Sexagesimä

Von | Februar 8, 2021
Schoen, Erhard: Gleichnis vom Sämann

Gnade sie mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, redete er in einem Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf. Und einiges fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und einiges fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. Und einiges fiel auf gutes Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Als er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. Er aber sprach: Euch ist’s gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen, den andern aber in Gleichnissen, damit sie es nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören. Das Gleichnis aber bedeutet dies: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber auf dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort aus ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Doch sie haben keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.

Lukas 8, 4-13

HERR, segne Dein Wort an uns, Dein Wort ist die
Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
Es scheint alles zunächst sehr einfach. Und am Ende ist es auch einfach. Aber: Es ist ganz anders, als wir denken.
Es ist alles ganz einfach:
Ein Sämann geht aus zu säen. Der Same wird ausgesät, und dann geschehen vier Dinge.
Die Saatkörner fallen auf den Weg. Da haben sie keine Chance. Sie werden zertreten, und weggepickt. Es gibt keine Frucht, keine Zukunft.
Andere Saatkörner fallen auf felsigen Boden. Das sieht erstmal gut aus. Die Saat keimt und ein grünes Pflänzchen geht auf. Aber es geht nicht gut. Die Wurzeln kommen nicht an das Wasser, und die Sonne verdorrt das Pflänzchen. Wieder kein Ergebnis, kein neues Leben.
Wieder andere Saatkörner fallen zwischen andere Pflanzen – Dornen – die nehmen der keimenden Pflanze Kraft, Licht und Luft weg. Sie erstickt, verkümmert und am Ende bleibt nichts.
Endlich fallen auch Saatkörner auf gutes Land, und es gibt neues Leben, in Hülle und Fülle : Hundertfache Ernte. Die Zukunft ist sicher.
Aussaat zielt auf Frucht. Niemand schmeißt Saatkörner einfach so um sich. Der Sämann hat eine Absicht. Und die ersten drei Ergebnisse sind nicht seine Absicht. Der Weg, der Felsen und die Dornen machen nicht sichtbar, was der Sämann vorhatte, man kann am Weg, auf dem Felsen und unter den Dornen nicht erkennen, was das überhaupt für Saat ist, die da ausgestreut wurde. Das wird erst in der Frucht eindeutig erkennbar.
Das ist einfach.
Aber auch die Erklärung des Gleichnisses ist einfach:
Das Wort Gottes wird ausgestreut, verkündigt. Natürlich mit dem Ziel, daß es Frucht bringt, Glauben schafft, und überhaupt neues Leben bei den Menschen anfängt, ein Leben, das nicht dem Tod geweiht ist, sondern ewig ist. Das ist Gottes Absicht. Das will Er.
Das Wort Gottes erreicht aber Menschen, die sind wie eine beschäftigte Straße: Da jagt ein Bild das andere, ein Eindruck den nächsten. Das Hirn oder das Herz ist ein vielbeschäftigter Bahnhof. Das Wort Gottes hinterläßt nicht den geringsten Eindruck. Oberflächliche Begeisterung für alles, was irgendwie die Sinne reizt, löscht das Wort Gottes aus, und der Feind Gottes schnappt Gottes Ruf zum Leben einfach weg – Zack! – als wäre nichts gewesen. Dieser Hörer ist verloren.
