1. Sonntag nach Trinitatis

Von | Juni 3, 2024
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Predigt am 2. 6.2024
von Pfarrer Johann Hillermann

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

16 So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch; denn sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.
17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen –, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, daß er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?
19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen.
20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.
21 Ich sandte die Propheten nicht und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen und doch weissagen sie.
22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.
23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist?
24 Meinst du, daß sich jemand so heimlich verbergen könne, daß ich ihn nicht sehe?, spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?, spricht der HERR.

Jeremia 23, 16-24

Gebet: Lieber himmlischer Vater, ist es möglich, daß wir Dein Wort verachten? Bitte bewahre uns davor! Schenk uns zur rechten Zeit heilsame Erkenntnis. Amen.

Liebe Gemeinde!
„Sie haben Mose und die Propheten!“, sagt Abraham zum dem reichen Mann. So hören wir es im heutigen Evangelium. Der reiche Mann will verhindern, daß seine Brüder auch in die Hölle kommen. Darum fordert er für sie eine Ausnahme: Ein persönliches Wunder, eine Totenauferstehung; der arme Lazarus soll aus dem Himmel zu ihnen gehen, und sie warnen.
Dann kommt das harte Urteil Abrahams: „Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.“ (Lukas 16, 31).
Viele Menschen glauben nicht an Gott, weil sie nichts erleben. Sie warten auf eine umwerfende Erfahrung, die den Glauben leichtmacht.
Jesus sagt klar: Wenn es überhaupt Glauben gibt, dann aus dem Dienst des Mose und der Propheten. Also: Die Verkündigung bringt’s. Und zwar die Verkündigung als INHALT, nicht als Unterhaltung.
Heute, am 1. Sonntag nach Trinitatis, hören wir, wie Gott Advent, Weihnachten, Karfreitag, Ostern. Himmelfahrt und Pfingsten dir zuwendet. Die Menschwerdung und Geburt zu Weihnachten, das schwere Opfer für deine Schuld am Karfreitag, die Überwindung des Todes zu Ostern, die Neuschöpfung durch den Heiligen Geist zu Pfingsten – dieses ganze allinklusive Paket und Programm soll ja eins zu eins ohne Datenverlust in dein Leben kommen und dich mit Gott verbinden. – Und wie geschieht das? Wir kriegen das alles übers Ohr. Im Hören. Der Glaube ist das Entscheidende. Ohne Glauben haben wir nichts. Mit dem Glauben haben wir alles. Und dieser Glaube ist eigentlich nichts anderes als Hören ohne Ende. Das Wort der Apostel und Propheten zielt auf ein Ohr ohne Boden, und schafft auch Ohren ohne Boden. Ein Hören ohne Aufhören. Der Weg vom Ohr zu Herzen ist das größte Wunder. Jesus sagt das. „Glauben sie Mose und den Propheten nicht, dann …. hilft ihnen auch keine Auferstehung von den Toten.“
Also. Suchst du Gott? Suchst du Rettung? Laß Gott zu Wort kommen, so, wie Gott es beschlossen hat. Das ist es. Das ist alles. Alles in dir soll Ohr werden. Es gibt ja diese – wie heißt das? – Non-invasive Operation – durch eine kleine Öffnung kann das Innere des Körpers erreicht und behandelt werden. Gott erreicht alles, was Er an uns erreichen will, durchs Ohr. Mit Mose und den Propheten kommt Gott überallhin und tut alles, was Gott tut: Er weckt und heilt und baut um zum ewigen Leben.
Und Gott erschreckt.
Damit sind wir endlich bei dem heutigen Predigttext aus dem Propheten Jeremia.
Im Grunde eine einfache Sache: Hört nicht auf die falschen Propheten!
Aber das einfache ist unendlich kompliziert.
Wer ist ein falscher Prophet? Kann nicht letztendlich jeder aufstehen, und etwas sagen? Für manche ist es toll: Jeder sagt, was er will, es gibt Meinungsvielfalt und man sucht sich was aus. Nur. Das ist nicht Hören, sondern Wählen.
Der Kirchenvater Augustin hat dazu abschließend formuliert: Wer im Evangelium glaubt, was ihm gefällt, und ablehnt, was er nicht mag, der glaubt nicht dem Evangelium, sondern an sich selbst. Der hat vielleicht einen Glauben, aber er hat Gott nicht.
In Glaubenssachen ist Meinungsvielfalt die Hölle. Deine Seele kann nur einmal ganz Ohr sein. Du kannst nur einmal hören ohne Aufhören. Mal hier mal da, mal so mal anders: Das bringt die Seele um.
Also. Keine falschen Propheten bitte!
Aber woran erkennt man einen falschen Propheten?
Gottes Wort gibt uns Hinweise:

