7. Sonntag nach Trinitatis

Von | August 1, 2022
Predigt 7. Sonntag nach Trinitatis

Gnade, Barmherzigkeit und Friede
von Gott, dem Vater,
und von Jesus Christus!

1 Danach fuhr Jesus weg über das Galiläische Meer, das auch See von Tiberias heißt.
2 Und es zog ihm viel Volk nach, weil sie die Zeichen sahen, die er an den Kranken tat.
3 Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern.
4 Es war aber kurz vor dem Passa, dem Fest der Juden.
5 Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, daß viel Volk zu ihm kommt, und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen haben?
6 Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wußte wohl, was er tun wollte.
7 Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, daß jeder ein wenig bekomme.
8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus:
9 Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?
10 Jesus aber sprach: Laßt die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.
11 Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, so viel sie wollten.
12 Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die übrigen Brocken, damit nichts umkommt.
13 Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
14 Als nun die Menschen das Zeichen sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll.
15 Als Jesus nun merkte, daß sie kommen würden und ihn ergreifen, um ihn zum König zu machen, entwich er wieder auf den Berg, er selbst allein.

Johannes 6, 1-15

Lieber HERR, gib uns das Leben, das Du selbst in diese Worte gelegt hast; gib uns Ohren, die Dich selbst hören, was immer heilsam ist. Amen.

