Vierter Advent

Von | Dezember 19, 2021
Christkranz mit 4 brennenden Kerzen

Gnade, Barmherzigkeit und Friede
von Gott, dem Vater
und unserm HERRN, Jesus Christus.
Amen.

26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth,
27 zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.
28 Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!
29 Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das?
30 Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden.
31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.
32 Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben,
33 und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.
34 Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?
35 Der Engel antwortete und sprach zu ihr:
Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.
36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, daß sie unfruchtbar sei.
37 Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.
38 Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

Lukas 1, 26-38

Herr führe uns dahin, daß wir mit Maria uns freuen und mit ihr an dich glauben. Amen.

Liebe Gemeinde!

Maria sagt: Welch ein Gruß ist das …. ?!
Und wir sagen: Welch ein GESPRÄCH ist das ….?!
Es ist ein Gespräch über Gott und die Welt – die Geburt des Heilands aller Menschen wird angekündigt; Gott wird Mensch. Einmaliges geschieht, nie Dagewesenes geschieht. Gottes Verheißung und Ansage, der Menschheit zu helfen, Israels Erwartung und Hoffnung von über 1000 Jahren, das soll nun wahrwerden und geschehen. Der Erbe Abrahams, der Erbe des Königs David soll geboren werden. Das ist Weltgeschichte.
Zugleich muß man sagen: Persönlicher geht es nicht.
Gott und die Welt – der größte Zusammenhang, die größte Wichtigkeit, die größte Öffentlichkeit: das alles konzentriert sich jetzt auf eine einzige Person: Maria, ja, auf den Leib dieser Person – und und zwar auf das persönlichste dieses Leibes: auf ihr Geschlecht, denn zur Menschwerdung Gottes muß der Sohn Gottes von einer menschlichen Frau geboren werden.
Mutterschaft erfaßt die Person einer Frau ganz und gar – Leib und Seele, das ganze Leben stellen sich um, Mutterschaft
w i d e r f ä h r t der Frau, geschieht ihr mit Macht, sie ist diesem Geschehen untergeordnet.
Gott, der allmächtige, hätte ja einfach über diesen Leib der Maria verfügen können. Aber man stelle sich vor: Maria, die Jungfrau, die Verlobte des Joseph, ist auf einmal schwanger, ohne Ansage, ohne Vorwarnung? Das wäre ein Überfall. Dann wäre Maria als Person beiseite geschoben worden.
Doch in diesem Gespräch tut Gott alles, aber auch wirklich alles, Maria als Person zu würdigen, zu ehren, so daß ihre Mutterschaft alles andere als ein gewaltsamer Überfall ist.
„Was für ein Gruß ist das?“ – Ein Gruß ist auf jeden Fall das Gegenteil von einem Überfall. Der Überfall schaltet ja die Person aus, um etwas zu rauben. Ein Gruß schaltet die Person ein, schafft einen Freiraum, in der die Person sich selbst sein kann.
„Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir!“
Es fängt ganz normal an: „Sei gegrüßt!“ – Schalom – Ave. Nein, Hallo oder Hei! reicht hier nicht aus! Jedenfalls spricht der Erzengel Maria mit einem konventionellen Wort an.
Zugleich ist der Gruß einmalig: „Sei gegrüßt, du Begnadete!“ Dieses Wort „Begnadete!“ hat im Original dieselbe sprachliche Wurzel wie „Sei gegrüßt!“ – Man könnte also übersetzen: „Grüß dich, Maria – die Gott schon aufs Höchste gegrüßt hat!“ ; „Sei gegrüßt, Maria, mit der Gott ganz Wunderbares vorhat!“ Luther übersetzt ursprünglich: „Holdselige!“ – Also Maria ist eine Person, die von Gottes freier Zuwendung und Huld ganz erfüllt ist, also selig. Wir sagen ja: Jemand ist vertrauensselig, also er vertraut Menschen sehr, ja zu sehr. So sagt der Engel zu Maria: Du Holdselige, du von Gottes Huld erfüllte, überschüttete. Zwei Worte: Ein normaler Gruß, und gleich danach ein Gruß, der Maria von allen Frauen, ja allen Menschen unterscheidet.
Aber will Maria denn von allen Menschen herausgehoben werden? Bedeutet das nicht absolutes Alleinsein und Einsamkeit? – Dann kommt das dritte Wort des Engels: „Der HERR ist mit dir.“ Gott ist auf und an deiner Seite, Maria. Mit Gott bist du nicht allein. Also: Normal – Wunder – Zusicherung.
Mit seinem Gruß hat der Engel im Auftrag Gottes für die Jungfrau Maria als ganze Person, Leib und Seele, einen Freiraum aufgetan, in der sie ganz und gar sich selbst sein kann.
