Darstellung des Herrn

Nach der biblische Berichterstattung, bringen Maria und Josef das Kind Jesus in den Tempel, weil auch für ihn galt, was Mose angeordnet hat: „Jedes erstgeborene männliche Kind gehört dem Herrn.“ Diese „Darstellung des Herrn“ fand vierzig Tage nach dem Weihnachtsfest statt; die Christenheit lässt sich an jedem 2. Februar daran erinnern.

In der Bibel (Luther 1984) heißt es dazu:

Jesu Darstellung im Tempel. Simeon und Hanna
Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie ihn nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen, wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn (2. Mose 13,2; 13,15): »Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn geheiligt heißen«, und um das Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: »ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben« (3. Mose 12,6-8).
Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm. Und ihm war ein Wort zuteilgeworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam auf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach:
Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren,
wie du gesagt hast;
denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen,
den du bereitet hast vor allen Völkern,
ein Licht, zu erleuchten die Heiden
und zum Preis deines Volkes Israel.
Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was von ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen für viele in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird – und auch durch deine Seele wird ein Schwert dringen –, damit vieler Herzen Gedanken offenbar werden.
Und es war eine Prophetin, Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser; die war hochbetagt. Sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt, nachdem sie geheiratet hatte, und war nun eine Witwe an die vierundachtzig Jahre; die wich nicht vom Tempel und diente Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht. Die trat auch hinzu zu derselben Stunde und pries Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.
Und als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie wieder zurück nach Galiläa in ihre Stadt Nazareth. Das Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und Gottes Gnade war bei ihm.

Lukas 2,22-40

Reformationsfest

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Amen.

1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und
laßt euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
2 Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden laßt, so wird euch Christus nichts nützen.
3 Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden läßt, daß er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.
4 Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen.
5 Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muß.
6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.

Galater 5, 1-6

Lieber Herr Jesus, Du hast gesagt: Wenn euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei. Mach, daß das auch bei einem jeden von uns geschieht. Segne Dein Wort an unsren Herzen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Die Reformation ist die Antwort auf eine Frage: Was macht die Kirche zur Kirche? – Mit anderen Worten dieselbe Frage: Was macht einen Christenmenschen zu einem Christen?
Man muß genau hinhören: „Was MACHT …?“ Das ist eine andere Frage als: „Was TUT … ein Christ, oder was sollte ein Christ tun.“ Es ist erst recht eine himmelweit andere Frage als: „Was kann ich von den Christen erwarten?“ Diese letzte Frage ist die beliebteste, denn mit der lenkt man von sich selber ab und beurteilt andere.
Daß diese Frage durcheinandergeworfen werden, das ist die Normalität. Sie werden bis zur Unkenntlichkeit vermischt und verwechselt. Und dann ist einfach alles falsch.
Wenn diese beiden Fragen dann einmal NICHT verwechselt und vermischt werden, dann kann man ganz ruhig davon ausgehen, daß Gott ein Wunder getan hat. Die Christenheit und jeder einzelne Christ ist ganz und gar von diesem Wunder abhängig. Wer nicht bereit ist, sich auf Wunder zu verlassen, der kann eigentlich kaum ein Christ sein.
Was macht einen Christen zu einem Christen, was macht die Kirche zur Kirche?
Diese Frage erhebt sich nicht erst heute; vor 500 Jahren war sie auch nicht neu – schon das Neue Testament ist umgetrieben von dieser Frage.
Der Apostel Paulus schreibt an die Galater genau über diese Frage. Er hatte ihnen Jesus Christus „vor die Augen gemalt als den Gekreuzigten“ (Galater 3, 1), er hatte die Begegnung mit den Auferstandenen und seine Berufung bezeugt (Galater 1, 16). Diese Verkündigung brachte den Galatern den Heiligen Geist und der Heilige Geist schuf in ihnen den Glauben (Galater 3,2) – und der Heilige Geist machte sie zu Christen.
Wenn Paulus Christus als den Gekreuzigten verkündet, dann ist das viel mehr als eine historische Information. Es ist eine Einladung, ein Angebot im Namen Gottes. Eine Einladung, das eigene Leben auf eine neue Grundlage zu stellen. Eine Einladung in die Freiheit mit Gott. Das bedeutet aber eine Einsicht: Ich bin nicht frei, ich bin ohne Gott. Christus bringt uns Freiheit mit Gott. Das macht einen Christen zu einem Christen, wenn er bekennt: Mit Gott bin ich frei. Jetzt. Und bis ans Ende. Und danach. Immer. Ein Christ muß sagen können: Gott hat mir Seine Freiheit mitgeteilt.
Jesus sagt im Johannesevangelium zu den Juden die an ihn glauben: „Wenn euch der Sohn Gottes freimacht, so seid ihr recht frei, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen.“ (Johannes 8, 32). Ein Christ wird ein Christ dadurch, daß Christus an ihm handelt.
So sagt es Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ Das sind zwei Aussagen: Ein Christ ist frei, und Christus schenkt diese Freiheit. Der Glaube nimmt in sich auf, was Christus getan hat, und ergreift darin Gottes Freiheit.
Christus macht Christen. Wo das geschieht, da ist Kirche.
Wo ist jetzt das Problem? Wo war das Problem, mit dem die Reformation sich herumschlug?
„So steht nun fest und laßt euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ Die Freiheit Gottes, die durch den Glauben im Christen ist, ist bedroht. Es gibt ein Joch, eine Unfreiheit, eine Knechtung und Bindung, in der Gott nicht mit göttlicher Freiheit beim Christen ist.
Dieses Joch kommt unter dem Namen des Christentums, ist aber keines. Genau das war ja das Problem der Reformation: Es waren ja alles Christen. Es waren ja alle in der Kirche. Und doch stimmte etwas nicht. Die Reformation fragte hartnäckig: Wo ist die Freiheit, die Christus gebracht hat? Wo ist die Freiheit, die uns zu Christen macht?
Jetzt muß aber auch bei uns ein Wunder geschehen: Bei dem Wort Freiheit kann man sich eine Menge denken. Ganz schnell denkt man an jene Freiheit, sich von niemandem etwas sagen zu lassen, und alles selbst zu bestimmen, ja, am besten für mich: Freiheit von allen Regeln – und meine Freiheit, alle anderen meinem Willen zu unterwerfen. Aber das ist nicht die Freiheit, die Christus bringt. Unsere Freiheit ist jeden Moment mit Christus verbunden. Sonst ist es eine Freiheit gegen Gott, und das ist keine Freiheit.
Also: Paulus sagt uns: Es gibt ein Joch, eine Bindung, vor der Christen sich hüten müssen: Laßt es euch nicht auferlegen!
Was ist dieses Joch denn? Die Antwort ist nicht einfach.
Bei den Galatern konnte man es mit einem Wort zusammenfassen: „Beschneidung.“ – Das ist ziemlich peinlich. Aber bei Paulus ein großes Thema. Also müssen wir darüber kurz nachdenken, und hoffentlich daraus Erkenntnis gewinnen, die uns für die Freiheit Gottes rettet.
Die Galater waren nicht beschnitten, denn sie waren nicht Juden. Sie waren aber Christen. Christus hatte in ihr Leben eingegriffen und ihnen Freiheit gebracht. Freiheit mit Gott. Paulus hatte den Galatern gezeigt, wie Christus am Kreuz frei war, das Böse von uns Menschen zu tragen und zu überwinden. Das haben die Galater sich gefallen lassen und im Glauben angenommen. Wunderbar.
Doch dann. Ja, dann. Dann kamen Prediger an, die mit ernsten Gesichtern sagten: Das ist alles nicht genug. Da fehlt was. Euer Glaube ist eine Täuschung. Warum? Ihr seid nicht beschnitten. Ihr habt das übersehen, Paulus hat das übersehen. Wenn ihr nicht beschnitten seid, dann ist das alles nicht gültig.
Was passiert da? Warum ist das ein Problem? Es ist ja im Grunde nur eine Kleinigkeit. Ein kleiner Akt.
Doch Paulus sagt in aller Form, er setzt seine ganze Person als Apostel da hinein: „Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden laßt, so wird euch Christus nichts nützen.“ Mit anderen Worten: Wer an dieser Stelle nachgibt, verliert Christus und die Freiheit, die Christus bringt.
Was ist es denn an der Beschneidung, daß sie so gefährlich sein soll? An sich hat dieser Akt mit dem Glauben ja nichts zu tun.
Das Problem ist: Die Prediger, die mit der Beschneidung ankamen, stellten sie als eine Notwendigkeit da. Ohne sie sei Christus nicht effektiv. Ihre Theologie sagt: Die Beschneidung ist die eindeutig fraglos gute Tat, die du tun mußt, sonst erkennen wir deinen Glauben nicht an.
Was ist die Gefahr? Unter der Überschrift „Beschneidung“ binden diese Prediger den Glauben auf einmal an Menschen: Du mußt tun, was wir Menschen dir sagen. Und in dem Moment sind die Galater nicht mehr allein mit dem gekreuzigten Christus, und darum auch nicht frei mit Gott. Sondern was? – Die Galater sind jetzt ohne Christus, dafür aber gebunden an Menschen und an ihre eigenen Möglichkeiten.
„Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden läßt, daß er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist.“ Also: Die Beschneidung ist der Anfang. Wie ein brutaler Vertrag, der immer teurer wird und immer neue Bedingungen stellt. Im Alten Testament hatte Gott die Beschneidung gefordert. Sie war das Zeichen dafür, daß ein Mensch sagte: Ich nehme das Gesetz auf mich. Wenn ich es tue, soll Gott mich segnen, wenn ich es übertrete, soll Gott mich strafen. Es war ein Vertrag ohne Gnade oder Vergebung. Freiheit gab es nur als selbst erarbeitete Freiheit, nicht als Geschenk.
Theoretisch war das wahr, doch die Wirklichkeit sah so aus: Die Freiheit ist unerreichbar. – Das war ja auch die Realität, an der Luther nicht vorbeikam: Es wird immer ein Gesetz geben, das mich anklagt. Es wird immer Beweise geben, daß ich mich nicht ganz, mit aller Kraft und ohne Vorbehalt ganz in Gottes Willen begeben habe. Das ist aber das Gesetz. Die Forderungen hören niemals auf. Die Anklage auch nicht. – Das ist das Joch, vor dem Paulus warnt. Jesus auch.
Ein Teil des Problems ist Folgendes: Diese Forderung nach der Beschneidung an Christus vorbei stellte Menschen nicht vor Gott, sondern vor Menschen. Paulus verkündigte Christus, und stellte sie damit vor Gott. So kann Gott am Menschen handeln. Die Predigt des Paulus verschafft den Menschen sozusagen in das Sprechzimmer Gottes. Jesus ist der Arzt, der den kranken Menschen behandelt und heilt. Wenn Christus richtig verkündigt wird, sitzt ein Mensch allein mit seinem Arzt Christus im Sprechzimmer. So wird man ein Christ.
Die Beschneidungsprediger sagten im Grunde: Wir zeigen dir, wie du dich selbst heilen kannst. Damit waren die Galater auf sich selbst zurückgeworfen: Wie kann ich das tun? Was muß ich tun? – Du mußt dich beschneiden lassen! Und dann? Dann …. dann kam nach und nach das ganze Gesetz: Immer neue Forderungen: Dieses Fest feiern, jenes Opfer bringen, Fasten, Spenden – bis in Unendliche. – Ergebnis: Die Galater mußten immer wieder aufs Neue von diesen Predigern hören, was sie tun sollten, aber sie wären nie heil geworden. Ihr Gewissen war nicht mehr bei Gott in Sicherheit, sondern Menschen ausgeliefert.
In der Reformationszeit war es auch so, daß es immer mehr neue Taten gab, die eindeutig gut erschienen, und die mit der Meinung propagiert wurden: Tu das, dann kommst du näher zu Gott! Tu das, dann wird Gott dir vergeben! Werde Mönch! Faste! Pilgere zu einem Heiligen Ort! Bete viele abgezählte Gebete! Werde außergewöhnlich, daß andere dich bewundern!
Liebe Gemeinde: An sich kann das alles harmlos sein. Doch es wird zu einem großen Problem, wenn damit gesagt wird: Das macht dich zu einem Christen. So wirst Du ein Kind Gottes. Das macht ein Christ, das beweist dir selbst und anderen, daß Du ein Kind Gottes bist.
Da ist Christus draußen, da ist der Glaube draußen, da ist die Freiheit weg.
Was bleibt, ist ein Gewissen, das sich an Menschen gebunden hat, und niemals frei werden wird. Es wird vielleicht Applaus von Menschen bekommen, aber dieser Applaus bringt nicht die Freiheit, die Gott seinen Kindern zugedacht hat.
„Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen.“ Das ist ein brutaler Satz. Da steigern sich Menschen in die Religion hinein. Tun alles Mögliche. Aber sie haben Christus verloren, und sind aus der Gnade gefallen. Und wer aus der Gnade gefallen ist, der geht Gott auf den Geist und strapaziert Gottes Geduld. Denn Gott wartet darauf, und besteht darauf, daß wir Seine Gnade annehmen, Seine Vergebung, Seine Freiheit – die wir ohne ihn nicht eben nicht haben können.
Was aber tut ein Christ?
„Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muß.“ Christen sind Empfangende, oder wie Jesus sagt: Geistlich arm. (Matthäus 5, 3). Christen sagen: Christus ist meine Freiheit. Das ist alles, was mich interessiert. Ihr Beschneidungsprediger kommt einfach zu spät. Ich bin schon frei. Ich bin frei mit Gott. So frei könnt ihr mich gar nicht machen. Die größte Freiheit ist: Gott vergibt mir. Danach kommt die Auferstehung von den Toten. Wird die Beschneidung mir die Auferstehung geben? Nein? Dann laßt mich in Ruhe. Ich warte jetzt nur noch auf die Auferstehung der Toten – so heißt es doch im Glaubensbekenntnis: „Eine christliche Kirche, Vergebung der Sünden … und dann? Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben.“
Und heute? Schwierige Frage. Wir dürfen nicht vergessen: Es ist normal, wenn Menschen nach etwas suchen, was so eindeutig gut und richtig und anerkannt ist, daß man glauben kann: Wenn ich das nicht tue, dann bin ich noch nicht ein Christ, oder kein guter Mensch. Oder man beurteilt andere danach. Es ist normal, wenn Menschen ankommen und sich heimlich ärgern, wenn ein Christ glücklich ist, weil Gott ihm vergeben hat. Der Teufel mag es einfach nicht, wenn ein Gewissen die Freiheit Gottes hat.
Zu Paulus Zeiten war es die Beschneidung, zu Luthers Zeiten war es unter anderem das Mönchtum als perfektes Leben, das keine Vergebung brauchte. Heute? Gibt es nicht auch Dinge, die so fraglos gut sind, daß, wenn man sie nicht hat, oder bekennt, kein guter Mensch oder Christ sein kann? – Und wenn er Fragen hat, sofort mit Zorn rechnen muß? Muß man nicht ununterbrochen beweisen, daß man „tolerant“ ist? Muß man nicht ständig beweisen, daß man „politisch aktuell“ ist? Wird man nicht in einer übertriebenen Weise danach eingeteilt oder beurteilt, wie man sich zur Zeit in der Corona-Krise verhält? Wo ist Christus? Wo ist Gottes Freiheit? Wo ist das 100%ig friedliche Gewissen, das auf die Auferstehung wartet? Wo ist die Gelassenheit, die Gott das letzte Urteil überläßt?
Ein Christ muß sagen können: Ihr Beschneidungsprediger, die ihr diese oder jene Frage höher setzt als den Glauben an das, was Christus in göttlicher Freiheit für uns getan hat – ihr kommt zu spät. Ich gehöre schon Christus, und nicht euch.
Ja. Und dann wird die Phantasie von Menschen ja erst recht wild: Man denkt, wer so spricht, der will jedem schaden, und alle Gebote Gottes übertreten. Nichts da! Paulus schreibt:
„Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“ Paulus will, daß die Christen in Galatien innerlich völlig frei und unbeeindruckt und ohne Panik wegen der Beschneidung sind. Sie muß ihnen egal sein. Paulus stellt sie ganz unter Gottes Urteil und befreit sie von menschlichen Urteilen. Das Ziel dieser Freiheit – bis zur Auferstehung des Fleisches jedenfalls – ist die Liebe. Aber eben jene Liebe, die aus der Freiheit des Glaubens kommt. Nicht aus Angst, nicht aus Zwang, nicht aus Furcht vor Menschen, nicht aus Furcht vor Verurteilung oder Ausgrenzung. Das ist keine Liebe, auch, wenn sie 1000mal so aussieht. In Christus war Gott so frei, uns zu lieben. Aus dieser Freiheit kommt christliche Liebe. Aber die Freiheit muß da sein. Gott schenkt sie uns in der Taufe, in der Beichte, im Hören auf sein Wort, im Abendmahl. Da wird der neue Mensch geschaffen. Alle anderen müssen wir enttäuschen, sie kommen zu spät.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:

