Predigt über 2. Könige 5, 1 – 19

Von | April 16, 2024
Pieter de Grebber: Der Prophet Elisa weist Naamans Gaben zurück.

Pfarrer Sebastian Stork

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.

1 Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wert gehalten; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig. […] 9 So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas. 10 Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden. 11 Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand über der Stelle bewegen und mich so von dem Aussatz befreien. 12 Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, sodass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn. 13 Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, würdest du es nicht tun? Wie viel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein! 14 Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein. 15 Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes samt seinem ganzen Gefolge. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht. 19 Er sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!

2. Könige 5, 1-19

Laßt uns beten: Herr, segne unser Reden und Hören, damit uns die Herrlichkeit Deines Sohnes aufgehe. Amen.

Schwestern und Brüder,

es ist nicht schwierig, eine Vielzahl von Unterschieden zwischen Naaman und uns zu benennen. Naaman ist ein Berufssoldat. Diese Profession hat heutzutage keinen guten Stand. Wir verbinden sie mit Gewalt, Zerstörung, Unrecht, und extremen Kosten. Naamans Reichtum und gesellschaftlicher Status beruhen auf seiner Wertschätzung durch seinen Herrn, dem König von Aram. Dagegen verlangen wir heute, daß gesellschaftlicher Status auf einer Mehrheitsentscheidung beruht, egal ob diese Mehrheit durch Wahlen, followers auf den social media oder eine große Zahl von zahlenden Kunden sichtbar wird. Der vielleicht größte Unterschied besteht darin, daß wir heute über Antibiotika verfügen. Naaman lebte zu einer Zeit, die kompetente medizinische Hilfe nicht kannte. Dieser Unterschied bekommt besondere Bedeutung, weil Naaman krank ist. Auf Deutsch heißt es, er war aussätzig. Wie genau diese Übersetzung zutrifft, wissen wir nicht eindeutig. Auch unter der Bezeichnung Aussatz können sich mehrere Krankheiten verbergen. Pest, Lepra, Hansens Krankheit, oder einfach eine Atopie, das ist im Nachhinein auf Grund der wenigen Information nicht mehr zu entscheiden. Auf jeden Fall hat Naaman eine Krankheit, die ihn sichtbar entstellt. Heute könnten wir sehr wahrscheinlich diese Krankheiten genau beschreiben, wir kennen ihre jeweilige Ursache und haben wirksame Therapien zur ihrer Heilung. Naaman und seine Umgebung kennen das alles nicht, das ist ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen uns und Naaman.

Nur mal um anzudeuten, wie groß die Unterschiede zwischen uns und Naaman sind: Vor 2 Jahren hatten wir Gelegenheit, eine Situation ohne kompetenten medizinischen Schutz gegen nur ein Virus zu erleben. Unübersehbar hat das unser Leben beeinflußt. Die Auswirkungen halten bis heute an. Zur Zeit Naamans waren deutlich mehr Krankheitserreger deutlich weiter verbreitet als heute. Aber es gab keinen wirksamen Schutz gegen nur einen davon. Leben ohne Antibiotika ist immer unsicher, und meistens auch kurz. Derartige Realitäten sind für uns unbekannt bis unvorstellbar. Covid mal 10 oder mehr, das ist nur eine Annäherung an die Realität zur Zeit Naamans.

Es gibt eine lange Liste von Unterschieden zwischen uns und Naaman, und jeder einzelne dieser Unterschiede bedeutet ein grundlegend anderes Leben.

