5. Sonntag nach Trinitatis

Von | Juli 10, 2023
Die Berufung der Apostel Petrus und Andreas.

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger;
36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!
37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo ist deine Herberge?
39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.
40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.
41 Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte.
42 Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.
43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!
44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Petrus.
45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.
46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es!
47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.
48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.
49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!
50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen.
51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.

Johannes 1, 35- 51

    Gebet: O Herr, Du rufst. Mach bitte, daß wir Deine Stimme hören, damit wir zu Dir kommen, und sind, wo Du bist. Amen.

    Liebe Gemeinde!
    „Folge mir nach!“ – „Komm mit!“ – Jesus kommt nicht nur auf uns Menschen zu, sondern er ruft auch.
    Fast in jeder Bibelstunde, wo es um diesen Ruf geht, wo wir hören: „Sofort verließen sie alles und folgten ihm nach“, (z.B. im heutigen Evangelium Lukas 5, 11) wird gefragt: Kann es sein, daß Petrus oder Andreas, oder die anderen Jesus vorher schon kannten? Oder sind sie einfach einem völlig fremden, unbekannten Mann gefolgt? Hatten sie ein Bild, eine Vorstellung von Jesus?
    Heute hören wir aus dem Johannes-Evangelium etwas anderes.
    Andreas steht mit Johannes dem Täufer. Johannes der Täufer zeigt auf Jesus und sagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“, und Andreas folgt Jesus nach, zusammen mit einem anderen Jünger Johannes des Täufers. Sie besuchen Jesus, und „bleiben bei ihm“. Dann erst teilt Andreas diese Begegnung mit seinem Bruder Simon, der dann Petrus heißen wird:
    „Andreas findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.“
    Wir sehen also: Bevor Jesus Petrus in die Nachfolge ruft, geschehen noch andere Dinge, die der Evangelist uns berichtet.
    Nun kann man fragen: „Was ist denn nun wahr?“ – Ist Jesus auf Petrus zugekommen – wie wir das bei Lukas hören, und noch sehr abgekürzt bei Matthäus (Matthäus 4, 20) – oder das, was wir hier von Johannes hören?
    Entweder kam Jesus auf Petrus zu, und rief ihn: Folge mir nach! – Oder Petrus wurde von seinem Bruder Andreas zu Jesus geführt.
    Nun. Bei dem Evangelisten Johannes kann man davon ausgehen, daß er die anderen Berichte kannte und voraussetzte. Sein Evangelium ergänzt die anderen Evangelien. Das ist ein Teil seiner Absicht.
    Er deutet an, daß Johannes der Täufer eine entscheidende Rolle spielte, und daß von Anfang an das persönliche Zeugnis von Gott benutzt wurde, Sein Reich zu bauen.
    Simon „findet zuerst seinen Bruder Simon, und sagt: Wir haben den Messias gefunden, und führt ihn zu Jesus.“
    Gleich danach „findet Philippus Nathanael, spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem das Alte Testament geschrieben hat“, und sagt dann zum Nathanael: „Komm und sieh!“. Komm und sieh – eine Einladung.
    Dieses Wort „finden“ fällt hier auf. Man findet, was man sucht. Man sucht, was einem wichtig und kostbar ist. Wenn ich etwas gefunden habe, dann ist meine Welt mehr vollständig und ganz. Was ich finde, ist schon oder wird dann Teil meines Lebens.
    Andreas und Philippus „finden“ jeweils Simon Petrus und Nathanael nachdem Jesus sie gefunden hat. Sie wollen, daß der Bruder oder der Freund auch finden, oder gefunden werden.
    „Komm und sieh!“ Das ist eine wunderbare christliche Einladung.
    Sie geschieht. Ich muß sagen, daß ich es als ein Geschenk Gottes erlebe und annehme, wie häufig es gerade hier bei uns in der Hütte Gottes geschieht. Immer wieder sind Gäste da, die von Gemeindegliedern eingeladen wurden: „Komm und sieh!“ Ja, alteingesessene Gemeindeglieder, die jahrzehntelang treu in den Gottesdienst kamen, sich aber an den Gedanken gewöhnt hatten: Was wir hier machen, das interessiert doch niemanden! – Gerade diese müssen erleben: Ja, man interessiert sich wirklich für das, was hier geschieht, für das, was Gott hier durch Wort und Sakrament baut.
    „Komm und sieh!“ – Das hat zwei Aspekte:

    1. Wer so einlädt, der zeigt nicht auf sich selbst. Es geht nicht darum, sich selbst darzustellen, oder sich selbst für etwas Besseres zu halten. Wir kommen nicht, um in erster Linie das zu sehen, was wir Menschen untereinander tun. Sondern wir kommen und sehen, was Gott getan hat und tut, wir hören, was Gott uns in Seinem Namen sagen läßt. Eine christliche Gemeinschaft ist nicht die Summe von dem, was Einzelne beitragen. Eine christliche Gemeinschaft lebt immer davon, daß Gottes Worte und Taten groß werden, bis dahin, daß ich merke, was ich und was andere tun, ist Gottes Gabe.
    2. Wer so einlädt, steht dafür ein, was hier bezeugt und gefeiert wird. Wenn jemand nicht überzeugt ist, wird er seine Freunde auch nicht einladen. Umgekehrt: Wer einlädt, der steht dahinter, und vertraut und hofft darauf, daß der Freund auch sieht, was Gott tut.
      Das ist eine Glaubenssache. In der Epistel haben wir gehört: „Die Juden fordern Zeichen – also spektakuläre Wunder – und die Griechen fragen nach Weisheit –also nach dem, womit man in der Welt vorankommt.“ Aber Gott handelt anders. Wer Menschen zu Jesus führt, riskiert es, daß der gekreuzigte Christus seinen Freunden als ein Ärgernis oder eine Torheit erscheint. Und dann steht man selber da wie ein Ärgernis.

    „Komm und sieh!“ – Der christliche Glaube wird nicht in erster Linie durch Diskussionen verbreitet. Christen überfordern sich, und ihre Freunde, wenn sie durch menschliche Überredungskunst, durch Argumente, Beweise allein den Glauben bezeugen.
    Denn Jesus ist mehr, als auch der erfahrendste Christ von ihm denkt. Darum ist es nicht genug, zu diskutieren. Einladen gehört unbedingt dazu. „Komm und sieh!“
    Diese Einladung ist immer und ganz und gar eine Glaubenssache. Wer einlädt, der glaubt fest: Gott und Sein Wort werden auch an diesem Menschen wirken. Jesus wird auch diesen Menschen rufen. Das Evangelium ist auch für diesen Menschen eine Notwendigkeit. Auch dieser Mensch braucht Gnade und Vergebung. Gott kann das tun. Das kann ich nicht durch Argumente oder Diskussion beweisen. Das wird Gott selbst beweisen. Der Glaube legt es in Gottes Hand.

    Der Glaube muß aber noch größere Dinge erkennen, und wird noch größere Dinge erleben.

    1. Bei Simon und bei Nathanael tut Jesus etwas Göttliches.
      a. Als Andreas seinen Bruder zu Jesus führt, gibt Jesus dem Simon einen neuen Namen: „Du bist Simon, Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.“ Simon wird vor Jesus zu einer neuen Person. Jesus gibt ihm eine neue Identität. Jesus definiert ihn.
      b. Jesus sagt zu Nathanael: „Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.“ Jesus als der Sohn Gottes kennt und sieht dich. Er sieht, wo du herkommst. Er durchschaut, wie du zu dem Menschen geworden bist, der du jetzt bist. Und Jesus steht dem allen frei gegenüber.
      Mit anderen Worten: Jesus übt Macht aus über Menschen. Er wird ihr HERR.
      Was hier in diesen Mauern sich abspielt, was in unserem Gemeindebrief steht an Gottesdiensten, Kirchenmusik, Hauskreisen, alles ….
      Es ist nur zu 1 % etwas zwischen Freunden, zwischen Menschen.
      Das muß uns bewußt werden.
      Ich fragte am Anfang der Predigt: Wie war es denn nun? Kannten die Jünger Jesus, bevor er sie rief: „Folge mir nach?“ – Im Johannesevangelium wird uns gesagt: Johannes der Täufer zeigte auf Jesus, und Andreas und Philippus trugen dazu bei, das Simon Petrus und Nathanael zu Jesus kamen.
      Nun können wir erkennen: Jesus ist der HERR über das alles. Er hat als der Sohn Gottes Johannes den Täufer als seinen Vorläufer eingesetzt. Er als der Sohn Gottes hat gemacht, daß Andreas seinen Bruder Simon „fand“, und daß Philippus seinen Freund Nathanael „fand“.
      Was wir sehen, ist 1%. Wir sehen: Ein Gemeindeglied lädt einen Freund ein. Unsere Internetseite liefert die Information, die hilft, daß Menschen in die Annenstraße kommen. Der Schaukasten …. aber vor allem das eigene Zeugnis: Komm und sieh! – Das sehen wir.
      Doch bei Gott geschieht das Meiste und Größte.
      Während wir hier im Namen Jesu versammelt sind, das sagt Jesus uns, ist der Himmel offen.
      „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen. Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.“
      Wo Jesus ist, da ist der Himmel offen. Alles ist offen vor Gott.
      Unsere Sünde ist offen vor Gott. Unsere Not ist offen vor Gott. Unsere Gebete steigen auf.
      Aber auch Gottes Gaben kommen bei uns an. Engel begleiten Gottes Wort. Wir empfangen unser Leben und einander als Gottes Gabe. Diese Wahrheit trägt uns und verbindet uns.
      Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

    Beitragsbild: Die Berufung der Apostel Petrus und Andreas, Duccio di Buoninsegna, 1308-1311