Reformationsaltar Wittenberger Stadtkirche
Lucas Cranach der Ältere und Lucas Cranach der Jüngere zwischen 1547 und 1548
Datei:Luther-Predigt-LC-WB.jpg – Wikipedia

20. Sonntag nach Trinitatis

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Amen.

17 Folgt mir, liebe Brüder, und seht auf die, die so leben, wie ihr uns zum Vorbild habt.
18 Denn viele leben so, daß ich euch oft von ihnen gesagt habe, nun aber sage ich’s auch unter Tränen: Sie sind die Feinde des Kreuzes Christi.
19 Ihr Ende ist die Verdammnis, ihr Gott ist der Bauch und ihre Ehre ist in ihrer Schande; sie sind irdisch gesinnt.
20 Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus,
21 der unsern nichtigen Leib verwandeln wird, daß er gleich werde seinem verherrlichten Leibe nach der Kraft, mit der er sich alle Dinge untertan machen kann.

Philipper 3, 17-21

HERR, segne dein Wort an uns; Dein Wort ist die Wahrheit. Amen

Liebe Gemeinde!

Christen sind der Welt unheimlich. Oft lächerlich, oft harmlos, manchmal bedrohlich – wie auch immer. Menschen, die am Sonntagmorgen nichts Besseres zu tun haben, als „in die Kirche zu rennen!“ um alte Lieder zu singen, sich anpredigen lassen. Die einen unsichtbaren Gott anbeten. – Ich muß das nicht weiter vertiefen.
Christen wollen das nicht immer. Sie wollen auch gerne dazugehören, anerkannt und ernstgenommen werden, respektiert werden, und nicht belächelt oder diskret ausgeschlossen werden.
Das ist nichts Neues. Johannes schreibt in seinem ersten Brief: „Wie Gott in der Welt ist, so sind auch wir Christen in der Welt.“ (1. Johannes 4, 17) – Gottes Kindern geht es in der Welt wie Gott selbst: Die Welt kann auf Gott verzichten, die Welt kann auf Christen verzichten. So einfach ist das.
Darum hören wir heute darüber, wie wir mit dieser Fremdheit klarkommen.

  1. Vorbilder:
    „Folgt mir, liebe Brüder, und seht auf die, die so leben, wie ihr uns zum Vorbild habt.“ Christen haben Vorbilder. Ein Christ muß das Christsein nicht im Kaltstart erfinden – also in jeder Hinsicht aus eigener Kraft verwirklichen und erfinden. Durch die Jahrhunderte der Kirchengeschichte haben Männer und Frauen in dieser fremden Welt sich zu Christus bekannt. Sie haben Gottes Gebote ernstgenommen, sie haben christliche Nächstenliebe praktiziert. – Und fast jeder wird sagen: Ich hatte ein Vorbild. Ich habe gesehen, wie jemand seinem Feind vergeben hat. Ich habe miterlebt, wie ein Ehemann seine kranke Frau geduldig gepflegt hat. Ich habe gesehen, wie Christen einem Mitchristen in finanzieller Not unkompliziert und unauffällig geholfen haben. Das sind Realitäten, die sich der Seele einprägen. Die gibt es in der Gemeinde. Vorbilder motivieren, brechen die Bahn, helfen dir, innere Widerstände zu überwinden. Gott schenkt Glaubenserfahrungen – und schafft es auch, daß diese Erfahrungen als Segen weiterwirken.
    Der Teufel haßt es, wenn Erfahrungen weitergegeben werden. Denn wenn das geschieht, dann hat der Teufel es schwerer, einen Menschen zu verführen und von Gott zu trennen. Darum wird der Teufel alles tun, Vorbilder lächerlich zu machen, oder eine Gemeinschaft zu zerstören, in der Erfahrungen mit Gott weitergegeben werden.
    Vorbilder zeigen uns: Es gibt einen Weg. Gott hält, was er verspricht. Was wir in der Bibel lesen, ist eine Realität. Menschen haben es erfahren.
  2. Feinde des Kreuzes Christi
    Doch gibt es solche, die nachgeben, die einknicken, die es nicht aushalten, daß sie in der Welt fremd sind.
    Paulus hat dafür strenge Worte:
    Sie sind Feinde des Kreuzes Jesu Christi.
    Das Kreuz Jesu hat folgende Wahrheiten in die Welt gebracht – und sie ein für allemal der Menschheit eingeprägt:
    a. Das Opfer bricht die Macht des Bösen – Jesus hat als der Sohn Gottes gelitten, um die Macht des bösen zu brechen. Er hat nicht Böses mit Bösem vergolten.
    b. Menschen brauchen dringend Vergebung – sie sind weit weg von Gott.
    Die Welt kann mit dem Opfer nichts anfangen. Für die Welt ist das Kreuz eine Dummheit – überflüssig und eine Verschwendung. Selbstlose Liebe, wie Jesus sie vorgelebt hat, ist der Welt unheimlich, eine Übertreibung, ja gefährlich. Verzicht auf eigenes Recht ist das Letzte, was man tun sollte!
    Wer das Kreuz Jesus kennt und doch ablehnt, der ist ein Feind des Kreuzes. Der sagt: Jesus hätte den Weg nicht gehen sollen. Sein Leiden und Sterben hat nichts verändert in der Welt. Vergebung ist keine Realität. Ich muß niemandem vergeben, und ich brauche keine Vergebung. Ja noch mehr: Ich will nicht selbstlos sein, und brauche die Selbstlosigkeit von anderen nicht.
    Man sagt das, und fühlt sich dabei stark, klug und sicher – man hält sich für realistisch. Das kann uns Christen sehr weh tun und belasten.
  3. Aufklärung
    Der Psalm 73 im Alten Testament beschreibt dieses Gefühl, als Kind Gottes in der Welt dumm da zu stehen sehr gut: „Ich sah, wie es denen, die ohne Gott leben, so gut ging – für sie gibt es keine Qualen, sie sind nicht in Mühsal wie sonst die Leute, sie sind total selbstsicher, sie reden ohne Scheu, was sie denken, und die Massen finden sie toll. – Man lese Psalm 73! – Der Beter spricht das alles vor Gott aus. Gott antwortet, indem er dem Beter das Ende dieser Menschen ohne Gott aufzeigt. Wo landen sie am Ende? „Ich ging ins Heiligtum Gottes, und merkte auf ihr Ende.“ Diese ernste Aufklärung mach auch Paulus:

Die Welt belächelt die Christen, weil sie sich stark, klug und sicher fühlt.
„Ihr Ende ist die Verdammnis, ihr Gott ist der Bauch und ihre Ehre ist in ihrer Schande; sie sind irdisch gesinnt.“
a. Ihr Ende ist die Verdammnis: Sie haben am Ende nichts und niemand, der für sie spricht. Alles spricht gegen sie. Sie wollten ohne Gott sein, jetzt sind sie es. Sie wollten keine Vergebung, jetzt sind sie mit ihrer Schuld allein, und die Schuld, die nicht vergeben ist, bringt sie um. Sie brauchten keine Gnade – jetzt wird jeder Fehler heimgesucht. Das Maß, mit dem sie andere beurteilt haben, verachtet haben, das fällt nun auf sie zurück. Sie verachteten Opfer und Hingabe – nun brauchen sie Opfer und Hingabe, aber sie bekommen sie nicht.
b. Ihr Gott ist der Bauch: Sie sind chemischen Reaktionen ausgeliefert. Jeder Impuls macht sie platt. Sie können nicht Gottes Segen abwarten. Sie können niemandem etwas gönnen. Ein unerfülltes Begehren macht ihnen das Leben zur Hölle, und wenn sie ihren Willen bekommen, haben sie keinen Begriff dafür, daß andere vielleicht leiden. Der Bauch ist natürlich kein Gott. Er ist von Gottes Gaben abhängig – der Bauch kann keinen guten Rat geben, keinen Trost, und am Ende stirbt er. Aber wir Menschen sind in der Lage, ihn zum Maß aller Dinge zu machen.
c. Ihre Ehre ist in ihrer Schande – sie sind auf ihr Leben ohne Gott auch noch stolz, sie prahlen damit. Das, was sie am Ende vor Gott völlig in Frage stellen wird, das lieben sie und können nicht genug davon haben. Und wenn sie Menschen begegnen, die da nicht nachgeben, dann ist ihnen das unheimlich.
Das ist eine strenge Aufklärung!
Gott hat uns davon freigemacht. Den Kindern Gottes ist das unheimlich, sie sind nicht beeindruckt.

