Dritter Advent

Von | Dezember 30, 2022
Predigt am dritten Advent

Gnade, Barmherzigkeit, Friede
von Gott, dem Vater
und von dem HERRN Jesus Christus
sei mit euch.
Amen.


1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, daß ihre Knechtschaft ein Ende hat, daß ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.
3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!
4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden;
5 denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat’s geredet.
6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde.
7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!
8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
9 Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott;
10 siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen.
Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her.
11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.

Jesaja 40, 1-11

Liebe Gemeinde!
Das Besondere am Trost ist, daß die getröstete Seele allein weiß, wann sie getröstet ist. Ein Tröster öffnet sich mit großer Geduld für die Person, die er tröstet. Ja, die Liebe wird ihn nicht aufhalten, bis er die Last die den traurigen drückt, mitträgt und den Schmerz teilt.
Der Trost erreicht sein Ziel, wenn die Seele sich beruhigt. Das geht nicht auf Befehl, das kann sie sich nicht einreden, das kann auch nicht geheuchelt werden. Die betrübte Seele bestimmt. Der Tröster erkennt das an, und läßt sich davon leiten.
Im Trost bleibt die Zeit stehen, bis der Schmerz kleiner wird, die Last leichter, das Dunkel heller, der Mißton wohlklingender wird, der Krampf sich löst.
Ein Tröster guckt nicht auf die Uhr. Er zählt nicht, wie oft er schon etwas gesagt hat. Nur dann wird der Trost die traurige Seele erreichen. Die kleine Seele, die verwundete Seele, die erschöpfte Seele, die gescheuchte Seele, die überforderte Seele. Sie soll zur Ruhe kommen, neue Kraft schöpfen.
Gott will das.
Er ist der Gott „alles Trostes“ (2. Korinther 1, 3-4).
So hat Gott sich festgelegt.
Er will nur Gott sein, wenn es Trost gibt. So wahr Gott existiert, muß es Trost geben.
Jesaja sagt es uns: Hör zu: Gott selbst hat beschlossen, daß Er keine Ruhe hat, bis deine Seele Ruhe hat. Es gibt keinen ernsteren Ernst, als diesen Ernst. Es gibt keinen heftigeren Willen im Himmel und auf Erden, als diesen Willen daß es für dich Trost gibt.
Darum kommt vom Himmel über uns dieser doppelte Befehl:
„Tröstet, tröstet!“ Damit bekommt Trost höchste Priorität. Unter allen Umständen soll Trost vorangebracht werden. Alles muß dem Trost dienen. Gott tut alles, daß deine Seele nicht verrinnt, sich nicht auflöst oder begraben wird. Nein, sie soll es nicht.
Darum spricht Gott mir dir.
Es ist ja ein Befehl: „Tröstet!“ – Gott beauftragt eine Vielzahl von Personen. Das ist wirklich im Gange. Mitten in einer feindseligen, gleichgültigen, kalten Welt mit unerträglichem Gequatsche, und hohlen Sprüchen, die die Seele nur quälen, beruft und sendet Gott selbst Diener zum Trösten.
Diese Realität muß deine Seele erreichen. Es ist kein Werbespruch, der Geld aus deiner Tasche ziehen will, kein Versprechen von Politikern, die hoffen daß man ihren Unernst nicht merkt. Diese Realität, die von Gott kommt, ist mehr wirklich als jede Last und jeden Kummer. Oder ist deine Last und dein Kummer größer, als Gott?
„Redet mit Jerusalem freundlich.“
Schon wieder Jerusalem.
Bin ich denn Jerusalem?
Diese Frage muß beantwortet werden.
Sonst gibt die Seele auf – „Ich bin nicht gemeint!“ Dann ist der Trost auch kaputt.
Jerusalem.
