8. Sonntag nach Trinitatis

Von | August 15, 2022
Predigt

Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, dem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

41 Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein.
42 Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig.
43 Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben.
44 Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluß eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Markus 12, 41-44

HERR, segne Dein Wort an unseren Herzen. Amen.

Liebe Gemeinde!
Kirche und Kollekte muß man unterscheiden, aber nicht trennen. Die Kollekte, oder das Dankopfer, gehört einfach dazu. Unsere Gemeinde hat Einnahmen und Ausgaben. Es gibt Belege und Buchungen für die Altarkerzen, für den Strom, für die Pflege der Orgel, ja auch für das Gehalt des Pastors … Der Vorstand ist der Gemeinde Rechenschaft schuldig für jeden Cent, der eingenommen oder ausgegeben wird. Es ist eine Sache des Vertrauens, und das Vertrauen darf nicht enttäuscht, verletzt, oder mißbraucht werden. Man vermutet, daß die ersten Geldinstitute, also Banken, Tempel gewesen sind. Dem Tempel wurde Geld anvertraut – es wurde aufbewahrt oder weitergegeben. – Im Volk Israel war es so, daß der Stamm, der für den Priesterdienst zuständig war, der Stamm Levi, kein Land zugeteilt bekam, wie alle anderen Stämme Israels. Die anderen Stämme waren verpflichtet, den Zehnten des Ertrags vom Boden Gott zu geben, als Naturalie, oder als Geld, im Tempel in Jerusalem oder in der Heimatstadt. (5. Mose 14, 22-29). Das schloß auch die Fürsorge für die Armen, vor allem für die Waisen und die Witwen ein.
Die Fürsorge für Bedürftige war in Israel hochentwickelt und genau geregelt.
Jesus macht uns klar, daß die Kollekte, das Dankopfer, der Beitrag, unbedingt eine unsichtbare verborgene Seite hat, die nicht in die Buchhaltung kommt, und doch eine große Realität ist: eine Glaubenssache.
Jesus beobachtet mit seinen Jüngern, wie die Besucher des Tempels in Jerusalem ihre Spenden geben. Im Tempel gab es im Vorhof der Frauen, wo auch die Männer Zutritt hatten, 13 trichterartige Opferstöcke, mit verschiedenen Zweckbestimmungen – vor allem für den Gottesdienstbedarf im Tempel: Opfertiere, Weihrauch und Holz, daneben auch 6 für freiwillige Gaben. Gerade diese freiwilligen Spenden wurden öffentlich, mitunter auf der Straße, vor der versammelten Gemeinde bekanntgegeben. Da war natürlich die Versuchung, sich selbst darzustellen als Wohltäter der Armen. Jesus warnt ausdrücklich davor: „Wenn du aber Almosen gibst, dann sollst du nicht vor dir posaunen lassen, wie die Heuchler in den Versammlungen und auf der Straße, damit sie von den Leuten bestaunt und gepriesen werden. Glaubt mir, sagt Jesus, sie haben ihren Lohn dahin!“ – Das heißt, mit dem Applaus von Menschen ist alles passiert. Das ist dann dein Lohn. Bei Gott kommt nichts mehr an, denn Gott war ja auch nicht gemeint, sondern Menschen. Jesus pocht darauf: Tu es für Gott! Oder: Tu es vor Gott! Es sei zwischen dir und Gott! – „Wenn du aber Almosen gibst, so laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut, auf daß dein Almosen verborgen bleibe, und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten.“ (Matthäus 6, 3-4). Gott nimmt es genau. Wenn du es für die Anerkennung von Menschen tust, dann hält Gott sich da heraus. Denn wirkliche Liebe tut und gibt ohne Seitenblick. Was du gibst und tust, gehört dir nicht mehr, sondern deinem Nächsten. Gott trennt alles von dir von der Spende ab – dann wird sie zu Gottes Gabe für den Nächsten, oder für den Gottesdienst.
