Erntedankfest – 1.10.2023

Pfarrer: Johann Hillermann

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

15 Jesus sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, daß er viele Güter hat.
16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen.
17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.
18 Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte
19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut!
20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?
21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.
Gebet: Lieber Gott, bitte mach jetzt Licht an in uns durch das, was Du uns hören läßt. Amen.

Lukas 12, 15-21

Liebe Gemeinde!
Du Idiot! Dir kann ich nicht helfen.
Wenn Jesus das sagt. Tote auferwecken, Blinde sehend machen – kein Problem. Viertausend plus Menschen mit sieben Broten satt machen – laßt es kommen!, sagt Jesus. Auch für Besessene gibt es Hilfe und Hoffnung.
Aber es gibt eben Idioten. Sich vergaloppierende Verrückte, da sieht es ganz so aus, als müßte selbst der Heiland passen.
Du Narr!
Das willst du nicht hören.
Du hörst es jetzt von einem Menschen, damit du es nicht einmal von Gott hören mußt.
Jetzt, wenn es dir eine menschliche Stimme im Namen Jesu sagt, ist die Situation noch offen.
Aber dann, wie bei dem närrischen Kornbauern in der Nacht, wenn Gott selbst es unvermittelt sagt, dann ist es vorbei.
Bist du reich bei Gott? Ja oder Nein?
Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz, sagt Jesus. (Matthäus 6, 21).
Was hülfe es den Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? (Matthäus 8, 36).
Darum zeigt uns Jesus diesen Narren, den du nicht sein willst.
Es ist ein Anti-Ernte-Undank- Non-Fest.
Ein So-bitte-nicht!-Fest.
Jetzt ist aber ganz wichtig: Du könntest es wirklich sein. Es ist keine Einladung, an andere zu denken hier.
Es ist wie im Flugzeug: Diese Sauerstoffmaske kommt runter für dich – erst, wenn du selbst den Sauerstoff auf die Lunge kriegst, dann guck dich um, wer Hilfe braucht. Also erst selber richtig Erntedank feiern, bevor du überlegst, wer sich diese Worte auch hören soll!
Es fängt gut an, es sieht gut aus.
Der Mann hatte Erfolg. Das Land hatte gut getragen. Die Saat ist aufgegangen, die Arbeit hat sich gelohnt. Die Ernte ist eingebracht worden. Der Kornbauer hatte alles richtig gemacht: Vom Pflügen und Säen an bis hin zum Schneiden und Ernten.
Lebensmittel; Leben. Die Lebensmittel sind in Sicherheit, das Leben ist gesichert.
Er weiß offensichtlich, was er tut.
Was dann kommt, hört sich noch gut an. Im Rückblick ist es aber der Anfang vom Ende. „Er dachte bei sich selbst und sprach.“ Bei sich selbst. Ein Selbstgespräch. Verborgen vor der Welt. Er macht etwas mit sich selbst aus. Es geht niemanden etwas an. Niemand redet ihm drein. – Er dachte bei sich selbst: Da wird es doch keine Mißverständnisse, und deshalb kein Risiko geben! „Ich, meiner, mir mich – wir halten zusammen!“
Ein Narr ist einer, der sich von der Wirklichkeit isoliert. Hier beginnt die Isolation.
Er sieht die Haufen und Haufen an Lebensmittel. Und daneben die Scheunen, die bis jetzt immer groß genug waren, so daß er bis auf den heutigen Tag leben konnte, und sagt: „Ich habe nicht …“ Was passiert da? Er „sieht“ die Scheunen, die er nicht hat. Die Scheunen, die er brauchen würde, um alles für sich sammeln zu können – dieser Mangel wird ihm auf einmal spürbarer, dringender, ja, wirklicher, als die sensationelle Ernte.
Das, was er nicht hat, erfaßt ihn intensiver als das, was er hat. Der Mangel bestimmt ihn.
Liebe Gemeinde, das „Anti-Ernte-Undank- Non-Fest“ geht los. Und machen wir uns nichts vor. Von dem bestimmt sein, was man nicht hat, mehr als von dem, was man hat – das ist sehr sehr sehr verbreitet. Alle Nachbarn sehen mit Staunen, was der reiche Bauer sich angehäuft hat, und er sagt: „Ich habe nicht!“
Und dann kommt eben der scheinbar vernünftige Plan. Es müssen größere Scheunen her, damit der Schatz untergebracht ist. Der Schatz ist ja nicht verwerflich. Aber wo ist die Seele? Wo ist das Herz?
Das Selbstgespräch geht weiter: „Ich will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut!“ Das Leben kann und wird gerade so weitergehen, wenn nicht noch besser, weil Arbeit nicht mehr nötig sein wird! Nur noch konsumieren! „Iß, trink, und habe guten Mut!“ Gottes Wort warnt uns vor dieser Einstellung. Sie klingt sehr bejahend, aber sie ist vom Tod getrieben. Der Prophet Jesaja bringt die Einstellung auf den Punkt: „Laßt uns essen und trinken; wir sterben doch morgen!“ (Jesaja 22,13) – und der Apostel Paulus im Neuen Testament zitiert Jesaja, um zu zeigen, wie Menschen denken, die die Auferstehung der Toten leugnen: „Wenn die Toten nicht auferstehen, dann »laßt uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot!«“ (1. Korinther 15, 32).
Der Tod ist der ultimative Mangel. Und wenn der dich treibt, hysterisch zu leben, das Leben zu steigern, dann ist der Tod schon in diesem verzweifelten Essen und Trinken da – und der „gute Mut“ ist eine verzweifelte Selbsttäuschung. Dann hat die Seele nämlich überhaupt keine Ruhe, sondern jagt von einem Rausch zum nächsten und der Mangel wird doch nur größer.
Das ist dann wirklich ein „Anti-Fest“ ! Ein höllisches Fest.

Der Reiche Kornbauer, den Jesus uns hier vorhält, ist kein Du.
Gott kommt in seiner Wirklichkeit nicht vor; auch kein Mensch gibt es in seinem Universum. Er spricht Sprache, aber sie meint keinen, nur sich selbst. Er ist sich selbst ein Du. Aber das ist eine Täuschung. Was soll ich tun? Das will ich tun! Ich will sagen zu meiner Seele … Es ist ein geschlossener Kreislauf.
Es ist ein Kurzschluß.
Dieser Kreis schließt Gott und den Nächsten aus.
Daß Gott die Ernte geschenkt hat durch die Schöpfung, durch gedeihliches Wetter, und Frieden im Land, durch Vertrauen zwischen Menschen innerhalb des Staates und darüber hinaus, ja, daß Gott ihm Verstand und Kraft gegeben hat – das ist ausgeblendet. Damit aber ist 99 % der Wirklichkeit ausgeblendet.
Und: Der Mann wird doch sicher Erntehelfer gehabt haben, die fleißig und zuverlässig mitgearbeitet haben! Die sich haben einplanen lassen, die Verabredungen eingehalten haben! Und was ist mit den Soldaten, die räuberische Horden ferngehalten haben, oder schädliche Tiere? Damit hat der Narr nochmal 99% der Wirklichkeit ausgeblendet.
Zweimal 99%? In einer idiotischen Welt geht das! Immer wieder neue Zahlen hervorzaubern, die den Irrtum bestätigen, kein Problem!
Nicht einmal eine Frau hat er, mit der er den Erfolg teilen könnte! Der Profit wäre 50% weniger! Keine Kinder! Kinder kosten! Jedes Kind nochmal 50% Verlust! Zuviel Risiko!
Er kennt sich nur als ICH und läßt niemanden zu ihm DU sagen. Denn er kann es sich nicht vorstellen, als daß alle so gierig sind, wie er. Jeder, der zu ihm „DU“ sagen würde, der würde doch am Ende nur aus Gier nach seinem Geld „DU“ sagen.
Doch am Ende muß er es dann von Gott selbst hören: „DU!“
„DU!“ Du Narr. Du Idiot. Du hast dich aus allem isoliert, wie ein Astronaut, der ohne Verbindung im All davonschwebt.
Heute Nacht wird man deine Seele von dir fordern.
Deine Seele ist nicht dein Besitz. Du hast sie nicht gemacht. Du hast sie nicht am Leben erhalten.
Liebe Gemeinde: Die Seele ist etwas unglaublich Wunderbares. Ohne die Seele würden wir keine Freude haben. Aber die Seele ist nicht unser Besitz. Das heißt, was wir mit ihr machen, müssen wir vor unserem Schöpfer verantworten. Gott macht uns zu einem Du. Er stellt uns zwischen Menschen. Eine Seele, die kein Du ist, verkümmert.
In der Seele entscheidet es sich, ob wir wirklich reich, nämlich bei Gott reich sind. Das ist, was Jesus dringend empfiehlt. Wer bei Gott reich ist, der ist kein Narr.
Was ist das: Reich sein bei Gott?
Es ist ganz einfach.

  1. Es fängt damit an, mit Gott im Gespräch zu sein. Danke, Gott, daß du mich geschaffen hast. Der Kornbauer hätte danken können für das Land, die Fruchtbarkeit, das Wetter, den Frieden, die Mitarbeiter … Ja, er hätte sogar mit seiner Seele sprechen können, aber mit den Worten des 116. Psalms: „Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der HERR tut dir Gutes.“ Es kommt vom Himmel, was du da bist und hast. Danke, Gott! Der Psalm geht weiter: „Denn du hast meine Seele von Tod errettet, mein Auge von den Tränen, meinen Fuß vom Gleiten.“ Gott, du hast so viel Unglück abgewendet! Danke! Doch das Gespräch wird auch die Bitte einschließen. Bitte, lieber Gott, segne mich! Bitte leite mich!
    Dann ist der Kreislauf nicht mehr geschlossen. Dann ist am Ende kein Kurzschluß! Dann ist man reich – aber reich mit Gott und bei Gott.
  2. Doch es geht weiter: Die Epistel von heute (2. Korinther 9, 6-15) hilft uns gegen die Isolation, die in Idiotie endet. Die Epistel handelt von einer Kollekte. Paulus sammelt in Griechenland eine Kollekte für die bedrängte Gemeinde in Jerusalem. Die Christen in Jerusalem wurden boykottiert. Niemand wollte mit ihnen zu tun haben. Darum brauchten sie Hilfe. Und was sagt Paulus dazu? Diese Kollekte ist nicht einfach eine Sache zwischen Menschen. Sie „wirkt darin, daß viele Gott danken.“ Dankt ein Mensch Gott deinetwegen? Vermehrst du den Dank zwischen Menschen und Gott? Reich sein bei Gott bedeutet: Wenn ein Mensch meinetwegen Gott dankt, dann ist das ebenso meine Freude. Sagt jemand: Gott sei Dank, daß es …. gibt? Ist dieser Dank nicht wie Sauerstoff, den man tief einatmet?
    Das ist ein Reichtum, deren Buchhaltung bei Gott im Himmel ist. Manches wird im Verborgenen geschehen. Gott wird es uns am Ende alles zeigen, was wir an Dank bei ihm produziert haben. Aber so idiotisch sind wir nicht, daß wir nicht jetzt schon wissen, wie das aussehen kann.
    Das wird dann ein richtiges Fest!
    „Du warst das! Du hast mir geholfen! Du warst ein Geschenk des Himmels! Danke. Danke für immer!“

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

16. Sonntag nach Trinitatis

Predigt vom 24. September 2023
Pfarrer: Johann Hillermann

Gnade, Barmherzigkeit, Friede
von Gott, dem Vater,
und von dem HERRN Jesus Christus!

35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.
37 Denn »nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben.
38 Mein Gerechter aber wird aus Glauben leben. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm«.
39 Wir aber sind nicht von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten.

Hebräer 10, 35-39

Gebet: Oh Gott, gib, daß wir heute verstehen, was Du sagst. Amen.

Liebe Gemeinde!
Zwei Gefangene sind in einem Gefängnis, das mit 9 hohen Mauern umgeben ist. Sie üben, und schließlich haben sie es raus, wie man gemeinsam über die Mauer kommt und eines nachts wagen sie es. Sie überklettern eine Mauer nach der anderen.
Nach der 8. , vor der 9. Mauer sagt einer zum anderen: Ich schaffe das nicht mehr; ich kehre um!

Was wird der andere wohl gesagt haben?
„Spinnst du? – Nur diese eine Mauer! Mensch! Willst Du wirklich ins Gefängnis zurück? Nur noch diese eine Anstrengung! Halt durch!“
Übrigens: Würde er die 8 Mauern zurück überhaupt schaffen?

Es geht um dieses Durchhalten heute. Das Dranbleiben im Glauben.
Dranbleiben bringt alles, vor allem die eigene Seele.
Kneifen verliert alles, vor allem die eigene Seele.
Und: Zeit spielt keine Rolle.
Das ist die Essenz unseres Predigttextes. Das habt ihr doch hoffentlich alle beim ersten Hören eben sofort gemerkt!

„Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“
Man kann leider durch Leichtfertigkeit wertvolle Dinge verlieren. Es gibt ein Video von einem Angler, der einen Fisch angelt, aber nicht behalten will, und was macht er? Er schmeißt nicht den Fisch, sondern sein Telefon ins Wasser. Schrecklich!
Hier geht es aber um das Vertrauen zu Gott. Leider kann man es wegwerfen. Auf einmal scheint es bedeutungslos zu sein. Man wacht auf, und denkt: Das wird mir nicht fehlen. Wie ein unbrauchbarer Fisch.
Natürlich ist hier das Vertrauen zu Gott gemeint. Zu Gott, dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Das Vertrauen in Gott, den Schöpfer – daß er dich geschaffen hat und noch erhält, und zwar aus Liebe.
Das Vertrauen in Gott, den Sohn – daß Jesus Christus deine Schuld übernimmt und dafür geradesteht, damit sie dich nicht umbringt. Der dich aus dem Labyrinth, aus der dunklen Höhle, aus dem Würgegriff der Sünde herausführt und trägt. Der Anklage zum Schweigen bringt. Das Vertrauen, daß das geht, und daß deine Vergangenheit deine Zukunft nicht schon zerstört hat.
Das Vertrauen in Gott, den Heiligen Geist – daß Gott wirklich neu anfängt, und dich in Gottes Gemeinde einfügt, in dir die Macht des Bösen und des Todes bricht und dich beten lehrt, und lieben. Und das alles so, daß du am Ende nichts davon bereuen mußt.
Dieses Vertrauen ist nicht so groß, wie es sich fühlt, sondern so groß wie der, an den es sich klammert. Jesus sagt ja: „Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn und sagt zu diesem Maulbeerbaum: Reiß dich aus und versetze dich ins Meer! so wird er euch gehorsam sein.“ (Lukas 17,6). So wie einem Baby alle Kraft seines Vaters gehört und zur Verfügung steht, oder aller Besitz des Vaters. Daß das Baby klein ist, spielt keine Rolle, denn es verläßt sich auf seinen Vater. Das Baby ist so frei, wie sein Vater. So ist der Glaube so frei und so groß, wie Gott.
Jesus sagt das so: „Jesus aber sah sie an und sprach zu ihnen: Bei den Menschen ist es unmöglich; aber bei Gott sind alle Dinge möglich.“ (Matthäus 19, 26). Mit anderen Worten: „Alle Dinge sind möglich, dem, der da glaubt.“ (Markus 9, 23).
Das ist das Vertrauen, das das Evangelium uns bringt.
Mit diesem Vertrauen kommt Gott selbst im Evangelium, in der Nachricht über Jesus auf dich zu.
Es hat eine große Belohnung. Du kannst nichts verlieren. Gott will dieses Vertrauen, ja, es ist das Eine, was er bei uns Menschen sucht. Gott bedient dieses Vertrauen. Gott übernimmt die Verantwortung. Es soll sich lohnen, daß du an den Schöpfer glaubst, an Vergebung glaubst, und in der Kirche bist. Wirf das nicht weg!
„Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen Gottes tut und das Verheißene empfangt.“
Geduld: Das eben was für die letzte Mauer nötig ist. Dranbleiben. Drunterbleiben, aber nicht kneifen.
Geduld? Warum? Weil das Leben ohne Glauben leichter scheint. Dann erscheint Gottes Wort als Ballast. Man möchte so gern unauffällig in diese Welt hineinpassen.
Oder man merkt, daß das Christentum wirklich Feinde hat. Das ist unheimlich.
Oder man ist enttäuscht von Mitchristen.
Oder Gott läßt ein Leiden zu. Und auf einmal will man nichts mehr von Gott wissen.
Oder man merkt: Ich muß ja nicht Gottes Willen tun.
Dann verliert man das Vertrauen, man verliert Gottes Verheißung. „. Wenn er aber zurückweicht, hat meine Seele kein Gefallen an ihm.“
Die Verheißung ist: Ewiges Leben. Und das bedeutet: Leben ohne Tod, Leben ohne auch nur eine Spur des Bösen. Leben in einer Wirklichkeit, die uns nur Gottes Liebe zeigt und nichts anderes. Versuch doch für einen Moment, dir dein Leben vorzustellen: Ohne die Folgen deiner Sünde, ohne die Folgen der Fehler deiner Mitmenschen, deiner Vorfahren. Ein Leben, in dem Gottes Gaben nicht nur heile ankommen, sondern auch von dir mit deinen Augen, Ohren, und allen Sinnen erkannt und aufgenommen werden. Wo du dein eigenes Leben nur noch als ein Geschenkt empfängst, und das mit einem ungetrübten guten Gewissen. Ein Leben, in dem deine Liebe ohne Mißverständnisse und Zweifel weitergeht und ankommt, weil du Gottes Liebe weitergibst. Ein Leben, in dem Gottes Liebe dich durch andere erreicht, und du erkennst das und kannst es annehmen, und da ist kein Druck, keine Enttäuschung, kein Unrecht.
Das ist ein Teil der Verheißung Gottes. Das wartet auf dich.
Darum halte am Vertrauen zu Gott fest.
Wenn du dieses Vertrauen wegwirfst, dann verlierst du nicht nur deine Gedanken an Gott, oder den Gottesdienst, oder deine Gemeinde, sondern du wirst dann wirklich mit allen Folgen deiner Fehler und der Fehler, die an dir getan wurden, ohne jeden Trost, ohne jede Hoffnung ALLEIN sein. Das ist die Hölle.
Also: Geduld! Durchhalten! Dranbleiben!
Außerdem, so hören wir: Es ist nicht mehr lange!
»Nur noch eine kleine Weile, so wird kommen, der da kommen soll, und wird nicht lange ausbleiben.“
Jesus kommt wieder. Er wird wiederkommen in Herrlichkeit.
Jesus ist der Kommende. Er ist nicht der Vergehende.
Die Persönlichkeiten der Geschichte vergehen. Die Jahre, die vergehen, trennen uns immer weiter von ihnen. Das Bild, die Erinnerung, die Wirkung, der Einfluß unserer Vorfahren verblaßt, wird schwächer.
Jesus, der Sohn Gottes kommt. Er kommt auf uns zu in Herrlichkeit: Also ganz er selbst, „der Tod kann nicht über ihn herrschen.“ (Römer 6,9). Jesus ist die Zukunft, die Gott festgelegt hat, an ihm kommt keiner vorbei. Er hat das letzte Wort, er wird kommen, zu urteilen über Lebendige und Tote.
Also auch über dich und mich.
An Jesus glauben beinhaltet immer notwendig auch den Glauben, daß Er wiederkommt in Herrlichkeit. In Herrlichkeit bedeutet, daß Er alles bestimmt. Keine Realität kann Ihn in Frage stellen, sondern jede Realität muß Ihm Recht geben. Alles wird glänzen von Seinem Schein.
Unser Zukunftsbuch, die Offenbarung des Johannes, hält uns vor Augen – die Zukunft sieht so aus:
„Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Mondes, daß sie scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm,“ also Jesus. (Offenbarung 21, 23).
Das wartet auf uns. Nur noch eine Mauer! Gib nicht auf.
Was die Welt auch alles aufbaut, wird vergehen.
Aber Jesus ist nicht ein Produkt dieser Welt. Er ist nicht ein Ergebnis des Laufs der Welt. Er ist das einzige seit der Schöpfung, was wirklich neu ist und neu bleibt.
Und alles, was zu ihm gehört, ist auch nicht von dieser Welt, und wird auch nicht mit dieser Welt vergehen.
Aber wir haben ein Problem, ein Scheinproblem.
Es sind die Worte: „Es ist nur noch eine kleine Weile.“
Eine kleine Weile von 2000 Jahren?
Haben die ersten Christen sich getäuscht? Haben die Apostel geirrt, weil sie mit der Wiederkunft Jesu in Herrlichkeit zu ihren Lebzeiten gerechnet hatten? Haben sie etwas falsch verstanden? Schon Petrus schreibt in seinem zweiten Brief von dieser Frage: „Ihr sollt vor allem wissen, daß in den letzten Tagen Spötter kommen werden, die ihren Spott treiben, ihren eigenen Begierden nachgehen und sagen: Wo bleibt die Verheißung seines Kommens?“ (2. Petrus 3,3-4). Diese Frage begleitet den Glauben von Anfang an.
Es ist kein Irrtum, es ist auch kein Mißverständnis.
Wer durch Gottes Wunder zum Glauben kommt, der ist mit der Welt am Ende. Wer Gottes Liebe und Vergebung und Heiligkeit erlebt, der sieht, wie klein und vergänglich die Dinge der Welt sind. Er spürt, daß alles sein Verfallsdatum schon überschritten hat. Und er erlebt Gottes Zukunft als die größere Realität.
Wer glaubt, der ist mit Jesus nicht mehr einfach der Zeit unterworfen. Je näher du an Gottes Wort kommst, und mit Gottes Wort allein bist, um so deutlicher wird dir das.
Im Glauben trennt uns die Zeit nicht mehr von Jesus. Weil Jesus der Kommende ist. Das ist Seine Bewegung. Und genau, wie die Zeit die Apostel nicht von Jesus getrennt hat, so kann sie uns auch nicht von ihm trennen.
Seit Pfingsten leben wir in den letzten Tagen. Warum? Weil nichts mehr kommen kann, was neuer ist als Jesus. Jesus kann nicht mehr abgehängt werden.
Am nächsten kommen wir dem Geheimnis bei der Vergebung.
Da trennt Jesus uns von der bedrohlichen Vergangenheit ab, und verbindet uns jetzt schon mit seiner guten Zukunft.
Das ist größer als alles andere.
Durch den Glauben sind wir in der letzten Zeit.
Habt ihr schon mal darauf geachtet, was wir immer wieder im Glaubensbekenntnis sagen: Ich glaube an den Heiligen Geist,
eine heilige christliche Kirche, Vergebung der Sünden, – und dann? Auferstehung des Fleisches und eine ewiges Leben.
Der Heilige Geist schafft das Vertrauen in uns durch Gottes Wort. Das verpflanzt uns in Gottes Kirche. Und was passiert in der Kirche- die ganze Zeit? Wozu ist die Kirche überhaupt und nur da? – Vergebung der Sünden im Namen Jesu.
Und was gibt es noch? Nichts.
Das einzige, worauf ein Mensch wartet, der Vergebung der Sünden hat, ist die Auferstehung des Fleisches.
Also die erneuerte, herrliche, von der Sünde unbesudelte und unverdorbene Schöpfung.
Es ist nur eine kleine Weile. Hab doch Geduld!

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

10. Sonntag nach Trinitatis

Predigt: Pfarrer Johann Hillermann

Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, dem Vater,
und unserem HERRN Jesus Christus.
Amen.

17 Wenn aber nun einige von den Zweigen ausgebrochen wurden und du, der du ein wilder Ölzweig warst, in den Ölbaum eingepfropft worden bist und teilbekommen hast an der Wurzel und dem Saft des Ölbaums,
18 so rühme dich nicht gegenüber den Zweigen. Rühmst du dich aber, so sollst du wissen, daß nicht du die Wurzel trägst, sondern die Wurzel trägt dich.
19 Nun sprichst du: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde.
20 Ganz recht! Sie wurden ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du aber stehst fest durch den Glauben. Sei nicht stolz, sondern fürchte dich!
21 Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, wird er dich doch wohl auch nicht verschonen.
22 Darum sieh die Güte und den Ernst Gottes: den Ernst gegenüber denen, die gefallen sind, die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst; sonst wirst du auch abgehauen werden.
23 Jene aber, sofern sie nicht im Unglauben bleiben, werden eingepfropft werden; denn Gott kann sie wieder einpfropfen.
24 Denn wenn du aus dem Ölbaum, der von Natur wild war, abgehauen und wider die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft worden bist, wie viel mehr werden die natürlichen Zweige wieder eingepfropft werden in ihren eigenen Ölbaum.

Römer 11, 17- 24

Gebet: Jesus, lieber Heiland und HERR, hilf uns jetzt durch Dein Wort, Dir nachzufolgen, und nicht in der Finsternis hängenzubleiben. Amen.