  1. Unser eigentliches Zuhause:
    „Unser Bürgerrecht aber ist im Himmel; woher wir auch erwarten den Heiland, den Herrn Jesus Christus,
    der unsern nichtigen Leib verwandeln wird, daß er gleich werde seinem verherrlichten Leibe nach der Kraft, mit der er sich alle Dinge untertan machen kann.“
    Bürgerrecht – da bin ich zuhause. Paulus hatte auch Rechte als Römischer Bürger – und hat sie auch geltend gemacht. Am Ende wurde er aber doch nach Römischem Recht enthauptet. Denn er blieb dieser Welt fremd und unheimlich. Rom konnte mit Christus nichts anfangen – das mußte Paulus dann auch am eigenen Leib erfahren. Sein Leib gehörte Christus – und Christus wird ihn auferwecken, und sagen: Dieser Enthauptete da gehört zu mir.
    Liebe Gemeinde. Wir haben in unserem Land auch Rechte als Bürger. Wir bewegen uns in diesen Rechten. Sie schützen uns vor Unrecht. Doch diese Rechte sagen uns nicht, wer wir am Ende von von Anfang an sind. Unser entscheidendes Recht ist bei Gott im Himmel.
    Das heißt aber auch vor allem: Gott sagt uns, was Gut und Böse ist. Das steht für uns fest, bevor wir Bürger in unserem Land sind. Die Regierung in unserem Land hat die Aufgabe, unseren Leib für Verletzung und Unrecht zu schützen. Aber die Regierung kann unseren nichtigen Leib nicht verherrlichen und unsterblich machen. Das tut Gott durch Seine Vergebung. Darum gibt es in jedem Christen etwas, über das der Staat niemals verfügen darf oder verfügen soll. Und das steht zuerst fest, nicht hinterher.
    Ich möchte einen Vergleich machen:
    Noah. Er war in dieser Welt. Er hat am Leben in dieser Welt teilgenommen. Doch Gott hat ihm das Ende aller Dinge gezeigt. Das Gericht über die Gottlosigkeit. Gott hat ihm auch den Ausweg gezeigt: Die Arche. Noah wurde dieser Welt fremd in dem Moment, wo er mitten auf dem trockenen Land die Arche baute. Die Arche war ein Signal für die Welt: Euer Weg hat kein gutes Ende. Gott steht über euch. Ihr könnt euch nicht retten. Ihr braucht Vergebung. Die Welt fühlte sich sicher und klug. Nichts sprach für eine Sintflut. Alles sprach dafür, genau so weiterzumachen. Ja, wer weiß, vielleicht hat man zu Noahs Zeiten gesagt: Laßt uns zusammenhalten, dann kann die Sintflut uns nichts anhaben.
    Noah hatte seine Zukunft und seine Sicherheit in der Arche. Er hatte sie immer im Blick. Wenn es in der Welt besonders attraktiv schien, dachte er an das Ende, und an die Arche.
    Er war fremd in dieser Welt und ihr unheimlich – wie Gott in der Welt war, so auch Noah und seine Arche.
    Unser Daseinsrecht und Zukunft ist mit Gottes Arche verbunden. Jesus ist unser Noah. Die Kirche ist Gottes Arche. Wer in der Arche sein will, muß sie im Blick haben, und wissen, wie man da hineinkommt und bleibt, wenn es drauf ankommt.
    In der Gemeinde, in der Kirche hat die Selbstlosigkeit, das Opfer Jesu einen festen Platz. Wir vergessen niemals, daß Gottes Gnade uns rettet.
    Deshalb können wir uns nicht an die Welt binden, als wäre sie alles, was es gibt. Wir können uns nicht von unserem Bauch bestimmen lassen. Das geht nicht mehr. Wir teilen die Hoffnung der Welt nicht, wir teilen auch die Furcht der Welt nicht.
    Gott hat uns schon in Sicherheit gebracht. Die Welt kommt zu spät, wenn sie das auch noch will.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:

Antonello da Messina: Maria der Verkündigung
1473, Öl auf Holz, 43 × 32 cm
München, Alte Pinakothek
Land: Italien
Stil: Renaissance
[Antonello da Messina. The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, S. 329 (c) 2005 The Yorck Project]

17. Sonntag nach Trinitatis

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Amen.

9 Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, daß Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, daß ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.
10 Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet. 11 Denn die Schrift spricht (Jes 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«
12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.
13 Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).
14 Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?
15 Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jes 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«
16 Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jes 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen?«
17 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.
18 Ich frage aber: Haben sie es nicht gehört? Doch, es ist ja »in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an die Enden der Welt« (Ps 19,5).

Römer 10, 9-18

Lieber Gott im Himmel, laß Dein Wort bei uns wirken, wozu Du es gesandt hast. Amen.

Liebe Gemeinde!

Folgende Situation: Du sitzt in der U-Bahn, ohne Fahrschein. Die Kontrolle kommt näher. Du hast auch nicht 60 Euro dabei. Dann flüstert Dir einer zu: Kein Problem! Du mußt sagen: Ich fahre mit dem da. Und dann nickt er in die Richtung eines unauffälligen Fahrgastes. Du guckst fragend. -?- Er sagt: Er hat die Super-Umweltkarte. Er kann jeden mitnehmen. Er besitzt die U-Bahn.
Wirst Du es sagen: „Ich fahre mit dem da!“?

Genau dasselbe ist es, wenn Paulus Dir sagt: „Wenn du mit deinem Munde bekennst, daß Jesus der HERR ist, und in deine Herzen glaubst, daß ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“
Sünder fahren schwarz. Sie nehmen am Leben teil, das Gott ihnen geschenkt hat. Aber sie vergessen den Geber über die Gaben. Statt Gott die Ehre zu geben – das wäre ein gültiger Fahrschein, denn mit dem Fahrschein mache ich ja klar: Diese U-Bahn ist nicht mein Privatbesitz, sondern wird mir zur Verfügung gestellt – statt Gott anzuerkennen, tut man als hätte man sich das Leben selbst gegeben. Die 10 Gebote offenbaren das. Sie zeigen, daß wir mit Überzeugung und völlig ohne Scham in Gottes Schöpfung schwarzfahren. Wir fürchten Dinge mehr als Gott, wir lieben Dinge mehr als Gott. Wir bitten Gott nicht um Hilfe, wir danken ihm nicht. Wir lassen uns von Gott nichts sagen. Wir schätzen nicht, was andere für uns tun. Wir leben auf Kosten anderer. Ehebruch. Lüge. Und dann noch das Begehren, daß alle das in Ordnung finden, und wir mit dem Schwarzfahren durchkommen, ohne erwischt zu werden.
Die 10 Gebote sagen uns aber auch, daß das alles bei Gott ankommt, und ihm nicht egal ist. Manchmal wachen Menschen auf, und spüren, daß alles ein großer Fehler ist. Und dann? Wie kommt man da heraus? Wie kann ich Gott wieder auf meine Seite kriegen? Kann ich versuchen, mich herauszureden? Schwarzfahrer versuchen das! Es ist lächerlich und aussichtslos. Kann ich schnell irgendwo noch einen gültigen Fahrschein bekommen? Kann ich noch versuchen, alles wieder gutzumachen? Aber weiß ich denn, was alles gutgemacht werden soll? Und weiß ich denn, ob es reicht?
Paulus kannte das. Er hatte versucht, möglichst alle Regeln peinlich einzuhalten. Doch wurde ihm klar: Das alles ergibt keinen gültigen Fahrschein. Das alles bringt Gott noch nicht auf meine Seite, es bringt die Anklage des Gesetzes nicht zum Schweigen.
Das änderte sich alles erst, als er Jesus, dem Auferstandenen, begegnete. Der Mann, der im Namen des Gesetzes gekreuzigt wurde wie der schlimmste Sünder, wie der dreisteste Schwarzfahrer auf Gottes Erdboden und unter Gottes Himmel – der war zu Unrecht gestorben, und Gott hatte ihn auferweckt und gesagt: Dieser hat recht – alle anderen nicht! Er hat das Gesetz erfüllt – die ihn im Namen des Gesetzes kreuzigten, hatten unrecht. Er hat recht. Er ist der Herr.
Paulus erfuhr von Gott selbst: Jesus ist „Gott auf meiner Seite“. Jesus ist die Gnade und die Vergebung, die die Anklage des Gesetzes zum Schweigen bringt.
Wichtig ist nur, daß du dich zu ihm bekennst: Du mußt sagen: Ich fahre mit dem da.
Das ist nur dann möglich, um im Bilde zu bleiben, wenn ich erstens einsehe, daß ich schwarzfahre und einen gültigen Fahrschein brauche, den ich aber selbst nicht habe.
Und zweitens muß ich tatsächlich mich darauf verlassen, daß „der da“ auch wirklich diese Umweltkarte für alle hat, und berechtigt ist, alle mitzunehmen, die sich auf ihn berufen.
Ich muß also einsehen, daß es so nicht weitergeht. Daß ich bei Gott nicht gut ankomme, sondern im Gegenteil: Ich stelle mein Leben immer wieder aufs Neue in Frage. Wenn also die Kontrolle des Gesetzes kommt, nützt es nichts, zu sagen: Ich darf hier mitfahren und tun, als ob mir das alles gehört, ich brauche überhaupt keinen gültigen Fahrschein! – Sünder verhalten sich so. Ich kann alles erlauben, denn ich fühle das Recht dazu! Gott soll mich in Ruhe lassen! – Im Gegenteil. Die Einsicht ist notwendig. Gott hat mir das Leben geschenkt. Er ist der Geber. Er macht die Regeln. Bei mir muß etwas passieren. Bei mir muß etwas anders werden!
Und damit hängt die zweite Erkenntnis zusammen: Die größte Macht hat der, der mir einen gültigen Fahrschein verschafft. Also: Die größte Macht im Universum und für dich ist die Macht, die schafft, daß Gott dir vergibt und dich annimmt. Nicht, wer die meisten Waffen hat, nicht, wer das meiste Geld hat, nicht, wer den größten Einfluß hat – sondern, wer die Anklage des Gesetzes zum Schweigen bringt: Gott ist nicht mehr gegen dich!
Darum verbindet Paulus das HERR-sein Jesu – also seine Macht – mit der Auferstehung. Denn die Auferstehung Jesus widerlegte Jesu Tod am Kreuz. Das Kreuz war der Beweis des Gesetzes: Dieser ist verflucht, ewig von Gott getrennt. Doch der Gekreuzigte ist auferstanden, also ist bei Jesus, dem Auferstandenen die Anklage des Gesetzes GEGEN IHN widerlegt. Bei ihm muß die Anklage des Gesetzes schweigen. Das ist die größte Macht. Also – was hilft einem Sünder die Macht des Geldes oder die Macht der Waffen oder irgendeine andere Macht, wenn am Ende das Gesetz feststellt: Schuldig!
Paulus legt und Gesetz und Evangelium vor. Gesetz: Du fährst schwarz! Evangelium: Sag: Ich fahre mit dem da. Ich fahre mit Jesus Christus.
Wenn wir das einigermaßen begreifen, dann können wir den Rest des Textes auch verstehen.
„12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.“ – Alles, was du tun mußt ist: Bekennen, daß Jesus der HERR ist. Das muß ein Jude tun – Paulus hat das ein für allemal eingesehen, daß Geburt und Herkunft einen Sünder nicht auf Gottes Seite bringt – beide Juden und Heiden müssen sagen: Ich liege falsch, aber ich fahre mit dem da – mit Christus.
„13 Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).“
Schon das Alte Testament spricht davon, daß Gott eine Lösung schaffen wird, die für beide, Juden und Heiden gleichermaßen gilt.
„14 Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?
15 Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jes 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«
16 Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jes 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen?«
17 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.“
Hier spricht Paulus über den Mann in der U-Bahn, der dir zuflüstert: Du mußt einfach sagen: Ich fahre mit dem da.
Denn wie soll ein Sünder überhaupt darauf kommen, daß jemand für ihn da ist, und Vergebung ermöglicht? Von selbst wird er niemals darauf kommen. Ein Sünder hat von sich aus immer nur zwei Möglichkeiten: Heucheln oder Verzweifeln. Tun, als ob nichts ist; oder Tun, als ob nichts mehr hilft. Wie soll man sagen: Ich fahre mit dem da – wenn ich nicht weiß, daß es ihn gibt, oder wer er ist, oder was er kann? Jemand muß es mir dringend sagen, und zwar deutlich!
Und klar es darf kein blöder Trick sein, auf den ich reinfalle. Darum sagt Paulus: Wie können sie aber predigen, wo sie nicht gesandt – also von Gott selbst gesandt sind? Aber Gott hat sie gesandt. Jesus hat zu den Aposteln gesagt: Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden; darum geht hin und predigt und tauft und sagt bescheid!
Und das ist die Situation, in der ein Christ sich befindet.
Wir haben gehört: Jesus, der Sohn Gottes, dem die ganze Welt gehört, durch den die Welt geschaffen ist – Jesus hat dazu noch die entscheidende Macht bekommen. Er kann die Anklage des Gesetzes zum Schweigen bringen. Gott hat Menschen gesandt, uns das zu sagen.
Diese Kirchenbänke sind wie U-Bahn Bänke. Sie könnten Anklagebänke sein. Unser Gewissen sagt uns das. Aber einer fährt mit. Und es kommt jetzt alles darauf an, daß wir genau zuhören. Denn der Glaube, der uns zu Menschen auf Gottes Seite schafft – der kommt aus dem Hören der Predigt.
An diesem Wort und an dem Hören des Wortes hängt alles – ob wir gut ankommen, und das Ende gut wird.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:

Von Deutsche Fotothek‎, CC BY-SA 3.0 de

16. Sonntag nach Trinitatis

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Amen.

22 Die Güte des HERRN ist’s, daß wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende,
23 sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.
24 Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.
25 Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.
26 Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.
[…]
31 Denn der HERR verstößt nicht ewig;
32 sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Klagelieder 3, 22-26. 31-32

Lieber Gott im Himmel, laß Dein Wort bei uns wirken, wozu Du es gesandt hast. Amen.

Liebe Gemeinde!

