4. Advent 2023

Von | Dezember 27, 2023
4. Advent

Pfarrer Johann Hillermann
24.12.2023

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus,
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.

1 Um Zions willen will ich nicht schweigen, und um Jerusalems
willen will ich nicht innehalten, bis seine Gerechtigkeit aufgehe
wie ein Glanz und sein Heil brenne wie eine Fackel,
2 daß die Heiden sehen deine Gerechtigkeit und alle Könige
deine Herrlichkeit. Und du sollst mit einem neuen Namen
genannt werden, welchen des Herrn Mund nennen wird.
3 Und du wirst sein eine schöne Krone in der Hand des Herrn
und ein königlicher Reif in der Hand deines Gottes.
4 Man soll dich nicht mehr nennen »Verlassene« und dein Land
nicht mehr »Einsame«, sondern du sollst heißen »Meine Lust«
und dein Land »Liebe Frau«; denn der Herr hat Lust an dir, und
dein Land hat einen lieben Mann.
5 Denn wie ein junger Mann eine Jungfrau freit, so wird dich
dein Erbauer freien, und wie sich ein Bräutigam freut über die
Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen.

Jesaja 62, 1-5

Gebet: HERR, wirke Heilung und neues Leben an uns durch das,
was wir aus Deinem Wort hören. Amen.

