1. Advent

Von | Dezember 10, 2023
1. Avent

Pfarrer Johann Hillermann

Gnade sei mit euch und Friede,
von dem der da war, und der da ist,
und der da kommt, Jesus Christus,
welcher ist der treue Zeuge
und der Erstgeborene von den Toten,
und ein Fürst über die Könige auf Erden.
Amen.

1 Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.
2 Denn er hat ihn über den Meeren gegründet
und über den Wassern bereitet.
3 Wer darf auf des Herrn Berg gehen,
und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?
4 Wer unschuldige Hände hat
und reinen Herzens ist,
wer nicht bedacht ist auf Lug und Trug
und nicht falsche Eide schwört:
5 der wird den Segen vom Herrn empfangen
und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heiles.
6 Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt,
das da sucht dein Antlitz, Gott Jakobs.
7 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,
daß der König der Ehre einziehe!
8 Wer ist der König der Ehre?
Es ist der Herr, stark und mächtig,
der Herr, mächtig im Streit.
9 Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,
daß der König der Ehre einziehe!
10 Wer ist der König der Ehre?
Es ist der Herr Zebaoth; er ist der König der Ehre.

Psalm 24

Liebe Gemeinde!
Wer darf rein?
Nicht jeder!
Es gibt Türen, es gibt Türsteher. Einlaß ist keine Selbstverständlichkeit.
Eine Tür – oder ein Tor – kann offen oder geschlossen sein. Auf, oder zu. Dann ist Drinnen und Draußen nicht mehr einerlei, sondern von großer Bedeutung.
Jesus sagt: Ich bin die Tür. (Johannes 10, 9). Also: An ihm kommt keiner vorbei, Jesus ist der Zugang. Gott und Tür sind also verknüpft. Gott ist ein Gott, bei dem es geöffnet und geschlossen sein kann. Die Möglichkeit, bei Gott vor verschlossenen Türen zu stehen, gibt es. Die Bibel ist voll davon. Gerade letzten Sonntag sagt Jesus selbst in Gleichnis von den Klugen und Törichten Jungfrauen: Die bereit waren, gingen mit dem Bräutigam hinein – und die Tür wurde verschlossen. Als die törichten Jungfrauen anklopfen und sagen: Herr, Herr, tu uns auf! Antwortet der Bräutigam von innen: „Wahrlich ich sage euch, ich kenne euch nicht.“
Und wer sich jetzt darüber ärgert, oder wer erschrickt, und denkt: Was wird dann aus mir?, der darf hoffen.
Der darf hoffen gegen diese Sorge und auch gegen diesen Ärger, denn Gott hat uns diesen Psalm gegeben. Wie jeder Psalm, schenkt auch dieser Psalm dir Worte, die dich vor Gott bringen. Überlasse dich mit Gottes allmächtigem Beistand dich seinen Worten ganz und gar. Vertraue dich dem Psalm an.

Warum stellt sich diese Frage nach der offenen Tür bi Gott überhaupt?
Der Psalm verkündigt:
„Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist,
der Erdkreis und die darauf wohnen.“
Das ist das erste Gebot: Gott verfügt über alles; der HERR bestimmt immer, in allem.