Heute muß mal etwas ganz Nüchternes gesagt werden: Der Glaube bezieht sich auf etwas, was ich nicht bin. Ich bin nicht Gott, aber im Glauben beziehe ich mich auf Gott.
Das klingt lächerlich einfach. Nicht mal eine Binsenweisheit. Doch lohnt es sich, bei dieser Wahrheit stehen zu bleiben, und ihr nicht auszuweichen. Ich bin nicht Gott; und Gott ist nicht ich – aber im Glauben beziehe ich mich auf Gott. Vielleicht sollte man noch besser sagen: Der Glauben erkennt, spürt, ahnt, merkt, daß Gott sich auf mich bezieht; Gott meint mich.
Der Predigttext hilft und führt uns, festzuhalten: Gott ist nicht ich. Das ist gut.
Die Güte des HERRN ist’s, daß wir nicht gar aus sind
„Gar aus“- sein. Wer spricht so? Ganz und gar aus sein – fertig sein, alle sein, am Ende sein.
So spricht der Prophet Jeremia, nachdem Nebuchadnezar und seine Übermacht Israel niedergetreten, und Jerusalem angezündet, und den Tempel zerstört hat. „Ich kann nicht mehr“ „Es wird mir zuviel!“. Das ist Jeremia, das ist Israel. Nicht nur sichtbar, sondern auch unsichtbar – denn dieses Elend ist das Ergebnis und die Folge eigener Schuld. Dann ist man doppelt am Ende – wenn man einsieht: Ich bin daran schuld!
Es ist alles ganz schrecklich. Keine Frage. Jeremia ist randvoller Klage und Schmerzen. Leiblich und seelisch. Man sagen: Er ist Klage und Schmerzen – und sonst nichts.
Aber das ist nicht die ganze Wirklichkeit. Ich bin ganz am Ende, aber das ist nicht alles.
„Die Güte des HERRN ists, daß wir NICHT ganz aus sind.“
Der HERR ist überhaupt nicht aus. Gott ist ganz heil und gut – also das, was Israel gerade nicht ist.
ABER ISRAEL BEZIEHT SICH AUF DEN HERRN. RUFT IHN AN, KLAMMERT SICH AN IHN, LÄßT IHN NICHT LOS.
Oder warum nicht: SCHREIT IHN AN.
Es geht um diesen Funken, dieses Senfkorn: Dieses Fertig-Sein ist nicht die ganze Wirklichkeit. Dieser Schmerz ist nicht alles.
Oder besser: ISRAEL UND JEREMIA WERDEN INNE:
DER HERR HAT UNS NICHT FALLEN GELASSEN, GOTT IST MIT UNS NICHT AM ENDE, DA IST NOCH ETWAS, DER SCHMERZ IST NICHT DIE GANZE WIRKLICHKEIT. Er ist wirklich, aber er ist nicht alles.
Liebe Gemeinde kommst Du jetzt ein wenig dahinein, in dieses Wort: „Die Güte des HERRN ists, was wir nicht gar aus sind.“?
Jeremia sieht die Trümmerhaufen der heiligen Stadt. Wie alles Schöne, alle Anhaltspunkte für Gottes Segen nicht da sind. Er sieht das. Aber die Tatsache, daß es es sieht, und noch lebt und Klagen kann, ist der Beweis dafür: Gott ist mit mir, mit uns, noch nicht am Ende. Gott ist überhaupt nicht am Ende. Denn Gott ist ja nicht ich, oder Israel. Wenn wir noch am Leben sind, dann deshalb, weil Gott uns noch erhält. Die Tatsache, daß ich Schmerzen spüre, ist der Beweis, daß ich mit Gott eine Zukunft habe.
„Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende.“
Barmherzigkeit nimmt das an, was in Not ist. Ohne Not, ohne Leiden gibt es keine Barmherzigkeit. Gottes Barmherzigkeit umgibt und trägt, ja umhüllt Jeremia und Israel, das kaputte Jerusalem. Das ist Barmherzigkeit. Sie fängt an, fängt so richtig erst an, wo Not ist. Jeremia spricht die Wirklichkeit an, die einfach größer ist. Und er bezieht sich auf sie, im Glauben:
„Und DEINE Treue ist groß“. Er erkennt die Treue. Ihm wird klar: Gott war schon dabei, auf mich zuzugehen; eine Wirklichkeit, die ich nicht bin, aber zu mir kommt.
Wie ein Arzt. Ein Arzt ist etwas völlig anderes, als ein Patient. Aber der Arzt wendet sich dem Patienten zu. Der Patient vertraut sich dem Arzt an. Der Arzt steht dafür, daß die Krankheit, die den Patienten zum Patienten macht, daß diese Krankheit doch nicht die ganze Wirklichkeit ist. Darum ist es nicht trivial, oder banal, daß der Arzt nicht der Patient ist. Der Arzt ist das LEBEN des Patienten- und der Patient lebt weiter, weil er dem Arzt vertraut, und der Arzt barmherzig ist.
Barmherzigkeit setzt ihre Kraft und Macht ein, damit etwas Schwaches oder Leidendes lebt und aufatmet. Barmherzigkeit ist Zuwendung an der tiefen Stelle.
Hier ist es wahr: Nicht der Mensch soll barmherzig sein, sondern er soll Barmherzigkeit erfahren, weil er sie braucht.
„DEINE Treue ist groß.“ Treue gibt es, wo man ein Wort gegeben hat. Treue ist gehaltenes Wort. Gott hat Israel und Jeremia Sein Wort gegeben. Im Wort ist die Zuwendung Gottes. Wenn das Wort kommt, dann kündigt sich eine neue Wirklichkeit an, eine Zukunft. Eine Zukunft, die das Israel, das am Boden liegt, nicht ist sich oder in seiner Haut irgendwo fühlt oder sieht – im Gegenteil! – sondern es ist die Zukunft, die Gott bringt. Denn wenn Gott dich anspricht, dann ruft er dich in die Zukunft. Seine Zukunft.
Im heutigen Evangelium hören wir von dem gestorbenen Lazarus. ( Johannes 11). Der lag tot im Grab. Er hatte keine Zukunft in sich, ja, er stank schon. So war es.
Aber Jesus war sein Freund. Das ist die Zuwendung, die von Außen kommt. Und Jesus ruft aus Seiner Treue heraus, ruft er: „Lazarus, komm heraus!“ Wie gut, daß Jesus nicht Lazarus ist! Jesus ist was ganz und gar anderes, er ist alles was Lazarus nicht ist: Jesus ist die Auferstehung und das Leben, Lazarus hingegen ist der Tod und das Liegen im Grab. Aber Jesus wendet sich aus Treue und Barmherzigkeit dem Lazarus zu. Jesus ist die Zukunft für Lazarus, egal, wie sehr Lazarus nur noch Vergangenheit ist. Lazarus ist auf diese Vergangenheit, auf diesen Tod überhaupt nicht festgelegt. Warum? Weil Jesus sein treuer Freund ist. „Deine Treue ist groß!“ Wenn Jesus dein Freund ist, dann ist er auch Deine Zukunft. Und diese Zukunft fängt in dir an, wenn Sein Wort, das Evangelium, dich erreicht, dich anspricht.
„Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen.“ Oh – die Seele spricht. Wenn die Seele spricht, dann kommt das, was gesagt werden muß, wenn die Seele spricht, dann ist der Leib, das Herz und alles nach und nach einverstanden. Am schönsten ist es ja, wenn die Seele sagt: Ich liebe einen Menschen. Das kommt nicht aus dem Gehirn allein, als ein korrekter Gedanke. Da ist das Herz nicht so dabei, oder der Rest des Körpers. Aber wenn die Seele spricht, dann ist das eine große Wahrheit, so groß wie das, was sie liebt, und noch größer. Und der Leibt kann sich mitfreuen und kommt zur Ruhe, und wird auch richtig wach und lebendig, voller Hoffnung und Zukunft.
Was sagt die Seele? – „Der HERR ist mein Teil.“ – „Mein Teil“ – das ist mein Erbteil. Ein Erbe in der Sprache der Bibel ist das, wovon ich leben werde, worin ich leben werde – ein Grundstück, ein Haus, der Ort, wo niemand über mich bestimmt, sondern wo ich bestimme. Der Ort, wo meine Zukunft stattfindet, wo es auf jeden Fall weitergeht. Also kein Grab. Sondern das Gegenteil. Kein Endpunkt, sondern ein wunderbarer Anfang.
Meine Seele sagt: „Der HERR ist mein Teil. Also mein Anfang, meine Freiheit, der Ort, wo ich nicht schwächer, sondern stärker, nicht unfreier, sondern freier, nicht trauriger, sondern fröhlicher werde.“ Gott ist so sehr für mich da, daß Er mein Anfang ist. So war es doch für Lazarus. Er war am Ende. Aber Jesus war sein Anfang.
Davon spricht Jeremia ja für Israel. Für Gott geht es jetzt erst richtig los. Israel soll und wird seinen Gott jetzt erst wirklich kennen lernen. Lazarus kannte Jesus. Jesus war ein Freund und ein Lehrer. Aber jetzt im Grab lernt Lazarus Jesus erst richtig kennen. Als Arzt aller Ärzte, als der Sohn Gottes. Als die Auferstehung und das Leben. Lazarus lag im Dunkeln, in der Nacht und Jesus war sein Morgen.
Die Seele sagt: Der HERR ist mein Teil. Darum will ich auf ihn hoffen. Hoffen ist eigentlich ganz da, wenn ich nur sagen kann: Dies ist nicht alles. Bei Gott, so wahr Jesus gekommen ist: Dies ist nicht alles!
Ist das so schwer zu sagen. Kann ein Mensch, der einmal von Jesus gehört hat, jemals sagen: Ok. Das wars. Mehr gibt’s nicht für mich, mehr habe ich nicht verdient? – Nein. Wer von Jesus gehört hat, erst recht, wer durch die Taufe mit Jesus verbunden ist, der kann wenigstens sagen: Dies ist nicht alles. Gott ist barmherzig, Gott ist treu. Er ist mir barmherzig, mir treu. Gott ist der Morgen über diese Nacht. Ich werde den Morgen erben.
„Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.“ Lazarus konnte nicht mehr nach Jesus fragen, denn er lag schon 4 Tage im Grab. Aber die Hörer des Propheten Jeremia – die konnten nach dem HERRN fragen. Beharrlich fragen. Diese Frager hier im Text haben keine Antworten in sich selbst. Sie schauen nicht in sich hinein und finden oder fühlen eine Antwort. Sie fragen, weil sie keine Antworten haben – und erwarten vom HERRN die Antwort.
Mit anderen Worten: Genau so, wie ich nicht Gott bin, so bin ich auch nicht die Antwort, sondern die Frage, und Gott soll die Antwort sein. Das erwarte ich. Und was hören wir: „Der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.“ Viele Menschen zweifeln an Gott – nicht, weil sie Fragen haben – Fragen haben wir alle! – Sondern weil sie die Fragen selbst beantworten, und nicht auf Gottes Antwort warten. Menschen, die einfach beschließen: Gott ist gegen mich, Gott hat mich vergessen, oder wie auch immer. Das ist nicht Gottes Antwort. Die Schwestern von Lazarus, Maria und Martha, die sagten zu Jesus: Wärest Du hier gewesen, unser Bruder wäre nicht gestorben. Das war die Frage: „Warum warst du nicht hier? Warum hast du das nicht verhindert?“ – Wie antwortet Jesus nochmal: „Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleicht stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Jesus ist die Antwort, Gottes Antwort. Gottes freundliche Antwort. Jesus ist auf jeden Fall eine bessere Antwort, als unsere Antworten. Aber genau so, wie Lazarus sich nicht selbst aus dem Grab herausrufen konnte, sowenig können wir uns selbst die Antwort geben, die uns tröstet, die uns unsere Fehler vergibt, und heilt. Wie gut, daß Jesus nicht Lazarus ist. Wie gut, daß wir nicht Gott sind! Wie gut, daß Jesus der Freund von Lazarus war und ihn liebhatte! Wie gut, daß Gott unser Freund geworden ist!
„Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen.“ Geduldig sein. Das ist so, wie „nicht verpassen wollen“. Es ist das größte und schönste, wenn ein Mensch sich auf Gott bezieht, wenn ein Mensch kapiert, daß Gott ihn meint, und sagen kann: Da ist meine Zukunft, da ist Trost, Heilung, Sicherheit. Bei mir sehe ich und fühle ich das im Moment nicht. Aber Gott ist mein Freund, denn Jesus ist gekommen. Sein Evangelium hat mit mir gesprochen. Seine Taufe ist Teil von meinem Leben geworden. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Gott gib, daß ich sie nicht verpasse.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:
Pietro Perugino: Fresken der Sala d’Udienza im Collegio del Cambio in Perugia, Szene: Gottvater mit Propheten und Sibyllen

1497-1500, Fresko, 229 × 370 cm
Perugia, Collegio del Cambio
Land: Italien
Stil: Renaissance
[Perugino, Pietro. The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, S. 8886 (c) 2005 The Yorck Project]

15. Sonntag nach Trinitatis

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

23 Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Aufseher, sie gut zu bewachen.
24 Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.
25 Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und die Gefangenen hörten sie.
26 Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, so daß die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab.
27 Als aber der Aufseher aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen.
28 Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier!
29 Da forderte der Aufseher ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen.
30 Und er führte sie heraus und sprach: Liebe Herren, was muß ich tun, daß ich gerettet werde?
31 Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig!
32 Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren.
33 Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34 und führte sie in sein Haus und deckte ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, daß er zum Glauben an Gott gekommen war.

Apostelgeschichte 16, 23-34

HERR, segne dein Wort an uns, dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!

