Neujahr

Von | Januar 1, 2021
Frans II Francken: Die sieben Werke der Barmherzigkeit, 1605

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Jesus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.

Jahreslosung: Lukas 6, 36

HERR, segne dein Wort an uns, Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Im kürzesten Evangelium des Kirchenjahres – passend zum 1. Januar! – wird uns gesagt, daß der Sohn Gottes 8 Tage nach seiner Geburt von der Jungfrau Maria nach dem Gesetz der Mose beschnitten wurde, und daß ihm dann sein Name gegeben wurde: „Jesus – wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war,“ (Lukas 2, 21) – also bei der Verkündigung vor 9 Monaten, wo der Erzengel Gabriel zu Maria sprach: „Du sollst ihm den Namen Jesus geben.“ (Lukas 1, 31). Matthäus sagt uns, daß Joseph genauso den Befehl empfangen hatte: „Maria wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.“ (Matthäus 1, 21) .
Der Name für Jesus steht schon vorher fest, wie auch seine Sendung und sein Auftrag für seine Zeit im menschlichen Körper, sein Leben in dieser Welt feststeht: „Er wird sein Volk retten von ihren Sünden.“ Zwischen Leben und Aufgabe wird in diesem Namen nicht unterschieden. Leben und Aufgabe ist eines. – Es gibt bei Jesus also auch nicht die Frage nach einer „Work-life-balance“ – also die Frage nach Ausgewogenheit zwischen – „Arbeiten für andere“ und „Leben für mich“.
Jesus – Gott hilft, Gott rettet, Gott heilt, Gott holt heraus – dieser Name verwirklicht sich in jedem Augenblick. Schon seine leibliche Gegenwart bezeugte, daß dieser Name bei ihm die Wahrheit ist, wiederholt wird berichtet, daß Kranke ihn nur berühren wollten – „und alle, die ihn berührten, wurden gesund.“ (Matthäus 14, 36). – Jesus machte seinem Namen unvergängliche Ehre, als er sein Ganzes ohne Reste am Kreuz opferte, um uns alle herauszuholen aus der Finsternis, dem Schatten des Todes, der uns so gefangenhält, „und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.“ (Lukas 1, 79).
Dieser Name und seine Bedeutung sind vergeben. Dieser Name ist über alle Namen, und letztlich muß das jeder einsehen und erkennen. (Philipper 2, 9-10).
Darum beginnen wir das Neue Jahr, im Namen Jesu. An diesem Tag wurde dieser Name mit dieser Person verknüpft. Gott hat Name und Person zusammengefügt. Der Mensch kann und soll sie nicht wieder scheiden. „In keiner anderen Person ist das Heil, auch ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir selig werden.“ (Apostelgeschichte 4, 20), sagt Petrus.
„Im Namen Jesu!“ – Manchmal, wenn Menschen ungeduldig werden, und nachgeben, sagen sie: „Na, dann in Gottes Namen!“ – Heutzutage wohl weniger, aber trotzdem. Man sagt damit: Bei mir fühle ich keinen Grund, etwas zu tun, aber ich tu es dann jetzt in Gottes Namen. – Gott ist der Grund. Möge Gott dann – vielleicht mich belohnen? – oder: Möge Gott etwas Gutes daraus machen!
In Jesu Namen: Jesus soll der Grund sein, warum ich Dinge tue. Weil er gekommen ist. Weil er das gesagt hat, was er gesagt hat. Weil er das getan hat, was er getan hat. Weil ich Jesus nicht mehr aus meinem Leben wegdenken kann oder wegdenken will, darum tue ich das. Auch, weil Jesu Name in der ganzen Welt bekannt ist, und eine unwiderstehliche Macht ausübt – Menschen anzieht oder ärgert, aber die Macht ist da.
„Im Namen Jesu!“ – Weil Jesus da ist, und sich für mich und für dich entschieden hat, darum ….
Nun kommen wir zur Jahreslosung für das neue Jahr des HERRN, Anno Domini 2021:
Jesus spricht: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.
Daß das noch gesagt werden muß! – Das wird doch jeder intuitiv einsehen müssen! Barmherzig sein! Mit den Notleidenden, mit den Hilflosen, mit den Schwächeren, mit den Armen, mit den Gebrechlichen, mit denen, die nicht weiter wissen, mit den Belasteten, mit den Verzweifelten, mit den Depressiven, mit den Einsamen, mit den Verachteten, mit den Überforderten, es gibt so viel Elend in der Welt. Es gibt also unendlich viel zu tun! In dieser Jahreszeit erreichen uns unzählige Bilder mit Aufrufen zu Spenden für Hilfe in Not.
Seid barmherzig! – Wir sollen „ein Herz haben“ für alle diese Menschen.
Gott hat uns für einander geschaffen. Es lohnt sich, erneut darüber nachzudenken, und sich so zu sehen, und sich selbst so zu verstehen: Ich bin so, daß ich für andere da sein kann, ja, eine Hilfe, ein Trost, eine Erleichterung, und warum nicht: ein Schatz sein kann. – Oft ist das schon so, bevor ich den Mund aufgetan, oder einen Finger gerührt habe! – Seid barmherzig! Gott ruft jeden, daß er sich so sieht und so versteht. Als jemanden, der Freude machen kann. Es ist göttlich, barmherzig zu sein.
Laßt uns heute überlegen, was es aber bedeutet, daß 1. Jesus uns diese Worte sagt, und 2. daß Jesus dazu sagt: „ … wie euer Vater barmherzig ist.“