Liebe Gemeinde!
Bei diesen Worten aus dem Alten Testament muß ich an das
Lied: „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ denken.
Dort heißt es in der zweiten Strophe:
„Zion hört die Wächter singen, das Herz tut ihr vor Freude
springen; sie wachet und steht eilend auf.
Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig, von Gnaden stark, von
Wahrheit mächtig, ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.“
Das ist ganz ganz großes Kino.
Die ganz große Liebe. Der ersehnte Freund kommt von weither
auf die junge Frau zu, die vor lauter Liebe nicht mehr bei sich
selbst ist. Das ist gar nicht aufzuhalten. Die Liebe tut das mit
einem Menschen. Sie macht, daß ein Mensch ganz und gar nicht
bei sich selbst sein kann und will, sondern mit allen Sinnen, mit
Haut und Haar, und wenn das nicht geht, mit Herz und Seele,
und Gedanken ganz bei dem Geliebten ist.
Der Freund ist ihr Ein und Alles. Und der Freund überwindet
jede Entfernung und alle Hindernisse, um bei der Freundin zu
sein.
Wenn man das mitbekommt, dann wird das Herz sich seiner
bewußt: In Vorfreude, in Erinnerung, in Wehmut, in Neid,
vielleicht auch in Spott, weil man solche Gefühle nicht bei sich
zulassen will oder kann.
Aber die ganze Bibel macht es deutlich, daß diese Liebe, diese
dramatische Liebe zwischen Freund und Freundin, zwischen
Braut und Bräutigam, zwischen Mann und Frau eine göttliche
Realität ist.
In unserem Predigttext erklingt diese Sprache.
Zion – das ist das Herz der Stadt Jerusalem, das ist das Herz des
Volkes Israel. Zion steht für die Liebe, die nicht mehr bei sich
selbst ist, sondern ganz bei ihrem HERRN, dem Gott Israels. Zion
ist das Israel, welches Gott ganz und gar beim Wort nimmt, und
keinen Zweifel daran hat, daß Gott erfüllt, was Er verspricht,
und es auch kann. Zion, das ist Israel in der Gestalt einer Frau,
die unbeirrt, unerschütterlich und mit unvermischter Liebe sich
auf Gott verläßt. Wir Männer müssen es uns gefallen lassen,
daß dieses Vorbild des Glaubens so weiblich ist, wie es nur sein
kann; und ihr Frauen seid berufen, das Vorbild in keiner Weise
zu leugnen oder schmälern, sondern zu bejahen und sich zu
eigen zu machen.
Zion hält an ihrem Gott fest. Der Rest der Welt schüttelt den
Kopf. Israel war umgeben von Völkern und Religionen, die
Gottes Gaben zu Götzen machten. Erfolg, Fruchtbarkeit, Sieg,
Reichtum, langes Leben, Gesundheit, Schönheit – – alles wurde
angebetet, alles sollte durch Opfer und Rituale ertrotzt,
erzwungen und gesichert werden. Alle machten mit auf ihre
Weise.
Nur Zion nicht. Ihr Herz war schon vergeben. Zion verweigerte
sich allen Götzen. Auch wenn im Volk Israel selbst von ganz
Oben, bei den Königen, über die Priester, bis unten im Volk,
schon an Gott zweifelten, oder ihn nicht beim Wort nahmen,
oder sich bei den heidnischen Mächten durch Kompromisse es
besser wissen wollte, als sein Gott. Also: Gottes Wort, aber
bitte auch vernünftig bleiben! Sich auf Gott verlassen, ja – aber
die anderen Völker und Religionen können doch nicht ganz
falsch sein!
Zion geriet unter Druck, wurde zum Spott. Jeder meinte
beweisen zu können, daß Zion es übertreibe, zu weit gehe.
Ja, die anderen Völker mit ihren Götzen hatten den Drang, Zion
zu zeigen, daß alles eine große Täuschung sei. Bis hin zur
militärischen Vernichtung, Demütigung, Verschleppung,
Zerstörung. – „Wo ist nun dein Gott?“ Das ist ein Gebet, was
der Heilige Geist der Tochter Zion bereitlegt: „Meine Tränen
sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt:
Wo ist nun dein Gott?“(Psalm 42, 4).
Unser Predigttext ist die Antwort auf diese Frage. Zion wird
höhnisch, spöttisch, mitleidig gefragt: Wo ist nun dein Gott?
Gott selbst antwortet:
„Um Zions willen will ich nicht schweigen, und um Jerusalems
willen will ich nicht innehalten,“ – Das Schweigen, die
Verborgenheit wird ein Ende haben. Gott selbst wird Sein
Schweigen brechen und Zion in allem Recht geben. Jeder
Moment des Glaubens wird sich für die Tochter Zion lohnen.
Jeder Verzicht auf Kompromisse, jedes Widerstehen der
Versuchung wird Gott belohnen.
Gott wird die notwendigen Worte geben, die Zion ohne jeden
Zweifel ins Recht stellen werden, vor der ganzen Welt. Nichts
weniger als das.
„bis seine Gerechtigkeit aufgehe wie ein Glanz und sein Heil
brenne wie eine Fackel,“ – Gott wird so handeln und reden, daß
Zion mit ihrem Glauben, ihrer Übertreibung einfach nichts falsch
gemacht hat. „Gerechtigkeit“ heißt: Seinen festen,
unhinterfragbaren Platz bei Gott selbst haben. Ein
unanfechtbares Daseinsrecht, das niemand und nichts in der
Welt anzweifeln kann. Zions Gerechtigkeit wird aufgehen, wie
ein Glanz – wie eine aufgehende Sonne, die alle Zweifel
überstrahlt, jeden Spott verschwinden macht. Alle Götzendiener
werden ihre Zunge zerbeißen, die die Tochter Zion lächerlich
gemacht haben, alle Hände werden sich verbrennen, die die
Tochter Zion angegriffen haben, weil sie verlassen und wehrlos
schien.
Gott wird so handeln und reden, daß der Glaube der Tochter
Zion keine subjektive Einbildung sein wird: „daß die Heiden
sehen deine Gerechtigkeit und alle Könige deine Herrlichkeit.“
Gott selbst wird es bewirken, daß die Tochter Zion nichts
beweisen muß. Die Heiden – also völlig fremde Völker – es
zugeben werden: Es ist völlig richtig gewesen, wie Zion geglaubt
hat. Die Freundin und Braut Gottes muß nichts erklären oder
verständlich machen.
Ja, auch die Mächtigen und Bestimmer, gegen die Zion aus
eigener Kraft sich nicht wehren könnte, oder irgendwie
überzeugen, diese „Könige werden ihre Herrlichkeit sehen.“
Liebe Gemeinde, es geht wirklich immer weiter. So tief unten