Paulus und Silas waren unter der Erde im Gefängnis. Da war eine dicke, schwere Tür. Die war zugeschlossen. Sie konnten nicht raus. Und noch etwas: Ihre Füße war so fest angekettet, daß sie nicht mal gehen konnten. Sie waren doppelt gefangen und fest. Und es war dunkel. Da kann man Sorgen haben: Was wird der Gefängniswärter tun? Werde ich jemals wieder herauskommen? Werde ich wieder die Sonne sehen? Werde ich zu essen bekommen? Wird es zu kalt werden? Wird es sehr heißt werden? Werde ich meine Familie wiedersehen? Werde ich meine Freunde wiedersehen? Was werden die Menschen Böses über uns sagen? Wird irgendjemand mir überhaupt helfen? Haben wir vielleicht etwas falsch gemacht? Will Gott uns strafen, hat Gott uns vergessen? — Sorgen, Sorgen Sorgen!
Ein Mann hatte keine Sorgen: Der Gefängniswärter. Er hatte Paulus und Silas gut eingeschlossen. Da kommt niemand raus! Paulus und Silas bekommen die Strafe, die sie verdienen! Ich habe alles richtig gemacht! Ich werde für meine Arbeit noch mehr Geld bekommen, weil sich Paulus und Silas so gut eingeschlossen habe! Gleicht esse ich mit einer Familie gemütlich Abendbrot und dann kann ich in meinem warmen Bett schlafen! – Keine Sorgen!
Aber dieser Gefängniswärter wußte eines nicht: Paulus und Silas hatten etwas dabei, was er nicht sehen konnte. Es war unsichtbar, darum konnte er es Paulus und Silas nicht wegnehmen. – Ein unsichtbarer Schatz:

  1. Die Taufe – die Gewißheit, daß sie Gottes Kinder sind, und daß Gott sie nicht vergißt oder verläßt.
  2. Der Heilige Geist – der sie an Jesus erinnert, und an alles was Jesus getan hat – auch, daß Jesus mit Händen und Füßen ans Kreuz genagelt worden war – und daß Jesus sogar ins Grab, unter die Erde gelegt worden war.
    Wir hören von dem Kinderbibeltag – was war das genau für ein Schatz, den Paulus und Silas heimlich dabei hatten?
    Sie wußten: Jesus ist hier. Er ist stärker als die Sorgen. Vielleicht hat Silas zu Paulus gesagt: Jesus hat gesagt: Wir müssen an die Vögel unter dem Himmel denken. Gott gibt ihnen zu Essen ohne Sorgen. Wir müssen an die Lilien auf dem Felde denken. Sie sind schöner als König Salomo – und noch viel schöner als der Gefängniswärter. Und wir sind für Gott wichtiger als die Vögel und die Lilien. – Denn Jesus ist zu uns gekommen. Wir sind nicht allein.
    Dann haben Paulus und Silas unter der Erde im Gefängnis gesungen. Sie haben Gott gelobt. „Gott, du hast Himmel und Erde geschaffen. Wunderbar. Auch die Vögel und die Lilien – ja auch uns! Du hast Jesus geschickt, daß er überall bei uns ist. Wir wissen das, denn wir sind getauft. Der Heilige Geist wird uns aus allem herausholen, sogar aus dem Grab!“
    Da waren die Sorgen nicht mehr da.
    Dann passierte etwas ganz unerwartetes: Ein Erdbeben. Die Erde wackelte und zitterte. Und davon fielen die Ketten ab, und die Türen brachen auf.
    Paulus und Silas hatten keine Sorgen.
    Aber der Gefängniswärter hatte auf einmal eine große Sorge: Sein Gefängnis war kaputt. Jetzt sind alle Gefangenen bestimmt weggelaufen! Jetzt wird die Regierung ihn bestrafen – vielleicht sogar töten! Oder jetzt kommen bestimmt die Gefangenen und wollen es ihm heimzahlen, daß er sie so grimmig eingeschlossen hat! – Ganz ganz große Sorgen. Er will am liebsten nicht mehr leben!
    Obwohl er keine sichtbaren Ketten hat, ist der Gefängniswärter doch gefangen.
    Die unsichtbaren Ketten: Wut, Neid, Traurigkeit, Sündenlast, Verwirrung, Unglaube, Ungerechtigkeit – – Alles unsichtbare Dinge, die uns Menschen aber binden und festhalten, daß wir nicht an Gott glauben können, und nicht andere liebhaben können.
    Gott hatte Paulus und Silas den Heiligen Geist in der Taufe geschenkt. Der hatte diese Ketten schon lange bei ihnen zerrissen. Darum konnten sie schon singen, obwohl sie noch eingeschlossen und sichtbar gebunden waren. Aber unsichtbar und heimlich waren sie schon frei.
    Darum sind sie nicht weggelaufen, als Gott die Türen und die Ketten aufgebrochen hatte. Sie waren so frei, daß sie bleiben konnten. Paulus und Silas wollten die Gefängniswärter zeigen, was ihr geheimer Schatz ist, und diesen Schatz mit ihm teilen.
    Der Wärter konnte es nicht glauben, daß es so eine Freiheit gibt, wie die von Paulus und Silas. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen! Darum mußte er sie fragen: Liebe Herren! – Nicht: Blöde Gefangenen! – liebe Herren – was muß ich tun, daß ich so frei werde, wie ihr? Was ist euer Geheimnis? Was ist euer unsichtbarer Schatz?
    Da haben Paulus und Silas geantwortet: Glaube an den Herrn Jesus! – Da mußten sie erstmal von Jesus erzählen.
    Und am Ende wurden er und seine Familie getauft. Und dann hatte er auch denselben Schatz, wie Paulus und Silas, dieselbe unsichtbare, große Freiheit.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:
Meister aus Halberstadt: Paulus und die Empfänger seiner Briefe
um 1185, Pergament
Kommentar: Buchmalerei
Land: Deutschland
Stil: Romanik
[Meister aus Halberstadt. The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, S. 7500 (c) 2005 The Yorck Project]

11. Sonntag nach Trinitatis

Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und
das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es,
nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

4 Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat,
5 auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden –;
6 und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus,
7 damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.
8 Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und
das nicht aus euch: Gottes Gabe ist es,
9 nicht aus Werken, damit sich nicht jemand rühme.
10 Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus
zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, da wir darin wandeln sollen.

Epheser 2, 4-10

Gebet: Lieber HERR und Gott, sorge Du selbst für alle, die Dir nachfolgen. Laß Dein Wort heiliger Schrift aus uns neue Menschen machen, die ihre Hoffnung ganz auf Dich setzen. Amen.

Liebe Gemeinde!

David hatte als Junge ohne Rüstung gegen den Riesen Goliath gekämpft. Nachdem Goliath David verspottet hatte: „ Ich will dein Fleisch den Vögeln unter dem Himmel geben und den Tieren auf dem Felde“, – sagte David voller Mut: „Du kommst zu mir mit Schwert und Lanze und Spieß, ich aber komme zu dir im Namen des HERRN Zebaoth.“ (1. Samuel 17, 43.45). David war ein mutiger, ein unerschrockener Mensch. „Tüchtig im Kampf, verständig in seinen Reden und schön gestaltet, besonders seine Augen.“ (1. Samuel 16, 12.18). Man könnte sagen: Ein Glückskind.
Doch in der Lesung aus dem Alten Testament hören wir, daß David wie tot daliegt. Nicht wegen einer Krankheit, auch nicht wegen einem Feind, wie Goliath. Auch nicht Feuer oder Wasser hatten ihn bis ins Mark erschüttert.
Und doch lag er da, wie tot.
Es war etwas anderes.
Was bringt einen Menschen um?
David hatte Gottes Urteil über sich erfahren. Vor 10 Minuten war er noch der König von Israel – voller Erfolg, Anerkennung, Macht, über den Dingen, mit Gedanken und Plänen – im Glanz, beliebt ….
Und dann das Urteil Gottes: Du bist der Mann. Du hast vor Gott Unrecht begangen, du hast mit Willen und Überzeugung gegen Gottes Gesetz verstoßen. – Das bringt David, den mutigen, schönen und mächtigen König, um. Er rechnet mit dem sofortigen Tod. Durch die Predigt des Propheten Nathan zeigt Gott David, was er angerichtet hat. Davids Gewissen erwacht, und jetzt verdampft seine eigene Meinung über sich selbst – die Meinungen von Menschen, besonders von bewundernden Menschen, schmilzt weg. Sein Gewissen sagt ihm: Du hast Gott gegen Dich! Und das heißt: Nichts spricht für Dich, alles spricht gegen Dich. Du bist verloren, und es ist Deine Schuld.
Das Tödliche ist: Ich hab es getan, ich kann es nicht ungeschehen machen. Meine Tat klagt mich an, und ich habe keine Antwort. Vor Menschen kann man sich vielleicht herausreden, vielleicht. Vor Gott nicht. Das Einzige, was David sagen kann ist: „Ich haben gesündigt – GEGEN DEN HERRN.“
Es ist dieser David, dem der Prophet Nathan dann im Namen Gottes sagt: „So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen. Du wirst nicht sterben.“ Gott schafft in dem Moment David neu. David empfängt das Leben ganz neu als Geschenk wie aus dem Nichts aus Gottes Hand. Der einzige Grund, weshalb David überhaupt einen Atemzug weiterlebt, ist Gottes Gnade und Vergebung. Dieses Wort: „Der HERR nimmt Deine Sünde weg“ – ist das Lebenswort, der Freispruch. Durch seine Ohren empfängt David Leben von Gott. David dachte, er sei am Leben – dabei war er an der einen entscheidenden Stelle, nämlich vor Gott, schon tot. Und nur Gott konnte ihm das Leben neu schenken; und das konnte David nicht sich selber sagen – Gott mußte es ihm sagen. Und Gott hat es ihm gesagt. Darum konnte er leben. Und mit diesem Urteil – daß Gott ihm vergeben hat – konnte David auch das tragen, daß sein Kind sterben würde. David konnte diesen Schmerz ertragen, weil er wußte: Es ist kein Beweis dafür, daß Gott mich aufgegeben hat.
David ist eine Erklärung unseres Predigttextes aus dem Epheserbrief. Paulus bringt auf den Punkt, was David erlebt hat. Es ist die Erfahrung von Gottes Gnade.
„Aber Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, hat in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, auch uns, die wir tot waren in den Sünden, mit Christus lebendig gemacht – aus Gnade seid ihr selig geworden –;“
Gnade heißt: Der Grund, daß ich lebe, vor allem, daß ich weiterlebe, und Hoffnung habe, ewiges Leben zu haben – ist Gottes Liebe. Gottes Liebe will, daß es mich gibt. –
Doch Paulus spricht von Barmherzigkeit. Barmherzigkeit bezieht sich auf Erbärmliches. Barmherzigkeit sieht die Hilflosigkeit, das Elend. Wenn Gott liebt, dann ist das eine Liebe, die ihren Grund nur in sich selber hat. Gott liebt, weil er WILL. Luther hat einmal gesagt: „Die Liebe Gottes findet nicht vor, sondern schafft sich, was sie liebt. Die Liebe des Menschen entsteht nur an dem, was sie liebenswert findet.“ Ich sehe einen Menschen – und wenn er bestimmte Eigenschaften hat, schön ist, freundlich ist, dann reagiere ich auf diese Eigenschaften mit Liebe, mit anderen Worten: Menschliche Liebe findet ihren Gegenstand vor. Gott findet an David und jeden Sünder nichts vor. Gott muß es schaffen. Dabei ist Gott nicht unfair. Gott findet nichts zum Lieben vor, weil David sich von Gott losgesagt, losgerissen hat.
David hat sich mit Ehebruch, Mord und Heuchelei mit Anlauf in ein Elend katapultiert, und während er es tat, fand er es toll. Niemand durfte ihn aufhalten, Gott schon gar nicht. Wenn Gott Sünder liebt, dann liebt Gott Seine Feinde. An anderer Stelle schreibt Paulus an die Römer: „Gott erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. … Gott hat da mit uns Frieden geschlossen, als wir noch Feinde waren.“ (Römer 5, 8.10). Sünder liefern Gott keinen Grund für Seine Liebe, weil sie es so wollen.
Darum ist David – und mit ihm alle Sünder – bei Gott und für Gott tot. Gleichgültig, ob sie sich selber lebendig fühlen. So wie Gott für sie gestorben ist, so sind sie für Gott tot. – Wenn Gott uns sucht, wenn Gott uns erreichen will, dann bleibt uns diese Wahrheit nicht erspart. Gott holt Sünder im Elend ab. Gott kümmert sich um erbärmliche Gestalten. Gott holt uns ab, wo wir sind – und das ist im Elend. Und je mehr wir das Elend leugnen, um so tiefer sind wir drin. Wenn Gott uns mit den Folgen der Sünde allein lassen würde – den Folgen der Lieblosigkeit, der Lüge, des Begehrens, der Heuchelei, der Verachtung von Vater und Mutter, der Undankbarkeit – – – wehe uns! Wenn sogar Paulus von sich sagt, daß er in Sünden tot war – und ihm konnte niemand eine Ungerechtigkeit nachsagen – wieviel mehr müssen wir das für uns zugeben?
Gott holt die Erbärmlichen mit Seiner Barmherzigkeit ab – Gott liebt sie, weil Er will, daß sie leben.
Zu dem jämmerlichen König David schickte Gott den Propheten Nathan. „Du bist tot – doch Gott will, daß du lebst!“ Das war Davids Rettung.
Zu uns allen schickte Gott Seinen Sohn Jesus Christus. Jesus ist zu den Verlorenen und Erbärmlichen gekommen, Jesus hat die verbissene Feindschaft gegen Gott an seinem eigenen Leib erlitten – ja, er hat sie auf sich genommen. Aber Jesus hat sie nicht nur auf sich genommen und erlitten, sondern er hat sie auch überwunden. „Gott hat uns in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, mit Christus lebendig gemacht.“ Weil Jesus die ganze Feindschaft gegen Gott auf sich genommen hat, ist Jesus auch der Ort oder die Stelle, wo Gott diese Feindschaft überwindet. Die Feindschaft gegen Gott hat Jesus gekreuzigt. Die Liebe Gottes hat am Kreuz die Feindschaft ertragen und in der Auferstehung von den Toten überwunden.
„und er hat uns mit auferweckt und mit eingesetzt im Himmel in Christus Jesus, damit er in den kommenden Zeiten erzeige den überschwänglichen Reichtum seiner Gnade durch seine Güte gegen uns in Christus Jesus.“ – „Du sollst leben, Gott läßt dich mit deinen Fehlern, und den Fehlern, die andere an dir begangen haben, nicht allein.“ Dazu hat Jesus das alles getan. Und wenn ein Mensch das merkt, ahnt, darüber erschrickt und dann aufatmet, dann ist er wach, auferweckt. Dann sitzt er nicht mehr im Zug Richtung ewigen Tod. – Paulus spricht vom Ziel her: Gott hat uns mit eingesetzt im Himmel. Gott hat uns bei Ihm in Sicherheit gebracht. Das Ende der Reise steht fest, und das Ende ist gut. Wie können wir das wissen? Ostern sagt uns das. Die Auferstehung Jesu sagt uns das. Wenn das Ziel gesichert ist, dann ist jeder Schritt auf dem Weg ein Schritt zu diesem guten sicheren Ziel. Die Zeiten bringen uns Christen einem guten Ziel näher, näher zu Gott und zu Seiner Liebe. Wer also im Glauben unterwegs ist, dem zeigt Gott immer wieder aufs Neue Seine Gnade – Seine Liebe, die nicht müde wird, unsere Erbärmlichkeit zu heilen.
Diese Sicherheit bei Gott bekommen wir, weil Gott sie uns schenkt. Diese Liebe für uns ist schon ganz groß und ganz da, weil Gott es will. Wir verdienen sie nicht. Die Zeit wird nie kommen, daß wir ohne Gott nicht erbärmlich sind. Die Zeit wird niemals erscheinen, in der wir nicht beten müssen: Vergib uns unsere Schuld, erlöse uns von dem Bösen. – Im Grunde sagt uns Paulus: Die einzige wahre Zeit, die einzige wirkliche Lebenszeit ist die Zeit unter Gottes Gnade. Alle andere Zeit ist verlorene Zeit, Zeit, die uns am Ende anklagt, ja umbringt, weil wir sie nicht wieder gutmachen können.
Zur Gnade Gottes gehört es, daß Gott uns gute Werke gibt, in denen wir Seine Liebe weitergeben.
So schreibt Paulus: „Denn – durch den Glauben an Jesus – wir sind sein Werk, geschaffen in Christus Jesus
zu guten Werken, die Gott zuvor bereitet hat, da wir darin wandeln sollen.“
David konnte unter Gottes Gnade weiterhin König bleiben. Aber er war ein anderer Mensch als vorher. Denn wer Gottes Gnade erfahren hat, wer erfährt, daß das Leben von A bis Z Gottes Überraschung für mich ist – aus dem Nichts – aus Liebe für mich – der ist ein anderer Mensch. Der sagt die Wahrheit – aber nun ist Gottes Liebe drin. Der gibt von seinem Hab und Gut ab – aber nun ist Gottes Liebe drin. Der respektiert die Ehe bei sich und bei anderen – und ist dabei von Gottes Liebe getragen und erfüllt. Der spricht über Jesus, über Gottes Wort – und mit Gottes Liebe erreicht das die Erbärmlichen. Ein Kind Gottes weiß – das alles funktioniert nur, wenn und weil Gott selbst das Meiste dabei tut. Gott hat diese guten Taten schon vorbereitet. Ich, als Gottes Kind darf dabei sein, wenn Gott sie tut. Und wenn ich als Kind Gottes dabei bin, dann sind diese guten Werke für mich ein Zeichen dafür, daß ich zu einem guten Ziel mit Gott unterwegs bin.
Gott schenke uns alle eine gute, eine gnadenreiche Zeit, durch Seinen lieben Sohn, Jesus Christus.
Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.