Liebe Gemeinde!
Warum gedenken wir als Christen dieses Tages? Es war ein furchtbarer, verhängnisvoller Tag, der 10. August im Jahre 70.
Nach vielen und schweren, erbitterten Kämpfen, mit viel Blutvergießen, brannte der Tempel in Jerusalem, und die Stadt wurde zerstört.
Was können wir Christen daraus lernen? Was hat das mit unserem Glauben zu tun?
Die Zerstörung Jerusalems hat schon allein deshalb mit unserem Glauben zu tun, weil Jesus sie prophezeit hat. Wir haben das im Evangelium gehört:
„Als Jesus nahe hinzukam, sah er die Stadt und weinte über sie und sprach: Wenn doch auch du erkenntest zu dieser Zeit, was zum Frieden dient! Aber nun ist’s vor deinen Augen verborgen. Denn es wird eine Zeit über dich kommen, da werden deine Feinde um dich einen Wall aufwerfen, dich belagern und von allen Seiten bedrängen und werden dich dem Erdboden gleichmachen samt deinen Kindern in dir und keinen Stein auf dem andern lassen in dir, weil du die Zeit nicht erkannt hast, in der du heimgesucht worden bist.“ (Lukas 19, 41-44).
Jesus hat es kommen sehen, und diese dunkle, schwere Zukunft wenige Tage vor seinem Tod prophezeit.
Jesus spricht auch klar aus, daß diese Katastrophe damit zusammenhängt, daß Jerusalem, das heißt, die Verantwortlichen des Volkes Israel, ihn, Jesus als Messias und Sohn Gottes aufs Überdeutlichste abgelehnt haben. Jerusalem hat „nicht erkannt“ – nicht erkannt, was zu seinem Frieden dient, und nicht erkannt, daß es von Gott selbst besucht worden ist.
Das sagt unser Herr Jesus über Jerusalem. Und der Sohn Gottes weint dabei. Tränen der Trauer. Trauer über einen Verlust, eine Enttäuschung. Das Volk Gottes lehnt den Sohn Gottes ab, öffentlich, im Namen des Gesetzes. Es lehnt der Frieden, den Gott durch Jesus anbot, ab. Die Folge war die Zerstörung der Stadt und des Herzens der Stadt, des Tempels. Gott meint es ernst. Gott hat sich in Jesus gezeigt, in Jesus fand nun die heilsame Begegnung mit Gott statt, und nicht mehr im Tempel.
Es ist ein schwerwiegendes Thema: Jesus ist die Erfüllung des Alten Testamentes, und doch hat nur eine Minderheit des Volkes Israel Jesus als solchen erkannt und im Glauben angenommen. Die Mehrheit hat ihn abgelehnt.
In der Apostelgeschichte, dem Bericht über den Anfang der Christenheit, hören wir, wie die Apostel, vor allem der Apostel Paulus, in jeder Stadt zuerst in der Synagoge Christus verkündigten, und wie sie wiederholt abgelehnt und bedroht wurden. Dann kam das Evangelium zu den Nichtjuden, den Heiden, also zu uns.
In Jerusalem war die Urgemeinde: Die bestand aus Juden oder Israeliten, die Jesus nachgefolgt waren, und die sich nach den ersten Predigten der Apostel taufen ließen. Das waren alles geborene Juden, die erkannten: In Jesus ist Gott zu uns gekommen und hat alles erfüllt, was Er unseren Vorfahren versprochen hat.
Im römischen Weltreich entstanden bald Gemeinden aus Juden und Nichtjuden.
So konnte die Situation entstehen, daß Römische oder Griechische Christen sich fragten: Wie konnte das nur geschehen, daß Gottes eigenes Volk den Sohn Gottes verwarf?
Es bestand die Gefahr, daß Heidenchristen sich über die Judenchristen, vor allem über die Urgemeinde in Jerusalem, erhoben, auf sie herabschauten, ja, die Verbindung zu ihr für überflüssig hielten. Wozu immer wieder das Alte Testament? War das Alte Testament nicht gescheitert? Hatte Jesus es nicht überholt? War das Alte Testament vielleicht am Ende ein Hindernis, Jesus zu erkennen und an ihn zu glauben? Am Ende konnten Heidenchristen zu der Ansicht kommen, daß Jesus eigentlich gar nicht für das Volk Israel gemeint war, daß Juden aus irgendeinem Grund gar nicht Christen werden konnten oder sollten, daß es deshalb aussichtslos war, dem Volk Israel das Evangelium zu verkündigen.
Unser Predigttext widerlegt diesen Stolz und verwirft ihn.
„Sie nicht stolz, sondern fürchte dich!“, warnt Paulus sie.
Diese Warnung untermauert er mit einem Gleichnis. Dem Gleichnis vom Ölbaum.
Es sind genaugenommen zwei Ölbäume.
Der eine Ölbaum ist edel und fruchtbar. Er hat eine gute Wurzel mit gutem Saft, der Leben bringt.
Der andere Ölbaum ist wild und unfruchtbar. Seine Wurzel ist nicht gut, und bringt kein Leben.
Es passiert etwas Unerhörtes:
Dem edlen Ölbaum werden edle Zweige abgehauen; und es werden Zweige vom wilden Ölbaum dem edlen Ölbaum eingepfropft. Die wilden, bisher unfruchtbaren Zweige bekommen Zugang zur edlen Wurzel und zum guten Saft, und werden fruchtbare Zweige.
Daneben liegen edle Zweige, abgetrennt vom edlen Ölbaum, und drohen unfruchtbar zu bleiben.
Nun sagt Paulus: Du ehemals wilder Zweig! Halte dich nicht für etwas Besseres! Ohne die Wurzel wärest du noch wild und ein Nichts! Erhebe dich nicht über die abgehauenen Zweige. Gott, der sie abgehauen hat, kann sie ebensogut auch wieder einfügen in den edlen Ölbaum.
Der edle Ölbaum ist das Volk Gottes. Die Wurzel, das sind die Empfänger und Träger der Verheißung, angefangen bei Abraham, Isaak und Jakob. Der Saft in der Wurzel ist der Heilige Geist, der in den allen den Glauben schaffte, der bei Gott ankam.
Der wilde, unfruchtbare Ölbaum sind die Heiden, die Gott nicht kennen und darum keine Zukunft haben.
Paulus beschreibt nun die Situation im Neuen Testament:
Es gibt Zweige vom edlen Baum, die nicht mehr am Baum sind. Das sind Israeliten, die leiblich von Abraham, Isaak und Jakob abstammen, aber nicht mehr mit der Wurzel, dem Glauben, verbunden sind. Sie sind abgehauene Zweige.
Stattdessen gibt es eingepfropfte wilde Zweige im guten Ölbaum. Das sind die Heiden, die durch die Taufe zum Glauben gekommen sind.
In diesem Gleichnis wird vorausgesetzt: Wer an Jesus glaubt, der ist ein Zweig am guten Ölbaum – ob er nun geborener Jude und geborener Nichtjude ist. Gott selbst trennt ab und pfropft ein. Eine Ablehnung Jesu und ein Zugang zum Saft und zur Wurzel können nicht zugleich sein.
Nun warnt Paulus: Du trägst nicht die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.
Das bedeutet: Jeder Christ aller Zeiten wird immer zu einem Teil der Urgemeinde. Es kann keine Christenheit geben ohne diesen Anfang – daß Juden wie die Apostel und andere durch den Heiligen Geist erkannt haben: Jesus ist der Messias, er ist der König Israels, er ist Gottes Sohn, er erfüllt das Gesetz Gottes, er erfüllt alles, was Gott versprochen hat. Wir Christen werden Teil von Gottes Geschichte mit den Menschen, wie sie im Alten Testament festgehalten wird. Jesus bringt die Gnade, die Geduld, aber auch die Strenge Gottes im Alten Testament zu uns. Durch die Taufe sind wir Vollerben Abrahams (Galater 3, 29). Christus vermittelt das Erbe. Ohne Christus kein Erbe.
Durch Christus aber ganz Erbe. Das gilt auch für die geborenen Juden aller Zeiten.
Das ist das Schwere des ganzen Neuen Testamentes.
Jesus und die Apostel rufen nämlich auch die abgehauenen Zweige zurück um edlen Ölbaum. Eine Kirche kann sich nicht apostolisch nennen, wenn sie auf diesen Ruf verzichtet. „Gott kann sie wohl wieder einpfropfen“, sagt Paulus. Was wieder eingepfropft werden muß, das ist erstmal nicht drin. Gott nimmt die Ablehnung Seines Sohnes sehr sehr ernst. Das Evangelium von Jesus ruft jeden Menschen, ohne Ausnahme. Wer nicht durch den Glauben mit Jesus verbunden ist, der ist entweder ein wilder Zweig, oder ein abgehauener edler Zweig. Beide brauchen es gleichermaßen, daß Gott sie einfügt in Seine Kirche, in Sein Volk.
Paulus und mit ihm das ganze Neue Testament ändern die Frage von: Was ist deine Herkunft – bist Du leiblicher Nachkomme Abrahams, oder nicht? – zu der Frage: Glaubst du wie Abraham an Gottes Verheißung in Christus, oder nicht? Es ist eine neue Geburt, die durch Wasser und Heiligen Geist in der Taufe geschieht. (Johannes 3, 5).
Sei nicht stolz! warnt Paulus. Er warnt vor Vergleichen nach menschlichen Maßstäben. Ein Heidenchrist konnte sich etwas darauf einbilden, daß er als „wilder Zweig“ einen „edlen Zweig“ überrundet hatte. Damit vergaß er, daß es nur Gottes Gnade war, die ihn aus Finsternis, Sinnlosigkeit und Zerstörung herausgeholt hatte.
Und umgekehrt erinnert Paulus daran, daß nicht die Herkunft den abgetrennten Juden zum Verhängnis wurde, sondern der Unglaube. Darum hören wir: „Sie wurden ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du aber stehst fest durch den Glauben.“ Glauben an Jesus, und gleichzeitig stolz und arrogant auf Nichtgläubige herabschauen, das ist ein Zeichen, daß man die Gnade vergessen hat.
Zwischen dem eingepfropften wilden Zweig, und dem abgehauenen edlen Zweig steht keine Leistung, die wir Menschen vergleichen könnten, sondern die unvergleichliche, völlig überwältigende und überraschenden Gnade Gottes.
Die Gefahr, herunter zu schauen, besteht immer.
Allerdings kann man gerade auch heutzutage eine andere Versuchung wahrnehmen: Die des Herabschauens auf das Neue Testament. Das sieht dann so aus, daß man nachdrücklich als Christ behauptet: Heutige Juden brauchen das Evangelium nicht. Ja, Christen dürfen ihnen nicht mit der Erwartung begegnen, daß das Evangelium von Jesus Christus auch sie, gerade sie meint. Man entwickelt ein Verständnis dafür, daß Menschen Christus ablehnen. Damit wird alles geleugnet, was wir heute im Predigttext gehört haben. Ein Evangelium, daß nicht auch, ja in erster Linie, die Juden meint (Römer 1, 16), taugt für uns geborenen Heiden überhaupt nichts.
Es mag unzählige Gründe geben, daß Christen sich trauen, über das Neue Testament hinauszugehen. Es gibt zum Beispiel einen Synodalbeschluß einer Evangelischen Kirche, in dem festgehalten wird, daß gegen den Wortlaut des Neuen Testamentes gepredigt werden muß, wenn es um diese Frage geht. Sagt man damit nicht, daß alle Juden, die Jesus nachgefolgt sind, einen Fehler begangen haben? Alle Apostel waren leibliche Nachkommen Abrahams. Sie sind für den Glauben an Jesus gestorben, und vorher haben sie schlimmste Verurteilungen und Verleumdungen deswegen erlitten. War das alles ein Fehler und ein Irrtum? Kann eine Kirche sich noch apostolisch nennen, wenn sie so auf die Apostel herabschaut?
Es ist klar. Mit den Aposteln gehen, oder doch wenigstens die Lehre der Apostel an dieser Stelle nicht verlassen, das wird auf Widerstand stoßen. Doch wir stehen und fallen nicht mit dem Widerstand oder der Zustimmung der Welt.
Wie unser Text heute sagt: Wir stehen durch den Glauben, durch Gottes Gnade. Diese Gnade muß allen Menschen bezeugt werden.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild: Francesco Hayez: Die Zerstörung des Tempels von Jerusalem, 1867

7. Sonntag nach Trinitatis

Gnade, Barmherzigkeit, Friede
von Gott, dem Vater
und von dem HERRN Jesus Christus
sei mit euch. Amen.

42 Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
43 Es kam aber Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel.
44 Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam.
45 Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.
46 Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen
47 und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk.
Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.

Apostelgeschichte St. Lukas 2, 42-47

Gebet: Lieber HERR, Dein Heiliger Geist beruft uns auf den Weg des Lebens, bringt Licht durch Dein Wort und sammelt Deine Kinder zur Gemeine der Heiligen – laß das bitte auch bei uns geschehen nach Deinem gnädigen Willen. Amen.

Liebe Gemeinde!
Letzten Sonntag war Taufgedenken.
Hoffentlich haben viele Hörer der Predigt sich bewegen lassen, ihr Taufdatum herauszufinden, und dann Gott zu danken, daß Er durch die Taufe sie zu Erben des ewigen Lebens gemacht hat.
Heute – so möchte man gerne annehmen, wäre dann das weitere Sakrament der Kirche dran, das Abendmahl. In den Kalendern lautet das Thema des Sonntags: „Am Tisch des HERRN“. – In der Lesung aus dem Alten Testament hören wir vom Manna, davon, daß Gott seinem Volk Israel täglich mit Brot vom Himmel speiste, und es für jeden genug gab. Im Evangelium speist Jesus mit 5 Broten und 2 Fischen über 5000 Menschen.
Und in der Epistel zeigt uns Lukas die Urgemeinde direkt nach Pfingsten: Die Gemeinde bleibt unter anderem beständig im Brotbrechen – darüber hinaus gab es in der Urgemeinde eine Gütergemeinschaft: „Sie hatte alle Dinge gemeinsam – verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.“
In allen drei Lesungen für den heutigen Sonntag ist Gemeinschaft unter Menschen Thema – und die wird ganz deutlich in gemeinsamen Mahlzeiten.
Gott will, daß Seine Kinder Essen und Trinken als Seine Gaben in Gemeinschaft empfangen. Gott erwartet auch von Seinen Kindern, daß sie sich der Not vor allem ihrer Brüder und Schwestern im Glauben annehmen und Hab und Gut mit ihnen teilen. – Das ist sehr wahr.
Aber es ist nicht das Sakrament des Altars.
Ich finde das sehr sehr schade.
Das Sakrament des Altars ist nicht etwas, was Menschen miteinander und untereinander teilen.
Jesus Christus selbst, und Er allein, gibt Seinen Leib zu essen und Sein Blut zu trinken allen Christen. Wir Christen teilen im Abendmahl nicht untereinander aus, was Gott uns gegeben hat – sondern wir sind allesamt vor Gott ganz und gar nur Empfangende – denn wir essen und trinken Leib und Blut Christi. Wir sind nicht – auch als Gemeinde nicht! – Geber. Jesus Christus selbst ist und bleibt der Geber, und zwar nach der Ordnung, die er festgelegt hat. Der Pastor ist nur der Diener. Aber als Diener soll er den Leib Christi und Sein Blut reichen, wo das anerkannt und bekannt wird.
Abendmahl und Kirchenkaffee dürfen niemals verwechselt oder vermischt werden.
Wir schmunzeln vielleicht darüber: „Wie kann man denn Abendmahl und Kirchenkaffee miteinander verwechseln? Die sind doch himmelweit unterschieden!?“ Ja, Gott sei Dank unterscheiden wir das. Im Kirchenkaffee tragen Christen bei von den Gaben, die Gott ihnen geschenkt hat, und freuen sich miteinander als Kinder Gottes. Das ist auf jeden Fall christlich; Gott segnet es.
Doch dort empfangen wir nicht Jesus leiblich, und niemand wird sagen, daß wir dort Vergebung der Sünden bekommen.
Das Sakrament des Altars ist ein Gnadenmittel.
Christliche Gemeinschaft, christliches Teilen – das ist eine Frucht des Glaubens, ein Beispiel christlicher Liebe als Kinder Gottes untereinander.
Gottes Gnade macht uns zu Gotteskindern — menschliche, zwischenmenschliche Gemeinschaft kann uns nicht zu Gottes Kindern machen.
Liebe Gemeinde, vielleicht war diese Unterscheidung bei euch nicht nötig. Dann wäre ich dankbar.
Diese Unterscheidung zwischen Abendmahl und Kirchenkaffee ist aber notwendig. Gemeindeglieder haben mir gegenüber schon beklagt, daß sie in anderen Konfessionen fast zur Teilnahme am Abendmahl gezwungen wurden – und die Feier wurde nicht als Gottes Gnadenmittel bezeugt. Nicht Christi Leib und Blut zur Vergebung der Sünden standen im Mittelpunkt, sondern menschliche Annahme untereinander, und menschliches Teilen. Genau das muß unterschieden werden. Es muß gesagt und bezeugt werden.

Gut. Bitte merkt euch das fürs Leben!

Also: Lukas zeigt uns die Urgemeinde von Jerusalem.
3000 Menschen hatten die Apostel getauft nach der gewaltigen Predigt des Petrus. Der Heilige Geist war vom Himmel gekommen und hatte durch die Apostel gewirkt, und der Heilige Geist ging auf die ganze Gemeinde über. 3000 Menschen waren bestürzt und fragten Gott: Wie geht es jetzt weiter?
Das erste war: Laßt euch taufen im Namen Jesu. Unterstellt euch Seiner Macht. – Keine Kirche ohne Taufe. Keine Kirche ohne unbedingte Anerkennung: Die erste Maßnahme Gottes an einem Menschen ist die Taufe. Die Taufe ist die Grundlage für alles andere. Jesus hat die Taufe geboten. Wer bekennt, daß Jesus HERR ist, gehorcht diesem Gebot.
Aber Taufe ist ja heute nicht das Thema.
Diese Getauften aber tun folgendes:

  1. Sie bleiben beständig in der Lehre der Apostel.
    Wer Christ ist, unterstellt sich einer Lehre, nämlich der Lehre der Apostel. Aus dieser Schule kommen wir erst raus, wenn wir von den Toten auferstehen, vorher nicht.
    Ein Christ lernt. Er ist Schüler, Student, Jünger. Wer den Heiligen Geist hat, der hat in sich den Drang zum Lernen. Was sagt Gott? Was ist Gottes Wille? Was ist Gottes Gabe? Was muß ich fürchten? Was muß ich lieben? Was wird Gott in meinem Leben wahrmachen? Was ich an Gedanken, an Kreativität, an Gefühlen mitbringe, ist nicht die Lehre der Apostel. Die Lehre der Apostel ist im Neuen Testament aufgezeichnet; durch den Heiligen Geist, für alle Zeiten. Darum haben wir Lesungen im Gottesdienst. „Bewahre deinen Fuß, wenn du zum Hause Gottes gehst, und komm, daß du HÖREST.“ (Prediger Salomo 4, 17). Ihr seid zum Hören hier. Es gibt manchmal bei Christen einen Drang, im Gottesdienst eigenes zu reden, von sich hören zu machen. Man muß sich die Frage gefallen lassen: Warum? Bist du müde vom Hören? Oder bist du es satt, zu hören? Der Heilige Geist macht, daß die Apostel reden, und zugleich macht der Heilige Geist, daß das, was die Apostel lehren, GEHÖRT wird.
    Aufgrund des Gehörten sollen wir dann Beten und Bekennen und Singen. Aber wer das alles tun will, ohne ausschließlich zu hören, ohne ganz und gar Ohr zu sein, der will etwas in den Vordergrund schieben, was nicht dort hingehört.
  2. Die Lehre der Apostel, das Hören auf Gottes Wort schafft eine Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft fängt an, wo Gottes Wort spricht, und hat ihre Grenze, wo Gottes Wort nicht spricht.
    Die Pfingstgeschichte betont wiederholt: Der Heilige Geist schafft eine leibliche Gemeinschaft. Es ist eine leibliche Stimme, die leibliche Ohren erreicht, und zu Herzen geht. Petrus sprach mit einer Menge Menschen – aber die Menge war so beschaffen, daß alle Hörer nach der Predigt zur den Aposteln kommen konnten. Die Apostel konnten persönlich geradestehen für das, was gesagt worden war. Die Hörer waren mit der Predigt nicht allein.
    Liebe Gemeinde, es gibt keinen Ersatz für die leibliche Versammlung von Christen. Der Heilige Geist kam so. Wir sollen mit Leib und Seele von Gott ergriffen werden. Als ganze Menschen. Darum sollen wir als ganze Menschen uns zur der Versammlung begeben, wo Gott uns Seine Gnade schenkt, wo Gott uns annimmt. Für alles Mögliche unter dem Himmel machen wir uns auf den Weg. Wer einen Gott hat, macht sich für ihn auf den Weg.
  3. Die Getauften, die Gottes Wort hören – als von Gott, und nicht von Menschen (1. Thessalonicher 2, 13) – und sich leiblich versammeln – die bleiben auch beim Brotbrechen. Das ist die Feier des Heiligen Abendmahls. Darüber hatte ich zu Beginn der Predigt schon gesprochen. Was kann ich noch hinzufügen? Christen sind von Gott beschenkt. Sie können sagen: „HERR, wenn ich nur Dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil.“ (Psalm 73, 26). Das ist unser Schatz, das ist unser Reichtum, das ist unser Schmuck, das ist unsere Sicherheit und unser Trost. Wir essen und trinken ihn, wir können und wollen ihn nicht hergeben.
    Was bedeutet das auch? Wir können einander tragen mit Gottes Hilfe, und, wenn es nötig ist, uns tragen lassen.
    Es ist aber eine Gemeinschaft, die nicht von Neid, Mißtrauen, Argwohn oder Negativität geprägt ist. Unter allen Umständen kommt Jesus zu uns und ist unser Schatz. Er verbindet uns mit Gott. Er öffnet die Tür zum Leben, auch aus dem Tod, auch aus der vertracktesten, verknotetsten oder verbocktesten Situation.
    Wir Christen können einander begegnen, ohne uns zu überfordern. Denn die Haupthilfe ist schon da. Darum dürfen wir einander nicht aufgeben.
    Ja, wir können für einander da sein, ohne selbst die Lösung zu wissen. Wir glauben aber, daß Jesus Seine Lösung bringt. Das schwingt auch beim Kirchenkaffee mit. Weil wir es im Abendmahl empfangen haben.
  4. Und im Gebet. Obwohl Christen von Gott schon beschenkt sind, bitten sie. Daß Gott bitte nicht damit aufhört! Und beten für einander. Beten kann man immer. Also, wer denkt, kann auch beten. Es muß sein.
    Wer in die Kirche kommt, der kommt, um Gottes Wort zu hören, und zu beten. Das sind die beiden Hauptsachen. Immer wieder. Und in der Gemeinde helfen wir einander. Beten ist die Erste Hilfe. Bei Gott melden. Das ist der Anfang, der erste Schritt. Und kein Gebet bereuen, oder irgendwie klein machen. Wer Gebete belächelt, oder nicht ernst nimmt, der nimmt Gott auch nicht ernst.
    Genug vom Gebet.
  5. Interessant ist: „Es kam aber Furcht über alle Seelen und es geschahen auch viele Wunder und Zeichen durch die Apostel.“
    Eine Furcht. Man merkt: Der allmächtige, heilige Gott ist hier wirksam. Er kann die Macht der Sünde brechen, und tut es auch. Er erreicht die Herzen der Menschen. Das weckt Staunen. Ehrfurcht.
  6. Wir müssen uns noch Gedanken machen über die Gütergemeinschaft, die von der Urgemeinde gesagt wird.
    „Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam.
    Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.“
    Der Glaube befreit von Neid, Habgier, Geiz, und allem Begehren. Gott heilt unsere Herzen, daß wir frei sind, die Not des Bruders zu sehen. Der Heilige Geist lockert den krallenhaften Griff, den Besitz über uns hat. Der Heilige Geist tut es. Es ist etwas zwischen Gott und mir. Gott gibt es, daß ich in Freiheit beitrage und helfe. Es ist niemals eine zwischenmenschliche Verordnung oder Ergebnis von Druck oder Zwang.
    Wir müssen erkennen, daß Gott diese Lockerung im Verborgenen schon längst begonnen hat.
    Wer diese Worte aus der Apostelgeschichte liest und dann anklagend um sich schaut, oder mit Begehren hofft, Reichtümer ausgeteilt zu bekommen, der hat nichts begriffen. Der beweist damit nur, daß er den Anfang, die Gott schon bei ihm und allen Christen gemacht hat, nicht kennt.
    Wir Christen kommen als beschenkte Menschen zusammen. Gott meint es wirklich gut mit uns. Das ist größer als alles. Daß wir Gottes Kinder sind, wird am Ende das sein, was zählt. Es ist jetzt schon wahr.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild: Lesepult in unserer Kirche (frisch restauriert)

6. Sonntag nach Trinitatis

Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.
3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein
Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt,
4 weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.
5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.
Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln,
6 ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde,
7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.

Jesaja 43, 1-7

Gebet: Lieber himmlischer Vater, laß Dein Wort vollbringen, wozu Du es uns gegeben hat, durch Deine unfaßbare Güte. Amen.

Liebe Gemeinde!
Heute lädt Gott uns besonders ein, auf unsere Taufe zurückzukommen.
Und das ist nichts anderes, als zurück zu Jesus kommen.
Und das ist nichts anderes, als sich darauf zu besinnen, daß Gottes Kinder zum ewigen Leben bestimmt sind.
Denn Jesus macht uns durch die Taufe zu Gottes Erben. Gott will uns alles geben. Uns soll nichts mangeln. Uns soll nichts fehlen an Leib und Seele. Mit Jesus schenkt Gott uns alles. (Römer 8, 32).
Darum ist das Taufgedächtnis mehr als nur eine Erinnerung: Du bist an dem und dem Tag getauft worden.
Diese Erinnerung muß sein. Tut ihr das? Wißt ihr euren Tauftag? Den Tauftag eurer Kinder? Begeht ihr eine Erinnerung? Mit Kerze, mit Liedvers, mit Taufspruch?
Macht es! Schämt euch nicht, es zu tun, und unterschätzt es nicht. Gott macht mehr daraus, als wir darein tun.
Wer ein Erbe ist, sollte niemals so tun, als sei er nicht Erbe.
Wer getauft ist, erbt das größte und sicherste Erbgut.
Paulus schreibt an die Galater:
„Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.
Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. …. Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben.“ (Galater 3, 26-27.29).
Jesus hat alles dafür getan, daß Gott sich für dich entscheidet. Du bist Erbe. Auf dich kommt Großes zu. Das ist seit deiner Taufe wirklich wahr. Du bist durch das Handeln von dem HERRN Jesus in der Taufe an dir auserwählt, berufen, bestimmt, festgelegt, vorgesehen …. es steht fest. Es ist wirklicher, als alles andere im Himmel und auf Erden. Wirklicher als alles, was Du fühlst und denkst, wirklicher als alles, was andere über dich fühlen und denken.
Als solche Erben lädt Gott uns ein, über sein Wort zu staunen.
Der Prophet Jesaja spricht Menschen mit Namen an: Jakob. Israel.
Namen wie Jakob und Israel – das sind nicht Namen von Helden oder herausragenden Menschen nach den Maßstäben der Welt. Die Welt hat sich oft genug über Jakob lustig gemacht. Jakob ist deshalb groß, weil Gott sich für ihn entschieden hat, weil Gott sich an Jakob gebunden hat.

Welche Wirklichkeit wird Jesus durch den Glauben bei Dir immer größer und deutlicher werden lassen?

  1. Dein Name kommt bei Gott vor. Oder, wie Jesus sagt: „Eure Namen sind im Himmel aufgeschrieben.“ (Lukas 10, 20). Wenn jemand sein Handy verliert, dann kann es sein, daß er viele Kontaktdaten verliert. Die Namen sind weg. Schlimm ist es, wenn man feststellen muß: Mein Name sagt einem Menschen nichts mehr. Oder findet meinen Namen nicht in einer wichtigen Liste. Wenn Gott dich bei deinem Namen ruft, dann ist dein Name und damit deine Person vor Gott unzerstörbar, unverlierbar. Ein Name, der aufgeschrieben ist, wird gesucht. Die Person darf nicht fehlen. Sie wird nicht übersehen. Gott will nicht Gott sein ohne dich. Dazu hat er Jesus geschickt. Dafür ist Jesus ans Kreuz gegangen und ins Grab. Darum ist er auferstanden. Damit er dich und deinen Namen auch im Tod finden kann.
  2. „Du bist mein!“, sagt Gott: „Ich gebe diesen hier nicht her!“, sagt Gott. Wem sagt er das? Er sagt es dem Tod. Er sagt es dem Chaos. Er sagt es dem Ankläger, der beweisen will, daß du alle Gebote Gottes übertreten hast und und es verdienst, weggeschickt zu werden. „Dieser hier soll nicht in Einsamkeit untergehen! Er soll nicht endgültig von der Welt betrogen werden! Sein Herz soll nicht dem Geld, oder der Sorge oder der Angst gehören. Nein. Ich gebe ihn nicht her!“, sagt Gott. Durch Jesus sagt Gott das, denn er sucht das Verlorene. Und in deiner Taufe sagt Jesus das dir.
  3. Durch die Taufe sagt Jesus, der Sohn Gottes: „Ich will mit dir sein!“
    „Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.“
    Wasser und Feuer.
    Beide drohen mit Vernichtung.
    Das Wasser spült hinweg. Die Wellen und Wogen bringen alles durcheinander, stellen alles auf den Kopf. Wühlen um und mischen auf.
    Der Prophet Jona beschreibt das deutlich:
    „Du warfst mich in die Tiefe, mitten ins Meer,
    daß die Fluten mich umgaben.
    Alle deine Wogen und Wellen gingen über mich,
    daß ich dachte, ich wäre von deinen Augen verstoßen,
    ich würde deinen heiligen Tempel nicht mehr sehen.
    Wasser umgaben mich und gingen mir ans Leben,
    die Tiefe umringte mich, Schilf bedeckte mein Haupt.
    Ich sank hinunter zu der Berge Gründen,
    der Erde Riegel schlossen sich hinter mir ewiglich.“
    Jona ist aus allem herausgerissen. Von Gott weg, aus dem Leben, aus allem Vertrauen.
    Jona weiß, daß das mit seiner Sünde, seinem Ungehorsam und seinem Mißtrauen zu tun hat.
    „Ich will mit dir sein!“ Sagt Gott in Jesus durch die Taufe zu dir.
    Du wirst mich kennenlernen. Du wirst meine Macht kennenlernen, die dich rausholt. Glaube mir, daß ich dich nicht hergeben werde, sagt dein Gott. Du wirst dein Erbe bekommen. Das ewige Leben mit mir. Dann wird dir Himmel und Erde gehören. Glaube mir das jetzt!
    Das Feuer.
    Das Feuer steht für Gericht. Im Gericht vernichtet Gott alles, was unrecht ist. Was keinen guten Grund hat, daß es existiert, sondern auf Sünde gründet.
    Einmal sagte ich im Konfirmandenunterricht: „Es wäre doch gut, wenn Gott endlich alles Böse verbrennen würde, weg damit!“
    Da sagte einer: „Aber … aber wie weiß ich, ob ich dann nicht auch …?“ Feuer zeigt, ob etwas bestehen kann. Gottes Feuer zeigt: Das haben Menschen ohne oder gegen Gott getan. Es hatte keine Grundlage. Es hatte von Anfang an keine Zukunft.
    Das Feuer Gottes brennt uns Gottes Gebote ein: „Du hättest glauben sollen, aber du hast nicht!“ – „ Du hättest nicht begehren sollen, aber du hast begehrt!“
    Und nun sagt Jesus durch die Taufe zu dir: Ich will mit dir sein, daß dieses Feuer dich nicht verbrennt, oder diese Flamme dich versengt. Du wirst da durch kommen.
    Gerade wenn wir mit dem Konfirmanden sagen: „Aber .. wie weiß ich, ob ich nicht auch …, ja: ich weiß genau, daß ich auch ..“ Das ist die Stunde deiner Taufe. Gott weiß, daß du nicht untergehen wirst. Bei Gott bist du jetzt schon wichtig, groß und schön. Mit anderen Worten: Geliebt.
    Gottes Liebe ist in Jesus erschienen, gekommen, und durch die Taufe ist sie zu dir gekommen. Für immer.
    Es wird Wasser und Feuer geben. Chaos und Gericht.
    Aber die Liebe Gottes ist größer. Nicht du mußt aus eigener Kraft überleben. Der allmächtige Gott, der dich geschaffen hat, und bei deinem Namen gerufen, der ist mit dir. Du bist oben auf Gottes to-do Liste.
    „Johann Hillermann rausholen.“ Tragt euren Namen dort ein. Genau das passiert auch bei jedem Gebet. Jedes Mal, wenn wir das Glaubensbekenntnis sprechen. Auf unserer Seite ist es vielleicht etwas Kleines. Aber es beweist, daß wir Erben Gottes sind und etwas Größeres gibt es nicht.
    Gottes Liste sieht so aus, daß dein Name ganz oben ist. Für jeden Getauften ist das so. Denn für jeden hat Gott Seinen Sohn gegeben. Jeden liebt Gott so, als wäre er der einzige.
    Ein Senfkorn Glaube bringt uns das ganze Erbe.
    Mit einem Bekenntnis zu Jesus werden Himmel und Erde zu unseren Dienern, wie Paulus schreibt: „Denen die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.“ (Römer 8, 28) – Auch Wasser und Feuer.
  4. Danach spricht der Prophet Jesaja sehr alttestamentlich:
    „Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein
    Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt, weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.“
    Israel konnte erleben, daß andere Völker um seinetwillen geschlagen wurden. Als es aus Ägypten auszog, wurde der Pharaoh und sein Volk furchtbar von Gott geschlagen. Es gab unzählige Tote. So nennt der Prophet auch andere Völker.
    Wir können das nur verstehen, wenn wir bedenken, daß diese Völker ihre Identität im Götzendienst hatten. Sie vergötterten einen Teil der Schöpfung und wollten durch Wissenschaft, oder durch Krieg oder andere Mächte stark sein und ihr Leben sichern. Das forderte Gottes Gericht heraus. Der Mensch setzt sich an Gottes statt. Das geht nicht gut.
    Wir sind umgeben von Menschen, die sich auf falsche Götter verlassen. Ja, oft gehören wir dazu, ohne es zu merken. Wir lassen uns vom Geld definieren. Wir verschleudern die Aufmerksamkeit unserer Seele an vergängliche Bilder, die aktuell sind. Wir fürchten uns vor jede dunkle Zukunft, die uns vorgegaukelt wird. Menschen leben für eine Zukunft, in der Gottes Ordnung von Mann und Frau endgültig überwunden, zerstört, vergessen und ersetzt sein wird. Sie tun alles dafür.
    Die Kinder Gottes kommen sich sehr schwach und klein dagegen vor. Die Zeichen für diesen Aufstand gegen den Schöpfer sind allgegenwärtig.
    Nun hören wir, die im Namen Jesu getauft sind, die mit ihm durch die Taufe dieser Welt mit ihren Götzen gestorben sind: Das wird am Ende nicht gegen euch sprechen. Euer Glaube ist jetzt schön größer als das alles. Sie werden ihr Ziel nicht erreichen. Du wirst dein Ziel erreichen. Ich habe dich lieb. Du bist mein Schatz, den ich nicht hergebe, so wahr ich Gott bin.
  5. Letztens und kurz – aber auch wichtig. Wer getauft ist, gehört zur größten und stabilsten Gemeinschaft, die es gibt. Durch den Glauben; immer und nur durch den Glauben.
    „Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln, ich will sagen zum Norden: Gib her!, und zum Süden: Halte nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.“
    Gott sucht und sammelt. Gott ist wie auf dem Flohmarkt der Welt unterwegs, und sammelt. Aus allen Richtungen. Keine Umstände, keine Vergangenheit hält Gottes Liebe auf. Menschen wollen oft beweisen, warum sie nicht glauben können. Weil es eine Erfahrung gibt, oder was auch immer. Und verstecken sich im Norden ihrer Kindheit oder Osten im Osten eines weltlichen Erfolges oder Westen eines Schicksalsschlages – und wenn du am Ende bist:
    Du fehlst in Gottes Sammlung.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

5. Sonntag nach Trinitatis

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger;
36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!
37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister –, wo ist deine Herberge?
39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.
40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus.
41 Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte.
42 Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.
43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!
44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Petrus.
45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.
46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es!
47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.
48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.
49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!
50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen.
51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.

