Vorletzter Sonntag im Kirchenjahr

Von | November 20, 2022
Die Predigt zum Nachlesen

Gnade sei mit euch und Friede,
von dem der da ist, und der da war, und der da kommt,
und von Jesus Christus,
welcher ist der treue Zeuge,
der Erstgeborene von den Toten
und ein Fürst über die Könige auf Erden.
Amen.

1 Jesus  sagte seinen Jüngern  aber ein Gleichnis darüber, daß sie allezeit beten und nicht nachlassen sollten,
2 und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott und scheute sich vor keinem Menschen.
3 Es war aber eine Witwe in derselben Stadt, die kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher!
4 Und er wollte lange nicht. Danach aber dachte er bei sich selbst: Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue,
5 will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.
6 Da sprach der Herr: Hört, was der ungerechte Richter sagt!
7 Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag
und Nacht rufen, und sollte er’s bei ihnen lange hinziehen?
8 Ich sage euch: Er wird ihnen Recht schaffen in Kürze.
Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?

Lukas 18, 1-8

Gebet: HERR, segne Dein Wort an unseren Herzen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Schon wieder das Gebet! Jesus kennt uns gut genug. Der Glaube atmet im Gebet, und wir halten zuviel die Luft an. Das ist nicht die Idee. Wir sollen allezeit beten und nicht nachlassen.

Allezeit? Jederzeit? Das ist eine dumme Frage, die Gründe sucht, nicht zu beten. Wir haben aber keinen Grund, nicht zu beten.

Wer einmal betet, und dem Gebet einen festen Platz in seinem Leben macht, und bei jeder Gelegenheit betet – der läßt diese Frage hinter sich.

In unserem Gleichnis lassen zwei Personen auch etwas hinter sich. Beiden ist etwas egal.

Erstens die Witwe:

Da muß man biblisch denken.

In der Bibel hat jeder Mann die heilige Aufgabe, für die Frau da zu sein, die Gott ihm zuordnet.

Ein Vater für seine Tochter, ein Bruder für seine Schwester, ein Sohn für seine Mutter, und, vor allem: Ein Ehemann für seine Ehefrau.

Wenn eine Witwe als Frau für ihre eigene Sache vor einem Richter kämpfen muß, dann ist das extrem. Nicht nur ihr Mann ist gestorben, sondern es ist auch kein Bruder und kein Sohn in Sicht. Das ist ein schlimmes Schicksal, das man keiner Frau wünscht.

Ob die heutigen Zeiten besser sind? Wir sollen es glauben. Können wir beweisen, daß heute mehr Liebe ist, als vor 2000 Jahren? Werden Männer ihre von Gott gegebene Aufgabe, für Mutter, Tochter, Schwester und Frau dazusein besser gerecht werden, wenn kein Gesetz mehr sie dazu ruft?

Das Gesetz des Mose und die Propheten sind voll davon. Israels Männer werden fortwährend zur Umkehr gerufen:

„Ihr sollt Witwen und Waisen nicht bedrücken. Wirst du sie bedrücken und werden sie zu mir schreien, so werde ich ihr Schreien erhören. Dann wird mein Zorn entbrennen, daß ich euch mit dem Schwert töte und eure Frauen zu Witwen und eure Kinder zu Waisen werden.“ – 2. Mose 22, 21-23.

Ernste Worte. Es sind Gottes Worte.

Das aber nur nebenbei!

Die Witwe ist in einer verzweifelten Situation. Wenn Sie nicht hingeht und um ihr Recht kämpft, dann wird das buchstäblich niemand tun. Wenn sie aufgibt, dann hat sie verloren.

Sie muß alle Schüchternheit hinter sich lassen, wenn sie zu diesem Richter geht. Alle Bequemlichkeit. Sie würde sicher lieber etwas zuhause tun, oder sich mit Freundinnen treffen. Aber nein!  Auf zu diesem widerwärtigen Richter. Wenn sie leben will, muß sie die Furcht vor Ablehnung hinter sich lassen. Sie muß bereit sein, durchzuhalten, wenn der Richter sie fühlen läßt, wie machtlos sie ist. Dieser scheußliche Richter wird ihr jedes Mal unter die Nase reiben, daß alles gegen sie spricht, daß sie ein Niemand ist. Doch die Witwe macht sich dieses Urteil des bösen Richters nicht zu eigen.

Liebe Gemeinde! Die Hörer zur Zeit Jesu werden diese Witwe bewundert haben. Sie wächst über sich hinaus.

Wie leicht lassen wir uns von dem Urteil von Menschen beeindrucken, die es offensichtlich nicht gut meinen!  Wie leicht fürchten wir uns vor Ablehnung durch Menschen, die offen zeigen, daß sie das Gute verachten! Da schweigen wir lieber. Wir geben nach. Diese Witwe tut das nicht. Sie beschämt uns alle.

Und jetzt der Richter. Uns wird gesagt, daß er ein schlechter Mensch ist. Ihm ist alles egal. Er fürchtet sich nicht vor Gott und scheut keinen Menschen. Ein Spötter, ein Verächter, ein Zyniker. Seine Stellung als Richter nahm er nicht von Gott an, als einen Beruf, Gott und dem Nächsten zu dienen. Für ihn war seine Stellung eine Gelegenheit, Macht auszuüben, Menschen zu demütigen, und sich selbst zu bereichern. Ein Ekel von Mensch. Er erkennt keine Instanz über sich an, und wer unter ihm ist, der ist nichts.