9. Sonntag nach Trinitatis

Denn nicht ich sage es, auch nicht die Kirche sagt es, auch nicht die Theologen, nicht die Christen – sondern Jesus Christus sagt es. Und Er sagt es uns Christen. Es bleibt Sein Wort.

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch. Amen.

Jesus sprach zu seinen Jüngern:
24 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.
25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.
26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute.
27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.

Matthäus 7, 24-27

Gebet: Lieber HERR und Gott, sorge Du selbst für alle, die Dir nachfolgen. Laß Dein Wort heiliger Schrift aus uns neue Menschen machen, die ihre Hoffnung ganz auf Dich setzen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Die Flutkatastrophen im Westen unseres Landes – inzwischen auch in anderen Teilen Deutschlands und Europas – führen uns vor Augen, was es bedeutet, wenn ein bis dahin sicheres Zuhause einfallen und den Bach runtergehen kann – der kein Bach mehr ist, sondern ein reißender Strom. Bis dahin stand das Haus für Schutz und Sicherheit, man hatte sich darauf verlassen. Wenn Regen, Wind, Kälte und eine andere Gefahr kam: Schnell ins Haus, Tür und Fensterläden zu …. Sicherheit. Auf einmal ging dieses Vertrauen ins Leere. Auch das Vertrauen in die Menschen, die zu dem Bau in der Lage geraten hatten, das Vertrauen in die Obrigkeit, die zur rechten Zeit warnen und helfen sollte. Das verfehlte enttäuschte Vertrauen bedeutete für viele den Tod, oder die Vernichtung ihrer Existenz. Sie stehen vor dem Nichts. – Vertrauen muß man so oder so. Ein Haus muß gebaut werden, ich brauche ein Zuhause – immer vertraue ich meinen Leib und mein Leben diesem Haus, und seinen Erbauern an. Leben ohne Vertrauen gibt es nicht.
Das Gleichnis braucht kaum eine Erklärung:
Hier haben wir ein Haus auf dem Felsen. Der Platzregen fällt, die Gewässer strömen daher, die Winde wehen und stoßen an das Haus – und es passiert nichts.
Da haben wir ein in allen Einzelheiten gleiches Haus. Genau dieselben Gewässer und Winde stürmen das Haus – und es fällt, und hört nicht auf, zu fallen – der Fall ist groß – ohne Ende.
Der Unterschied ist zwischen Felsen und Sand. Es gibt eine vorübergehende Zeit, da scheinen die beiden Häuser sich zum Verwechseln ähnlich zu sein. Beide Bewohner leben ihr Leben. Und die Tatsache, daß sie am Leben sind, scheint zu beweisen, daß sie alles richtig gemacht haben.
So überschätzen wir Menschen uns: Weil ich in diesem Moment aufrecht stehe und atme, ist das die Rechtfertigung dafür, daß ich bisher alles richtig gemacht habe. So dachten doch die Bewohner der Häuser auch: Sonst wären Sie nicht in Ihren Häusern gewesen, als die Katastrophe über sie hereinbrach.
Ob ich wirklich richtig stehe, zeigt sich am Ende. Ob ich wirklich richtig stehe, entscheidet sich jetzt. Es entscheidet sich jetzt – und zeigt sich am Ende.
Es ist ein Gleichnis. Jesus spricht nicht vom Hausbau. Er rät auch nicht zum Kauf bestimmter Häuser in bestimmter Lage. Das ist klar.
Es bleibt aber nur dann klar, wenn wir Jesus wirklich zuhören, und Ihn den Sprecher, den Ursprung Seiner Worte bleiben lassen.
Denn Jesus ist der Fels. Ein anderes Fundament kann niemand legen, außer dem Fundament, das Gott vorgegeben hat: Jesus Christus. (1. Korinther 3,11), schreibt Paulus. Und Jesus selbst spricht von sich als dem Eckstein – also dem Stein, der einen ganzen Bau stützt und unerschütterlich macht. (Matthäus 21, 42).
Ein Haus soll bleiben – es soll mich in der Nacht schützen, wenn ich schlafe, es soll meine Kinder bergen, mein Leben sichern. Gott hat uns Menschen so geschaffen, daß wir bauen. Wir sollen als Gottes Ebenbild daran teilhaben, wie das Leben geschützt wird, also nicht nur einfach geschützt werden, sondern daran teilhaben, wenn Leben und Segen geschützt wird. Das alles mit Gaben, die Gott uns gibt. Als Erbauer des Hauses sind wir nicht weniger Gottes Kinder oder weniger von Gott abhängig. Wenn ich meine Kraft einsetze, arbeite, Geld verdiene, und dadurch mich und meine Familie ernähre – dann bin ich im Vergleich zu einem kleinen Menschenkind sehr aktiv und selbständig – aber vor Gott bleibe ich genauso empfangend, wie ein kleines Kind – ich bin genauso abhängig, daß Gott mir Kraft, Einsicht, Gesundheit gibt – daß Gott mir zuverlässige Mitmenschen gibt, daß Gott Frieden gibt – ohne Vertrauen geht gar nichts. Gott bezieht uns als Erwachsene nur gnädig ein – damit wir noch mehr ins Staunen kommen über Seine wunderbare Weisheit und Liebe, die WILL, daß wir leben und Seine Gaben empfangen.

Das Haus aus dem Gleichnis ist also das, was wir Menschen für unser Leben tun, sobald wir nicht mehr Kinder sind, die von ihren Eltern abhängig sind. Was tun wir für unser Leben innerhalb unserer Möglichkeiten?