Johannes 1, 35- 51

    Gebet: O Herr, Du rufst. Mach bitte, daß wir Deine Stimme hören, damit wir zu Dir kommen, und sind, wo Du bist. Amen.

    Liebe Gemeinde!
    „Folge mir nach!“ – „Komm mit!“ – Jesus kommt nicht nur auf uns Menschen zu, sondern er ruft auch.
    Fast in jeder Bibelstunde, wo es um diesen Ruf geht, wo wir hören: „Sofort verließen sie alles und folgten ihm nach“, (z.B. im heutigen Evangelium Lukas 5, 11) wird gefragt: Kann es sein, daß Petrus oder Andreas, oder die anderen Jesus vorher schon kannten? Oder sind sie einfach einem völlig fremden, unbekannten Mann gefolgt? Hatten sie ein Bild, eine Vorstellung von Jesus?
    Heute hören wir aus dem Johannes-Evangelium etwas anderes.
    Andreas steht mit Johannes dem Täufer. Johannes der Täufer zeigt auf Jesus und sagt: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“, und Andreas folgt Jesus nach, zusammen mit einem anderen Jünger Johannes des Täufers. Sie besuchen Jesus, und „bleiben bei ihm“. Dann erst teilt Andreas diese Begegnung mit seinem Bruder Simon, der dann Petrus heißen wird:
    „Andreas findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.“
    Wir sehen also: Bevor Jesus Petrus in die Nachfolge ruft, geschehen noch andere Dinge, die der Evangelist uns berichtet.
    Nun kann man fragen: „Was ist denn nun wahr?“ – Ist Jesus auf Petrus zugekommen – wie wir das bei Lukas hören, und noch sehr abgekürzt bei Matthäus (Matthäus 4, 20) – oder das, was wir hier von Johannes hören?
    Entweder kam Jesus auf Petrus zu, und rief ihn: Folge mir nach! – Oder Petrus wurde von seinem Bruder Andreas zu Jesus geführt.
    Nun. Bei dem Evangelisten Johannes kann man davon ausgehen, daß er die anderen Berichte kannte und voraussetzte. Sein Evangelium ergänzt die anderen Evangelien. Das ist ein Teil seiner Absicht.
    Er deutet an, daß Johannes der Täufer eine entscheidende Rolle spielte, und daß von Anfang an das persönliche Zeugnis von Gott benutzt wurde, Sein Reich zu bauen.
    Simon „findet zuerst seinen Bruder Simon, und sagt: Wir haben den Messias gefunden, und führt ihn zu Jesus.“
    Gleich danach „findet Philippus Nathanael, spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem das Alte Testament geschrieben hat“, und sagt dann zum Nathanael: „Komm und sieh!“. Komm und sieh – eine Einladung.
    Dieses Wort „finden“ fällt hier auf. Man findet, was man sucht. Man sucht, was einem wichtig und kostbar ist. Wenn ich etwas gefunden habe, dann ist meine Welt mehr vollständig und ganz. Was ich finde, ist schon oder wird dann Teil meines Lebens.
    Andreas und Philippus „finden“ jeweils Simon Petrus und Nathanael nachdem Jesus sie gefunden hat. Sie wollen, daß der Bruder oder der Freund auch finden, oder gefunden werden.
    „Komm und sieh!“ Das ist eine wunderbare christliche Einladung.
    Sie geschieht. Ich muß sagen, daß ich es als ein Geschenk Gottes erlebe und annehme, wie häufig es gerade hier bei uns in der Hütte Gottes geschieht. Immer wieder sind Gäste da, die von Gemeindegliedern eingeladen wurden: „Komm und sieh!“ Ja, alteingesessene Gemeindeglieder, die jahrzehntelang treu in den Gottesdienst kamen, sich aber an den Gedanken gewöhnt hatten: Was wir hier machen, das interessiert doch niemanden! – Gerade diese müssen erleben: Ja, man interessiert sich wirklich für das, was hier geschieht, für das, was Gott hier durch Wort und Sakrament baut.
    „Komm und sieh!“ – Das hat zwei Aspekte:

    1. Wer so einlädt, der zeigt nicht auf sich selbst. Es geht nicht darum, sich selbst darzustellen, oder sich selbst für etwas Besseres zu halten. Wir kommen nicht, um in erster Linie das zu sehen, was wir Menschen untereinander tun. Sondern wir kommen und sehen, was Gott getan hat und tut, wir hören, was Gott uns in Seinem Namen sagen läßt. Eine christliche Gemeinschaft ist nicht die Summe von dem, was Einzelne beitragen. Eine christliche Gemeinschaft lebt immer davon, daß Gottes Worte und Taten groß werden, bis dahin, daß ich merke, was ich und was andere tun, ist Gottes Gabe.
    2. Wer so einlädt, steht dafür ein, was hier bezeugt und gefeiert wird. Wenn jemand nicht überzeugt ist, wird er seine Freunde auch nicht einladen. Umgekehrt: Wer einlädt, der steht dahinter, und vertraut und hofft darauf, daß der Freund auch sieht, was Gott tut.
      Das ist eine Glaubenssache. In der Epistel haben wir gehört: „Die Juden fordern Zeichen – also spektakuläre Wunder – und die Griechen fragen nach Weisheit –also nach dem, womit man in der Welt vorankommt.“ Aber Gott handelt anders. Wer Menschen zu Jesus führt, riskiert es, daß der gekreuzigte Christus seinen Freunden als ein Ärgernis oder eine Torheit erscheint. Und dann steht man selber da wie ein Ärgernis.

    „Komm und sieh!“ – Der christliche Glaube wird nicht in erster Linie durch Diskussionen verbreitet. Christen überfordern sich, und ihre Freunde, wenn sie durch menschliche Überredungskunst, durch Argumente, Beweise allein den Glauben bezeugen.
    Denn Jesus ist mehr, als auch der erfahrendste Christ von ihm denkt. Darum ist es nicht genug, zu diskutieren. Einladen gehört unbedingt dazu. „Komm und sieh!“
    Diese Einladung ist immer und ganz und gar eine Glaubenssache. Wer einlädt, der glaubt fest: Gott und Sein Wort werden auch an diesem Menschen wirken. Jesus wird auch diesen Menschen rufen. Das Evangelium ist auch für diesen Menschen eine Notwendigkeit. Auch dieser Mensch braucht Gnade und Vergebung. Gott kann das tun. Das kann ich nicht durch Argumente oder Diskussion beweisen. Das wird Gott selbst beweisen. Der Glaube legt es in Gottes Hand.

    Der Glaube muß aber noch größere Dinge erkennen, und wird noch größere Dinge erleben.

    1. Bei Simon und bei Nathanael tut Jesus etwas Göttliches.
      a. Als Andreas seinen Bruder zu Jesus führt, gibt Jesus dem Simon einen neuen Namen: „Du bist Simon, Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.“ Simon wird vor Jesus zu einer neuen Person. Jesus gibt ihm eine neue Identität. Jesus definiert ihn.
      b. Jesus sagt zu Nathanael: „Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.“ Jesus als der Sohn Gottes kennt und sieht dich. Er sieht, wo du herkommst. Er durchschaut, wie du zu dem Menschen geworden bist, der du jetzt bist. Und Jesus steht dem allen frei gegenüber.
      Mit anderen Worten: Jesus übt Macht aus über Menschen. Er wird ihr HERR.
      Was hier in diesen Mauern sich abspielt, was in unserem Gemeindebrief steht an Gottesdiensten, Kirchenmusik, Hauskreisen, alles ….
      Es ist nur zu 1 % etwas zwischen Freunden, zwischen Menschen.
      Das muß uns bewußt werden.
      Ich fragte am Anfang der Predigt: Wie war es denn nun? Kannten die Jünger Jesus, bevor er sie rief: „Folge mir nach?“ – Im Johannesevangelium wird uns gesagt: Johannes der Täufer zeigte auf Jesus, und Andreas und Philippus trugen dazu bei, das Simon Petrus und Nathanael zu Jesus kamen.
      Nun können wir erkennen: Jesus ist der HERR über das alles. Er hat als der Sohn Gottes Johannes den Täufer als seinen Vorläufer eingesetzt. Er als der Sohn Gottes hat gemacht, daß Andreas seinen Bruder Simon „fand“, und daß Philippus seinen Freund Nathanael „fand“.
      Was wir sehen, ist 1%. Wir sehen: Ein Gemeindeglied lädt einen Freund ein. Unsere Internetseite liefert die Information, die hilft, daß Menschen in die Annenstraße kommen. Der Schaukasten …. aber vor allem das eigene Zeugnis: Komm und sieh! – Das sehen wir.
      Doch bei Gott geschieht das Meiste und Größte.
      Während wir hier im Namen Jesu versammelt sind, das sagt Jesus uns, ist der Himmel offen.
      „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen. Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.“
      Wo Jesus ist, da ist der Himmel offen. Alles ist offen vor Gott.
      Unsere Sünde ist offen vor Gott. Unsere Not ist offen vor Gott. Unsere Gebete steigen auf.
      Aber auch Gottes Gaben kommen bei uns an. Engel begleiten Gottes Wort. Wir empfangen unser Leben und einander als Gottes Gabe. Diese Wahrheit trägt uns und verbindet uns.
      Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

    Beitragsbild: Die Berufung der Apostel Petrus und Andreas, Duccio di Buoninsegna, 1308-1311

    Mariä Heimsuchung

    Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
    und die Liebe Gottes,
    und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes,
    sei mit euch allen. Amen.

    1 Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.
    2 Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.
    3 Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören,
    4 sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und
    mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten.
    5 Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften.

    Jesaja 11, 1-5

    Gebet: Lieber Gott, bitte segne jetzt Reden und Hören. Amen.

    Liebe Gemeinde!
    Mariä Heimsuchung. Das ist der 2. Juli.
    Maria, die Mutter Gottes, sucht Elisabeth daheim auf. Maria besucht Elisabeth. Das ist Mariä Heimsuchung.
    Zwei Frauen begegnen einander.
    Zwei schwangere Frauen begegnen einander.
    Der Mittelpunkt der Geschichte ist die Begegnung zwischen Johannes, dem späteren Täufer, und Jesus, dem ewigen Sohn Gottes.
    Johannes ist im Leib seiner Mutter Elisabeth.
    Jesus ist im Leib seiner Mutter Maria.
    Sie begegnen einander und erkennen einander, obwohl sie beide noch verborgen im Mutterleib sind.
    Das bezeugen ihre werdenden Mütter, damit es vermittelbar ist.
    Elisabeth, die hochbetagte Frau, wurde gegen alle Erfahrung im Alter schwanger von ihrem Mann Zacharias, dem Priester.
    Der Erzengel Gabriel hatte die Geburt dem überforderten, zweifelnden Zacharias im Tempel angekündigt.
    Der selbe Gabriel wurde gesandt zu der Jungfrau Maria, um ihr zu verkündigen, daß sie den Sohn Gottes zur Welt bringen würde. Maria zweifelt nicht, sondern fragt: Wie soll das zugehen, sintemal ich von keinem Manne weiß? Der Erzengel sagt es ihr, und verweist auf ihre Verwandte Elisabeth: Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Da glaubt Maria und sagt: Siehe, ich bin des HERRN Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast.
    Maria ist verlobt. Eine Schwangerschaft ist das letzte, was man von ihr erwartet. Elisabeth ist der einzige Mensch auf Erden, mit dem sie sprechen kann. Niemand wird sie sonst verstehen. Jeder wird nur Ehebruch sehen, eine andere Erklärung kann es nicht geben. Darum eilt Maria zu Elisabeth, um sie zu besuchen, heimzusuchen.
    Was kann Maria der alten, würdigen, strengen Elisabeth sagen? Wie soll Maria überhaupt anfangen, darüber zu sprechen? „Du. Tante Elisabeth, du wirst es nicht glauben, aber …. also, ich war ganz normal zuhause, da ….Tante Elisabeth, ich verspreche dir, daß …“ Wie konnte Maria denn wissen, daß sie wirklich schwanger ist? War sie es überhaupt?
    Und dann diese unendlich zarte Begegnung!
    Bevor Maria überhaupt ein Wort aussprechen muß, spricht Elisabeth die ganze Wahrheit so aus, daß Maria nichts, aber auch gar nichts erklären muß, sondern Gott lobt und preist mit ihrem unvergänglichen Lobgesang, der jedem Christen die Tür zur ewigen Freude öffnet. Wer bei Gott ist, freut sich mit Maria über diese Tat Gottes, er sich mit Maria über Jesus freut, ist bei Gott.
    „Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.“
    In dem Augenblick weiß Maria alles; es ist alles einfach wahr:

    1. Elisabeth ist schwanger in ihrem Alter – also ist bei Gott kein Ding unmöglich. 2. Der Engel war keine Einbildung. 3. Die Worte des Engels sind wahr. 4. Sie, die Jungfrau, ist schwanger. 5. Sie trägt Gottes Sohn ihn ihrem Leib. 6. Gott erfüllt seine seine Verheißung, Gott macht Sein Wort wahr, Gott hält Sein Versprechen. Alle diese Wahrheiten sind ihr mit einem Mal gewiß und klar.
      Jetzt ist ihre Freude vollkommen und unzerstörbar. Gott beweist sich an ihrem Leib. Mit dem, was Maria unter ihrem Herzen trägt, wendet der allmächtige Gott sich der ganzen elenden, verlorenen Menschheit zu.
      Liebe Gemeinde, die Heimsuchung Mariä ist der zweitkleinste Beweis für Gottes Wahrheit: Das Hüpfen der ungeborenen Johannes des Täufers. So ein unwirklich kleine, verborgene Regung, die nur seine Mutter spürt. Da ist Gott mit Seiner ganzen Macht und Wahrheit drin.
      Der kleinste Beweis ist die Zellenteilung in Maria am 25. März, als der Erzengel Gabriel ihr verkündigt und sie glaubt. Mit der Zellenteilung, in der Gott selbst ist, wird alles für immer anders.
      Für dich und dich und auch für dich.
      Liebe Gemeinde, müßten wir nicht jedes Jahr Mariä Heimsuchung feiern, und uns in dieses Geheimnis, in diese ganz göttliche Freude hineinsteigern, die in den 100%ig ganz weiblichen Leibern von Elisabeth und Maria ereignet?
      Ist das nicht eine Freude, die entstehen muß, wenn wir alles Begehren, alle Sorge, alle Angst, allen Frust aus dem Sinn bannen und liegen lassen, um bei diesen beiden heiligen Frauen zu sein, und ihre einmalige Freude teilen? Es muß sein!
      Diese Begegnung schwebt und schwingt und schimmert mit, überall, wo Christen sind. Wir müssen sie im Herzen tragen, dann tut sie sich uns auf. Ja. Auch wir Männer müssen sie mit Gottes Hilfe als Geheimnis in uns tragen. Die Frauen erst recht. Auch die unbedingte Ehrfurcht von dem Ungeborenen Leben im mütterlichen Leib. Das sind wir Männer und Frauen einander als Christen schuldig.
      Liebe Gemeinde, an dem Tag Mariä Heimsuchung wird die Materie durch Gottes Geist untergeordnet und in Gottes Ordnung gefügt. Elisabeth ist voll des Heiligen Geistes – der macht es ihr möglich, Maria so zu grüßen.
      Die Materie, das Fleisch, das Diesseitige, das, was der Mensch aus sich heraus ist, oder glaubt zu sein, könnte und kann das nicht. Der Heilige Geist macht das Unmögliche möglich: die Alte Elisabeth wird schwanger – gegen die Natur; und die Jungfrau Maria wird schwanger – gegen die Natur.
      Der Heilige Geist ist nicht Teil der Natur. Der Heilige Geist ist niemals Materie, sondern Er ist alle dem überlegen.
      Das sagt uns unser Predigttext aus Jesaja 11.
      Gott sagt: Aus dem Stamm Isais wird ein Nachkomme entsprossen. Isai war der Vater des Königs David. Maria war Nachkomme Davids. Aus ihr entsproß der Nachkomme, der alle Menschen angeht. Gott kündigt sich an. Gott erkennen und begegnen geschieht im Geist. Und der Geist kommt mit Gottes Sprechen. So wie jetzt auch.
      Der Nachkomme wird leiblich hervorgehen. Geboren werden. Also in dem Leib einer Frau empfangen werden und unter Gottes Aufsicht entstehen. Ganz leiblich. Ganz Fleisch. Ganz Materie. Aber auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN. Also: Gottes Geist wird ihn bestimmen. Ganz und gar. Obwohl Jesus leiblich ist, materiell ist, wird nichts von dem, was der sagt und tut, von Materie bestimmt. Die Materie dient nur, und bestimmt nicht. Was Jesus sagt und tut, ist aller Materie überlegen. Nichts, was Jesus sagt und tut, ist Zwang. Oder das Ergebnis von höheren Umständen. Dieses Reis aus dem Stamm Isais, dieser Zweig aus der Wurzel ist nicht ein natürliches Gewächs aus sich selbst heraus, einfach ein natürlicher Prozeß. Sondern alles ist vom Geist Gottes bestimmt. Gott ist so frei, so zu handeln, so zu gestalten, so zu schaffen.
      Gott ist gegenüber dem Alter der Elisabeth und der Jungfrauschaft Marias völlig frei, ihnen überlegen. Gott schafft das Unmögliche, das bezeugen die alte Elisabeth und die Jungfrau Maria.
      Gottes Geist ist frei. Paulus sagt: Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit. (2. Korinther 3, 17).
      Es ist eine heilige Freiheit. Nicht Willkür. Es ist nicht Freiheit, die die Materie, den Leib, Gottes Geschöpf verachtet, oder zerstört. Es ist die eine göttliche Freiheit, die es vermag, einen neuen Menschen zu schaffen. Einen neuen Menschen, der selbst vom Heiligen Geist erfüllt ist. Der also Teil hat an Gottes heiliger Freiheit.
      Jesaja beschreibt den Heiligen Geist, wie seine Freiheit von der Materie frei ist.
      „Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN:
      der Geist der Weisheit und des Verstandes,
      der Geist des Rates und der Stärke,
      der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.“
      Weisheit: Unterscheidet Wichtiges und Unwichtiges. Weisheit schmeichelt nicht dem Wichtigen und Verachtet nicht das Unwichtige. Weisheit ordnet. Damit alle Gaben Gottes unverletzt vorkommen. Das kann die Materie, das Fleisch nicht leisten.
      Verstand: Erkennt das Besondere an der Schöpfung, an einer Person, erkennt Eigenschaften. Das kann nur der Geist Gottes. Die Materie reagiert nur, und das Fleisch nimmt nur wahr: Paßt das zu meinem Begehren oder nicht? Der Geist ist frei. Und sieht das Besondere, auch in einer Situation, das Einmalige. Das wofür gedankt werden kann und muß. Das wofür gebetet werden muß.
      Rat: Lösung für Probleme; Ausweg aus dem Labyrinth. Heilung für Krankheit. Gerechte Einteilung von Gütern. Hilfe zu guten Entscheidungen. Die Materie, das Fleisch gibt auf. Oder wird gewaltsam, ungeduldig.
      Stärke: Widerstände überwinden, Mut, unverzagt Handeln im Vertrauen auf Gottes Hilfe. Das ist göttliche Freiheit. Die Materie, das Fleisch ist bequem, oder sieht keinen Weg. Fleisch und Materie sieht keinen Weg, und deshalb keine Möglichkeit, frei zu sein.
      Erkenntnis: Ein Sinn für die Wirklichkeit mit Liebe.
      Es wäre viel darüber zu sagen.
      Mir kommt es darauf an, daß alle diese Gaben des Heiligen Geistes zur Freiheit führen, weil sie von Anfang an frei sind. Sie sind so frei, wie Gott. Und Gottes Freiheit kommt zu uns, um uns frei zu machen.
      Jesus sagt das ganz deutlich: „Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Und wenig später: „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Der Knecht bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig. Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ (Johannes 8, 31.34-36).
      Um von Sünde frei zu werden, muß Gottes Freiheit zu dir kommen.
      Maria und Elisabeth haben Gottes Freiheit in einmaliger Weise an ihrem eigenen Leib erfahren. Darum sollen wir uns mit ihnen freuen. Ihre Freude ist es, daß Gott Seine Freiheit praktiziert, indem er hält, was Er verspricht. Und Gott tut es so eindeutig und so klar, daß sie ihren eigenen weiblichen Leib und ihre Mutterschaft verleugnen müßten, wenn sie Gott nicht glauben wollten. Gott tut es so, daß sie beide sagen können: „So wahr, wie ich weiß und erlebe, daß in meinem weiblichen Leib ein Kind ist, so wahr, wie ich jetzt Mutter werde, so wahr ist alles, was Gott in seinem Wort versprochen hat.“
      Jesus ist diese leibhaftige Überlegenheit und Freiheit Gottes für dich. Die Materie kann und wird ihn nicht aufhalten. Er wird dir vergeben, von Sünde befreien, und der Tod wird ihn nicht aufhalten.
      Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in diesem Christus Jesus. Amen.

    Beitragsbild: Mariae Heimsuchung, Giotto di Bondone (1266–1337)

    2. Sonntag nach Trinitatis

    Gnade, Barmherzigkeit, Friede
    von Gott, dem Vater
    und von dem HERRN Jesus Christus
    sei mit euch.
    Amen.

    15 Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot ißt im Reich Gottes!
    16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
    17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
    18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muß hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
    20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
    21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
    22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.
    23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, daß mein Haus voll werde.
    24 Denn ich sage euch, daß keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

    Lukas 14, 15-24

    Gebet: HERR, segne heute Dein Wort an unseren Herzen, laß es große Dinge tun. Amen.

    Liebe Gemeinde!
    Höflichkeit ist gut, ist aber nicht genug.
    Man braucht Umgangsformen, um sich selbst nicht im Weg zu stehen. Zuhören können, Vortritt lassen, gegenseitige Wertschätzung, Rücksicht nehmen – alles Dinge, die ein Mensch lieber früher als später im Leben lernen sollte.
    Im heutigen Evangelium haben dreieinhalb Fälle von Höflichkeit. Nicht ganz vier.
    Für sich genommen, tun sie nichts Falsches, aber dem Reich Gottes gegenüber ist es nicht genug.
    Die erste Höflichkeit ist gleich am Anfang des Textes:
    „Einer, der mit zu Tisch saß, sprach zu Jesus: Selig ist, der das Brot ißt im Reich Gottes!“ Das war nämlich gerade Thema gewesen. Es ging um Einladungen, Festessen, welchen Platz man bei Tisch hat – und da fand ein Gast es nun besonders passend, diese Worte zu Jesus zu sagen. Denn Jesus war ja ein Lehrer oder Prophet, da konnte man mit diesen Worten nichts falsch machen: „Selig ist, der das Brot ist im Reich Gottes!“ – Denn: Wer weiß, wann das Reich Gottes kommt, oder wo es ist! Jesus der Lehrer kann sich freuen, daß ich kein Problem mit ihm habe und so etwas Allgemeines sage!
    Das ist höflich. Es soll Jesus als Lehrer schmeicheln. Jesus hatte viele Kritiker und Gegner. Hier war mal einer, der mit Jesus kein Problem hatte. Sehr freundlich!
    Aber es ist nicht genug. Es ist gut gemeint, aber bekanntlich ist ja das Gegenteil von gut eben: Gut GEMEINT.
    Doch Jesus bleibt auch freundlich. Er sagt dem höflichen Zeitgenossen nicht direkt: Du bist dabei, das Reich Gottes in Ewigkeit zu verpassen; deine Höflichkeit ist an dieser Stelle ein Problem! – Das sagt Jesus nicht direkt, sondern in einem Gleichnis.
    Es ist die große Einladung zum Fest.
    Alle Gäste wissen Bescheid. Es ist eine riesige Ehre eingeladen zu werden. Sie sollen dazugehören. Sie wissen, daß das Fest näherkommt.
    Die Vorbereitungen laufen schon. Essen, Trinken, Schmuck, Musik, Unterhaltung, Tische: Alles wird zum Wohl und zur Freude der Gäste zusammengebracht, an nichts wird gespart.
    Und dann kommt das Zeichen: Ist es soweit? – Ja, es ist soweit!
    Jetzt geht der Knecht los und ruft die Gäste hinein. Kommt, denn es ist alles bereit!
    Es hagelt Höflichkeiten:
    „Es tut mir so leid! Ich bitte um Verständnis! Ich habe gerade einen Acker gekauft, ich MUß den jetzt besehen. Gerade jetzt! So ein Pech! Also nächstes Mal komme ich dann bestimmt, ja? Das wird bestimmt schön. Ich bitte dich, entschuldige mich!“
    Der nächste hat gerade 5 Joch Ochsen gekauft. Dasselbe Problem.
    Das sind schon 3 ganze Höflichkeiten.
    Dann die eine halbe Höflichkeit:
    „Ich habe eine Frau genommen, und kann nicht kommen.“ Keine Entschuldigung. Warum? Das muß man doch nicht erklären! Das wird jeder verstehen. Ich habe eine Frau genommen, das ist jetzt das Allerwichtigste.

    Höflichkeit ist: Nichts falsch machen.
    Einen Acker, oder 5 Joch Ochsen kaufen ist nichts Böses, eine Frau heiraten schon gar nicht. Gott gibt Seine Gaben. Und wir sollen sie dankbar annehmen.
    Es ist gut gemeint, aber jetzt das Gegenteil von gut.

    Liebe Gemeinde! Der Mann, der kein Problem mit Jesus hatte, hat ein riesiges Problem, das ist, was Jesus ihm klarmacht.
    Denn der höfliche Mann könnte durch seine Höflichkeit das ewige Leben verpassen. Das eine Fest Gottes.

    Jesus übertreibt fast immer in seinen Gleichnissen.
    Hier hält man die Luft an, weil diese geladenen Gäste sich so selbstgefällig entschuldigen. Sie wußten doch vorher, daß das Fest kommt. Der Acker, oder die Ochsen wären nicht verlorengegangen, wenn ihre höflichen Käufer erst zum Fest gegangen wären. Sie hätten sich mit ihrer ausgewählten Höflichkeit ja auch bei den Geschäftspartnern entschuldigen können! – Und der stolze Bräutigam hätte sicher seine Braut überzeugen können, mitzukommen auf dieses sagenhafte Fest.
    Aber nein! Sie lassen das Einmalige links liegen, und halten sich fest an dem, was sie für ihren Alltag organisiert haben.
    Das ist die eine Übertreibung im Gleichnis.
    Die andere Übertreibung ist der unbändige Wille des Gastgebers zu Feiern. Das Fest MUß stattfinden!
    Der Knecht wird zweimal losgeschickt, die unwahrscheinlichsten Gäste einzuladen:
    „Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
    Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.
    Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, daß mein Haus voll werde.“
    Der Herr will, daß das Fest gefeiert wird, das Haus soll voll werden. – Mit Leuten, die damit überhaupt nicht gerechnet hatten. „Nötige sie, hereinzukommen!“ – Die werden ja sagen: Moment, also, ich? Ich passe doch nicht! Ich bin doch nicht fein genug! Gerade die Armen, Blinden, Verkrüppelten und Lahmen – was wird das für eine Gesellschaft?
    Egal! Glaubt mir, sagt der Knecht, das ist jetzt für euch, so kommt doch!
    Und dann wird es ganz ganz ernst. Der Herr sagt: „Ich sage euch, daß keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.“
    Das haben sie dann von ihrer ausgesuchten Höflichkeit: Sie sind für immer draußen. Sie werden mit ansehen, wie die Letzten die Ersten sind – im Fest, und wie sie, die die Ersten waren, auf einmal die Letzten sind.
    Das sagt Jesus dem höflichen Gast, der nichts Falsches sagt, und mit Jesus kein Problem hat.
    Du hast ein Problem. Und diese anderen, von denen du meinst, daß sie ein Problem haben, diese Armen, die werden große Freude haben.
    Jesus ist freundlich genug, dem Mann ein Gleichnis zu erzählen, damit er von selbst darauf kommen kann: Das Reich Gottes ist nicht irgendwo weit weg, so daß man höflich, aber unverbindlich darüber plaudern kann. Aber nicht nur das: Jesus spricht über sich selbst. Denn er ist der Knecht, der zum Fest ruft.
    Und Gott ist der Herr, der ein Fest bereitet hat, und mit Seinem göttlichen Willen absolut nicht zu bremsen ist: Das Fest WIRD gefeiert. Es kann keinen guten Grund geben, diese Einladung abzulehnen. Warum? Weil alles auf dem Fest Gottes größer und mehr ist, als Acker, Ochsen und eigene Hochzeit.
    Man muß genauer hinsehen:
    Die ursprünglich geladenen Gäste sind das Volk Israel. Die wußten Bescheid, daß das Reich Gottes kommt. Gott hatte Sein Volk schriftlich eingeladen. Durch das Gesetz und die Propheten wußte das Volk Israel: Wir sollen alle anderen Götter ignorieren, alle Gaben von unserem Gott annehmen, und Seine Gebote einhalten. Nichts eigenmächtig tun oder nehmen, sondern immer Gott vor Augen behalten. Denn am Ende ist ein Fest.
    Ein Fest ist ja so: Es ist alles für dich: Die Speisen, die Getränke, die Musik, die Unterhaltung: Es ist alles zu deiner Freude bereitgestellt. Mit viel Mühe, vielen Kosten, viel Arbeit. Alle Vorbereitungen haben deine Freude im Blick gehabt, damit du Freude hast mit allen deinen Sinnen. Du als Gast mußt nur deinen Platz einnehmen. Die Zeit abwarten, und dich vom Festordner ordnen lassen: Jetzt eintreten, jetzt setzen, jetzt diese Speise, jetzt diese Musik.
    So hat Gott Seinen Willen kundgetan. In Seinen Geboten. Jede Gabe Gottes hat auch ihre Regel, ihre Ordnung. Damit wir sie als GOTTES Gabe empfangen können.
    Die Sünde hat das alles zerstört. Falsche Götter zerstören unsere Seele. Falsche Medien ebenso. Respektlosigkeit schadet sich selbst. Gottes Gaben werden verdorben und verwüstet.

