „Nimmermehr!“ Da war ihr Ideal erst recht zerstört. Da mußten sie sagen: „Wir hofften, er würde Israel erlösen“ (Lukas 24, 21) – aber, unausgesprochen: „Wir haben uns getäuscht.“
Doch Jesu Tod ist nicht das, was Menschen aus ihm machen: Ein Scheitern, eine Katastrophe, ein Drama, oder ein Fluch. Die Wahrheit über Jesu Tod sagt er selbst.
Die Fußwaschung zeigt den Jüngern, wie Jesus seinen kommenden Tod selbst versteht, welche Absicht er mit seinem Tod hat.
Denn Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße bei vollem Bewußtsein: Er wußte, daß seine Stunde gekommen war, er wußte, daß ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und daß er von Gott gekommen war und zu Gott ging. Es war ein Tun bei göttlichem Bewußtsein.
Er zeigt seinen Jüngern die Wahrheit über seinen Tod. Der Tod am Kreuz ist ein Dienst an seinen Jüngern. Ein Dienst der Reinigung. Ein Dienst Befreiung. Ein Dienst, der Licht und Wahrheit bringt. Vergebung.
Jesus hatte Petrus schon längst reingewaschen – hatte Petrus nicht ganz am Anfang, bei der ersten Begegnung gesagt: „Herr, gehe weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch“? (Lukas 5, 8). Doch Jesus ist nicht weggegangen. Er hat Petrus geduldig getragen und ertragen. Dagegen war Füßewaschen nichts.
Liebe Gemeinde!
Die Wahrheit ist: Jesus und Vergebung sind untrennbar. Wer meint, keine Vergebung zu brauchen, der hat Jesus nicht. Wer aber Jesus hat, der hat vor allem Vergebung.
Jesus hat seine Absicht nicht nur deutlich mitgeteilt, er hat sie auch erfüllt. Wort und Tat passen zusammen, wie sonst nie. Sein Kreuz hat Wahrheit, Licht und Freiheit gebracht.
Seine Jünger haben das erfahren.
Diese Erfahrung hat eine Frucht: Jesu Jünger sollen einander vergeben. „Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.“ (Johannes 12, 26).
Licht, Befreiung und Wahrheit kommen mit dieser Vergebung.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum Ewigen Leben. Amen.