Jesus sagt: „Wer diese meine Rede hört, und tut sie ….“ – und: „Wer diese meine Rede hört, und tut sie nicht …“
Diese Rede ist Jesu Auslegung von Gottes Willen, die wir in Seiner Bergpredigt hören.
Was hören wir in der Bergpredigt?
Wer seinem Bruder zürnt – das ist vor Gott schon gleich wie Töten. (Matthäus 5, 22).
Wer in Gedanken die Ehe – seine oder die eines anderen Menschen – durch Begehren leugnet, der ist schon nicht mehr unter dem Segen Gottes. (Matthäus 5, 28).
Wer der Wahrheit nicht vertraut, und durch Schwören der Wahrheit nachhelfen will, oder erst beim Schwören sich selbst und die Wahrheit ernstnimmt – dieses Beteuern und Nachhelfen „ist vom Übel“ (Matthäus 5, 37).
Wir sollen unsere Feinde lieben, also dort, wo für Gegenliebe keine Hoffnung ist. (Matthäus 5, 44).
Wir sollen Gutes tun, ohne uns in irgendeiner Weise von der Meinung von Menschen abhängig zu machen – Kein Ausposaunen, die Linke Hand soll nicht wissen, was die Rechte tut. (Matthäus 6, 2-4).
Liebe Gemeinde, ich merke gerade, daß ich einen ganz großen Fehler mache. Ich habe die Sprache verändert, ich habe die Worte verändert. Nach menschlichen Gedanken habe ich in der Sache nichts geändert – Jesus sagt ja wirklich: Liebet eure Feinde, Ihr sollt nicht schwören, und so weiter.
Wenn ich dazu sage: Wir sollen unsere Feinde lieben – dann habe ich scheinbar dasselbe gesagt, und doch alles verändert.
Denn nicht ich sage es, auch nicht die Kirche sagt es, auch nicht die Theologen, nicht die Christen – sondern Jesus Christus sagt es. Und Er sagt es uns Christen. Es bleibt Sein Wort. Es wird nicht zu einer Idee, die jeder dann sich zu eigen macht, oder zu einem Ideal, was man dann von sich und vor allem von anderen erwarten kann. Diese Worte gehören nur Jesus. Nur Er sagt sie.
Jesus, der Sohn Gottes, ist das ICH, das diese Worte spricht. Hier übt Gott selbst Seine Macht aus – nicht ein Mensch übt Macht über Menschen aus – auch nicht der Prediger als Mensch über seine Hörer als Menschen – schon gar nicht übe ich Macht über mich selbst aus. Und damit bin ich auf dem Sand gelandet. Denn meine Macht, alle menschliche Macht ist Sand im Vergleich zu Gott.
Wenn Jesus also sagt: Liebet eure Feinde – dann sagt er damit auch: Denn ich bin bei euch! Ich habe alle Möglichkeiten! Ich verlasse euch unter keinen Umständen! Ihr steht euren Feinden nicht allein gegenüber! Wenn ihr sie nicht haßt, dann werdet ihr sehen und erleben, was ich tue! Ich halte euch, ich trage euch! Ich bin der Fels!
Mit anderen Worten: Jesus bleibt anwesend in dem, was Er sagt. Hat er nicht gesagt: Siehe ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende? (Matthäus 28, 20). Zu Seinen Jüngern hat er nicht gesagt: Wer euch hört, der hört meine Ideen, meine Meinungen, meine Vorstellungen; – sondern Er hat gesagt: Wer euch hört, der hört MICH. (Lukas 10, 16).
Der Fels ist Jesus selbst, und der Glaube an Jesus macht, daß das Haus unseres Lebens gesichert ist. Jesus wirkt als der Fels, indem er zu uns spricht, und unser Hören verbindet uns mit diesem ewigen Fels.
Die Bergpredigt, ja alle Worte Jesu sind nicht mehr dieselben, wenn wir sie zu einer Idee machen, die wir umsetzen, verwirklichen wollen. Die Worte Jesu werden nie meine Worte. Daß ich mir zum Beispiel vornehme, oder entscheide: Das will ich nicht tun: Ich will nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen. Dieser Vorsatz macht Jesu Wort zu meinem eigenen Wort. Nein. Jesus bleibt der Sprecher!
Sehr oft macht man Jesu Wort zu einem eigenen Wort, wenn man die Gebote Jesu anwendet, um Erwartungen an andere zu stellen. Bis dahin, daß Nichtchristen sagen: Schaut euch die Christen an: Sie lieben ihre Feinde nicht- aber Jesus hat doch gesagt: Liebet eure Feinde! – Das klingt so sehr richtig und vorwurfsvoll! Nur: Diese Menschen wollen Jesu Wirkung ohne Jesus. Auf solche Stimmen brauchen wir Christen nicht zu hören. Und wer Jesus hört, der ist von solchen Stimmen auch nicht beeindruckt.
Wir müssen diesen Felsen noch genauer ansehen.
Wir haben den Felsen in Seinem Wort, weil Er der Sprecher Seiner Worte bleibt.
Jesus macht das an einer anderen Stelle im Evangelium ganz deutlich:
„Wenn ihr in mir bleibt, und meine Worte in euch bleiben, werdet ihr bitten was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Johannes 15, 7.5). Hier haben wir auch das Bleiben, das Wort, und das Tun – ganz eng miteinander verknüpft, unzertrennlich.
Hier spricht Jesus vom Glauben als vom Bleiben im Weinstock. Die lebendige Gemeinschaft mit Jesus ist eine körperliche Gemeinschaft. Wir haben den Felsen nicht außerhalb der Gemeinschaft mit den Jüngern Jesu.
Jesus will zeigen, wer er ist und was er kann – zunächst und vor allem in Seiner Gemeinde. Wer die Bergpredigt ohne Gemeinde will, der hat den Felsen schon verloren.
Jetzt müßte ich die ganze Bergpredigt mit euch lesen, und nach jedem Satz sagen: Das gibt Jesus dir in Seiner Gemeinde. Er wird es tun. Es kommt nicht von Gott, wenn Christen einsame Streiter sind, einsam in einem dunklen Kämmerlein, wo sie ihre Schwachheit immer wieder spüren. Dort in der Einsamkeit, abgetrennt von Gottesdienst und Gemeinde, wollen Jesu Wort zu etwas machen, was sie sich selbst sagen können, und mit eigenem Vorsatz verwirklichen können. – Jesus sagt dazu: Bleibt im Weinstock, bleibt in mir.
Ein Platzregen, der uns heutzutage umbrandet und unser Lebenshaus angreift, ist Sprache ohne Sprecher. Durch die Medien, durch das Internet, durch unzählige Bilder und Worte, die in unübersehbaren Kombinationen zusammengesetzt werden, wird nach unseren Augen, unseren Ohren, unseren Herzen und Seelen gegriffen. Es sind dann Texte, die den Sprecher, den Autor, den Ursprung verlassen haben. Vieles ist dann anonym, unverbindlich. Man kann nicht mehr genau sagen, wo es herkommt. Es sind Worte, die nicht gehalten werden können. Die Seele ist überfordert. Die Seele lebt davon, daß erkennbare Menschen zuverlässig mit uns sprechen. Deutlich sprechen. Ich will damit nicht sagen, daß alles, was in den Medien, oder im Internet verbreitet wird, automatisch verwerflich ist. Wir sollten aber im Blick behalten, wie Gott uns Seine Wahrheit bringt. Das ist unser Maßstab.
Es gibt keine deutlicheren und zuverlässigeren Worte als das Evangelium. Es gibt keinen Sprecher, der verbindlicher gesprochen hat, als Jesus. Er ist für Sein Wort und Seine Wahrheit ans Kreuz gegangen. Und Gott hat Jesus für Seine Wahrheit von den Toten auferweckt. Sein Evangelium hat schon viele Weltuntergänge und Katastrophen überstanden.
Seine Worte führen uns aber in Seine Gemeinde hinein.
Noch etwas: Zum Felsen gehört die Vergebung. – Die unverbindliche Kommunikation, die ich oben beschrieben habe, kennt keine Vergebung. Sie bestätigt alles, findet alles toll, oder verdammt, verurteilt, – und verführt zum Verdammen oder toll finden – aber sie kann nicht sagen: Dir sind deine Sünden vergeben. Ich gebe dich nicht auf, ich trage dich durch. Ein Bildschirm kann das nicht, ein Video kennt mich nicht, es weiß nicht, wer ich bin. Die Vergebung geschieht im Namen Jesu in Seiner Gemeinde. Da ist der Fels für uns da. Wir dürfen uns den Geschmack für diese göttliche Wahrheit nicht verderben oder nehmen lassen!
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:

Fresko Die Bergpredigt (Fra Angelico, 1437–1445)
Fresco im Markuskloster in Florenz
File:Frescoangelico100216.jpg – Wikimedia Commons


7. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Gemeinde, wir sind Tischgäste dieses HERRN. Laßt uns so unseren Weg gehen, daß die Sorge nicht an erster Stelle steht, auch nicht der grenzenlose Genuß. Laßt uns so leben, wie Menschen, die einen Gott haben.

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.

1 Und es sprach Elia, der Tischbiter, aus Tischbe in Gilead zu Ahab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe:
Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.
2 Da kam das Wort des HERRN zu ihm:
3 Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt.
4 Und du sollst aus dem Bach trinken und ich habe den Raben geboten, daß sie dich dort versorgen sollen.
5 Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt.
6 Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends und er trank aus dem Bach.
7 Und es geschah nach einiger Zeit, daß der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande.
8 Da kam das Wort des HERRN zu ihm:
9 Mach dich auf und geh nach Zarpat, das bei Sidon liegt, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dich zu versorgen.
10 Und er machte sich auf und ging nach Zarpat. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, daß ich trinke!
11 Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: Bringe mir auch einen Bissen Brot mit!
12 Sie sprach: So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will mir und meinem Sohn zurichten, daß wir essen – und sterben.
13 Elia sprach zu ihr: Fürchte dich nicht! Geh hin und mach’s, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir’s heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen.
14 Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden. 15 Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag.
16 Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er durch Elia geredet hatte.

1. Könige 17, 1-16

Gebet: Lieber HERR und Gott, sorge Du selbst für alle, die Dir nachfolgen. Laß Dein Wort heiliger Schrift aus uns neue Menschen machen, die ihre Hoffnung ganz auf Dich setzen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Unser Gott hat Freude daran, wenn wir essen und trinken, und seine Gäste sind. Die ganze heilige Schrift zeigt uns einen speisenden und tränkenden Gott. Wer zu Gott gehört, soll essen und trinken.
Ob das nun die ersten Menschen im Paradies sind, die von Früchte von den Bäumen essen dürfen – oder Abraham und Sara, die drei geheimnisvolle Gäste bekommen, und ihnen eine Mahlzeit vorsetzen – und während der Mahlzeit spricht ein Gast an Gottes statt und erneuert die Verheißung, daß das alte Paar einen Sohn bekommen wird. Oder denken wir an das Volk Israel, daß durch die Wüste wandert, und von seinem Gott durch das Manna vom Himmel am Leben erhalten wird.
Derselbe Gott begegnet uns im Neuen Testament. Im Evangelium hören wir von unserem Herrn Jesus Christus, wie er dem Volk, das Ihm nachzieht, um Seine Predigt zu hören, mit einem Wunder leiblich versorgt wird. – Ja, auch in der Ewigkeit wird es Essen und Trinken mit Gott geben. Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung, sagt der auferstandene Jesus: „Wer überwindet, den will ich zu essen geben vom Baum des Lebens, der im Paradies Gottes ist, (Offenbarung 2, 7), von dem verborgenen Manna (Offenbarung 2, 17). Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“ (Offenbarung 21, 6). Wo Gott ist, da ist Essen und Trinken.
Darum sagt Jesus auch: „Sorget nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet … ist nicht das Leben mehr als die Nahrung? (Matthäus 6, 25)“ „ Ihr sollt nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen, was werden wir trinken …? Nach dem allen trachten die Heiden, die Gott nicht kennen. … Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch solches alles zufallen“ (Matthäus 6, 31.33) – also Gott wird es euch bescheren.
Es ist deshalb eine für Gott ganz typische Geschichte, die wir aus dem Alten Testament hören. Elia wird wunderbar am Leben erhalten – gleich zweimal!
Erstmal am Bach Krit einsam im Verborgenen – Gott sendet Raben, den Propheten mit Brot und Fleisch zu versorgen. Und dann bekommt eine Witwe – die nicht zum Volk Israel gehört – von Gott den Auftrag, Elia zu versorgen. Und das in einer Situation, wo sie schon mit dem Schlimmsten rechnet – eigentlich reichen ihre Vorräte gerade für eine Mahlzeit! Aber das Mehl im Kasten wird nicht verzehrt und den Krug mangelt es nicht an Öl. Es ist ein Wunder. Gottes Überraschung.
Gott ist ein Gott des Essens und Trinkens.
Essen und Trinken ist für uns so alltäglich, daß wir kaum darüber nachdenken – höchstens an Einkaufen und Kochen, an Zutaten, Rezepte und gesundheitliche Aspekte, oder an Vorlieben: Was uns schmeckt!
Natürlich ist bei allem Genuß, bei aller Überlegung, was gesundes Essen ist, uns bewußt: Essen ist lebensnotwendig – mehr noch Trinken. So hat Essen diese Dimension von Zukunft. Wenn ich gegessen und getrunken habe, kann ich weiterleben, weiterarbeiten, für eine Zeit. Essen und Trinken bringt Leben, erhält Leben. Darum sagt der Psalm 104: „Es warten alle auf dich, daß du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit.“ (v. 24). Alles Essen und Trinken ist immer ganz und gar Gottes Gabe. „Es geht durch unsere Hände, kommt aber her von Gott“ singt unser Gesangbuch. Gott ist immer drin, und wartet darauf, daß wir es erkennen und von Herzensgrund dafür danken. Es ist eine aktuelle Überwindung des Todes, die vom Himmel der Liebe Gottes durch unseren Mund geht, in den Bauch und ins Blut über. Gott ist ein Gott des Essens und Trinkens, weil er ein Gott des Lebens ist – und Gott will, daß wir es bewußt erleben, wie Leben von Außen – vom Baum, vom Tisch, vom Teller oder aus dem Becher – in uns eingeht. Wer mal am Tropf war, und ernährt wurde ohne Beißen, Kauen und Schlucken – der weiß, was da fehlt. Gott will, und freut sich daran, wenn wir bewußt dabei und aktiv sind, wenn er unser Leben stärkt und eine Zukunft schenkt. Was ich schmecke, ist ganz und gar meins: Gott hat uns so geschaffen, daß wir das intensiv miterleben – da sollte uns das Danken leicht fallen! Verständige, einsichtige – ja: achtsame Menschen müssen Gott immerfort ungezwungen gratulieren zu seiner herrlichen Einrichtung von Essen und Trinken. Wunderbar! Kannst Du Dir nicht ausdenken!
Der Prophet Elia hat die schwere Aufgabe, die Wahrheit, daß Gott ein Gott des Essens und Trinkens ist, da zu verkündigen, wo man sich gegen Gott gewendet hat.
Wenn wir die Wunder betrachten, die Elia erlebt hat, dann müssen wir auch die Umstände bedenken.
Die Mächtigen zur Zeit des Elia wollten einen Gott ohne Glauben. Sie errichteten Tempel mit Bildern, die den einen wahren Gott darstellen sollten, obwohl Gott das ausdrücklich verboten hatte. Sie luden zu Gottesdiensten außerhalb von Jerusalem ein – wozu sie überhaupt nicht das Recht hatten. Der König Ahab und seine Königin Isebel gingen dann dazu über, auch fremde Götter und Göttinen zu verehren und zu diesem Götzendienst einzuladen. – Das hatte verschiedene Gründe. Man muß wissen, daß damals das Volk Israel geteilt war: Im Süden das Reich Juda mit der Hauptstadt Jerusalem, und im Norden das Reich Israel, mit der Hauptstadt Samaria.
So sah man zum Beispiel nicht ein, daß die vom Nordreich zu allen Festtagen über die Grenze nach Jerusalem gingen, und dort viel Geld zurückließen. So baute man eigenmächtig, ohne Gottes Gebot, eigene Heiligtümer. Um das ganze attraktiv zu machen, kamen erst Gottesbilder, dann aber auch Götzenbilder.
Es gab auch diplomatische Gründe: Man wollte die Nachbarvölker und deren Religion nicht ständig beleidigen mit dem Bekenntnis zu dem Einen, Wahren Gott, der Himmel und Erde geschaffen hatte. Es kam, wie es kommen mußte, was zunächst harmlos war, scheinbar mit gutem Willen anfing – das endete weit weg vom Glauben Israels. Man betete Götzen des Reichtums, der Erfolgs, der Fruchtbarkeit und des Glücks an.
Da schickt Gott nun seinen Diener Elia. Er muß eine anhaltende, vernichtende Dürre ankündigen. Ihr wollt ohne Gott sein – dann sei es so! Es wird nicht mehr regnen. Gott zieht seine Gaben zurück. Man wollte sie ohne Gott für sich haben, nun verlor man beides. Denn Gott ist wahrhaftig und heilig. Seine Wahrheit wird er nicht auf Dauer untergehen lassen.
Der Weg des Elia wird es zeigen, daß er durch seine furchtbare Ansage sein Leben aufs Spiel setzt. Er ist auf der Grenze zwischen Leben und Tod. Diese Grenze ist sehr oft der Rahmen für Gottes Wunder. Gottes Wunder können wir nicht mit der Fernbedienung im Sessel sitzend herbeifordern oder mit dem Smartphone bestellen.
Auch bei der Speisung der 4000 sagt Jesus: „Mich jammert des Volks, weil sie nun schon 3 Tage mit mir unterwegs sind und meiner Predigt zuhören. Ich will nicht, daß sie deswegen verschmachten.“ (Matthäus 15, 32). Wer sich für Gottes Wahrheit Zeit nimmt, wer für Gott sein Leben riskiert, den wird Gott auf besondere Weise erleben lassen, daß Er ein Gott des Essens und Trinkens ist.
Elia hält sich an das erste Gebot: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Was ist das? Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen. Elia ist ganz bei dem Geber.
Vor den Augen der Welt ist er verloren. Er macht nicht mit beim Götzendienst, er verweigert sich. Darüber hinaus hat er von Gott den Auftrag, öffentlich zu widersprechen. Die Götzen, die eben noch so großzügig waren, und ein erfülltes Leben versprachen, die ertragen diesen Widerspruch nicht. Elia muß verschwinden, sich verbergen. Er ist aus allem raus. Aber Gott ist bei ihm.
Im Gespräch mit der Witwe zu Zarpat gibt es eine Stelle, die man nicht vergißt: Elia bittet ja zunächst um etwas zu trinken. Und dann, als sie losgegangen ist, ruft er ihr noch nach: Bitte auch einen Bissen Brot! – Doch dann wird die Not erst bewußt: Es gibt nur noch eine Mahlzeit. – Und dann kommt es:
„Mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir’s heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen.“ – Zuerst mir – danach dir und deinem Sohn! Wenn es nur eine Begegnung zwischen Menschen wäre, müßte man sagen: Wie dreist! Was ist mit Frauen und Kinder zuerst? – Doch Gott hat Elia zu dieser Witwe geführt. Es ist eine Glaubensgeschichte. Die Witwe nimmt das erste Brot nicht für sich und ihren Sohn, sondern opfert es für Gott. Sie ehrt den Geber. Gott soll nicht den Rest bekommen, sondern das Erste.
So mußte Israel auch bei der Ernte gleich zu Beginn die Erstlingsgaben opfern – als Bekenntnis: Das, und alles danach, kommt von Gott. (Vgl. 3. Mose 23, 10-11: Sage den Israeliten und sprich zu ihnen: „Wenn ihr in das Land kommt, das ich euch geben werde, und es aberntet, so sollt ihr die erste Garbe eurer Ernte zu dem Priester bringen. Der soll die Garbe als Schwingopfer schwingen vor dem HERRN, dass sie euch wohlgefällig mache. Das soll aber der Priester tun am Tage nach dem Sabbat.“)
Was kann man sagen: Keine Wunder ohne erstes Gebot! Wer das erste Gebot hält, der betritt den Bereich der Wunder.