    Darum hatte Gott Israel verkündigt: Es kommt das Fest der Versöhnung, der Vergebung. Gottes Sohn wird kommen, er wird die Macht der Sünde brechen, und Frieden schaffen. Gerade die Propheten haben Israel darauf vorbereiten müssen.
    Dann kam Jesus, der das Fest in Person ist. Er bringt die Vergebung. Er bringt die Freude, die jetzt anfängt, und nicht mehr aufhört. Er bringt die Heilung.
    Und mußte die Erfahrung machen: Alle haben ihre Gründe, nicht zu kommen, nicht zu glauben. Viele blieben höflich, aber sie folgten ihm nicht.
    Sie schienen nichts Falsches zu tun.
    Aber wenn das Richtige bedeutet: Ich folge Gottes Einladung nicht, dann ist das Richtige tödlich.
    Vor der großen Einladung mußte der Acker mindestens an den zweiten Platz. Im Angesicht der großen Einladung mußten die Ochsen für einen Moment komplett vergessen werden. Das kleine Hochzeitsfest des Mannes mit der halben Höflichkeit war einfach nichts im Vergleich zu dem Fest mit Gott.
    Jesus mußte dem Mann da bei Tisch klarmachen:
    Ich hier, ich bin jetzt das Größte, Notwendigste und Wichtigste, denn ich bin gekommen, deine Seele zu retten.
    Und was hilft es, wenn du die ganze Welt gewinnst, aber deine Seele schadest?
    Trachte am ersten nach dem Reich Gottes, dann wirst nicht nur einen Acker haben, sondern Himmel und Erde erben!
    Glaube mir, und du wirst nicht nur 5 Joch Ochsen haben, sondern du wirst genug zu danken haben, daß du mit dem Danken nicht aufhören kannst!
    Nimm meine Liebe an, und dann wird deine Liebe zu deiner Frau ein Segen sein!
    Wenn deine Seele nicht in Sicherheit ist, dann hilft dir dein Acker nicht, dann helfen auch nicht die Ochsen, und dann hilft leider auch nicht deine Ehe.
    Die Seele braucht es dringend, daß Gottes Gaben wieder von Gott kommen, und ich sie mir nicht selber nehme, oder nur von Menschen annehme.
    Die Seele braucht Vergebung, sie braucht die Sicherheit: Gott meint es gut mit dir, du hast deinen festen Platz bei Gott.
    Auf einem gelungenen Fest ist es ja so: Durch jedes Detail strahlt die Liebe und die Freude: Das ist für Dich! Wie gut, daß du da bist. Mit anderen Worten: Die Seele darf vorkommen, sie kann sich trauen, die Genüsse anzunehmen, denn sie weiß: Ich bin gemeint, das ist mir zugedacht.
    Jesus ist gekommen, damit unsere Seelen durch Gnade und Vergebung wieder glauben können: Gott liebt mich, Gott will, daß ich dabei bin, Gott versorgt mich, Gott sichert meine Freude. Ich darf vertrauen, es wird gut sein.
    Wer da höflich ablehnt, der weiß einfach nicht, was er tut! Der hat ein riesiges Problem!
    Denn Sünde bedeutet: Du verlierst deine Seele. Und das bedeutet: Du verlierst die Freude. Du verlierst die Möglichkeit zu lieben und Liebe anzunehmen. Du verlierst das Vertrauen.
    Das kannst Du nicht wollen!
    Die Männer im Gleichnis verstecken unter ihrer Höflichkeit das Mißtrauen: Wenn ich jetzt nicht meinen Acker besehe, dann verliere ich ihn.
    Wenn ich jetzt Jesus nachfolge, dann könnte ich mein bisheriges Leben verlieren. Wenn ich auf Gott höre, dann wird Gott mir bestimmt alles verbieten! Lieber nicht! So ist das doch.
    Gott? Das ist im Moment nicht so meins! Vergebung? Das brauchen andere, ich komme klar! Gemeinde? Das ist doch nur Streß, oder Langeweile!
    Man kann sich Gottes Fest nicht vorstellen.
    Und verliert seine Seele.
    Das darf nicht passieren!
    Freuen wir uns lieber mit den Armen, Blinden, Lahmen und Verkrüppelten! Staunen wir lieber mit denen, die Gott aus einem Leben ohne Gott in Sein Reich gerufen hat!

    Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

    Pfingsten

    Pfarrer Johann Hillermann

    Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
    und die Liebe Gottes
    und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
    sei mit euch allen. Amen.

    12 Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.
    13 Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen. 14 Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden.
    15 Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.
    16 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen«? Wir aber haben Christi Sinn.

    1. Korinther 2, 12-16

    Gebet: Komm, Heiliger Geist, erfüll die Herzen deiner Gläubigen, und entzünd in ihnen das Feuer der göttlichen Liebe; der du in Mannigfaltigkeit der Zungen die Völker der ganzen Welt versammelt hast in Einigkeit des Glaubens. Amen.

    Liebe Gemeinde!
    Im Schwarzwald in Bad Teinach gibt es in der dortigen Dreifaltigkeitskirche ein ganz besonderes Gemälde. Die Lehrtafel der Prinzessin Antonia.
    Auf ihr erscheinen unzählige biblische Gestalten und ebenso wimmelt es von Symbolen biblischer und philosophischer Art.
    Ganz unten steht mit dem Rücken zum Betrachter eine weibliche Gestalt, und in der Mitte erscheint Christus, umgeben von den Aposteln, und diese Mitte bestimmt das ganze Bild. Alle Figuren und Gestalten sind darauf bezogen. Er ist die Mitte.
    Wie es sich für den Glauben gehört!
    Mit meiner Baden-Badener Gemeinde hab ich diese Kirche einmal besucht. Im Vorfeld gab es Themenabende zur Vorbereitung, damit man die Absicht des Bildes und seinen Inhalt ein wenig aufnehmen konnte.
    Voller Erwartung kamen wir in Bad Teinach an, gingen zur verabredeten Zeit zur Dreifaltigkeitskirche und ein Kunstexperte führte uns zu dem Bild.
    Dann kam ein Satz, der den ganzen Ausflug hätte verderben können:
    „Für diese Frau ist Jesus der Mittelpunkt auf diesem Bild. Aber jeder kann sich dort seinen eigenen Mittelpunkt denken.“
    Ja, was war denn das? Jesus Christus austauschbar?
    Ich war dankbar, daß ich mit interessierten Gemeindegliedern wenigsten ein paar der Namen und Geschichten durchgegangen war, und daß wir gemeinsam entdeckt hatten, wie der Sohn Gottes wirklich das ganze Bild zusammenhielt, ja, wie dieses Bild darstellte, daß nicht irgend jemand, sondern Jesus Christus Himmel und Erde, Vergangenheit und Zukunft zusammenhielt.
    Denn das ist unser christlicher Glaube.
    Aber wie konnte man davor stehen, studiert haben, und gerade das nicht sehen?
    Das erinnert mich auch an Musiker, die von Musik begeistert sind, die davon handelt, wie Gott Mensch geworden ist, uns zu gut. Wie das Lamm Gottes die Sünden dieser Welt wegträgt. Wie Gott uns eine feste Hoffnung gegen den Tod schenkt.
    Sie singen und spielen mit Begeisterung, aber die Gaben Gottes erkennen sie nicht. Wie Touristen, die staunend durch eine wunderbare Kathedrale aus dem ach so finsteren Mittelalter gehen und nicht verstehen, daß alle diese Formen alle diese Kunst um den Altar herum gebaut ist, auf dem Brot und Wein zu Leib und Blut Christi konsekriert werden, für uns Christen zu essen und zu trinken, zum ewigen Heil. Zur Vergebung der Sünden. Da können Experten noch so viel über die Architektur und die Technik sagen. Über die Harmonie und die Form.
    Sie haben das Entscheidende nicht erkannt. Das Bild, die Musik und die Kathedrale sind Zeugen für Gottes Wahrheit. Sie zeigen auf geistliche Dinge, auf Glaubensdinge.
    Ein Christ sieht das Bild in Teinach und freut sich, wie ein Künstler vor fast 400 Jahren soviel Gotteswort vor Augen führen kann. Ein Christ hört die Musik und singt und betet im Herzen mit und weiß sich verbunden mit Christen aller Zeiten, ja mit den Engeln im Himmel, die den ewigen Gottesdienst vor dem Lamm Gottes feiern. Ein Christ tritt in die Kirche ein und weiß: Auf diesem Altar kommt der Sohn Gottes zu Seiner Gemeinde und spricht mit ihr, und schenkt sich ihr, und es gibt Gnade.
    Das ist so ein himmelweiter Unterschied.
    Der Heilige Geist macht den Unterschied. Der Heilige Geist selbst schafft neue Augen, neue Ohren, ein neues Herz – damit in dem allem nicht Kunst von Menschen gesehen oder gehört wird, sondern in der Kunst ein Hinweis auf viel viel größeres, nämlich Gottes Gaben.
    „Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, daß wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.“ Was hat Gott uns geschenkt? Gott hat uns Seine Gnade geschenkt. Gott hat uns Rettung geschenkt. Gott hat uns Seine Liebe geschenkt. Gott schenkt uns, daß keine Schuld unser Leben mehr zerstören kann. Wie und wo hat er uns das geschenkt? Gott schenkt uns Seinen Sohn. Er gibt sich uns zu erkennen in Seinem Wort, in der Heiligen Schrift. Es ist alles ein Wasserfall an Zuwendung an Wohlwollen, an Trost, an Stärkung an Wahrheit, an Sinn. Aber ohne den Heiligen Geist guckt man es an und sagt: Ok. Jeder kann sich dazu selber etwas ausdenken. Ok. Das ist aus dem 17. Jahrhundert. Ok. Gotik hat spitze Bögen, Romanik runde. Bach hat zu merkwürdigen Texten schöne Musik gemacht. Da spricht der Geist der Welt. Der sieht überall nur Welt. Und weiter nichts.
    Wir haben NICHT empfangen den Geist der Welt. Der Geist der Welt ist normal. Es ist normal, blind für Gottes Gaben zu sein.
    Der Heilige Geist ist notwendig. Und der Heilige Geist ist nicht von dieser Welt.
    „Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.“ Der Heilige Geist hat Paulus und die Apostel gelehrt, so über Jesus Christus zu sprechen, daß Glaube entsteht. Und Glaube kommt nicht aus der Welt. Glaube ist der Anfang vom ewigen Leben.
    Wie viele Predigten oder Auslegungen mußte ich mir schon über die Leidensgeschichte Jesu anhören. Sie wird rein weltlich, mit menschlicher Weisheit behandelt. Es wird gesagt: Wie ungewöhnlich ist doch dieses Leiden! Jesus leidet wie kein anderer! – Oder es wird beklagt: Was tun Menschen einander nur an! Wie brutal ist das! Und dann wird allgemein über das Leiden und die Ungerechtigkeit gesprochen. Der Heilige Geist zeigt und lehrt: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Das ist nicht menschliche Weisheit.
    Der Geist der Welt will alle Gaben Gottes in Psychologie, in Politik, in Kunst, in Soziologie oder was im Moment beeindruckend scheint, auflösen. Verräterisch ist die Formulierung: „Nichts als …“ Jesus war nichts als ein jüdischer Wanderprediger, oder gar ein Revolutionär.
    Der Heilige Geist sagt: Das ist Gottes Sohn. Da am Kreuz ist er dabei, deinem Tod den giftigen Stachel wegzunehmen.
    Da werden geistliche Dinge für geistliche Menschen geistlich gedeutet.
    Der Heilige Geist, und das ist ja Gott selbst, ist die Macht, mit dem Evangelium die eine christliche Kirche für alle Zeiten gebaut hat. Christentum entsteht nicht durch Kunstbetrachtung oder Musikgenuß oder politische Diskussion. Der Heilige Geist kommt und macht, daß man dankbar mit allen andern Kindern Gottes vor dem Kreuz niederkniet.
    Der Heilige Geist ist Gottes persönliche allmächtige Unruhe, die vergeben will. Der Heilige Geist legt die Bibel so aus, daß Menschen erschrecken, oder sich besinnen, oder vollkommene Ruhe und Furchtlosigkeit bekommen. Er macht, daß du vor Gott stehst und beschenkt wirst.
    Der Heilige Geist gibt Worte, die zum ewigen Leben rufen. Aus dieser Welt heraus.
    Und es ist unerträglich, wenn in der Christliche Kirche nicht so gesprochen wird, und wenn Christen bereit sind sind alles mögliche anzuhören, und nicht von Gottes Heiliger Unruhe gepackt werden, also vom Heiligen Geist, daß sie endlich von der Vergebung der Sünden und der Auferstehung des eigenen Leibes von den Toten hören und endlich dazu Ja sagen können.
    Denn durch dieses JA sind sie neugeboren und in der Kirche, also in Gottes Wartesaal zum ewigen Leben und in Gottes Sprechzimmer für alle Krankheiten und alle Not.
    Der Geist der Welt kann mit Vergebung der Sünden und Auferstehung des Fleisches nichts anfangen. Diese Wahrheiten sind für Politik, Wirtschaft, Psychologie, für Unterhaltung um Medien völlig unbrauchbar. Der natürliche Mensch steht davor und faßt sich heimlich an den Kopf und hofft, daß es keiner merkt, oder der sagt wie die Spötter zu Pfingsten: Die sind voll süßen Wein. Das braucht man nicht ernst nehmen.
    So sagt Paulus denn auch:
    „Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muß geistlich beurteilt werden.“
    Damit müssen Christen leben. Damit können Christen auch leben.
    Die Welt wendet da einen Trick an.
    Sie sagt: Jedem das Seine. Das ist für dich so. Du brauchst das. Jeder hat seine Religion. Und alle Religionen sind gleich. Was eben für dich gut ist.
    Der Geist der Welt kann nicht anders denken. Denn er hat nichts als die Welt.
    Christen dürfen auf diesen Trick nicht reinfallen. Der Heilige Geist ist nicht von dieser Welt. Die Welt kann ihn nicht verstehen. Deshalb kann die Welt auch nichts Gültiges über Gottes Gaben sagen.
    Aber dieser Trick des Geistes dieser Welt ist stark: Jedem das Seine – was gut für dich ist … so ist es für dich. Es ist nicht leicht, darauf zu antworten.
    Aber der Heilige Geist ist eben doch anders:
    „Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.“
    Christen haben einen Vorteil.
    Sie kennen den Geist der Welt. Ja, wer glaubt, der kennt auch den Zweifel. Christen kennen die Möglichkeit, ohne Trost zu sein, oder ohne Gottes Leitung, ohne Vergebung. Aber durch den Heiligen Geist weiß er, daß das alles eine Grenze hat, ein Ende haben wird.
    Darum kann er Verständnis zeigen für den Geist der Welt –aber der Christ gehört ihm nicht.
    Darum kann Paulus sagen: Der geistliche Mensch beurteilt alles – aber wird selbst von niemandem beurteilt – denn er hat Gottes Urteil empfangen. Und Gottes Urteil ist stärker und höher als alle politischen, psychologischen, künstlerischen oder anderen Urteile.
    Wir haben Gottes Siegel: Du warst verloren und jetzt aber gefunden. Du warst unterwegs in den Tod, aber jetzt zum Leben bestimmt.
    Das kommt nicht aus der Welt. Glaube ist nicht das Ergebnis eines weltlichen Prozesses. Der Heilige Geist ist Gottes neue Kausalität. Er schafft Neues. Er verbindet uns mit Jesus, der nicht im Grab geblieben ist, der vom Himmel aus über alles ist.
    Das muß gesagt werden, damit es Kirche und Glauben gibt.