Die Stadt Gottes. Privilegiert vor der gesamten Menschheit. Auserwählt. Vorgezogen. Sonderbehandlung. Mit Gott auf Du, sozusagen. Im Alten Testament hatte Gott dem Volk dieser Stadt Seinen Willen anvertraut – und dazu gesagt: Ich bin dein Gott. Ich bin ganz für dich da. – Sei du, Israel, ganz und gar für mich da, denn ich bin ganz für dich da. Die Gebote zeigen den Weg.
Doch Israel war nicht ganz für Gott da. Es wollte mehr und verlor alles. Die Götzen der anderen Völker waren faszinierend. Sichtbar, mehr „menschlich“, mehr „praktisch“. Es war leichter, der Waffe zu vertrauen, als dem unsichtbaren Gott. Es war leichter, sich auf Diplomatie und Verhandeln zu verlassen, als auf Gott. Und dann all diese Opfer! Rein und Unrein mußte unterschieden werden. Bestimmte Zeiten mußte man einhalten. Von den 10 Geboten ganz zu schweigen. Wir Menschen könnten Gott ganz auf unserer Seite haben in allen Dingen, Seinen Segen, Seine Macht. Aber wir haben Gott gegen uns, weil wir Seine Gebote übertreten.
Jerusalem brauchte Trost. Es lag am Boden zerstört. Buchstäblich. Besiegt und in Schutt und Asche gelegt. Das Schlimmste aber war das Gewissen: Das ist passiert, weil ich Gott verlassen habe. Ich habe meine beste Chance verspielt. Ich habe mein Leben mit dieser Lieblosigkeit kaputtgemacht. Dieses Begehren hat meine Kapazität, Freude zu haben, verdorben. Ich habe Menschen geschadet. Und jetzt spricht alles gegen mich. Ich verdiene keinen Segen. Gott ist gegen mich.
Jerusalem war hoch privilegiert gewesen – und deshalb um so tiefer gefallen, gestürzt. Jerusalem war untröstlich.
„Redet mit Jerusalem freundlich. Predigt ihr daß ihre Knechtschaft ein Ende hat, daß ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.“ – Es ist eine Knechtschaft. Eine Unfreiheit. Man ist unter einem Zwang, vom Leben, von Licht, von der Freude, vom Gespräch abgeschnitten. Gott will, daß das aufhört. Die Schuld soll nicht mehr alles beherrschen. Es ist genug. Das sagt nicht Jerusalem, sondern das sagt Gott selbst.
Ja, Jerusalem soll hören, daß die Last, die Qual, die Strafe doppelt gewesen ist. – Das passiert liebe Gemeinde: Menschen, die nahe bei Gott sind, werden mehr an ihre Grenzen geführt, als Menschen, denen Gott egal ist. Sie sollen noch genauer erfahren, was Gott kann.
Gott will nicht mehr gegen Jerusalem sein. Und Jerusalem soll wieder ganz für Gott da sein können.
Wie soll das möglich sein?
„Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott!“
Wieder eine Stimme! Wenn eine Seele nicht angesprochen wird, kommt kein Trost zustande.
In der Wüste muß etwas passieren. Im Chaos, in der fremden, abweisenden Landschaft. Es muß einen Weg geben, den man gehen kann. Ohne Gottes Wort ist die Wirklichkeit ein Chaos. Wir sehen keinen Weg. Wir sehen keine Gefahr, oder wir sehen Gefahr, wo keine ist. Wir wissen nicht, ob wir in die Irre gehen, oder nicht. Wir erkennen nicht, was wichtig oder unwichtig, was Segen oder Fluch ist.
Zu Gottes Trost gehört auf jeden Fall, daß es einen Weg gibt. Ein Weg sagt der Seele: Es geht weiter. Das Ziel ist gut.
„Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden.“ Ein krasses Bild. Berg und Tal stehen eigentlich unveränderbar fest. Es gehört zur Trostlosigkeit, daß Dinge sich nicht ändern können. Man ist im Tal und ist ganz unten. Und andere sind ganz oben, sie haben alles, und haben Glück, und keine Sorgen. Wenn Gott spricht, wird das anders. Der Neid geht weg. Denn der Neid macht das Tal zum Tal. Die Verzweiflung wird gebrochen.