Trotz all dieser Unterschiede müssen wir doch erkennen: wir alle sind Naaman. Woran erkennen wir das? Naaman kommt mit Rossen und Wagen bei Elisa vorgefahren. Das klingt wie eine technische Information, nur nebensächlich interessant und ohne weitere Bedeutung. Tatsächlich erfahren wir durch diese Art des Reisens sehr viel über Naaman und seinen Auftritt. Bei den Arbeiten auf dem Feld wurden Ochsen eingespannt, der Transport der Feldfrüchte zwischen Feld und Scheune erfolgte ebenfalls durch Ochsen, der Transport zwischen Scheune und Markt erfolgte durch Esel, der Transport von Personen erfolgte ebenfalls auf Eseln. Pferde dagegen gehören zum Kriegsgerät. Wagen ist ein zweirädriger offener Wagen, mit einem Wagenlenker und einem Passagier darauf. Für diesen Wagen gibt es im Deutschen nicht ein Wort, vermutlich kennen die meisten von uns den Ausdruck chariot. Dieser Wagen diente im Krieg als Panzer und auf Reisen als Repräsentationslimousine. Naamans Ankunft mit Rossen und Wagen vor dem Haus Elisas ist der Versuch, durch Besitz, Macht und Gewalt mindestens zu beeindrucken oder sogar einzuschüchtern. Das erinnert deutlich an unsere Einstellung und Verhalten. Niemand lasse sich durch technische Veränderungen täuschen. Wir kommen nicht mit Rossen und Wagen. Aber wir kommen mit der ganzen Maschinerie des digitalen Zeitalters: mobile, handy, tablet, server, überdimensionale Bildschirme, touchscreens und so fort. Kann dieser Elisa auch nur ein gleichwertiges Hilfsmittel vorweisen? Uns steht das gesamte internet zu Verfügung, unzählige Bytes, Bilder, videos und media-art, in denen unzählige content-creators viel mehr Wörter und Ratschläge von sich geben, als Elisa zusammen mit allen Propheten in Israel je schaffen kann. Genau wie Naaman fragen wir: Sind unsere livestreams und Datenflüsse nicht besser als alle Ströme in Israel? Unsere Einstellung ist die des Naaman: dieser Prophet aus Israel ist nicht gut genug für mich. Antibiotika und internet, und Limousinen und Panzer, dagegen sieht Elisa gleich mehrfach nur alt aus.

Nach Auftreten, Fragen, und Einstellung bestehen keine Zweifel, wir alle sind Naaman.

Letzte Woche habe ich gelernt, bei tiktok darf jeder bereits ab 13 Jahre videos einstellen. Aber angucken darf diese videos nur, wer 18 Jahre oder älter ist. Hier begucken Volljährige all das, was Minderjährige so in die Kamera halten. Hier wird Minderjährigen beigebracht, daß clicks und Geld der wichtigste Maßstab für jedes Verhalten sind. Dies Verhalten ist so eindeutig zerstörend für alle Beteiligten, daß sogar säkulares Recht es als Verbrechen einordnet. Aber im internet ist es eine sehr erfolgreiche Geschäftsidee.

Leben ohne Antibiotika ist unschön. Noch schlimmer ist das Leben mit wirkungslosen Antibiotika, denn hier fehlt sogar die Hoffnung auf Neuerung und Besserung. Wie jeder weiß, wurde in den letzten Jahren mit Antibiotika viel zu unüberlegt umgegangen. Daher sind die meisten der bekannten Antibiotika bereits wirkungslos geworden. Leben mit wirkungslosen Antibiotika ist unsicher und hoffnungslos, und wir tun alles, um diesen Zustand möglichst schnell zu erreichen.

Wer meint, Antibiotika und internet würden ausreichen, uns von Naaman zu unterscheiden, der irrt. Aber die vermeintlichen Unterschiede selber abzubauen, ist doppelte Torheit. Wann und wodurch können wir sicher sein, daß wir uns nicht genau durch diese doppelte Torheit auszeichnen?

