
Predigt von Pastor Johann Hillermann
38 Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Martha, die nahm ihn auf.
Lukas 10, 38-42
39 Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.
40 Martha aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen? Sage ihr doch, daß sie mir helfen soll!
41 Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe.
42 Eins aber ist Not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.
Liebe Gemeinde!
Maria und Martha sind Schwestern. Jesus kommt. Ein Gegensatz bricht auf: Martha, die Hausherrin, wird aktiv, sie ist Gastgeberin. Wenn ein Gast kommt, soll er aufgenommen werden, das bedeutet: Ein ganzer Mensch soll Platz bekommen. Nicht nur Essen und Trinken, auch ein gepflegter Ort zum Sitzen, vielleicht auch zum Übernachten. Martha will ihrem Gast gerecht werden. Dazu wird sie aktiv. „Sie machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen.“
Maria ist das Gegenteil. Sie ist passiv. „Sie setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu.“ Aus der Sicht ihrer Schwester Martha tut sie nichts. Aus der Sicht der aktiven Martha wird die passive Maria dem hohen Gast überhaupt nicht gerecht.
Das ist so eine einfache, alltägliche, man muß fast sagen: triviale Situation. Zwei Schwestern, eine Herausforderung, ein Gegensatz. Spannung.
Doch mit Jesus, dem Sohn Gottes, ist keine Situation trivial. Jesus ist das klare Ende aller Trivialität, aller Bedeutungslosigkeit. Auch deiner.
Diese kleine Situation zwischen Küche und Wohnzimmer an einem Mittag wird mit Jesus unerschöpflich, von riesiger Bedeutung. Jesus ist wirklich der Lehrer aller Lehrer, der Meister aller Meister, der aus jeder Situation Ewiges schaffen kann. Mit Jesus kommt die Ewigkeit, das Reich Gottes, und das Reich Gottes ist nie trivial, niemals vernachlässigbar, immer wertvoll und immer wichtig und überfließend von Sinn. Das Reich Gottes ist Wert, der sich ausbreitet, ist ansteckend sinnvoll; wie gesagt: Das Ende aller Trivialität. Trivialität bringt deine Seele am Ende um. Wenn deine Seele nur Triviales, Oberflächliches, Flüchtiges, Unbedeutendes, Unverbindliches bekommt, dann verhungert, verdurstet, verschmachtet und verkümmert sie. Jesus macht dem ein Ende.
Wie tut Jesus das in dieser kleinen Spannung zwischen Martha, lärmend und schaffig in der Küche und Maria, still und ruhig im Wohnzimmer?
Überlegen wir kurz: Es mußte nicht so kommen! Die Schwestern hätten ja gemeinsam in die Küche, oder gemeinsam ins Wohnzimmer gehen können. Aber. Jesus fängt an, zu predigen, als Martha in der Küche, und Maria im Wohnzimmer war. Mit anderen Worten. Jesus WILL, daß dieser Gegensatz aufbricht. Diese Situation, die von ihm gewollt ist, ist ein Teil seiner Lehre. Maria und Martha, und wir alle SOLLEN den Gegensatz: Aktiv und Passiv erleben und Jesus urteilt dann: Maria hat das gute Teil erwählt. Passiv gewinnt. Wo Jesus ist, gilt das. Das Reich Gottes breitet sich durch Passivität aus.
Wir hören nicht, wie Martha darauf reagiert hat. Hoffentlich hat sie nicht beleidigt alles hingeschmissen und gesagt: „Also ist meine Mühe hier überflüssig? Dann iß und trink doch, wo du willst, ruh dich aus, wo du willst! Mein Nichtstun kannst du gerne haben!“ Wir hören, daß Martha später Jesus wieder gastlich aufgenommen hat, im Johannesevangelium, Kapitel 12. Bei dem Abendessen in Johannes 12 fällt Maria wieder auf: Sie wird sozusagen überaktiv, denn sie salbt Jesus verschwenderisch mit einer wertvollen Salbe. Diesmal greifen die Jünger sie an: Was für eine Verschwendung! – Jesus wird Maria wieder in Schutz nehmen und ihr Recht geben.
Daraus lernen wir: Jesus ist nicht einfach gegen Aktivität; wer passiv ist und nichts tut, wird deshalb nicht einfach Jesus gerecht.