Jesus und seine Jünger sehen zu, wie das Volk spendet. Viele Reiche legten viel ein. Gut für den Tempel! Gut für den Gottesdienst! Gut für die Armen! Daß viele Reiche viel einlegen, muß sichtbar gewesen sein. Es geschah vor Menschen. Es geschah nicht vor Gott. Wäre es vor Gott geschehen, wäre es im Verborgenen geschehen.
Es war gut für den Tempel – aber, ja. Aber war es auch gut für die Geber? Wenn die Geber es im Verborgenen vor und für Gott tun, dann wäre es nicht nur gut für den Tempel oder die Armen gewesen, sondern auch gut für die Geber selbst.
Liebe Gemeinde, da möchte ich einen Gedanken teilen, der mich schon länger beschäftigt: Kollekte und Bargeld hängen doch zusammen. Wie wird unsere Kollekte aussehen, wenn das Bargeld nicht mehr die Regel ist? Gut, es gibt sicher jetzt schon moderne Gemeinden und Kirchen wo man mit Karte oder sonst digital eine Spende machen kann. Doch da ist die Spende immer auch zwischen Menschen, sie wird immer datenmäßig erfaßt werden. Man spendet in dem Wissen, daß es Mitwisser gibt. Das kann man nicht wegdenken. Vor allem: Was, wenn ein Staat dem Christentum, oder gewissen Ausprägungen des Christentums, mißgünstig gegenüber steht? Wenn zentral erfaßt wird, wer unerwünschte Kirchen unterstützt? Das, und eben die Dimension: Das ist für Gott allein! Das geht sonst niemanden etwas an! Es soll im Verborgenen sein, für den Vater, der in das Verborgene sieht! Die Spende soll den Spender ganz und gar verlassen, und ganz für den Zweck sein, für den sie bestimmt ist! Ähnlich wäre es ja auch für die Bettler. Wenn ich einem Bettler etwas gebe, dann muß das keiner wissen. Bettler mit Geräten für Kreditkarten? Das würde alles ändern! Können wir unsere Seele davon freihalten und das Zwischenmenschliche hinter uns lassen, und nur um Gottes willen Spenden?
Aber das nur nebenbei!
Hier haben wir also eine arme Witwe. Ein schweres, aber nicht ungewöhnliches Schicksal. In Israel sollte eine Frau immer einen Mann haben, der öffentlich für sie eintritt, und für ihre Versorgung verantwortlich ist. Ob als Tochter, oder als Ehefrau, als Schwester oder als Mutter: Es war geregelt: Vater, Bruder, Ehemann, Sohn – sie hatten alle die gottgesetzte Pflicht, für Tochter, Schwester, Ehefrau oder Mutter da zu sein. Jesus, als der älteste Sohn, versorgt ja seine Mutter noch am Kreuz, in dem er Maria dem Jünger Johannes anvertraut. (Johannes 19, 26-27). Es gab auch die Regelung, daß ein Mann die kinderlose Witwe seines Bruders heiraten sollte. (5. Mose 25, 5-10).
Wenn also eine Frau am Ende wirklich niemanden hatte, dazu mußten viele Schicksalsschläge sie getroffen haben. Da war sie ganz unten und arm dran. Aber, wie ich schon eingangs sagte: Die Fürsorge für diese Armen Menschen war in Israel hochentwickelt. Es war genau geregelt, was Witwen bekommen mußten. Das Überleben war – wenigstens im Gesetz! – gesichert.
Aber wie wird sich die Witwe vorgekommen sein im Tempel, vor und nach ihr wurde ausposaunt, wie fantastisch gespendet wurde! Die vielen Reichen machten einen Unterschied für den Gottesdienst, den Tempel und das Volk Israel. Und jetzt sie mit ihren zwei kleinen Münzen. Es waren die kleinsten Münzen in Israel. Wenn sie die beiden Münzen behalten hätte, hätte es dem Tempel sicher nicht geschadet. Wenn sie eine Münze gegeben hätte, dann hätte sie noch eine für sich gehabt. Aber sie gibt beide. Wenn sie die Münzen behalten hätte, dann hätte sie für ein paar Tage weiter leben können. Nun aber wird sie aufs Neue ihr Witwengeld abwarten müssen.
