165. Kirchweihgedenken

Von | Oktober 17, 2022
Kirchweih

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.


Text: 1. Könige 8, 22.27-30

Der König Salomo sprach bei der Weihe des Tempels in Jerusalem:
27 Sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?
28 Wende dich aber zum Gebet deines Knechts und zu seinem Flehen, HERR, mein Gott, damit du hörst das Flehen und Gebet deines Knechts heute vor dir:
29 Laß deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. Du wollest hören das Gebet, das dein Knecht an dieser Stätte betet,
30 und wollest erhören das Flehen deines Knechts und deines Volkes Israel, wenn sie hier bitten werden an dieser Stätte; und wenn du es hörst in deiner Wohnung, im Himmel, wollest du gnädig sein.

Könige 8, 22.27-30

Gebet: HERR, ich habe lieb die Stätte deines Hauses, und den Ort, da deine Ehre wohnt. Psalm 26, 8). Amen.

Liebe Gemeinde!
22 Jahre lang, von 1835 bis 1857, hatte unsere Gemeinde kein eigenes Gotteshaus. Sie versammelte sich in Kellern, in Dachböden, Familienhäusern. Die ersten Jahre ja auch heimlich, weil der damalige Staat nicht eine selbständige Lutherische Kirche haben wollte. Dann ab der Duldung 1840 konnte man beginnen, als Gast in der Kirche anderer Konfessionen Gottesdienste zu feiern. Bis endlich ein Grundstück erworben konnte und unsere Kirche gebaut wurde, die der himmlische Vater nun durch 165 Jahre wunderbar bewahrt und uns erhalten hat.
In diesen 22 Jahren ohne eigene Kirche hat der HERR alles in unserer Gemeinde getan, was er in einer Gemeinde tut. Auch im Keller, auch am Abend eines Wochentages, auch ohne die Erlaubnis der Obrigkeit hat Jesus bei der Taufe den Kindern Seine Gnade geschenkt. Wenn in der Beichte die Hände aufgelegt wurden, auch auf einem Dachboden, vielleicht ohne Kerzen, da war der Sohn Gottes anwesend und hat gesagt: Für dich und deine Freiheit bin ich gestorben. Auch wenn keine Orgel da war, sind die Lieder zu Gott aufgestiegen und haben Trost gespendet. Auch wenn kein richtiger Altar da war, so haben die Gemeindeglieder doch den Leib und das Blut Christi empfangen im Abendmahl. Das Reich Gottes war da. Es kommt nicht erst dann, wenn ein Haus aus Steinen und Holz an einer Annenstraße gebaut wird und Gott eine Adresse hat.
Und trotzdem. Hier haben wir unsere Kirche. Sie ist nicht das Reich Gottes, das Reich Gottes war vorher da, und wird nachher da sein. Als unsere Gemeinde am Ende des Weltkrieges und danach wieder als Gäste woanders Gottesdienst halten mußte, war sie immer noch im Reich Gottes.
Und trotzdem. Sehr bald versammelte sie sich wieder mitten in den Trümmern in dem Haus, das Gott hatte stehen lassen.
Wenn unser HERR Jesus Christus alles erfüllen kann, was er verspricht, ohne Haus, ohne Altar, ohne Kanzel, ohne Taufbecken, warum dann?
Denn …
… „sollte Gott wirklich auf Erden wohnen? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann dies Haus tun, das ich gebaut habe?“ – so fragt der König Salomo. Gott ist doch größer, als das größte Haus, als alle Häuser. Und Gott ist ja nicht nur in Häusern, sondern auch draußen. Gott braucht kein Haus.
Wir brauchen Häuser, das muß nicht erklärt werden. Unser Leib und unsere Seele: Beide können nicht immer und überall einfach das sein, was sie sind. Beide brauchen Schutz, beide brauchen einen Bereich, in dem sie aufgehoben sind.
Gott braucht für sich kein Haus. Wir brauchen für uns Häuser.
Warum müssen Gotteshäuser sein?
Diese Frage muß beantwortet werden.
Mit unserer „altlutherischen Kapelle“ verbindet sich viel Aufwand: Wir geben Geld aus für Erhaltung, für Strom, für die Orgel – ja, viele nehmen einen langen Weg auf sich, hin in die Annenstraße zu kommen.
Dieser Aufwand ist richtig, wenn wir wissen, warum.
Es gibt verschiedene Gründe:

  1. Man verbindet gute Erfahrungen mit diesem Haus. Begegnungen mit lieben Menschen. Erinnerungen an liebe Menschen, die schon bei Gott sind, und mit uns hier gesungen und gebetet haben.
  2. Unsere Kirche ist ein Denkmal. Ihr Architekt, Hermann Blankenstein, war später Baudirektor von Berlin und hat das Stadtbild geprägt für Jahrzehnte. Wir sitzen in seinem ersten Projekt. Das ist etwas Besonderes! Ebenso auch die Tatsache, daß die Bomben des Krieges gerade hier NICHT getan haben, wozu sie abgeworfen wurden. Sogar das Holz von 1857 haben wir noch! Auch ein Grund, anhänglich zu sein, und beitragen, daß sie uns erhalten bleibt!
    Das setzt aber voraus, daß wir wissen, warum wir überhaupt ein Gotteshaus haben.
    Salomo steht im Alten Testament. Er kann mit Überzeugung sagen: Gott wollte, daß genau hier genau dieses Haus gebaut wird:
    „Laß deine Augen offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein.“ – Da soll mein Name sein! Der König David hatte die Stadt Jerusalem eingenommen, David, der Vater Salomos, hatte die Bundeslade daherbringen lassen. Die Bundeslade war so etwas wie ein Altar, an dem Israel auf dem Weg durch die Wüste in einem Zelt Gottesdienst gefeiert hatte. David hatte alles vorbereitet für einen Tempelbau. Doch es war Gottes Wille, daß sein Sohn Salomo den Tempel bauen sollte.
    Im Alten Testament mußte es der Berg Zion in Jerusalem sein. So hatte Gott sich festgelegt. Da war sein Name. Man könnte auch sagen: Da war Gottes Adresse, da hatte Gott sein Sprechzimmer, seine Praxis – genau konnte und mußte Israel zu Ihm kommen, und wurde gehört. Da war die Verabredung und die Begegnung mit Gott. An keiner anderen Stelle sollten Opfer gebracht werden. Ob er nun weit weg wohnte, oder ganz nahe in Jerusalem: Jeder Israelit hatte die Pflicht, zu den Festen „vor dem HERRN“ im Tempel zu erscheinen.
    Damit wurde deutlich: Wir fürchten, lieben und vertrauen Gott über alle Dinge. Der Berg Zion in Jerusalem hat Priorität, weil Gott es so will, und Gott hat Priorität.
    Der Tempel bezeugte: Gott hat Priorität. Israel ist bereit, sich für Gott auf den Weg zu machen. Israel ist bereit, alles hinter sich zu lassen, um nur und ganz bei Gott zu sein. Weil Gott Priorität hat. Darum muß es einen Ort geben, der Platz schafft für Opfer und Gebet. Weil Gott Priorität hat, darum hat das Opfer, das Gebet, der Gesang, die Verkündigung auch Priorität. Der Tempel war der feste Platz, den Gott in Israel einnahm. Vor allen Dingen und zuerst sollte Gott einen Platz in Israel haben. Gott ist nicht ferner liefen. Gottesdienst ist nicht etwas, was sich ergibt, wenn alles andere Nötige erledigt ist. Sondern das Erste. Weil Gott der Erste ist.
    Darum kann Salomo sagen: Hier ist Gottes Name. Hier spricht Gott, hier hört Gott. Auf dem Berg Zion , in Jerusalem, im Heiligen Land.
    So hatte Gott es im Alten Testament festgelegt.
    Der Tempel Salomos stand fast 500 Jahre: 955 vor Christus geweiht – 587 vor Christus zerstört durch die Babylonier unter Nebuchadnezar. Im Jahr 515 vor Christus wurde der Zweite Tempel geweiht. Der wurde dann im Jahr 70 nach Christus durch die Römer unter Titus zerstört.
    Über den Tempel hat Jesus drei Dinge gesagt:
  3. Der Tempel ist „seines Vaters.“ Das sagt Jesus mit 12 Jahren, als Maria und Joseph ihn im Tempel fanden sagt der Sohn Gottes: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meines Vaters ist?“ (Lukas 2, 49). Damit bestätigt Jesus, daß Israel Gott wirklich im Tempel begegnet ist.