Ja, was denn nun? Soll Martha nun Jesus versorgen, oder nicht?
In der Kirchengeschichte hat die Christenheit sich immer wieder daran gestoßen, daß Jesus so eindeutig ohne Abstriche der passiven, zuhörenden Maria den Preis gibt. „Sie hat das gute Teil erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden.“ Maria hat alles richtig gemacht, eine gute Entscheidung getroffen, die sie nie nie nie bereuen wird. Maria Seele ist in Sicherheit, Maria ist bei Gott angekommen. Das begleitet sie jetzt.
Ist Marthas Aktivität deshalb ein Fehler? Hat nicht Jesus im selben Kapitel 10 bei St. Lukas das Vorbild des Barmherzigen Samariters der Welt eingeprägt? „Liebe deinen Nächsten! Nimm dich seiner an in seiner Not! Die Not des Nächsten sei deine Not! <> (Lukas 10, 37).
Der Fehler war nicht, daß Martha sich gekümmert hat. Ihr Fehler war ein anderer, und zwar ein doppelter:
- Sie ruht nicht ganz in sich. Nicht nur ist sie unruhig, sondern sie hat nicht die Überzeugung und den inneren Frieden. Sie läßt sich von Marias Verhalten verunsichern. Mit innerem Frieden wäre sie völlig frei gewesen Maria gegenüber. Sie ist es nicht. Sie offenbart damit, daß ihr etwas Entscheidendes fehlt. DAS Entscheidende, das aber nur GOTT, und nicht Maria, ihr geben kann.
- Sie offenbart, daß sie nicht erkennt, wer Jesus ist. Er ist nicht ein Gast, wie alle anderen. Ein Vergleich wird das deutlich machen: Wenn der Notarzt kommt, dann soll er den Patienten behandeln. Ein Notarzt kommt nicht zum Kaffee; ein Notarzt guckt nicht, ob der Staub gewischt ist. Martha denkt nur an den Kaffee, und will, daß Maria den Staub wischt. Doch Jesus ist der Notarzt, der deine Seele mit Gott verbindet, und das heißt: Jesus macht aus deiner Seele einen Schatz für Gott, und erlöst dich ein für alle Mal aus aller Trivialität, aus allem Schein, aus aller sinnlosen Getriebenheit.
Für Martha ist Jesus nur ein weiterer Anlaß, noch einmal in fieberhafter Schaffigkeit wie eine sechsarmige Gestalt sich immer mehr unter Druck zu setzen. Wenn sie alles für Jesus getan hätte, was sie sich vorgenommen hätte, dann wäre sie vielleicht mit sich zufrieden gewesen, wenn Jesus weiterzog. Aber Jesus – DER Sohn Gottes, der Notarzt, der Spezialist für ewiges Leben – diesem Jesus wäre sie nicht begegnet.
Jesus ist GASTGEBER, der Herr, der dich aus dem Schein in das wahre Sein hievt.
Darum spricht Jesus so liebevoll mit Martha. „Martha, Martha! Du hast viel Sorge und Mühe!“ Jesus verspottet sie überhaupt nicht. Er sieht die Atemlosigkeit und die Last. Diese Aktivität verbindet dich nicht mit Gott. Es geht um deine unverwechselbare Seele, liebe Martha!
Im Johannes-Evangelium hören wir, wie die Jünger Jesu losgehen und Essen kaufen. In der Zeit als er allein ist, bringt Jesus einer Frau mit Problemen, die ihr über den Kopf gewachsen sind, Wahrheit und Licht und macht ihrer trivialen Existenz ein heilsames Ende.
Als die Jünger aus der Stadt zurückkommen mit den Einkäufen, sagt Jesus: Ich hab schon gegessen. Wörtlich sagt er: „Ich habe eine Speise zu essen, von der ihr nicht wißt. Da sprachen die Jünger untereinander: Hat ihm jemand zu essen gebracht? Jesus spricht zu ihnen: Meine Speise ist die, daß ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.“ (Johannes 4, 32-34). Wenn Jesus einem Menschen hilft, das macht ihn satt. Das muß Martha lernen. Jesus als Lehrer bringt es ihr behutsam, aber deutlich, bei.
Die entscheidende Verbindung mit Gott entsteht durch Passivität. Hörendes Empfangen, und empfangendes Hören.