  1. Gott bestimmt über die Erde und alles, was darinnen ist –
    Die Erde ist der Ort, wo wir leben. Die Luft, die wir atmen, das Licht, das unser Leben ordnet, die Energie, die jede Bewegung ermöglicht, überhaupt das Leben. Das alles gehört Gott.
    Das ist, was wir in jedem Vaterunser beten: „Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit.“ – Reich, das heißt: ER befiehlt darüber, ER hat das Recht über alles, was ist. Nichts liegt einfach herrenlos rum.
    Kraft, das heißt: Das Vermögen, etwas zu tun, oder zu verhindern, die Kraft, Seinen Willen zu durchzusetzen.
    Herrlichkeit: Das ist ein schwieriges Wort. Es bedeutet Würde, Glanz, Wichtigkeit – etwas, was herrlich ist, das kann sich überall sehen lassen, Herrlichkeit bezwingt dich, wenn du wirklich hören und sehen und nachdenken kannst. Herrlichkeit weckt Scheu, Respekt – Herrlichkeit überwältigt dich.
    Herrlichkeit ist Güte, vor der alles Häßliche vergehen muß.
    Herrlichkeit ist Wahrheit, vor der keine Lüge bestehen kann.
    Herrlichkeit ist eine Güte, die das Böse überwindet.
    Herrlichkeit mußt du bejahen – weil es Gut, Wahr und Schön ist. Es ist Teil der Würde des Menschen, daß er einen Sinn für Herrlichkeit hat. Alle Herrlichkeit kommt von Gott, und soll zu Gott führen. Gottes Reich, also Herrschaft, Seine Kraft und Seine Herrlichkeit stecken in allem, was ist. Der Apostel Paulus sagt und im Römerbrief: „Gottes unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit der Schöpfung der Welt ersehen aus seinen Werken, wenn man sie wahrnimmt.“ (Römer 1, 20).
    Das alles sagt der Psalm in wenige Worten: Die Erde ist des HERRN, und das darinnen ist.
  2. Der Psalm legt das erste Gebot weiter aus. Nicht nur die Natur ist des HERRN, sondern auch alle Menschen. Das Zusammenleben der Menschen ist auch Gottes Besitz:
    „Der Erdboden und die darauf wohnen.“
    Das Zusammenleben von uns Menschen auf der Erde ist ebenso von Gott geschaffen und Sein Eigentum.
    Die Gebote machen das deutlich: Das zweite Gebot sagt: Gottes Name ist heilig. Also gehören alle Namen Ihm, alle Identitäten sind Gottes Besitz. Gott gibt Identität. Eine Identität ist von Gott, oder sie ist nicht.
    Name steht für Beziehung. Also gehören alle Beziehungen Gott. Gott hat sie ermöglicht und gemacht. Gott bestimmt über sie. Gott läßt nicht alles mit Beziehungen machen. In jeder Beziehung zwischen Menschen ist Gott dir näher, als der Mensch. Alles, was an einer Beziehung gut oder ein Segen sein könnte, ja alle Liebe ist von Gott. (Der Apostel Johannes sagt ja: Gott ist Liebe. 1. Johannesbrief 4, 8). An Gott vorbei gibt es keine Liebe. Er gibt sie. Er ist sie.
    Das dritte Gebot: Der Feiertag soll geheiligt werden. Das ist die Zeit. Gott ist der Herr über alle Zeit und alle Zeiten. Er kann jede Zeit vollständig ausfüllen. Mit Sinn und mit Segen. Der Feiertag ist auch der Versammlungstag. Gott ist der Herr über alle Versammlungen. Daß Menschen zusammenkommen, und gemeinsam auf dasselbe hören, gemeinsam sich auf etwas beziehen, gemeinsam etwas feiern: Gott hat diese Möglichkeit geschaffen. Kein einzelner Mensch kann das aus sich heraus machen. Gott ist der Herr darüber.
    Die übrigen Gebote sind dann selbsterklärend:
    Das vierte: Gott hat Vater und Mutter geschaffen. Gott ist Gott, in dem Er aus Menschen Vater und Mutter macht. Ihnen Kinder anvertraut. Kinder sollen Vater und Mutter ehren, und wir alle sollen die Tatsache, daß es Vater und Mutter gibt, von ganzem Herzen verehren, und Gott darin Recht geben.
    Fünftens: Du sollst nicht töten: Gott der Schöpfer versteht keinen Spaß, mit keinem Menschen. Bevor Du einen Menschen antastest, hast Du Gott schon 1000mal angetastet.
    Du sollst nicht ehebrechen. – Es ist Gottes Patent und seine wunderbare Idee, daß es männlich und weiblich gibt. Und er will in diesem Gegenüber beweisen, was er kann, daß er der HERR ist. Wer diese Ordnung antastet, der hat es mit Gott selbst zu tun. Sie ist Gottes Besitz, wir Menschen verfügen nicht über sie.
    Das 7. Gebot: Du sollst nicht stehlen: Gott besitzt alles, und er teilt es aus. Gott macht, daß Menschen etwas haben, und sagen können: Das ist meins. Auch das ist göttlich. Was nicht meins ist, das geht mich nichts an. Unser Katechismus sagt dazu: Wir sollen dem Nächsten so helfen, daß er seinem Besitz immer besser geht: Helfen bessern behüten. Gott steht dahinter. Es ist nicht von Gott, wenn Mein und Dein nicht mehr unterschieden wird.
    Das sagt der Psalm mit den Worten: „Der Erdkreis und seine Einwohner gehören Gott.“