  4. Jesus spricht aber auch ganz klar von dem Ende des Tempels. „Es wird hier nicht ein Stein auf dem anderen bleiben.“ (Matthäus 24, 2).
  5. Das bedeutet aber nicht das Ende der Begegnung mit Gott. Jesus seinen Leib zum Tempel Gottes erklärt, so hören wir es im Johannes-Evangelium (Kapitel 2, 21). Ja, den Pharisäern gegenüber sagt Jesus direkt: „Ich sage aber euch, daß hier der ist, der auch größer ist denn der Tempel.“ (Matthäus 12, 6).
    Jesus gibt uns also alles, was der Tempel geben konnte, und mehr.
    Darum gibt es in Neuen Testament keinen heiligen Ort, wie Jerusalem, oder Mekka. „Es kommt die Zeit,“ sagt Jesus, „da werden die wahrhaftigen Anbeter den Vater nicht auf diesem oder jenem Berg anbeten, sondern im Geist und in der Wahrheit.“ (Johannes 4, 21.23.24)
    Da stellt sich die Frage aufs Neue: Warum dann ein Haus, mit Menschenhänden gemacht?
    Ich kann nur sagen: Wegen der Priorität.
    Gott, Sein Wort, Sein Handeln an uns, unsere Antwort darauf: Das soll als erstes einen festen Platz haben. Zeitlich und räumlich. Darum haben wir denn Sonntag, darum haben wir dieses Gebäude. Der Glaube braucht diesen Ort, wo alles vom Evangelium bestimmt ist. Wo klar ist: Das will ich gesichert haben. Darum steht hier der Altar: Das Gebet, das Abendmahl fordert das. Gebet und Abendmahl soll jederzeit möglich sein. Deshalb steht das Taufbecken da. Wie wunderbar ist es, daß wir heute eine Taufe haben! Doch das Taufbecken steht bereit. Er erinnert uns an unsere Taufe. Und genau wie die Taufe nicht eine Nebensache ist, die mal hervorgeholt, mal weggestellt werden kann, so steht das Taufbecken immer bereit. Ähnlich ist es mit der Kanzel. Gottes Wort soll verkündigt und gehört werden. Das muß vor allen anderen Dingen sicher sein.
    Wenn es irgendwie möglich ist, soll eine Kirche kein Mehrzweckraum sein. Im Gotteshaus soll zum Ausdruck kommen, daß Gott über uns bestimmt, und nicht wir über Ihn. Gott hat Priorität. Das Evangelium, die Taufe, das Abendmahl, das Gebet Gebet, das Lob Gottes ist für den Glauben eine Notwendigkeit. Darum wird der Glaube jede Möglichkeit nutzen, einen Raum zu bauen, der von diesen Dingen bestimmt ist.
    Eine Kirche ist eine große und nötige Hilfe für den Glauben. Unser Glaube ist angefochten. Es geht auf und ab. Doch, das, woran wir glauben, das steht fest und ist zuverlässig. Dieses Haus, zusammen mit Altar, Taufbecken, Kanzel, mit den Bänken und der Orgel stehen für das, was feststeht. Sie führen uns vor Augen: Es ist alles wahr, es war vor uns da, es bleibt für uns wahr. Der Glaube stützt sich nicht auf sich selbst. Er hält sich an das, was Gott von außen zu uns bringt.
    Die Kirche ist nicht Gott, darum müssen wir nicht an sie glauben, wie im Alten Testament das Volk Israel an Jerusalem und den Tempel gebunden war.
    Wir sind an Jesus gebunden. Er ist unser Tempel. An ihn glauben wir, egal, wo wir sind.
    Aber wir lieben den Ort, wo Jesus uns begegnet, wie Er es eingesetzt und bestimmt hat. Wir lieben das Haus, wo Er uns Sein Evangelium hören läßt. Wir lieben das Haus, wo die Taufe Kinder Gottes geboren hat. Wir lieben das Haus, wo Gottes Kinder zusammen beten, und sich an Gottes Wort festhalten.
    Das macht diesen Ort zu einem guten Ort.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.