  1. Jesus sagt es uns. Und genauso, wie der Name Jesu – also: Gott rettet aus der Macht des Bösen – mit dieser einmaligen Person verbunden ist, und nicht mehr abgetrennt werden kann – so gehören diese Worte auch dieser Person. Wir können diese Worte nicht von Jesus abtrennen und sie zu eigenen menschlichen Worten machen. Das ist notwendig. Denn ohne Jesus als Sprecher ändern sie ihre Bedeutung. Als Worte von Menschen werden sie schnell zu unbarmherzigen Worten. Sie werden zum Vorwurf. – Wie leicht und schnell denken wir bei den Worten: „Seid barmherzig!“ daran, wie andere gegen uns unbarmherzig waren. Wir empören uns mit Anlauf über die unbarmherzige Menschheit, die so hartherzig ist – die Reichen, die Mächtigen, die Satten, die Bevorteilten, die Glücklichen – die alles für sich behalten – und so weiter, und so weiter.
    Was passiert da? Das Wort ist nicht mehr ein Wort Jesu, sondern ein menschliches Wort. Ich beurteile meinen Mitmenschen, ob er denn barmherzig ist? – Ich fordere von ihm, mit mir barmherzig zu sein. Und sehe mich als dazu berechtigt – zum Urteilen und zum Fordern. – In der Bibel ist es aber immer ein entscheidender Teil der Wahrheit, daß man berücksichtigt: Wer sagt das, und wem? – Unsere Jahreslosung ist ein Wort Jesu, und bleibt ein Wort Jesu.
    Eine besonders heimtückische Verdrehung des Wortes Jesu ist, wenn zum Beispiel satte Menschen anderen Menschen, die sie auch für satt halten, fordernd und vorwurfsvoll auf Hungernde verweisen und Jesu Wort in den Mund nehmen: Seid barmherzig! – Hier kann es mit Lichtgeschwindigkeit dazu kommen, daß es mehr darum geht, Macht über Gewissen auszuüben, als um Barmherzigkeit. Und Macht über Gewissen, also Menschen schuldig fühlen lassen, ist der Gipfel der Unbarmherzigkeit, denn Schuld ist die größte Not, und die größte Last.
    Darum ist es ein Unterschied wie Himmel und Erde, oder wie Himmel und Hölle, ob mir ein Mensch sagt: Sei barmherzig! , oder ob Jesus das sagt.
    Denn Jesus bringt Barmherzigkeit. Mit ihm ist Barmherzigkeit schon da. Und erst, wenn wir seine Barmherzigkeit, also seine Vergebung, angenommen haben, dann ist unsere Barmherzigkeit auch wirklich barmherzig.
  2. „wie auch euer Vater barmherzig ist.“ – Bei dem Wort „Wie“ baut Jesus eine Brücke durch die Zeiten – zurück bis ins Paradies. – Wir sollen sein, WIE — WIE euer Vater – also SEIN WIE GOTT -? Im Grunde sagt Jesus das doch: „Seid … wie … Gott.“ – Der Teufel, der Gottes Ebenbild in uns Menschen haßt und zerstören will; der Böse, der mit Barmherzigkeit nichts anfangen kann und sie verachtet, der hat den Menschen eingeflüstert: „Ihr werden sein, wie Gott, und wissen, was Gut und Böse ist. – Wenn ihr euch von eurem Schöpfer lossagt, und sein Gebot übertretet, und von der verbotenen Frucht eßt.“ (1. Mose 3, 4-5).
    Der Teufel sagt: Ihr werdet nicht sterben.
    Die Barmherzigkeit im Namen Jesu erkennt: Ich bin sterblich – du bist sterblich. Wir brauchen einander. Die Zeit ist begrenzt. Ich kann nicht auf ideale Umstände warten. Diese Chance kommt nicht wieder, zu helfen. Auch wenn es nicht ideal ist.
    Der Teufel sagt: Gott weiß, wenn ihr von der Frucht eßt, werdet ihr sein wie Gott. – Also: Gott mißtraut euch, gibt euch nicht alles, ihr müßt es euch eigenmächtig nehmen.
    Die Barmherzigkeit im Namen Jesu sagt: Gott will, daß allen Menschen geholfen werde. (1.Timotheus 2,4). Gott ist Liebe (1. Johannes 4,8). Ich hab es erfahren. Gott meint es gut.
    Der Teufel sagt: Dann werden eure Augen aufgetan.
    Die Barmherzigkeit im Namen Jesu sagt: Ich stelle mich nicht an Gottes Statt, um den Menschen zu durchschauen, und ihn auf das festzulegen, daß er an allem selbst schuld ist. Gott zeigt mir genug, daß ich Seinen Willen tun kann. Mehr muß ich nicht wissen.
    Der Teufel sagt: Ihr werdet sein wie Gott.
    Doch Gott ist nicht so, wie ihn Sünder sich vorstellen. Gott ist nicht so hoch über alle, daß sie ihm am Ende egal sind.
    Die Barmherzigkeit im Namen Jesu sagt: Du mußt nicht werden wie Gott. Gott ist geworden, wie Du. Du mußt dich nicht über deinen Mitmenschen erheben, um etwas zu sein.
    Jesus Christus spricht zu uns: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Die sieben Werke der Barmherzigkeit, Frans Francken der Jüngere, 1605