Oder es bleibt was hängen, sagt Jesus. Menschen sind begeistert. Sie haben sowas noch nie gehört! Auf einmal erleben sie es überhaupt, daß sie mal angesprochen werden, und nicht nur unterhalten oder bespaß. „Daß es so etwas Tiefes und Sinnvolles geben kann! Wow! Und schon so alt! Und ja, es hat unsere Kultur so geprägt! Ja! Und es ist echt interessant!“ – – Aber dann hört man: Es geht auch um Gebote. Im Gottesdienst sind merkwürdige Menschen, mit denen ich in meinen Kreisen nicht prahlen kann. Oder ich erlebe, daß Gott Leiden in meinem Leben zuläßt. Oder es kommt ein Thema wie Kreuzigung oder Sünde. Und auf einmal ist die Begeisterung futsch und dahin. Das war wohl nichts.
Das mit den Dornen ist auch leicht zu verstehen. Ein Mensch hört Gottes Wort, will dabei bleiben. Und dann kommen Sorge, Reichtum und Wollust. Diese drei. Sorge, Reichtum und Wollust führen ein Eigenleben. Nehmen die Seele in Anspruch und saugen sie aus. Sorge, Reichtum und Wollust tun sich wichtig, werden groß. Und Gott lernt man dabei nicht kennen. Da bleiben am Ende weder Sorge, noch Reichtum, und schon gar nicht Wollust. Gegen eigene Schuld, gegen die Macht des Bösen und gegen den Tod können diese Drei nichts ausrichten. – Da bleibt nichts übrig.
Dann das gute Land. Gott spricht, und es geschieht. Hörer hören und folgen. Sie wurzeln ein in Gottes Wort und erfahren, welche Kraft es hat. Sie halten Rückschläge aus und geben im Leiden nicht auf. Sie lassen sich nicht permanent ablenken, und gehen nicht jedem neuen Schnickschnack auf den Leim. Durch Gottes Hilfe merken sie, daß „niemand davon lebt, daß er viele Güter hat“ (Lukas 12, 15) – der Reichtum verliert seine Macht. Jesus fragt sie: „Wer ist unter euch, der seiner Länge eine Elle zusetzen möge, wie sehr er sich darum sorgt?“ (Matthäus 6 27) – Und antworten: Niemand. Die Sorge bringt nichts, nur Schlimmeres. – Diese Hörer werden frei davon, Knechte ihrer Süchte und Genüsse zu werden, „denn die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.“ ( 1. Johannes 2, 17). – Die Wollust ist nicht mehr allmächtig. Und diese Menschen, die das Gute Land sind, erleben, wie Gott bei ihnen aus Nichts Großes schafft. Inneren Frieden. Freiheit zur Liebe. Hoffnung in schweren Zeiten. Und vieles mehr.
Liebe Gemeinde, auch das alles ist einfach.
Das Bild ist wunderbar, als Gleichnis – und wenn man das alles überträgt: Hier das vierfache Ackerfeld, mit dem Samen und der Frucht , und auf der anderen Seite Das Wort Gottes, und wie es neues Leben schafft, und wie auf der Seite des Menschen Hindernisse und Probleme sind. – Wer ein bißchen nachdenken kann, der kann den Vergleich erkennen. Es ist nicht sooo schwer!
So! Und jetzt fängt die Predigt erst richtig an.
Denn da stehen ja noch mehr Worte. Und die stoßen einen vor den Kopf, und dann ist auf einmal nichts mehr leicht und einfach.
Erstens: Warum sagt Jesu, obwohl die Sache doch so einfach erscheint, das rätselhafte Wort: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ –
und zweitens: das allerschwerste: Er spricht davon, daß Menschen das Reich Gottes „nicht sehen, auch wenn sie es sehen, und nicht verstehen, auch wenn sie es hören.“
Diese beiden Sätze sind das geheime Fundament von dem, was wir bis jetzt gehört haben. Und wir verstehen diese Sätze Jesu dann am besten, wenn wir uns erstmal an den Kopf fassen, und fragen: Hab ich jetzt überhaupt schon etwas verstanden?