Liebe Gemeinde!
Erstmal kurz etwas über Wunder.
Wir haben ja eben von einem Wunder gehört. Jesus nimmt 5 Gerstenbrote und 2 Fische, DANKT – das ist essentiell! – läßt seine Jünger austeilen und speist damit über 5000 Menschen. Und es bleibt etwas übrig.
Das ist nicht normal. Von Jesus werden auch andere Wunder bezeugt. Zum Beispiel, daß er Kranke heilt, Besessene befreit, über einen Sturm gebietet …. Das sind Wunder. Da bleibt man erstmal stehen. Da ist der Verstand erst einmal verblüfft, oder in der Sprache der Bibel: Entsetzt, verstört, verwundert.
Meistens fragt man dann: Glaubst du, daß das wirklich geschehen ist? Glaubst du an Wunder? Ja oder nein?
Beides, Ja und Nein, beendet das Wunder.
Wenn ich Ja sage, dann stehe ich unter Druck, das Wunder zu erklären, oder zu wiederholen, oder es jemandem einzureden, der seine Zweifel hat.
Wenn ich Nein sage, dann stehe ich unter Druck, das, was berichtet wird, anders zu erklären. Im Sinne von: „EIGENTLICH passiert da etwas ganz Normales.“ Aber dann fragt man sich, warum die Menschen sich aufregen, und Jesus bewundern oder fürchten.
Beides, das „Ja“ und das „Nein“ läßt Gott aus dem Wunder raus. Es stehen zwei Menschen einander gegenüber und reden aufeinander ein. Da ist das Wunder weg.
Als Kinder Gottes gucken wir anders.
Die Bibel nennt diese Taten Jesu „Zeichen“. Ein Zeichen spricht aus sich, ein Zeichen spricht bleibend und fortwährend, ein Zeichen hört nicht auf, zu sprechen. Jesus zeigt uns etwas mit dem Zeichen. Jesus wartet darauf, daß wir das sehen, was er uns mit dem Zeichen zeigt.
Darum lassen wir um Gottes willen das Wunder stehen, und lassen es zeigen, und aus sich selbst zu uns reden.
Denn wir als Hörer sollen Teil von dem Wunder werden. Bei einem „Ja“ oder ein „Nein“ zwischen Menschen – also im Erklären von Wundern, oder im Zweifeln daran – da werden wir nicht Teil vom Wunder. Wir sollen aber.
Wie kann das aussehen?
1. Wir lassen das Wunder wirklich stehen.
Gott will, daß wir das hören. Gott übernimmt die Verantwortung. Ich muß diese Wundergeschichte nicht verantworten, beweisen, oder deine Zweifel überwinden. Ein Christ soll das Wunder stehen lassen und bezeugen. Gott hat etwas mit dem Wunder vor. Das muß ich Gott überlassen.
2. Wir freuen uns daran.
Gott läßt das so berichten. Es ist ja ohne Zweifel etwas Gutes. Hungrige werden gespeist. Jesus dankt dem himmlischen Vater für Seine Gaben, und gibt sie weiter. Wenn es auch übernatürlich ist – es ist gut. Jesus benutzt seine Göttlichkeit, um sich zu kümmern. Er überrumpelt nicht, er dient. Er blendet nicht, sondern nimmt sich der Not an. Es ist eine gute Macht am Werk, so unerklärlich oder gar unheimlich sie scheint – sie ist gut, die Macht im Wunder. Sie zielt auf den Menschen als Gottes Ebenbild. Sensationen, Mirakel schüchtern ein und demütigen, ja, geben der Lächerlichkeit preis. Von Jesus hört man das nie. In Seinen Wundern ist niemals Schadenfreude oder Selbstgefälligkeit. Allein das ist schon ein Wunder. Auch die Berichte sind völlig frei davon. Die Jünger prahlen niemals mit ihrem wundertätigen Herrn.
3. Wir gönnen es denen, die es erlebt haben.
Das Wunder stehen lassen bedeutet auch, daß man nicht ängstlich oder mißtrauisch fragt: Wo ist mein Wunder? Warum geschieht bei mir kein Wunder? Wo ist Gott mit Seinen Wundern, wenn man Ihn braucht? – Sondern sich mit denen freuen, die es erlebt haben, und es ihnen gönnen. Hier waren über 5000 Menschen in Not, sie hatte Hunger, und Jesus speist sie, macht sie satt. Wie gut für sie! Wie wunderbar muß es sein, so unerwartet gespeist zu werden! Wie herrlich muß es sein, so unverhofft eine Sorge loszuwerden!
Um Gottes willen lassen wir das Wunder stehen und zerreden wir es nicht mit unseren Fragen und Ja oder Nein!
Um Gottes willen freuen wir uns daran. Hier ist einfach etwas, was größer ist als wir, und es bedroht uns nicht. Das ist gut.
Um Gottes willen gönnen wir es denen, die es erlebt haben – und lassen wir unseren kleinlichen, mißtrauischen, neidischen Egoismus hinter uns und freuen wir uns mit ihnen.
Dann wären wir auf dem besten Wege, Teil des Wunders zu werden.
Jetzt aber zu Johannes 6! Betrachten wir das Speisungswunder behalten wir im Herzen fest: Stehen lassen, freuen, gönnen! Das wird Gott segnen.
Jesus geht mit seinen Jüngern auf einen Berg. Er führt sie über das Irdische hinaus. Jesus relativiert, was seine Jünger auf der Erde herumtreibt. Er nimmt sie mit sich. Sie sollen sein, wo er ist (Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren. Johannes 12, 26). Wer Jesus nachfolgt über den verliert die Welt ihre Macht. Wenn wir hier versammelt sind, und diese Worte hören, beten was Jesus gelehrt hat, tun, was Jesus aufgetragen hat – dann geschieht etwas, was nicht von der Welt bestimmt ist, dann geschieht etwas, was nicht von unserem Fleisch bestimmt ist, also von uns als Egoisten ohne Gott. Wir sollen wissen: Was hier passiert, ist nicht Wirkung einer bösen oder zerstörerischen Macht. Wir sind mit Jesus auf dem Berg.
Viele Menschen folgen Jesus nach, wegen der Zeichen, die er an den Kranken tut. – Was wir hier hören, was Gott uns hier gibt, ist für viele gemeint.
In den Medien hört man von Kirchenaustritten, davon, wie unwichtig die Kirche und das Christentum geworden sind. Wo Jesus ist, werden viele sein. Das sollen wir nicht mit Ja oder Nein zerreden, sondern stehenlassen, und um Gottes willen glauben, daß wir Teil davon sind. Nicht erst sein WERDEN, sondern schon SIND.