Warum ist das alles so?
„Denn er hat ihn über den Meeren gegründet
und über den Wassern bereitet.“
Gott der allmächtige Schöpfer hat das alles aus dem Nichts geschaffen. Es kommt alles von Ihm allein. Gott ist eine größere Wirklichkeit, als Raum und Zeit, Gott ist wirklicher als Ursache und Wirkung.
In der Sprache der Bibel sind Meer und Wasser das unbändige Gewoge, das Chaos, gegen das niemand und nichts eine Chance hat. Jede sinnvolle Gestaltung – bis hin zur Sprache – gründet und bereitet Gott der Schöpfer aus dem Nichts. Und das mit großer Liebe.
Es gehört alles Ihm, weil es ohne Ihn sofort ins Nichts zerfallen würde. Wie wir mit dem Katechismus sagen: „Ich glaube, daß Gott – alles geschaffen und gegeben hat, und noch ERHÄLT.“
Wir haben es also überall mit Gott dem HERRN zu tun.

Nun kommt die Frage:
„Wer darf auf des Herrn Berg gehen,
und wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?“
Aber gehören nicht alle Berge Gott? Ist Gott nicht an allen Stätten? Ist nicht ALLES heilig, wenn Gott doch alles gründet und bereitet?
Warum muß denn gefragt werden: Wer darf zu Gott kommen? Wer darf durch die Tür?
Diese Frage zeigt: Der Mensch ist gefallen. Der Mensch findet Gott nicht mehr. Gott muß einen Berg bestimmen, wo der Mensch Ihm neu begegnen kann, zu Gott zurückkehren kann. Gott muß uns eine „heilige Stätte“ eröffnen.
Wer kann vor Gott erscheinen, und es überleben?
„Wer unschuldige Hände hat und reinen Herzens ist,
wer nicht bedacht ist auf Lug und Trug und nicht falsche Eide schwört.“
Unschuldige Hände: Wer also nichts zerstört hat, was Gott gebaut hat,
wer nichts genommen hat, das Gott ihm nicht gegeben hat,
wer alles getan hat, Gottes Ordnungen für sich und andere zu bewahren.
Reines Herz: Wer das alles auch bejaht für sich und für seinen Nächsten, wer Gott in alledem ohne Vorbehalt, ohne Hintergedanken Recht gibt. Wer um alles bittet, für alles dankt und frei ist von allem Begehren.
Nicht nur Herz und Hand muß geeignet sein, sondern auch die Seele. Darum sagt der Psalm weiter:
„Wer nicht bedacht ist auf Lug und Trug und nicht falsche Eide schwört.“
Was wirkt auf deine Seele? Welchen Glaubenssätzen gibt sie sich hin? Worauf bist du bedacht? Das ist die eine Richtung.
Die andere Richtung ist: Was geht von dir aus: Welche Wahrheiten bekennst und behauptest du vor deinen Mitmenschen und vor der Welt? Darum geht es in diesen Worten. Wohin lenkst du deine Seele. Was nimmt sie auf und aus welchen Quellen baut sich dein Bild der Wirklichkeit auf? Ist Gottes Wort deine Quelle? Läßt du dir von Gott sagen, was ist, und was nicht? Oder läßt du dir es von Menschen sagen?
Und für welche Aussagen trittst du ein? Die, die gerade Vorteile bringen, oder hoffentlich keine Probleme? Für das, was gerade alle sagen?
Oder fragst du nach der Lehre, die dir zeigt und eröffnet, wie du in allem vor Gott stehst, wie Gott alles gibt, weil alles Ihm gehört? Merken deine Mitmenschen das?
Wir merken, liebe Gemeinde: Es geht wirklich aufs Ganze.
Wer so vor Gott erscheint, „der wird den Segen vom Herrn empfangen und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heiles.“
Segen: Das ist alles, was zum Leben gehört, so wie Gott es gemeint und gedacht hat, in jeder Hinsicht, und zwar zur rechten Zeit. Das tägliche Brot. Die Familie. Die Glaubensgemeinschaft. Die Erkenntnis. So daß nichts fehlt. Das ist Segen.
Und Gerechtigkeit: Das heißt: Du hast bei Gott ein Hausrecht. Einen Platz an Gottes Tisch, freien Zugang zu Gott.
„Das ist das Geschlecht, das nach ihm fragt,
das da sucht dein Antlitz, Gott Jakobs.“
Solche Menschen fragen nach Gott. Vor allen anderen Dingen fragen sie zuerst nach Gott. Und suchen ihn. Aber sie suchen mit einem Ziel.
Es gibt Menschen, die nennen sich Sucher – aber sie wollen nicht finden. Sie wollen sich nur nichts sagen lassen.
Doch dieser Gott ist ein Gott, der sich finden läßt. Er ist der Gott Jakobs. Also der Gott Israels, der sich geoffenbart hat. Ja, Er hat ein Antlitz, Er ist ein erkennbares Gegenüber mit erkennbaren unverwechselbaren Merkmalen. Sie werden uns in der Bibel beschrieben.
Die Erde ist der HERRN. Können wir dem überhaupt gerecht werden? Wer darf, wer kann, Gott begegnen? Wer kann Gottes Segen erhoffen?
Wenn wir den Psalm bis hierher auch nur schüchtern mitgesprochen haben, dann muß uns eins klar sein: Es gibt keine Selbstgerechtigkeit. Ich kann mir nicht selbst einen Platz bei Gott zusprechen. Ich sehe mich nicht da.
Kann es also sein, daß niemand auf des HERRN Berg gehen kann, und daß die heilige Stätte Gottes leer bleibt?
Der Psalm führt uns hin bis zu dieser Frage. Der Psalm führt uns zu dem Punkt, daß wir erkennen: Unser Daseinsrecht bei Gott ist alles andere als selbstverständlich! Der Psalm – oder besser: Der Heilige Geist, der im Psalm spricht – zielt darauf, daß wir uns nicht vormachen. Es ist der Moment der Buße. Der Moment, wo man vor Gott allein ist. Und alles ist, wie es ist. Und Gott sagt, wie es ist. Es sieht nicht gut aus.