Maria tut das einzig Wahre, was sie tun kann nach so einem nie da gewesenen Gruß: Sie denkt nach: Was für ein Gruß ist das? Was macht er aus mir? Maria zweifelt nicht, sie lehnt nicht ab – sie ist einfach das, was der Gruß des Engels aus ihr gemacht hat sich selbst vor Gott.
Persönlicher geht es nicht.
Dieses Persönliche wird noch gesteigert, wenn uns gesagt wird – und Gott will, daß wir es wissen! – daß Maria ein Jungfrau ist, und einem Manne, Joseph, versprochen. Es ist peinlich und traurig, daß auch in christlichen Kreisen das Wort „Jungfrau“ gemieden wird. In einer Ausstellung vor vielen Jahren zum Glaubensbekenntnis im Braunschweiger Dom wurde zu jeder Aussage unseres Glaubens ein Foto ausgestellt. Zur Geburt von der Jungfrau Maria gab es keins, auch die Aussage wurde stillschweigend übergangen.
Christen sind Menschen, die sich mit Maria freuen. Gott will, daß diese Freude auch dieses Wunder bestaunt und ins Herz schließt.
Es geht würdevoll zu:
Diese junge, unerfahrene Person Maria wird ganz gleich eine einmalige Aufgabe und Rolle von Gott bekommen, die Bedeutung für die gesamte Menschheit hat. Und doch will Gott nicht, daß irgend etwas an ihr übergangen wird, oder grob beiseite geschoben wird. Nein, Maria darf, soll muß fragen, mit ihrer ganzen Person fragen: „Was für ein Gruß ist das?“ Was kommt auf mich zu? Das ist eine zarte Würde, eine reine Würde – weil der Engel sie so grüßt, kann Maria ganz sich selbst sein – sie muß nicht mehr aus sich machen als sie ist, oder sich kleiner machen, als sie ist.
Die Würde bleibt bestehen in der Antwort des Engels:
„Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden.“ Die Furcht, die Unsicherheit, die Sorge um sich selbst an Leib und Seele – das alles könnte Maria jeden Moment erfassen, erschüttern und schlimmer. „Fürchte dich nicht!“ Wieder ein Wort, das viele Menschen in der Bibel gehört haben, ein Wort, das wir alle brauchen, und das niemand sich selbst sagen kann. Und dann wieder das ganz Besondere: „Du hast Gnade bei Gott gefunden.“ Von Noah hören wir in der dritten Person: Er fand Gnade bei Gott (1. Mose 6,8). Ebenso wird das über den König David gesagt (Apostelgeschichte 7, 46). Mose spricht es wie eine Bitte von Gott aus „Habe ich denn Gnade vor deinen Augen gefunden, so laß mich deinen Weg wissen, damit ich dich kenne und Gnade vor deinen Augen finde.“ (2. Mose 33, 13)
Noah – Mose – David. Das waren hervorragende Männer, durch die Gott Weltgeschichte gemacht hat.
Doch nur die Jungfrau Maria darf hören: „Du hast Gnade bei Gott gefunden.“ Nicht als Bitte oder als Bericht, sondern als Zusage, eindeutig und ohne Zweifel. Du bist bei Gott in Sicherheit. Und zwar Du als die Person, die diesen Gruß gehört hat, und auf diesen Gruß grundehrlich geantwortet hat – also Du, Maria, ganz und gar, bist von Gott angenommen worden.
Es geht würdig zu. Erst, nachdem diese Sicherheit, die nicht zu übertreffen ist, feststeht, spricht Gottes Bote aus, was der Maria widerfahren wird:
„Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.“
Gott hat sich dieser Tatsache vollumfänglich gebeugt, und nichts daran zurückgenommen. Wenn wir Christen uns durch den Glauben mit Maria freuen – und das gehört mit göttlicher Notwendigkeit zu unserem Glauben – dann gehört auch dazu, daß wir den Freiraum, den der Engel Gabriel der Jungfrau gewährt hat, ohne Abstriche stehen lassen und respektieren. Ebenso paßt es zu unserem Glauben zu unserer Feier der Geburt Jesu, daß wir ohne Einschränkung uns davor verneigen, daß Gott die Mutterschaft für würdig erachtet hat, untrennbar Teil Seiner Geschichte mit uns Menschen zu sein. Darum muß Maria als Jungfrau und als Mutter bei den Christen einen Ehrenplatz haben. Immer.
Doch das macht uns nicht zu Christen.
Christen werden wir, wenn wir mit Maria an das Kind glauben. Dieses Kind stellt der Engel gründlich, zum Mitschreiben vor:
„Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben.“
Das steht von Anfang an fest. Jesus muß es nicht erst werden. Er muß sich nicht hocharbeiten, oder durch List und Intrige anderen die Macht abnehmen, sondern Jesus ist, wer er ist, von Anfang an. Maria hat das auf einmalige Weise bezeugt. Maria steht dafür, daß Jesus zu keinem Zeitpunkt nicht ganz göttlich war.
An Maria sehen wir, wie Gott mit der größten Behutsamkeit vorgeht. Auch mit uns. Wenn Gott unsere Seele gewinnen will, wenn Gott Seinen Sohn zu uns schickt, dann ist das nie ein Überfall, sondern wir werden gegrüßt. Das Evangelium ist Gottes Gruß an uns – ein Gruß, der unserer Person einen Freiraum schafft, einen ewigen Platz bei Gott.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.