Wir sind schnell, solche Menschen zu verurteilen. Wir sind schnell der festen Überzeugung: So bin ich nicht. Mir fallen aber Menschen ein, die so sind. Doch läßt du dir etwas sagen? Erkennst du an, daß jemand dir etwas zu sagen hat? Überwindest du deine Trägheit, um für Schwächere da zu sein? Bei Gott kommt ja nicht nur an, was du von dir selber hältst, sondern wie andere dich erleben! Kommt bei Gott mehr Dank an, weil es dich gibt, oder mehr Klage?

Dieser Richter. Er will einfach nicht. „Er wollte lange nicht.“ Es war nur sein Wille, sonst nichts. Doch ein Wille ohne Recht  – das ist kein guter Wille, auch wenn er stärker ist, und sich durchsetzt. Das Recht ist ja gerade dazu da, daß nicht Macht Recht hat!

Hier eine Witwe  –  dort dieser Richter.

Und dazwischen? Scheinbar nichts, sie haben nichts gemeinsam.

Wenn Gott nichts tun würde, wenn Gott uns Menschen uns selbst überlassen würde, dann wäre das unsere Welt. Ganz einfach.

Doch Jesus hält uns nicht nur diese hoffnungslose traurige Situation vor Augen.

Sondern er prägt uns für alle Zeiten ein:
Zwischen Witwe und Richter ist doch etwas: Die Bitte. Die Bitte, die sich auf Gottes Willen gründet. Denn es ist Gottes Wille, daß den Witwen auch Recht geschieht.

Und jetzt werden die Hörer Jesu auch gestaunt haben – ja, Jesus bricht selbst in Staunen aus. Der Richter gibt irgendwann nach.

Das sind seine Gedanken: „Wenn ich mich schon vor Gott nicht fürchte noch vor keinem Menschen scheue, will ich doch dieser Witwe, weil sie mir so viel Mühe macht, Recht schaffen, damit sie nicht zuletzt komme und mir ins Gesicht schlage.“  Es könnte peinlich werden für den Richter.  – Er will nicht ins Gesicht geschlagen werden.  Wer weiß, ob die Witwe das wirklich getan hätte?  Das wäre ein peinlicher Skandal für den Richter geworden. So will er nicht dastehen!  Und er läßt seine Härte hinter sich. Die Witwe wird hart, und der Richter wird weich. Das tut die Bitte der Witwe. Die Bitte macht sie stark und den Richter schwach. 

Das prägt Jesus uns allen ein.

Dazu zwei Gedanken über den Richter:

1. Er ist beeindruckt von der Beharrlichkeit dieser schwachen unbedeutenden Frau. Er ist treulos. Sie ist treu. Das versteht er nicht. Daß jemand das Recht so hoch hält, das ist dem Bösen unheimlich und unbegreiflich. Er kann es nicht erklären. Mit seinem Denken hätte er als Witwe schon längst aufgegeben. Doch die Witwe glaubt nicht an das Recht des Stärkeren, sondern an das Recht selbst. Das ist eine Macht.

2. Böse sein ist noch anstrengender, als beharrlich bitten. Böse sein ist anstrengend. Weil aber alle Kraft von Gott kommt, muß das Böse irgendwann müde werden. Die Offenbarung des Johannes sagt uns: Der Teufel, der hinter allem Bösen steckt, ist schon gestürzt. Er tobt, weil er sich selbst noch beweisen will, daß er überhaupt existiert. Aber „er weiß, daß er wenig Zeit hat.“ (Offenbarung 12, 12).

Zurück zum Gebet. Im Gebet ist unsere Zukunft mit Gott.

Wer an Jesus glaubt in dieser Welt, der könnte sich vorkommen, wie die Witwe. Sie wird in Frage gestellt, sie wird bedrängt, sie wird verstoßen. Wenn wir uns nur überlegen, wie machtlos Gottes Gebote in der Welt sind, und wie sehr wir Teil dieser Welt sind, die Gott vergessen hat. Wenn Menschen sich über Gottes Gebote hinwegsetzen, sind sie oft besonders stolz. Und wir glauben es ihnen, daß sie sich stark, sicher und im Recht fühlen. Der Unglaube breitet sich aus. Was können wir schon machen?

Jesus sagt: Denkt ihr, Gott ist so, wie dieser scheußliche Richter?

Denkt ihr wirklich, daß Gott sich nicht bitten läßt?

Nein.

„Sollte Gott nicht auch Recht schaffen seinen Auserwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte er’s bei ihnen lange hinziehen?“

Unser Gebet macht das Böse müde. Das ist, was Jesus sagt.

Der Teufel, die Welt, aber auch unser egoistische alte Adam kann das Gebet nicht erklären oder begreifen. Am Ende wird das Gebet stärker sein. 

Das Gebet zeigt – daß wir nicht nur das sind, was die Welt aus uns machen will.

Das Gebet ist eine Frucht aus Gottes Zukunft schon jetzt.

So sind alle Glaubensfrüchte. Sie lassen uns erleben, daß Gott in uns aktiv ist.

 Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.