  1. Sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN.
  2. Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen –, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
  3. Sie verschweigen Gottes Zorn.
  4. Sie stehen nicht im Rat des HERRN.
  5. Sie zielen nicht darauf, das Volk von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.
    Das ist sehr ernst, liebe Gemeinde.
  6. Gesichte aus ihrem Herzen. Also eigene Gedanken. Gedanken, die das eigene Herz bestätigen. Das können neue oder alte Ideen sein. Aktuell oder traditionell. Das können Ideen sein, die von einer Mehrheit oder einer Minderheit kommen – je nach Temperament.
    Der Mund des HERRN. Gott hat gesprochen.
    Liebe Gemeinde, ein Prophet soll überhaupt keine eigenen Ideen haben. Er ist Bote. Er soll wiedergeben, was ihm aufgetragen ist. Also wenigstens soll er das anerkennen.
    Ein Bote mit eigenen Ideen ist wie wenn ein Dichter sich den Beipackzettel zu einem lebenswichtigen Medikament selbst ausdenken und in Reime setzen will. Komplett verfehlt und unangebracht!
    Zu allen Zeiten waren die wahren Propheten peinlich darauf bedacht, selber zu hören und nichts Neues zu sagen. Alles, was gesagt wurde, sollte aufbauen auf dem, was Gott schon gesagt hat. Jesus sagt: Ehe werden Himmel und Erde vergehen, als das ein Buchstabe vom Gesetz vergeht. (Matthäus 5, 18). Das sagt Jesus. Wenn Jesus schon nichts Neues bringen wollte, dann sollen seine Nachfolger es auch nicht tun.
  7. Falsche Propheten sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen –, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.
    Mit anderen Worten: Es ist egal, ob Du diesem Wort Glauben schenkst, oder nicht. Wer so redet, der hat nicht geredet. Denn Worte zielen immer darauf, gehört zu werden. Wer aus anderen Gründen redet, der benutzt Gottes Wort, oder das Ansehen des Amtes, das Vertrauen der Gemeinde – für etwas, was Gott nicht damit vorhat. Paulus warnt davor: 1. Timotheus 6, 3-5: „Wenn jemand anders lehrt und bleibt nicht bei den heilsamen Worten unseres Herrn Jesus Christus und bei der Lehre, die der Frömmigkeit gemäß ist, der ist aufgeblasen und weiß nichts, sondern ist süchtig nach Fragen und Wortgefechten. Daraus entspringen Neid, Hader, Lästerung, böser Argwohn, Schulgezänk solcher Menschen, die zerrüttete Sinne haben und der Wahrheit beraubt sind, die meinen, Frömmigkeit diene dem Gewinn,“ man könnte auch sagen, dem Geschäft.
    Oder sie benutzen das Wort Gottes und sein Ansehen, um Menschen zu gefallen. Wieder warnt Paulus: „Es wird eine Zeit kommen, da sie die heilsame Lehre nicht ertragen werden; sondern nach ihrem eigenen Begehren werden sie sich selbst Lehrer aufladen, nach denen ihnen die Ohren jucken, und werden die Ohren von der Wahrheit abwenden und sich den Fabeln zukehren.“ Die Ohren jucken, und der Prediger kratzt. Mit gefälligen Worten. Im Herzen passiert nichts.
    Liebe Gemeinde, das ist die Normalität. Predigen, um bezahlt zu werden und Menschen zu gefallen. Es bleibt zwischen Menschen.
    Niemand begegnet Gott dabei. Oft haben Gemeinden Sorge, daß man sich bei ihnen „wohlfühlt“. Prediger haben Sorge, daß Hörer unglücklich werden. Sobald das wichtiger ist, als der Glaube, ist Gott da komplett raus.
  8. Und jetzt kommt wirklich das Schwerste:
    Falsche Prediger verschweigen Gottes Zorn.
    Wir dürfen nicht vergessen: Das Evangelium rettet uns vor dem Zorn Gottes. Auch im Neuen Testament.
    So hören wir zum Beispiel im Johannes-Evangelium, 3, 36:
    „Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben; wer aber dem Sohne ungehorsam bleibt, wird das Leben nicht zu sehen bekommen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“
    Paulus schreibt an uns Christen: „Wir haben einst unter Leben geführt in den Begierden unseres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und des Sinne und waren KINDER DES ZORNS von Natur wie auch die anderen. … Aber Gott hat uns, die wir tot waren in unseren Sünden, mit Christus lebendig gemacht“ (Epheser 2,3 + 5).
    Der natürliche Zustand des Menschen ist, daß er unter Gottes Zorn ist. Also, daß Gott ihn mit den Folgen der Sünde allein läßt.
    Das muß uns erschrecken.
    Wann hat dich eine Predigt zuletzt dazu angeleitet, über dich selbst zu erschrecken? Schnappatmung? Daß dir etwas einfällt, und dein Herz dir sagt: Das hättest du nicht tun sollen?