Naaman erhält von Elisa genau das, was er möchte. Eine Anweisung, wie er sich von seiner Krankheit heilen kann. Diese Anweisung braucht kein Geld, keinen Schweiß, Naaman muß auch keine schwierigen Fragen beantworten. Um einen modernen Ausdruck zu verwenden: Die Anweisung des Elisa an Naamen ist ein ausgesprochen niedrigschwelliges Angebot. Und prompt verändert sich der Kriegsheld in den Suppenkasper. Meine Suppe ess’ ich nicht, nein meine Suppe ess‘ ich nicht. Oder die Version des Naaman: Untertauchen tue ich nicht, nein, im Jordan untertauchen tu ich nicht. Und was ist unsere Version? Wir meinen, wir machen weder den Naaman noch den Suppenkaspar. Wir meinen, solche Torheit kann uns nicht passieren, denn wir achten die Anweisungen in Schrift und Bekenntnis. Tun wir das? Meine Bibelverse lern ich nicht, nein, meine Katechismussätze lern ich nicht. Ist der Satz wirklich noch nie gesagt worden in dieser Gemeinde?

Nur weil Naaman einen Satz behält und befolgt, den er nicht versteht oder verstehen will, den er für unter seiner Würde hält, nur deswegen wird er geheilt und überlebt seine Krankheit. Meint jemand, der Vergleich zwischen Naaman und uns sei nicht passend? Denn siebenmal Untertauchen im Jordan kommt in unserem Leben nicht vor. Dann probieren wir diesen Satz: Vor dem Essen Hände waschen. Den Satz haben wir alle auswendig gelernt und befolgt, viele Jahre bevor wir überhaupt in der Lage waren, zu verstehen, was Infektionskrankheiten sind und wie sie bekämpft werden. Wir sind aber in das Alter und zum Verstehen nur gekommen, weil wir diesen Satz auswendig gelernt und befolgt haben, als wir ihn noch nicht verstanden hatten oder verstehen konnten.

Wir halten Naaman für fehlgeleitet, kurzsichtig und überheblich. Und er ist es. Er kommt mit einer pompösen show bei Elisa vorgefahren, und übersieht prompt die wirkmächtige Hilfe in der einfachen Anweisung Elisas. Er verliert Gesundheit und Leben, weil er eine Anweisung nicht befolgen will, die seinen Vorlieben oder Gewohnheiten nicht entspricht. Und wofür halten wir uns? Wir verhalten uns nicht weitsichtiger oder klüger oder auch nur weniger überheblich als Naaman. Was verlieren wir alles, weil wir über unsere Gewohnheiten und Vorlieben nicht hinauswachsen wollen?

Es wird heute auch deutlich, wer wir alle nicht sind. Wir alle sind nicht der Hauptmann aus Kapernaum. Der stellt sich nicht vor Jesus und sagt, ich lern nichts auswendig, ich muß Dein Wort verstehen, ich brauch ein anderes Format. Ein Kommißkopp mit Vorhaut kommt zu Jesus und sagt, die Verantwortung für andere überfordert mich, ich bin nicht Herr meines Lebens, ich brauch Deine Hilfe. Der zeigt uns, was Demut ist, der tut Vertrauen zu Jesus, der ist dankbar und freut sich über ein einzelnes Wort aus Gottes Mund. Und was folgt aus diesem Verhalten? Sein Knecht ward gesund zu derselben Stunde. Wie viele, für die wir Verantwortung tragen, haben ihr Leben verpaßt und verloren, bloß weil wir vor Gott und Seinem Wort stehen, und ständig von nicht auswendig lernen und anderem Format reden?