    „Wir aber haben Christi Sinn,“ wir haben den Sinn, das Verständnis, wes Jesus hatte und hat und gibt. Der ist für alle das Beste. Da kann man nicht sagen: Das ist gut für einige, aber nicht für alle. Vergebung der Sünden und Auferstehung des Fleisches ist gut und notwendig für alle. Und es gibt einfach nichts Besseres. Amen.

    Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

    Exaudi

    Predigt: Pfarrer Johann Hillermann

    Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
    und die Liebe Gottes
    und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
    sei mit euch allen. Amen.

    1 Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem HERRN diente unter Eli, war des HERRN Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung.
    2 Und es begab sich zur selben Zeit, daß Eli lag an seinem Ort und seine Augen hatten angefangen, schwach zu werden, sodaß er nicht mehr sehen konnte.
    3 Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen. Und Samuel hatte sich gelegt im Heiligtum des HERRN, wo die Lade Gottes war.
    4 Und der HERR rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich!,
    5 und lief zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen; geh wieder hin und lege dich schlafen. Und er ging hin und legte sich schlafen.
    6 Der HERR rief abermals: Samuel! Und Samuel stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen, mein Sohn; geh wieder hin und lege dich schlafen.
    7 Aber Samuel hatte den HERRN noch nicht erkannt, und des HERRN Wort war ihm noch nicht offenbart.
    8 Und der HERR rief Samuel wieder, zum dritten Mal. Und er stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Da merkte Eli, daß der HERR den Knaben rief,
    9 und sprach zu ihm: Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, HERR, denn dein Knecht hört. Samuel ging hin und legte sich an seinen Ort.
    10 Da kam der HERR und trat herzu und rief wie vorher: Samuel, Samuel! Und Samuel sprach: Rede, denn dein Knecht hört.

    1. Samuel 3, 1-10

    Liebe Gemeinde!
    Aus Samuel, der hier noch ein Knabe ist, also ein kleiner Junge, wurde dann der große Prophet, der die Könige Saul und David in Israel salbte. Hier ist der Anfang. Hier wird er von Gott selbst berufen.
    Es ist ein kleine Geschichte: Ein Knabe, Samuel, dann ein alter Mann, der Priester Eli – das sind die Personen.
    Der Ort ist das Heiligtum Israels, die Stiftshütte, das war damals ein Zelt 5 mal 15 Meter groß. In diesem Zelt fand der Gottesdienst der Priester Israels statt. Zu der Zeit stand das Zelt als Tempel in Silo, etwa 30 km nördlich von Jerusalem
    Und die Zeit? Etwa 1070 vor Christus.
    Die Zeiten sind für Israel nicht gut. „Das Wort des HERRN war selten, es gab kaum noch Offenbarung“. Das Wort Gottes wurde nicht gelehrt. Es wurde nicht als von Gott selbst gesprochen gehört. Es wurde nicht als entscheidende Wahrheit bezeugt. Es wurde nicht ernstgenommen. Man behandelte das Wort Gottes wie einen Besitz, über den man verfügte. Wie ein wertvolles, interessantes Gemälde, oder eine geerbte Standuhr.
    Es gab kaum noch Offenbarung. Das heißt, es passierte kaum noch, daß Menschen vor Gott gebracht wurden durch Gottes Wort. Es wurde nur mehr diskutiert. Es gab nichts mehr als menschliche Meinungen; Meinungen von begabten Einzelnen, oder Meinungen von Mehrheiten, die sich gegenseitig bestätigten.
    Das ist für das Volk Gottes keine gute Zeit. In Psalm 74 wird darüber geklagt:
    „Unsere Zeichen sehen wir nicht, und kein Prophet predigt mehr, und keiner ist bei uns, der weiß, wie lange.“ (Psalm 74, 9).
    Das Problem ist einfach: Wenn Gottes Wort nicht als Gottes Wort da ist, dann wird unweigerlich etwas an seine Stelle kommen, was nicht Gottes Wort ist. Dann kommt Menschenwort. Und Menschenwort ist immer Sünderwort. Und Sünderwort ist ein Wort, das nicht haben will, daß Gott Gott ist. Und wenn Gott nicht Gott ist, dann gehen alle Gaben Gottes mit der Zeit kaputt. Jesus sagt: „Die Liebe erkaltet.“ (Matthäus 24, 12). Diese Zeit ohne Gottes Wort wird von den meisten nicht als Problem empfunden. Doch fängt man an, sich darüber zu wundern, wie Gottes Gaben doch nicht mehr sind, was sie mal waren. Gott selbst schützt mit Seinen Geboten: Die Liebe zwischen Vater, Mutter und Kindern. Gott schützt das Leben. Gott schützt die Ehe zwischen Mann und Frau. Gott schützt das Eigentum. Gott schützt Sprache und Wahrheit.
    Ohne Gott und sein Wort kann es noch eine zeitlang gut gehen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, dann fangen Menschen an, darüber zu verfügen, und die Zerstörung geht los. Ohne Gott ist man bald gegen Gott, und damit auch gegen Gottes Gaben.
    Solche Zeiten gab es auch schon vor 3000 Jahren.
    Diese kleine Geschichte – wie Gott den Knaben Samuel ruft – zeigt uns, wie Gott einen Anfang macht. Wenn Gott beruft, dann macht er deutlich: Und du bist nicht mehr Teil der Welt ohne mich!
    Wie kann das aussehen?

    1. Pflege
      Es gab die Stiftshütte noch. In ihr standen noch die Heiligen Geräte. Vor allem die Bundelade –also ein Kasten, in dem unter anderem die steinernen Tafeln mit den 10 Geboten sich befand. Auch wenn sie nicht mehr gepredigt wurden, sie waren noch da. Der Priester Eli hielt noch die Gottesdienste, es gab noch diese Erinnerung an Gott, und daß Gott gedient werden sollte. Der Knabe Samuel war in diesem Tempel zuhause, er kannte sich aus. Das Wissen war vorhanden. Auch wenn der Rest des Volkes es kaum noch ernst nahm. Samuel hatte die Aufgabe, den siebenarmigen Leuchter zu pflegen: täglich zu reinigen, mit Öl zu versehen, und dafür zu sorgen, daß die Lampen leuchteten. Und das zu festen Zeiten, jeden Tag. Das war Routine. Und doch zeigte diese Routine auf Gottes Wahrheit und Gottes Handeln. Es kamen auch immer noch Israeliten nach Silo zum Gottesdienst. Es wurde gepflegt.
      Liebe Gemeinde! Wir bitten um den Heiligen Geist. Der Heilige Geist soll uns Gott zeigen, er soll in uns Glauben wecken, der Heilige Geist soll in uns Früchte schaffen, und den Samenkorn des Ewigen Lebens in uns legen.
      Zum Wirken des Heiligen Geistes gehört auch diese Routine. Der alte Eli und der junge Samuel pflegten diese Routine, diese Übung. Eli gab weiter und lehrte, und Samuel empfing und lernte. Eli lebte vor und Samuel guckte ab und folgte nach.
      Das ist heilig. Das ist ein unverzichtbarer Teil von Gottes Wahrheit und Gottes Wirken.
      Man nennt es Tradition. Das ist es auch. Man sagt gerne, daß Tradition mechanisch sei, oder ohne innere Beteiligung – eine Antwort auf Fragen, die wir vergessen haben.
      Gott will, daß wir sein Wort und sein Handeln und seine Gaben nicht vergessen. Das geht nur, wenn sie gepflegt werden.
      Diese Pflege bringt zum Ausdruck: Das hier kann ich nur empfangen. Das kann ich mir nicht selber sagen. Gott muß es mir sagen. Denn Gottesdienst kann sich kein Mensch ausdenken. Wir sind Empfangende. Gottes Gaben kommen nicht einfach, weil wir sie fordern, oder sie sind auch nicht einfach so, wie wir sie uns jetzt gerne vorstellen. Sie sind so, wie Gott sie gibt, und wie wir sie empfangen.
      Ohne Pflege werden wir nie zu Empfangenden von Gottes Gaben.
    2. Gehorsam
      Samuel wird dreimal gerufen. Zweimal steht er sofort vom Schlaf auf, und geht zu dem Alten Eli. Das konnte nur passieren, weil es zwischen Eli und Samuel so war. Samuel hörte auf Eli. Eli hat mit Geduld und Strenge erreicht, daß Samuel auf ihn hörte. Samuel war offen und geübt, diszipliniert. Der Knabe war darin geübt, seine Bequemlichkeit zu überwinden. Samuel liebte seine Aufgabe mehr als den Schlaf. Und zweimal nacheinander schien es ja ein Mißverständnis zu sein. Samuel hätte ja auch denken können: Der alte Eli spinnt. Samuel hätte genervt sein können. Doch er bleibt ruhig. Er hat Geduld, er hat innere Kraft.
      Samuel hatte in sich aufgenommen, seine Seele hatte es erkannt: Dies alles ist größer als ich. Das Gotteshaus, die Pflege, vom Haus, von den Geräten, die Bedeutung von alle dem, die Erinnerung an die 10 Gebote, die Gegenstände für den Gottesdienst, das Wissen von dem Alten Eli – das alles ist größer als ich. Ich soll hier dienen. Pflegen. Nicht so, wie ich es mir ausdenke, sondern wie es gemeint ist. Wie es von Gott gemeint ist.
      Diese Haltung ist ohne Gehorsam nicht möglich. Ohne Gehorsam wird es nie etwas Größeres in deinem Leben geben.
      Pflege und Gehorsam gehören zum Wirken des Heiligen Geistes.
    3. Auf eine Besonderheit dieser kleinen Berufungsgeschichte möchte ich noch hinweisen:
      Die beiden Fehlstarts sind für Samuel und Eli gleich wichtig.
      Beide müssen auf ihre Weise merken: Hier passiert etwas. Das hier ist nicht nur etwas zwischen Menschen.
      Samuel ist nicht mit einer Erfahrung allein – zu der er dann nachher sagt: Ja, da hat Gott mich berufen, das müßt ihr mir glauben! – Das wäre eine Überforderung für Samuel gewesen. Es wäre aber auch eine Zumutung für Israel gewesen.
      Die Berufung des Samuel ist nicht rein subjektiv. Samuel muß dem Volk Israel nicht seine eigene innere Erfahrung aufzwingen. Sondern die Berufung wird von außen bestätigt.
      Das ist für das Wirken des Heiligen Geistes entscheidend.
      Paulus der Apostel ist dem Auferstandenen Herrn Jesus selbst begegnet. Jesus hat ihn direkt berufen. Und doch gab es den schlichten Christen Ananias in Damaskus, der zu Paulus kam und sagte: Lieber Bruder Saul, Jesus schickt mich zu dir. Da hatte Paulus von außen die Bestätigung. Er war nicht gezwungen, seine rein persönliche Erfahrung der Christenheit aufzunötigen. Und die Christenheit mußte nicht etwas glauben, was im Herzen eines Menschen sich abgespielt hatte.
      Die Wahrheit kommt aus mehr Quellen als einer Person.
      Aber auch für Eli waren diese Fehlstarts bedeutsam. Ihm wurde klar, daß jetzt etwas in Samuel begann, was größer war. Obwohl Samuel ein Knabe war, der Eli gehorchte, so war doch Gott selbst zwischen Eli und Samuel. Samuel stand Eli nicht einfach zur Verfügung. Beide dienten Gott in seinem Tempel.
      Und noch etwas. Die erste Prophezeiung des Samuel für Eli war eine schreckliche. Samuel mußte Eli im Auftrag Gottes sagen, daß Eli bald seine Söhne durch Blutvergießen verlieren würde.
      Da war es gut, daß Eli vorher wußte, Gott hat Samuel berufen. Es war nichts Persönliches. So konnte Eli diese schwere Botschaft von dem Knaben annehmen.
      Im Reich Gottes haben Menschen es nie direkt und unvermittelt miteinander zu tun. Gott ist dazwischen.
      Das zeigt sich auch bei uns in der christlichen Gemeinde. Wir beziehen uns gemeinsam auf Gottes Wort, auf den Versammlungsort, auf das Kirchenjahr, auf unsere Lieder und Gebete. Das pflegen wir, und helfen einander, auf Gott zu hören.
      Wir bitten um den Heiligen Geist. Er leitet uns an, zu pflegen, zu gehorchen, Hörende zu werden.

    Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


    Bild: Eli und der junge Samuel (1780)