Jesus sagt: „Sie hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.“ – Ihre g a n z e Habe … a l l e s, was sie zum Leben hatte. Der Kontrast ist deutlich: Diese 2 Münzen hätten dem Tempel nicht gefehlt. Aber sie werden der Witwe fehlen.
Die großen Spenden hätten dem Tempel gefehlt, aber weil sie aus dem Überfluß gegeben wurden, fehlten sie den Reichen nicht.
Und jetzt sagt Jesus: Die Witwe hat mehr gegeben. Mehr? Wie: mehr? Muß die Buchhaltung geändert werden? Wie kann und soll es mehr sein? Mehr als das, was alle anderen zusammen eingelegt haben. Also: 2 Euro sind mehr als 20.000 Euro?
Wenn Jesus sagt: „Mehr“ , dann ist es mehr. Jesus spricht als der Gottes Sohn. Es kommt bei ihm an, wie es bei Gott ankommt, und das ist endgültig.
Vor Gott muß die Witwe sich nicht schämen, wie sie sich vielleicht vor den vielen Reichen geschämt hat. – Sie war ja von ihnen und ihre Spenden abhängig. Jesus stellt sich jetzt vor die Witwe und spricht für sie. Er sagt: Diese Witwe mit ihren zwei Münzen ist vor Gott 100% in Ordnung. Sie muß für Gott nichts mehr ändern. Es ist alles ganz richtig. Niemand darf auf sie zeigen. Jeder muß sie so respektieren wie er den reichsten Spender respektiert. Jesus tritt für sie ein. Jesus stellt sich vor sie. Wer sich jetzt über sie erhebt, erhebt sich über Jesus selbst. Wer sie jetzt verachtet, der verachtet Jesus. In den Augen der Welt konnte diese arme Witwe niemals mithalten. Alle Züge waren für sie abgefahren. Immer wieder würde sie daran erinnert werden, daß sie anderen zur Last fiel. Eine harte, gnadenlose Realität. Und das an dem Ort, wo sie Gott begegnen wollte und sollte: Im Tempel. Der Tempel war von den Urteilen und Vergleichen zwischen Menschen völlig überwuchert. Geld definierte, was überhaupt Realität hatte.
Liebe Gemeinde, das ist die Realität bis heute. Das Geld hat in sich diese Dynamik, uns Menschen zu sagen, ob es uns überhaupt gibt. Ob wir etwas darstellen, oder nicht. Ob man uns ernstnehmen braucht, oder nicht. Es steckt sehr tief in uns drin.
Jesus macht es überdeutlich, daß diese Dynamik des Geldes bei ihm, und darum auch bei Gott, überhaupt gar keine Rolle spielt. Darum hat Jesus alle Verkäufer und Käufer aus dem Tempel ausgetrieben.(Lukas 19, 45). Darum hat der zu seinen Jüngern gesagt: „Umsonst – also ohne dafür zu bezahlen – habt ihr das Evangelium bekommen, umsonst gebt es auch weiter. (Matthäus 10, 8)“. Und ganz programmatisch. „Niemand kann zwei Herren dienen. … Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“. (Matthäus 6, 24).
Jesus sagt: Der Glaube, mit dem die Witwe ihre zwei Scherflein gegeben hat, der macht den Tempel zum Tempel. Dieser Glaube, der alle seine Sorgen auf Gott wirft, von Gott eine Zukunft erwartet, dieser Glaube ist eine größere Wirklichkeit, als der Tempel selbst. Durch diesen Glauben hat die Witwe alles, was sie im Tempel haben kann – sie ist bei Gott angekommen, und Gott ist mit ihr zufrieden. Denn sie diente Gott, und nicht dem Mammon.
Jesus ist völlig aus dem Häuschen, als er diese zwei Münzen springen sieht – weil er darin sieht: Endlich ein Mensch, der Gott dient, und nicht dem Mammon! Das ist für Jesus der Jackpot. Die Witwe hat gewonnen. Das kann nicht deutlich genug gesagt werden.
