Heiliges Christfest

Von | Dezember 25, 2021
Heilige Familie

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.

1 Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, daß wir
Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum kennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht.
2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
3 Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.

Johannes 3, 1-6

O Gott Vater, der uns gewollt hat, o Gott Sohn, der uns sucht und findet, o Gott Heiliger Geist der Ewiges in uns anfängt, segne Du vom Himmel herab Reden und Hören. Amen.

Liebe Gemeinde!

Was passiert eigentlich, wenn wir mit den Hirten zum Stall von Bethlehem gehen, wenn wir alles hinter uns lassen, wirklich alles, und zur Krippe gehen, wo die Tiere sind, wo kein Mensch leben will, und uns verneigen von dem Baby, das in Kleiderresten notdürftig eingewickelt ist, das so arm ist, der macht uns nicht reich.
Was passiert eigentlich, wenn wir mit unseren Herzen bei Maria und Joseph sind, die weit weg von zuhause sind, weil sie aus dem Königshaus David stammen – ohne auch nur im Entferntesten eine Verbindung zu irgendeiner Macht davon zu haben? Was bringt ihnen dieser Adel? Nur die beschwerliche Reise von Nazareth nach Bethlehem – und dort sind sie ganz und gar auf das Wohlwollen der örtlichen Bevölkerung angewiesen.
Wir Christen bestaunen das ja nicht nur, oder finden es süß, oder irgendwie bemitleidenswert – hier wird Gott angebetet. Heute wollen wir sonst nirgends sein, als im Stall von Bethlehem.
Wir gehen auf die Knie und bringen unseren „Geist und Sinn, Herz, und Mut“ dar – so singt ein gutes Weihnachtslied: „Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn, Herz, Seel und Mut, nimm alles hin.“ Auch die Weisen aus dem Morgenland haben die Paläste und den Tempel, ja die Banken, Fakultäten und Kasernen und Märkte von Jerusalem links liegengelassen – wollten nichts davon wissen – und gingen in das Haus, fanden das Kind und seine Mutter und beteten es an, die gefragtesten Experten der damaligen Zeit. Hier gehen sie auf die Knie. Anbeten heißt: Es gibt nichts Größeres, nichts Mächtigeres, nichts Weiseres und vor allem: Es gibt keine größere Liebe.
Was geschieht also, wenn Christen vor der Krippe im Stall niederknien und Gottes Weisheit, Macht und Liebe im Jesuskind anbeten? – Wir werden Gottes Kinder.
Wer sein Herz an dieses Kind verliert, wird Teil von Gottes Familie. Kurz vor seinem Tod am Kreuz sagt Jesus feierlich zu seinen Jüngern: „Er selbst, Gott der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, daß ich von Gott ausgegangen bin.“ (Johannes 16, 27). Gott nimmt diese Liebe vielviel ernster als wir selbst – wie Eltern nun mal sind. Ein kleiner Schritt ist eine Sensation.
„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, daß wir
Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“
Doch wie die Weisen – oder meinetwegen heiligen drei Könige – Jerusalem und seine ganze Pracht links liegen ließen, so tun wir das auch stillschweigend nebenher. Und das bedeutet, so sagt es uns der Apostel Johannes: „Darum kennt uns die Welt nicht; denn sie kennt ihn nicht.“ Auch nach 2000 Jahren bleibt es dabei: Die Welt weiß nicht, was ein Kind Gottes ist. Menschen, die im Stall von Bethlehem, im menschgewordenen Gott das Höchste finden, und nicht weiter suchen, solche Menschen sind der Welt ein Rätsel.
Darum kann man inzwischen auch einen Drang, einen Sog spüren, Weihnachten nach und nach von allem christlichen Inhalt zu trennen. Es ist am Ende nichts Natürliches oder Vernünftiges, sondern befremdlich bis peinlich. Auf den Weihnachtsmärkten hört und sieht man so gut wie nichts, das an das Kind in der Krippe erinnert, geschweige denn sich daran freut oder es gar anbetet.