Der Psalm aber geht weiter.
Es soll eine Person reingelassen werden. Die Türen sollen geöffnet werden.
„Machet die Tore weit, und die Türen in der Welt hoch!“
Die „Tore in der Welt“ – das klingt kosmisch, und ist es auch. Man könnte auch sagen: Ewige Türen, oder Türen der Ewigkeit, universale Tore. Hier geht es nicht darum: „Laßt mich durch, ich bin Arzt!“ – Sondern: „Laßt jetzt den Einen durch, auf die die ganze Menschheit wartet!“ – „Macht eine Rettungsgasse auf der Bühne der Weltgeschichte!“ – Warum? Hier ist der Eine, der unschuldige Hände hat. Hier ist der Eine, der reines Herzens ist. Hier ist der Eine, der sich nicht hat betrügen lassen. Hier ist der Einzige, der nicht betrügt, nicht enttäuscht. Er kann auf des HERRN Berg gehen, er allein kann stehen an seiner Heiligen Stätte.
Er allein kann machen, daß Gottes Haus nicht leer ist. Hier fragt der Psalm wieder: „WER?“ Wer ist diese herrliche Person? Er muß ein „König der Ehre“ ein. Ein König, dessen Macht einzig und allein auf Herrlichkeit gründet, auf eine Ehre und Herrlichkeit, die vor Gott gilt. Er hat seine Ehre – sein Standing – – nicht vor betrogenen und betrügerischen Menschen, deren Hände schmutzig geworden sind, und deren Herz verfinstert ist.
Diesen König der Ehre muß die gesamte Menschheit durchlassen, alle Menschen müssen ihm den Vortritt geben.

Liebe Gemeinde. Es ist ganz klar, daß dieser Psalm zu den wartenden Worten Gottes gehört. Diese Worte haben über 1000 Jahre gewartet, bis Jesus gekommen ist. Es sind Seine Worte. Er ist der König, der über Ehre verfügt. Diese Ehre hat Jesus im Kampf bewährt.
„Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit.“
Jesus hat jeden Tag Seines Lebens alles von Seinem himmlischen Vater angenommen, und nichts eigenmächtig an sich gerissen. Seine Hände haben nur geheilt. Die Versuchungsgeschichte zeigt, daß Jesus sich nicht hat von Erzbetrüger betrügen lassen, denn der Teufel hat Ihn versucht, und nicht überwunden. Das war der größte Kampf, den ein Mensch gekämpft hat. Er hat diesen Kampf gekämpft, damit wir Betrogenen wieder eine Chance bei Gott haben.

Der Psalm 24 ist insgesamt ein Adventspsalm. Er zeigt, welch ein König Jesus war, als er in Jerusalem einzog. Wir erkennen aus ihm, wie Jesus mein und dein König ist. Und beim Mitbeten lernen wir, wie dringend wir alle diesen König brauchen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in diesem König Jesus Christus. Amen.