    Wann habe ich als Prediger zuletzt gesagt: Es gibt Gedanken, Worte und Taten, die klagt Gott an?
    Wann hast du zuletzt mit beiden Händen deines Herzens nach Gottes Vergebung gegriffen? So, wie man nach dem Leben greift, weil man merkt, daß der Tod nahe ist?
  9. Sie stehen nicht im Rat des HERRN. Was kann man sich darunter vorstellen? Vielleicht so: Gott ist der Vorsitzende einer Konferenz mit himmlischen Wesen, wie zum Beispiel Engel. Dort teilt Gott Seinen Willen mit, und der Prophet darf dabei sein. So etwa hat der Prophet Jesaja seine Berufung erlebt. (Jesaja 6). Der Prophet Hesekiel schaut auch die Herrlichkeit Gottes, umgeben von himmlischen Wesen, und wird dann zum Propheten berufen. (Hesekiel 1-2).
    Ich hatte nicht eine solche Erfahrung. Kaum ein Prediger heute wird so etwas erlebt haben. Was kann dann der Rat des HERRN sein? Der Rat ist auf jeden Fall Mose und die Propheten und die Apostel. Das heißt: Alle eigenen Ideen hinter sich lassen, und ganz und gar bestimmt sein, von dem, was Gott in der Heiligen Schrift vorgegeben hat. Der Apostel Paulus beschreibt das so. Nachdem er von dem auferstandenen Herrn Jesus zum Apostel berufen war, „da besprach er sich nicht mit Fleisch und Blut“ (Galater 1,16), also nicht mit Menschen und menschlichen Ideen, sondern ließ sich ganz und gar bestimmen von allem, was Gott schon in der Heiligen Schrift festgelegt hatte. Wir Christen müssen immer wieder aufs Neue nach Gottes Willen fragen, und unseren eigenen Rat nach hinten stellen. Das kann nur so aussehen, daß wir allein auf Gott in Seiner Heiligen Schrift hören. Hören ohne Aufhören.
  10. Und das bedeutet: Gottes Wort stellt die Menschen so vor Gott, daß sie erschrecken. Erschrecken über sich selbst. Vor Gott. Sich an den Kopf fassen über die EIGENEN Gedanken, Worte und Werke.
    Die Pharisäer faßten sich auch an den Kopf – aber nicht wegen ihrer eigenen Gedanken, Worte und Werke, sondern standen händeringend und verzweifelt da über das, was die Zöllner und Sünder taten. Da machte Jesus nicht mit. Sondern stellte auch die Pharisäer von Gott. Dagegen haben sie sich gewehrt. Darum beschlossen sie schon bald Seinen Tod.
    Vor Gott hilft es dir nichts, wenn du auf andere zeigst. Denk dir das schlimmste Verbrechen oder die furchtbarste Bosheit, über die Menschen sich überall aufregen. Vor Gott hilft es dir nichts, wenn du darauf zeigst.
    Vor Gott gibt es für dich keinen Grund, zu lügen, oder zu begehren, oder zu stehlen, oder die Ehe zu brechen, oder nicht zu beten, oder von Gott nur Gutes zu erwarten. Wenn du vor Gott stehst, hat die Sünde keinen Grund. Jeder Versuch, sie zu entschuldigen oder zu begründen oder Verständnis dafür zu haben, verdampft und verbrennt. Warum: Weil Gott für dich da ist, da sein wollte. Jedes Gebot Gottes zielt darauf, daß du merkst, wie sehr Gott ganz nahe war mit aller Hilfe und allem Segen. Und wie sehr du das verachtet hast. Darum muß Gott sagen: Denkst du, ich bin nur nahe? Bin ich nicht auch weit weg? – Hast du nicht so gedacht, gehandelt und gesprochen, als gäbe es mich nicht? – Wie soll Gott in dein Leben zurückkommen, ohne dich zu erschrecken?
    Der Zorn Gottes ist eine Realität. Jesus ist gekommen, uns vor diesem Zorn zu erretten. Als Jesus gekreuzigt wurde, dann war das ein Leiden unter dem Zorn Gottes. Unter dem Zorn Gottes über die Arroganz von uns Menschen, darüber, daß wir Gott ausblenden, und nicht nach Seinem Willen fragen. Paulus schreibt an die Römer: Weil Jesus am Kreuz sein Blut für uns vergossen hat, rettet er uns von dem Zorn Gottes. (Römer 5,9).
    Der entscheidende Punkt ist: Du kannst gegen den Zorn Gotte niemals gewinnen. Jeremia beschreibt ihn wie eine Naturgewalt, gegen die kein Mensch eine Chance hat: „Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Ungewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen.“ Da hilft keine Selbstgerechtigkeit: Das sei unfair, oder: So kann Gott nicht sein! oder: Bangemachen gilt nicht! – Gott wird immer Recht behalten. Sein Gebot wird immer sagen: Gott wäre für dich dagewesen, doch du wolltest nicht!
    Sondern da hilft nur: Um Jesu willen sei mir Sünder gnädig! Nur das! Aber das bestimmt und ganz und gar!

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Amen.


Beitragsbild: MichelangeloDas Jüngste Gericht (um 1540), nach der Restaurierung 1980–95