Was geschieht, wenn wir das Jesuskind anbeten? Wir werden Gottes Kinder – und wir werden der Welt fremd. Wir werden der Welt fremd, ebenso wie Gott der Welt fremd ist. Sie kann mit Gott nichts anfangen, und kann auch mit Gottes Kindern nichts anfangen. Christen können nicht mehr restlos begeistert sein von dem, was die Welt begeistert. Die Macht, der Reichtum, die Popularität, das Aufgehen in die Aktualität – das können Christen nicht mehr mit einer restlosen Hingabe verfolgen.
Johannes schreibt vorher in seinem Brief: „Denn alles, was in der Welt ist: des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.“ (1. Johannes 2, 16-17). Denn Gott kennen, Gottes Liebe erkennen, das will ein Christ nicht mehr missen. Denn wir wissen vor allem: Diese Liebe meint uns wirklich und hört nicht mehr auf – und weil Gott nicht aufhört, zu lieben, hören auch die, die Gott liebt, nicht auf zu leben.
Was geschieht mit denen, die das Jesuskind anbeten? – Sie werden Geheimnisträger. Johannes sagt uns:
„Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Es ist noch nicht offenbar geworden. Es ist noch nicht alles sichtbar oder alles fertig. Wir sind noch Gottes Baustelle. Manches ist unvollkommen, fragwürdig; manches ist mit Leiden, mit Schmerzen, mit Trauer belastet. Es steht fest: Wir sind Gottes Kinder, aber es ist noch nicht alles eindeutig, es paßt noch nicht alles, es ist noch nicht alles göttlich. Wir haben den Tod noch vor uns. Aber das alles bringen wir ja mit in den Stall von Bethlehem hinein. Das alles steht eine Gotteskindschaft nicht im Weg. Es ist noch nicht offenbar. Wir müssen warten. Wir müssen Geduld haben. Wir müssen dran bleiben. Ja, wir sollen in Gottes Namen immer wieder neu anfangen. Gottes Kinder sind durch ihre Vergangenheit nicht festgelegt. Ist die Vergangenheit gut und voller Erfolg, dann werden Gottes Kinder dankbar und öffnen ihr Herz für die Armen, sie erkennen Gottes Gabe. Ist die Vergangenheit schwer und bitter und voller Scheitern, dann legt Gott sie nicht darauf fest. Es ist eine Baustelle, und keine Ruine, ein Trümmerhaufen.
Das Ziel steht fest: „Wir wissen aber: wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ Wir sind Geheimnisträger, weil wir Zukunftsträger sind. Die Welt will sich immer aufs Neue auf eine Zukunft einstellen. Es gibt Trends und Statistiken. So vieles kommt ganz anders, als man erwartet hatte, so vieles konnte man nicht kommen sehen oder sich vorstellen. Der Sohn Gottes ist dieser Unsicherheit nicht unterworfen. Die Liebe Gottes, wie sie im Kind in der Krippe aufleuchtet, wird uns immer unverändert erreichen. Der Apostel Paulus schreibt: „Weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, ja überhaupt keine Kreatur kann uns abschneiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Römer 8, 38). Alles, was vergeht, wird nur Platz machen für den, der bleibt, und immer mehr sich selbst wird.
Wir werden ihn sehen, wie er jetzt schon im Verborgenen ist, und werden so beschaffen sein, daß wir ihn wahrnehmen können. Dazu wird Gott uns generalüberholen, so daß alles an uns göttlich wird. Unser Leib und unsere Seele, und unser Verstand sind jetzt schon Gottes Baustelle – sie haben eine herrliche Zukunft, das steht fest.
„Und ein jeder, der solche Hoffnung auf ihn hat, der reinigt sich, wie auch jener rein ist.“ Wer diese Zukunft in sich trägt, wer als Kind Gottes das ewige Leben erben soll, der „reinigt sich“. Der läßt das Unpassende weg. Wer das Kind in der Krippe anbetet, der kann nicht den Mammon, also den Reichtum oder den Besitz anbeten. Der kann Ehrlichkeit nicht verachten. Der kann die Lust nicht zum Selbstzweck machen und die Treue zwischen Eheleuten verachten. Der kann nicht die Selbstlosigkeit, die Liebe verachten. Das alles hat keine Zukunft, und wir sollen nicht so tun, als hätte es auch nur ein bißchen Zukunft. Die Sünde hat keine Zukunft, wir sollen nicht in sie investieren; nicht einmal einen Gedanken.
Was geschieht mit uns, die wir in Bethlehem anbeten? Das Böse verliert seine Macht über uns. Darum sind wir doch hier, oder?

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.