Und die Berge? Die da oben? Wenn sie erkennen, daß alles eine Gabe Gottes ist, ein Geschenkt, dann werden sie bescheidener. Die Arroganz muß weg. Sie schadet allen. Die Selbstgerechtigkeit – sie ist überhaupt nicht beneidenswert, und doch sind wir immer wieder von ihr beeindruckt.
„Denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat’s geredet.“
Nicht die Herrlichkeit von Menschen – schon gar nicht die Herrlichkeit auf Kosten anderer. Sondern die Herrlichkeit des HERRN, die allen gut tut und heilsam ist. Die vor allem tröstet.
Wer noch im Berg und Tal hängt, der verpasst es, wenn Gott selber kommt.
Spätestens jetzt sind wir bei Johannes dem Täufer. Er hat in der Wüste, im Chaos Israels einen Weg gemacht. Er hat die Berge runtergeholt, und die Täler aufgerichtet – damit sie alle Gottes Herrlichkeit nicht verpassen sollten.
Schon der Prophet Jesaja machte deutlich: Es kommt Gottes Herrlichkeit so, daß alles Fleisch sie sehen kann. Normalerweise gilt: Wer Gott sieht, muß sterben. (2. Mose 33, 20). Es ist zuviel und zu groß.
Doch ein für alle Mal, einmal für alle Menschen, soll Gottes Herrlichkeit erscheinen – Gott will uns so begegnen, daß es nicht ein Schrecken, sondern ein Trost ist.
Darauf hat Johannes der Täufer hingewiesen. Er hat ganz klar bekannt, daß er „Eine Stimme in der Wüste“ ist. (Johannes 1, 23). Er hat das ganze Volk Israel zurück zu Gott gerufen. Die Hohen hat er nicht gefürchtet, und die Niedrigen hat er nicht verachtet. Und das hat er getan um auf das Lamm Gottes zu zeigen. „Da ist er! Seine Herrlichkeit ist es, Eure jämmerlichen Lasten abzunehmen. Seine Herrlichkeit ist es, zu trösten. Seine Herrlichkeit ist es, die zu suchen, die sich komplett verirrt haben, und überhaupt nicht weiterwissen. Seine Herrlichkeit ist es, zu vergeben. Die Tür zur Liebe wieder aufzumachen. Die Tür zum Leben offenzuhalten. Auch gegen den Tod.“
Das ist alles, was Jesus getan hat. Mit jedem Atemzug in Seinem Leib, mit jedem Puls Seines Herzens war er bei den Trostlosen. Das ist Gottes Herrlichkeit, da ist Gott ganz und gar Er selbst und alles Fleisch soll es sehen.
Ohne Gebrauchsanweisung, ohne Briefing geht das nicht.
Darum hören wir nochmal von der Stimme. – In Gottes Stimme ist wirklich das ganze Leben! –
„Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk!
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.“ Da haben wir wieder die Trostlosigkeit. Alles Fleisch ist wie Gras. Überall lauert und wartet der Tod, die Vergänglichkeit. Wozu also predigen?
Gottes Wort bleibt. Gott ist in Seinem Wort. Er kommt mit Seinem Wort zu uns. Es wird nicht aufhören, zu sprechen, zu wirken, zu trösten. Mit Gottes Trost fängt die Auferstehung der Toten an. Schon jetzt.
„Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen.“
Gottes Trost ist so, daß die Getrösteten auf einmal den Trost weitergeben können. Die Tochter Zion kann, soll und wird ohne Furcht sprechen: Siehe, da ist euer Gott.
Das geschieht schon im Kleinen in der Gemeinde. Christen, die Schweres tragen mußten, und Gottes Trost erlebt haben, können mit anderen sprechen, die erschrocken sind, oder verzweifelt. Der Trost geht weiter.

„Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her.
Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.“
Was Gott durch das Evangelium geschaffen hat, das behütet und begleitet Er. Bis ans Ziel. Der Glaube muß nicht jetzt auf einmal alle Kraft haben – als würde er Gott nicht mehr brauchen. Im Gegenteil. Wer Gottes Trost erlebt hat, braucht ihn immer mehr. Und es gibt ihn.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.