Diese arme Witwe ist unser Vorbild. Genauso, wie Jesus gesagt hat: Wer das Reich Gottes nicht empfängt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen (Markus 10, 15) – so sagt er hier: Wer nicht so völlig frei vom Mammon Gott dient wie diese arme Witwe, der dient Gott überhaupt nicht.
Wer Gott dient, der dient dem Mammon NICHT. Und wer nicht dient, der ist frei. Jesus bringt vollkommene Freiheit dem Geld gegenüber. Das ist ein notwendiger Teil des Evangeliums.
Liebe Gemeinde – wir müssen vor dieser Szene im Tempel niederknien – in unseren Herzen. Wir müssen dafür offen sein, daß alles hier größer ist als alles, was wir uns vorstellen können.
Was tut Jesus hier eigentlich, wenn er sich vor die arme Witwe stellt? Wenn Jesus festlegt, daß diese Frau – die mit ihren 2 Münzen kein einziges Opfertier bezahlen konnte – daß sie ohne Opfer Gott gefällt.
Jesus legt fest, daß der Glaube dieser Frau das Beste für den Tempel ist. – Und das bedeutet, daß Jesus der HERR des Tempels ist.
Diese zwei lächerlichen Münzen geben Jesus den Anlaß zu sagen: Ich beschließe, was gut ist für den Tempel. Ich entscheide, wer die Gottesbegegnung bekommt, für die der Tempel da ist. Das kann Jesus nur tun, wenn und weil er der HERR des Tempels ist. Damit ist er der HERR aller Opfer, der HERR aller Gebete, der HERR aller Vergebung, der HERR aller Begegnungen mit Gott.
Jesus hat ja auch an anderer Stelle deutlich gesagt: „Ich sage aber euch, daß hier der ist, der auch größer ist denn der Tempel.“ (Matthäus 12, 6). Jesus sagt damit: Wer mich hat, der hat alles, was Gott im Tempel gegeben hat, und noch mehr. Sein Opfer ist größer als alle Opfer im Tempel, das Gebet in seinem Namen ist direkter und gewisser als alle Gebete im Tempel. Die Begegnung mit Jesus ist die Erfüllung aller Begegnungen mit Gott, die im Tempel in Jerusalem möglich gewesen sind.
Und noch etwas, was so groß ist, daß es unseren Verstand übersteigt: Jesus macht mit diesem kleinen, unscheinbaren Wort im Tempel klar: Er wird niemals vom Geld regiert, er wird niemals vom Geld definiert. Der Mammon kann Jesus niemals in irgendeiner Weise festgelegen oder hindern. Jesus ist frei gegenüber dem Geld. Immer. Und ganz und gar. Jesus tut mit und ohne Geld alles, was er tun will. Jesus ist dem Geld nicht unterworfen. Wo Jesus ist, da hat das Geld nicht das letzte Wort.
Und wir? Was sollen wir denn jetzt tun? Sollen wir alles spenden? Oder nichts spenden?
Wir sollen d i e Begegnung mit Gott suchen, in der Geld nichts definiert, und endlich dahin kommen, daß das Geld uns nicht beherrscht. Und anerkennen, daß Jesus der HERR unseres und alles Geldes ist. Ihm gehört unser Geld, ob wir es zuhause verwenden, oder der Kirche anvertrauen.
Und noch etwas: Wir sollen glauben, daß unser glaubensvolles Beitragen und Spende an dieser Freiheit, an dieser Gottesbegegnung baut. Jesus ist so frei, daß er mit zwei Münzen den Tempel aufhebt und ein Neues Testament anfängt. Die Einschätzung der Welt – daß wir reich oder arm sind – sagt keinem Christen, wer er ist. Jesus sagt uns, wer wir sind. Und das Geld sagt uns nicht, wer Jesus ist. Das Geld ist gegenüber Jesus machtlos. Aber Jesus hat dem Geld gegenüber alle Macht.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum Ewigen Leben. Amen.


Beitragsbild:

Gestaltung: Lioba Fenske