die Tochter Zion durch ihr unbedingtes Vertrauen auf den Gott
Israels war – in den Augen der Welt, und auch in ihren eigenen
Augen – so sehr wird ihr Gott sie erheben und zu Ehren bringen.
„Und du sollst mit einem neuen Namen genannt werden,
welchen des Herrn Mund nennen wird.“ Gott wird von höchster
Stelle der ganzen Welt für alle Zeiten festlegen, wer sie ist. Nicht
ihre Feinde, nicht ihre Spötter, auch nicht ihr eigenes
anklagendes Gewissen, wird ihr sagen, wer sie ist. Sie wird
einen Neuen Namen bekommen, und damit wird sie direkt
unter dem persönlichen Schutz Gottes kommen. Wer von ihr
redet, wird auf Gott selbst hören müssen.
Es soll nichts von irgendeiner Infragestellung, irgendeinem
Spott, irgendeiner Demütigung übrigbleiben.
Jede Träne wird abgewischt, jede Wunde wird geheilt, jede
Bloßstellung wird widerlegt, jeder Fehler wird zugedeckt und
zum Verschwinden gebracht.
Ja, Gott selbst will ohne die Tochter Zion nicht mehr Seine
Macht ausüben:
„Und du wirst sein eine schöne Krone in der Hand des Herrn und
ein königlicher Reif in der Hand deines Gottes.“ Eine Krone
bestimmt, und wird nicht bestimmt. Sie hat den ersten Platz,
alles richtet sich nach ihr. Alles muß ihr dienen. Wer die Krone
antastet, der hat es mit der Macht, mit Gott selbst zu tun. Die
Krone muß nichts zurücknehmen, nichts neu überlegen, es gibt
keine Unsicherheit. Gott selbst hält sie in Seinen Händen und
läßt ihren Glanz strahlen.
Und dann wird es nur noch Liebe, unzertrennliche Liebe:
„Man soll dich nicht mehr nennen »Verlassene« und dein Land
nicht mehr »Einsame«, sondern du sollst heißen »Meine Lust«
und dein Land »Liebe Frau«; denn der Herr hat Lust an dir, und
dein Land hat einen lieben Mann.
Denn wie ein junger Mann eine Jungfrau freit, so wird dich dein
Erbauer freien, und wie sich ein Bräutigam freut über die Braut,
so wird sich dein Gott über dich freuen.“
Die Tochter Zion wird einfach überhaupt nicht mehr ohne ihren
Gott sein. Er hat sich an sie gebunden. Und alles, was Gott ist
und hat, gibt Er für Seine geliebte Braut.
Liebe Gemeinde!
So hören wir es aus dem Alten Testament. Aus dem Buch der
Vorbereitung für das, was sich mit der Geburt unseres Herrn
Jesus Christus zu erfüllen beginnt.
Seine Mutter, die Jungfrau Maria, singt in ihrem Lobgesang
genau von dem, was uns über die Tochter Zion gesagt wird:
„ Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich
Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner
Magd angesehen.
Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Kindeskinder.
Denn er hat große Dinge an mir getan,
der da mächtig ist und dessen Name heilig ist.
Und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht
bei denen, die ihn fürchten.
Er übt Gewalt mit seinem Arm
und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn.
Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen.“
Sie erlebt an ihrem eigenen Leib ganz eindeutig, daß der
allmächtige Gott, der Schöpfer Himmels und der Erden, der Gott
Israels, sich über Zion erbarmt. Sich ihr zuwendet, Seine
Entscheidung für sie in allen Konsequenzen umsetzt und
offenbar macht – für sie, und für das ganze Volk Israel, ja für
„alle Kindeskind“.
Diese Worte, die Gott durch den Propheten Jesaja sagt, zielen
auf Seine Menschwerdung. Gott erscheint als der prächtige
Freund der Tochter Zion. Jesus Christus, erscheint durch Seine
wunderbare Geburt als der, an den das Herz des Volkes Israel
durch die Jahrhunderte trotz allem geglaubt hat.
Jesus ist die leuchtende Gerechtigkeit, die brennende Fackel.
Durch Jesus haben alle Völker der Welt Anteil bekommen an
den Glauben, den die Tochter Zion im Verborgenen durch die
Jahrhunderte im Vertrauen auf Gottes Versprechen durch
Gottes Hilfe festgehalten hat.
Jesus ist der König, der Seine Gemeinde als Seine Krone nicht
fallen läßt, sondern in göttlichen Händen hält und nichts
zwischen Ihm und ihr kommen läßt. Jesus ist der Sohn Davids,
der Erbe der Heiligen Macht, mit der Er uns verlorenen
Menschen aus der Tiefe in die Höhe, aus der Finsternis ins Licht,
aus der Lüge zur Wahrheit und noch viel mehr führt.
Jesus ist der „Freund, der vom Himmel prächtig kommt, von
Gnaden stark, von Wahrheit mächtig“, der sich mit Zion, mit
Israel, und dadurch auch mit der ganzen Menschheit verbindet.
Die Worte sind fast deutlicher, als wir es ertragen können:
„Denn wie ein junger Mann eine Jungfrau freit, so wird dich
dein Erbauer freien, und wie sich ein Bräutigam freut über die
Braut, so wird sich dein Gott über dich freuen.“
Der Reformator der Kirche, Dr. Martin Luther, hat ein Lied
darüber gedichtet, das es nicht mehr in unsere Gesangbücher
geschafft hat. Dort singt Jesus über Seine Kirche: „ Sie ist mir
lieb, die werte Magd , und kann ihr‘ nicht vergessen. Lob, Ehr
und Zucht man von ihr sagt, sie hat mein Herz besessen.“
Diese Art zu reden, die ja vom Heiligen Geist zu uns kommt,
findet sich auch in dem Eingangslied: „Es kommt ein Schiff,
geladen bis an sein‘ höchsten Bord.“ Dieses Schiff ist Maria, die
den Sohn Gottes, das fleischgewordene Wort als teure Last zu
uns bringt. Von diesem Schiff wird gesagt: „Das Segel ist die
Liebe, der Heilig Geist der Mast.“ Es ist Gottes Liebe zu uns
Menschen, die zu Weihnachten bei uns auf der Erde erscheint.
Sie zielt darauf, dich zu erfassen und zu ergreifen, bis du weißt:
Ich werde niemals mehr verlassen sein. Niemals ohne Liebe.
Niemals ohne Licht. Niemals ohne Gnade. Das geschieht, wenn
wir durch den Glauben ganz bei Ihm sind, und nicht mehr bei
uns selbst. Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der
bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen
Leben. Amen.