Maria sitzt Jesus zu Füßen. Das heißt: Alles, was von Jesus zu ihr kommt, kommt von Oben, von über ihr, so daß Hohes, Großes, Göttliches, Helles, Heiliges, Ewiges, Wunderbares und Schönes in ihr Leben hineinkommt. Wahrheit für die Seele. Zuverlässige, ernste, tröstliche und befreiende Wahrheit. Das alles kommt, wenn Jesus kommt. Das alles kommt zu einem Menschen, wenn Jesus, der Sohn Gottes, spricht. Maria hört ihr Leben, wenn sie Jesus hört, und im Hören kommt Gott in ihr Leben hinein.
Mein Gott, liebe Gemeinde! Maria ist beim Notarzt in Behandlung. Wenn Jesus mit ihr fertig ist, dann wird sie in einer Weise für Martha da sein können, wie nie zuvor! Aber dieses Eine muß sein! Auch für Martha!
Jesus ist ein unglaublicher Lehrer. Er läßt Martha und Maria unterschiedliche Schwestern sein und läßt die Sonne der Wahrheit zwischen Küche und Wohnzimmer aufgehen, und zwar für immer.
Die Welt begreift nicht, daß Glauben an Gott, das Entscheidende und Notwendige ist. Alles fängt erstmal damit an, daß du von Gott geliebt wirst. Liebe ist niemals trivial. Gottes Liebe erst recht nicht. Jesus verkörpert und bringt diese Liebe Gottes zu uns Menschen. Gott hat beschlossen, uns wichtig zu machen. Genau dein Leben, unendlich wichtig. Und der Anfang davon ist passiv. Eine Geburt ist passiv. Vergebung wird empfangen. Gnade ist ein Geschenk. Das Allernötigste, was du brauchst, ist Gottes Zuwendung.
Liebe Gemeinde, Martha drohte, in eine Falle zu tappen. Diese Falle ist: Wenn du glaubst, dann tust du nichts, also geschieht auch nichts. Das ist nicht wahr. Wenn du glaubst, dann ist das der Beweis, daß Gott selbst in deinem Leben aktiv ist. Da ist nicht nichts passiert, sondern ein Wunder. Und noch etwas: Der Glaube wird aus Versehen aktiv. Glaubt das! Mehr sage ich nicht.
Noch ein Punkt.
Jesus hat diese beiden Frauen für alle Zeiten der Kirche als Lehrbeispiele, als Exempel, Modell, hingestellt. Wo Jesus ist, wo Jesus als der Heiland, der Notarzt kommt, da entsteht auch diese Situation. Und Jesus hat entschieden: Maria hat das Richtige getroffen. Das schweigende Hören der Maria ist eine Weltmacht. Und wenn Martha Maria aufscheucht und das Hören auf Gottes Wort nicht für das Größte und Wichtigste hält, dann kommt die entscheidende Macht Gottes nicht an, sie kommt nicht zum Zuge.
Der Heilige Geist hat den Evangelisten Lukas mit göttlicher Weisheit bewegt und inspiriert, diese scheinbar triviale Begebenheit zu berichten und festzuhalten für die christliche Kirche für alle Zeiten. Wenn eine Frau sich in Frieden hinsetzt, und ihr ganzes Wesen darauf ausrichtet, Gottes Wort zu hören und nichts davon zu verpassen, dann ist diese Passivität eine Weltmacht des Reiches Gottes. Es ist ein untrügliches Zeichen, daß das Reich Gottes an der Macht ist. Die Welt wird das niemals verstehen. Jede Aktivität in jeder Gemeinde sollte immer im Blick behalten, daß dies stattfinden kann. Jesus hat zu einer Frau gesagt: Dein Hören ist das Größte, was es gibt. Jesus konnte das sagen, denn Jesus hat sich einen göttlichen Kopf gemacht, als er sich überlegte, was er sagte.
Liebe Gemeinde! Heißt das, daß Männer nicht hören können? Das wäre genauso verfehlt, wie Martha! Jesus ist der Lehrer, und zeigt uns dieses Bild.
Die Welt ist weit davon entfernt. Sie glaubt daran, viele Worte zu machen, um nur ja nicht hören zu müssen. Sie verachtet das Hören und verspricht sich nichts davon. So verjagt sie das Reich Gottes. Gott bewahre, daß das bei uns geschieht!
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.