Es ist kurz vor dem Passahfest. Das Fest des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten. Das Fest der Befreiung aus dem gnadenlosen System, das Israel beweisen will, daß sein Gott nichts ist.
Aus aller Welt werden Juden in Jerusalem durch Gottes Wort sich eingliedern in das Volk, das aus Ägypten rausging. Gott hat es dann mit wunderbarem Brot vom Himmel, Manna, gespeist. Beim Passahfest hat Israel nicht zweifelnd und mißtrauisch gesagt: Wo ist mein Manna heute? – Sondern es hat sich mit denen gefreut, die es vor Jahrhunderten bekamen. Im 6. Kapitel Johannes wird Jesus noch sagen: „Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist.“
Was Jesus jetzt weiter tut, ist sehr wichtig: Er führt seine Jünger an die Grenze. Jesus läßt es zu, daß die Jünger die Grenzen ihrer Möglichkeiten ganz klar und deutlich erfahren.
Jesus hebt seine Augen auf. Er sieht, daß die Massen kommen. Was er sagt und tut, hat nicht nur die im Blick, die schon da sind. Auch das, was Jesus bei uns in unserer kleinen Gemeinde sagt und tut, hat nicht nur uns allein im Blick. Du bist gemeint – aber nicht nur du!
Dann fragt er Philippus: „Wo kaufen wir Brot, daß diese essen?“
„Wir“! Jesus, der Sohn Gottes, bezieht Menschen ein in Seiner Mission. Sie sollen dabei sein, wenn Er tut, was nur Er als der Sohn Gottes tut, um Menschen zu retten.
„Das sagte er aber, ihn zu prüfen …“ – mit anderen Worten: Jesus führt Philippus an die Grenze. Was kann ich, was kann ich nicht? Was ist möglich, was nicht?
Philippus sagt nüchtern, was los ist: „200 Silbergroschen Brot sind nicht genug.“ Vielleicht war das das Budget der Jünger. Man hat ausgerechnet, daß 1600 kg Brot damit gekauft werden konnten. Das wären 300 Gramm Brot pro Familie. Knapp. Aber im Grunde war damit bewiesen – wir sind überfordert.
Das wird unterstrichen mit dem Wort des Andreas: „Es ist ein Knabe hier, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische – aber was ist das unter so viele?“ Man könnte sagen, daß Philippus Kapitalist ist, weil er ausrechnet, was Geld möglich macht, und Andreas Sozialist – weil er sieht, wie er mit dem vorhandenen jedem gerecht werden kann – Planwirtschaft. Beide liefern den Beweis, daß Jesus sie an eine Grenze geführt hat. Jesus führt Menschen an die Grenze, damit sie lernen, Gott und Mensch zu unterscheiden. Unterscheiden, was Gott tut, und was Menschen tun können.
In einem Lied „Mein lieber Gott soll walten“ findet sich die ergreifende und humorvolle Strophe: „Andreas hat gefehlet, Philippus hat gezählet,
sie rechnen wie ein Kind.
Mein Jesus kann addieren und kann multiplizieren,
auch da, wo lauter Nullen sind.“
Erst, als den Jüngern völlig klar ist, daß sie der Situation überhaupt nicht gewachsen sind, ordnet Jesus an, daß die Menschenmenge sich lagert. Die Jünger sind auf einmal Gastgeber für 5000 Familien, und der Kühlschrank ist ja praktisch leer, und alle Läden haben zu. Die 5000 Männer erwarten jetzt etwas! Etwas muß jetzt kommen. Die Jünger werden das überdeutlich gespürt haben. Wie kümmerlich werden ihnen die 5 Gerstenbrote und 2 Fische vorgekommen sein! Wie leer werden sich ihre Hände angefühlt haben!
Und genau wie Jesus durch Seinen Blick die vielen Menschen zum Teil der Situation gemacht hatte, so macht Er durch Danken den himmlischen Vater zum Teil der Situation. Wir unterschätzen das dauernd. Erst wer dankt, hat wirklich. Erst wer Gott dankt, hat die Liebe Gottes, die Gott in Seine Gaben gelegt hat.
Dann geben die Jünger weiter, was Jesus ihnen gibt. Einfach das. Von mal zu mal. Was wir Jesus anvertrauen, ist nicht mehr dasselbe. Das müssen wir glauben. Was wir Jesus anvertrauen, das geht in den Himmel, in das Paradies, und wird uns neu gegeben.
Alle werden satt.
Und dann kommt die Sache mit dem König.
Jesus merkt, daß sie ihn zu König machen wollen.
Zum Brot- und Bauchkönig. Die Menschen wollen nicht an eine Grenze geführt werden, im Gegenteil. Es soll keine Grenze mehr geben. Das bedeutet aber: Sie wollen nicht Gott kennenlernen. Sie wollen nicht erleben, daß Gott alles tut und alles gibt. Sie wollen nicht erfahren, daß ihre Hände leer sind, bis Gott sie füllt. Jesus läßt sich nicht zum König machen. Warum? Weil er schon der König ist. Wenn Menschen ihm Macht geben würden, dann wäre er von den Wünschen der Menschen abhängig. Ein Gott, der unsere Wünsche erfüllt – ohne Grenze, ohne Bitten, ohne Danken – das wäre kein Gott. Da wären unsere Wünsche unsere Götter. Das endet leider tödlich.
Jesus macht da nicht mit, weil er will, daß wir Gott kennenlernen. Jesus geht den Weg weiter, bis Er die Schattenseite aller unserer Wünsche ausbadet. Er geht den Weg weiter, bis er uns zeigt, was wir am dringendsten brauchen: Nämlich, daß Gott uns unsere Schuld abnimmt und wegträgt. Wir wissen ja, wo dann geschrieben stand: Jesus von Nazareth, der Judenkönig. Da haben die Jünger zugleich ihre eigenen Grenzen und Gott kennengelernt. Denn unsere wirkliche Grenze ist: Daß ich mir meine Schuld nicht selbst vergeben kann. Da kann nur Gott handeln. Da ist Jesus der König.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum Ewigen Leben. Amen.


Beitragsbild:

Gestaltung: Lioba Fenske