Sehen, und doch nicht sehen; hören, und doch nicht hören. Man hat es vor der Nase und kapiert es nicht. Jesus nimmt dieses Wort von dem Propheten Jesaja. Ein wichtiges Wort, denn es wird fünfmal im Neuen Testament zitiert. Gott sagt zum Propheten Jesaja bei seiner Berufung: „Geh hin uns spricht zu diesem Volk: Höret, und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! Verstocke das Herz dieses Volks, laß ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind – daß sie sich nicht bekehren und heil werden.“ (Jesaja 6, 9.10). Wir denken: Predigt und Gleichnisse sollen das Verstehen leichter machen, den Zugang zum Reich Gottes öffnen, wie eine Tür. Aber hier sagt Gott dem Prediger Jesaja: Mach durch deine Predigt die Augen, Ohren und Herzen deiner Gemeinde zu. – Was soll das? – Das hört sich so an, als sollte der Säemann erst durch den Samen das Ackerfeld hart und unfruchtbar machen! Dann ist der Säemann aber kein Säemann, oder? Warum denn überhaupt predigen? Warum denn überhaupt zuhören? – Da steht es geschrieben. Und, wie gesagt: Zitiert von Jesus bei allen vier Evangelisten, und auch Paulus zitiert es zustimmend (Römer 11,8). Wir kommen nicht daran vorbei. Da muß ja fast sagen: Dann ist das Wort Gottes nicht ein Same, der neues Leben schafft, sondern das Gegenteil, oder? – Dann müßte man ja Verständnis für die Menschen haben, die nichts mit der Bibel anfangen können. Die Welt ärgert sich ja über vieles im Wort Gottes. Überhaupt, daß Gott uns etwas zu sagen hat, und daß das klar definiert und festgelegt ist: Ein Ärgernis! – Daß Gott Mensch wird, daß er von den angesehensten Menschen schrecklich hingerichtet wird, und von den Toten aufersteht – mußte das wirklich sein? – Und daß wir Menschen Sünder sind – das ist doch eine Beleidigung! Wie viele Menschen wissen gerade genug von Gott oder dem Christentum, gerade genug, um es abzulehnen, zu verwerfen.
Das Wort Gottes übt damit eine Macht aus. Es zwingt die Menschen, sich zu offenbaren.
Mit anderen Worten: Das Wort Gottes macht erst deutlich, daß meine Seele eine Durchgangstraße ist, wo der Teufel alles Gute wegklauen kann. Das Wort Gottes zeigt mir, wie oberflächlich und wetterwendisch ich bin, sodaß kein Segen in meinem Leben Wurzel schlagen kann. Das Wort Gottes macht mir erst klar, welche Macht, kranke Macht, Reichtum, Sorge und Wollust in meinem Leben haben, sodaß sie Gottes Neuanfang in mir abwürgen und ersticken. Gottes Wort zeigt mir, daß ich noch gar nicht angefangen habe, zu leben, daß ich nicht wirklich weiß, was es bedeutet, zu lieben, was es ist, einen Gott zu haben, und wie unsicher meine Hoffnung überhaupt ist.
Da müssen wir durch. Einerlei, wie lange wir schon in der Kirche sind, oder wie kurz. Diese Worte zeigen uns, daß wir wirklich Patienten sind, die in Gottes Notaufnahme müssen, mit dringendem Tatütataa!
Und darum sagt Jesus auch das andere: „Wer Ohren hat, zu hören, der höre!“ – Da denkt man auch: Wozu sagt er das? Er redet doch schon! Meine Ohren sind gesund! – Doch Weg, Steine und Dornen zeigen: Man hört, und es kommt nichts an. Es müssen neue Ohren her! Ohren, die bis zu Herz hin offen sind. Ohren, die dahin führen, daß wir wie aus einer langen dunklen Nach aufwachen und sagen: „Mache mich zum guten Lande, wenn dein Samkorn auf mich fällt. Gib mir Licht in dem Verstande und was mir wird vorgestellt, präge du im Herzen ein, laß es mir zur Frucht gedeihn.“ (Gesangbuch 129, 4). Mache mich zum guten Land, ohne Dich bin ich es nicht! – Jesus spricht nicht nur, sondern er schafft im Reden auch die richtigen Ohren in uns. Am Ende ist es ganz einfach

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Beitragsbild: Erhard Schoen, Gleichnis vom Sämann, um 1525