Aber zurück zu Naaman. Anders als wir hat Naaman eine stichhaltige Ausrede, warum er sich zu Vertrauen in Gott nicht durchringen kann. Wenn wir Gott hören, dann verbinden wir damit die Eigenschaften des Vaters Jesu Christi. Immer ein offenes Ohr, eifernd für das Wohlergehen Seines Volks und aller Menschen, gerecht, Herr aller Mächte und Gewalten, zuverlässig, hat sich im Bund an Sein Volk und Seine Zusagen gebunden. Dagegen, was Naaman bisher unter der Bezeichnung Götter kennen gelernt hat, das hat nichts von diesen Eigenschaften. Naaman kennt nur Fruchtbarkeits-Stiere, Mischwesen aus den verschiedensten Tierarten, oder Bilder, bei denen niemand sagen kann, wo sie herkommen. Deren Verhalten ist launisch, faul, unzuverlässig, bestechlich, unfähig und unwillig, nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert. Schon die Bezeichnung als Götter ist verfehlt. Sie sind nicht göttlich, auch nicht menschlich, sondern nur all zu menschlich. Daß Naaman von Elisa eine show verlangt, daß Naaman zum Suppenkaspar mutiert, ist kein Zufall. Naaman kennt nichts anderes. Gott zu erkennen, in dessen Namen Elisa handelt, dazu hat Naaman einen schlechten Start.

Wie reagiert Gott auf den Naaman, der gerade vom Kriegshelden zum Suppenkaspar mutiert ist? Hält Gott dem Naaman seine Albernheit vor, und gibt ihn der verdienten Lächerlichkeit preis? Gerät Gott über den Mangel an Vertrauen in Zorn, und weist Naaman samt seiner Bitte zurück? Dies ist, was Gott tut: Gott gibt Naaman, worum der gebeten hat, Heilung von seiner Krankheit. Ohne show, ohne Hinweis darauf wie schwierig es ist, Krankheiten zu beseitigen, ohne jede Selbstinszenierung oder Eitelkeit. Gott heilt den Naaman auch ohne jede therapeutische Aktion, die selbst ein kompetenter und hilfsbereiter Arzt braucht. Gottes Souveranität, Gottes Herr-schaft über die Mächte, die Naamans Leben stören und zerstören, ist vollkommen. So vollkommen, daß auch Naamans schlechter Start auf seinem Weg zu Gott ausgeglichen wird.

Naaman kommt aus dem Jordan, gesund und dankbar und voller Glauben an den einen und einzigen Gott. Und wir? Sehen wir, daß die influencer, wo immer auf dem internet sie sich herumtreiben, die digitale Version der Götzenbilder sind, die nicht sehen und nicht hören können, die nur ihren Vorteil suchen, und deren Kennzeichen Gleichgültigkeit und Unfähigkeit sind? Ihre videos versprechen Illusionen wie Reichtum ohne Anstrengung oder eine perfekte Beziehung. Sie sind die show oder Augenwischerei, durch die wir genau wie Naaman die tatsächliche Hilfe übersehen und verpassen.

Aber wir sind nicht einfach Naaman. Naaman sieht seine Krankheit verschwinden und erkennt dadurch den Herrn über die Mächte, die krank machen. Wir kennen auch Christus, Gott selber als Mensch unter uns Menschen. Er hat nicht nur Krankheiten geheilt. Christus hat auch den letzten Feind besiegt, und Gott als Schemel unter die Füße gelegt. Auch der geheilte Naaman bleibt unter der Macht des Todes. Christus hat durch Menschwerdung, Kreuzesopfer und Auferstehung auch dem Tod seinen Schrecken genommen. Naaman muß nach Jerusalem fahren, um Gott und Seiner Hilfe zu begegnen. Uns schenkt Christus Seine Gegenwart an allen Orten, wo wir Sein Abendmahl feiern.

Wir haben einen ungleich besseren Start als Naaman auf unserem Weg zu Gott und Seiner Zuwendung zu uns. Das soll niemanden verleiten, unaufmerksam oder undankbar zu sein. Gott wolle uns gesund machen, in jeder Hinsicht, und nicht nur unsere Tage mehren, sondern auch unsere Einsicht und Weisheit.

Amen.

Und der Friede Gottes, der all unser Verstehen übersteigt, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.


Beitragsbild: Pieter de Grebber: Der Prophet Elisa weist Naamans Gaben zurück.