Unser Herr Jesus Christus hat das auch getan. Die wunderbaren Speisungen von tausenden mit wenig Broten und Fischen zeigen das.

  1. Sie geschehen, nachdem Jesus gepredigt hat. Die Predigt soll unsere Seele bei Gott in Sicherheit bringen. Uns trennen von allen Götzen, die uns betrügen, daß man Gottes Gaben ohne den Geber haben kann. Die Predigt ruft zu Gott zurück, und macht klar, daß das lebensnotwendig ist.
  2. Jesus hebt Seine Augen auf zum Himmel, und dankt. Er bezeugt es: Danke Gott, für Deine Gabe. Dir gebürt die ganze Ehre!
  3. Jesus bricht das Brot: Er denkt nicht nur an sich selbst, sondern versorgt, so wie es möglich und nötig ist. Auch das ist ein Zeichen dafür, daß er sich selbst nicht ein Gott ist.
    So sollen auch wir sagen:
    „Dein Wort ward mir Speise, da ich’s empfing; und dein Wort ist meines Herzens Freude und Trost; denn ich bin ja nach deinem Namen genannt; HERR, Gott Zebaoth.“ Jeremia 15, 16. – Und dann die leibliche Speise als eine Gabe des Himmels annehmen, und schließlich nicht aus Neid oder Verzweiflung denken: Wenn ich teile, dann verliere ich. Wenn ich Gott habe, dann verliere ich nicht.
    Liebe Gemeinde, wir sind Tischgäste dieses HERRN. Laßt uns so unseren Weg gehen, daß die Sorge nicht an erster Stelle steht, auch nicht der grenzenlose Genuß. Laßt uns so leben, wie Menschen, die einen Gott haben.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:

Gillis van Coninxloo: Elias wird vom Raben ernährt

Ende 16. Jh., Öl auf Holz, 115 × 178 cm
Brüssel, Musée Royaux des Beaux Arts
Kommentar: Frankenthaler Malerschule, Landschaftsmalerei
Land: Niederlande
Stil: Manierismus
[Coninxloo, Gillis van. The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, S. 2169 (c) 2005 The Yorck Project]


6. Sonntag nach Trinitatis

Taufgedächtnis

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus,
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.

16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte.
17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.
18 Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.
19 Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Matthäus 28, 16-20

Jesus Christus, lieber HERR, von dem Berg in Galiläa siehst Du auf uns alle; Dein Vater hat uns Dir gegeben, und wir sollen nicht verloren gehen ( Johannes 17, 12). Du hast versprochen, bis zum Ende bei uns zu sein; bitte schenke uns heute Trost aus Deinem Versprechen. Amen.

Liebe Gemeinde!

Nicht lange, nachdem ich nach Berlin gezogen war, bekam ich Post von dem benachbarten Evangelischen Pfarramt der Landeskirche; ich wurde als neues Gemeindeglied willkommen geheißen. Das war zwar freundlich, es traf aber nicht zu. Ich mußte zum Bürgeramt, um aus der Kirche auszutreten. Die Beamtin war nicht so freundlich. Sie fragte mich: Sind Sie denn evangelisch getauft? – Ich sagte: Ja, ich bin getauft. – Darauf sagte sie: Sehen Sie, daß können Sie nicht rückgängig machen. Einmal evangelisch – immer evangelisch! Und dann schaute Sie noch einmal in die Unterlagen, und sagte dann mit einem unbeschreiblichen Blick: …. und Sie sind von Beruf „Evangelisch-lutherischer Pfarrer“? Ich konnte es ihr nicht zu ihrer Befriedigung erklären. Aber wo sie recht hatte, da hatte sie recht: Die Taufe kann ich nicht rückgängig machen. Einmal getauft – immer getauft.
Die Taufe ist DIE Tatsache im Leben eines Menschen. Das kann nicht übertrieben werden. Und je mehr Menschen fragend gucken – so fragend wie die Beamtin, die es nicht begreifen konnte, daß ich als „Evangelisch-lutherischer Pfarrer“ aus der Evangelischen Kirche austreten wollte – also je mehr Menschen auf die Taufe gucken, und dann mit dem Katechismus fragen: „Wie kann Wasser solch große Dinge tun?“ – um so mehr muß ein Christ die Taufe groß machen.
Denn die Taufe tut, was Jesus tut. Ja; das ist ein christlicher Satz. Das ist keine übertriebene Meinung. Die Taufe tut das, was Jesus tut. So spricht jedenfalls schon mal unser Kleiner Katechismus, und den kann man wirklich nur zum eigenen Schaden und auf eigene Gefahr geringachten oder ignorieren.
Der Katechismus lehrt uns von Jesus Christus:
(Gesangbuch S. 1267): Jesus Christus hat … „mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst … von allen Sünden, vom Tod, und von der Gewalt des Teufels. … auf daß ich sein eigen sei und in seinem Reich unter ihm lebe.“
Und über die Taufe hören wir (Gesangbuch S. 1272): Die Taufe … „wirkt Vergebung der Sünde, erlöset vom Tode und Teufel, und gibt die ewige Seligkeit …“ – Die Aussagen stimmen überein: Jesus Christus erlöst uns von Sünde, Tod und Teufel, und schenkt uns das ewige Leben. Ja. Und die Taufe „wirkt, WIRKT Vergebung und gibt die ewige Seligkeit.“
Die Taufe tut, was Jesus tut.
Da können Menschen richtig unruhig werden, aber richtig.
Gerade auch Christen. „Die Taufe ist doch eine rein menschliche Tat! Das ist doch eine Anmaßung! Läßt Gott sich einfangen, so daß wir Menschen ihn zwingen, hier dieses Baby, daß doch nichts kapiert davon, daß Gott es rettet?“ Oder man sagt mit grimmiger Überzeugung: „So viele Menschen sind getauft und glauben nicht, und leben in Sünde; man sieht keinen Unterschied!“ – Allerdings. Traurig, aber wahr.
Tut die Taufe wirklich, was Jesus tut?
Es klingt sehr fromm, wenn gesagt wird: Menschen können Gott mit ihren Taten –also Worte wiederholen und Wasser gießen – nicht zwingen, Gott läßt sich nicht zwingen – und Menschen dürfen das nicht.
Auch klingt es recht ernst, wenn gesagt wird: So viele sind getauft, und es macht keinen Unterschied. Sie glauben nicht, sie halten die Gebote nicht ….. Tut da die Taufe auch das, was Jesus tut? Wirklich?
Nun. Als Jesus auf der Erde war, und zu einem erbärmlichen Menschen sprach: „Sei getrost mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“, da gab es auch Aufregung, und man sagte: „Wer kann Sünden vergeben, als allein Gott?“ (Markus 2, 7) – Ja, dieser lästert Gott! Mit anderen Worten: Als Jesus große Dinge tat, da war das auch nicht für alle, die es sahen und hörten, eindeutig gut und göttlich. Als er böse Geister verjagte, da gab es solche, die Gott dankten, aber es gab auch andere, die sagten: „Er treibt die Teufel aus durch der Teufel Obersten.“ (Matthäus 9, 34 und 12, 24).
Das zeigt uns: Jesus ist da, aber deshalb glauben nicht alle automatisch an ihn. Wer aber an ihn glaubt, der bekommt auch alles, was Jesus bringt und zu bieten hat.
Und jetzt kommt das Entscheidende: Der Glaube hat seinen ganzen Inhalt von Jesus selbst. Ohne Jesus gibt es keinen Glauben – jedenfalls nicht den Glauben, der von der Macht der Sünde, des Teufels und des Todes erlöst. Der Glaube glaubt niemals an sich selbst, sondern immer und nur ganz und gar an Jesus. Ohne Jesus kein Glaube. Mit Jesus genug Glaube. Genau so, wie Jesus alles kann, so sagt Jesus über den Glauben auch: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt!“ (Markus 9, 23). Warum kann der Glaube alles? Weil der Mensch durch den Glauben nicht mehr mit seinen eigenen Möglichkeiten unterwegs ist, sondern weil Gott bei ihm ist.
Jesus schafft den Glauben im Menschen. Das ist wie eine Heilung, wie eine Totenauferweckung. Der Glaube ist niemals menschliche Möglichkeit, sondern Gottes Tat, Gottes Geschenk.
Das tut Jesus. Das Evangelium ist voll davon.
Zurück zur Taufe!
Unser Katechismus sagt nämlich ebenso: „Die Taufe wirkt Vergebung der Sünde, erlöst von Tod und Teufel und gibt die ewige Seligkeit ….. ALLEN, DIE ES GLAUBEN“
Aber, und das ist ganz entscheidend, der Glauben entsteht nicht aus sich selbst in uns Menschen – aus Entscheidung oder Begabung, oder verzweifeltem Nachdenken – sondern der Glaube bezieht sich auf etwas, was nicht im Menschen ist, sondern von außen kommt. Nämlich das Wasser der Taufe. Dieses Wasser tut, was Jesus tut.
Eben haben wir empörte Stimmen gehört, die sagen, daß man Gott nicht zwingen kann, indem man Gott an eine menschliche Tat wie die Taufe bindet. Dieselben Stimmen können und werden jetzt sagen: Wasser? Soll ich jetzt einem Zauber glauben?
Genauso haben im Neuen Testament Jesus, den Sohn Gottes vor sich gehabt, ihn gesehen und gehört, und dann gesagt: „Ist dieser nicht eines Zimmermanns Sohn? Kennen wir nicht seine Mutter und seine Geschwister? Woher kommen ihm solche Worte und Taten?“ (Matthäus 13, 55-56). „Ist dieser nicht Jesus, Josephs Sohn, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wieso spricht er dann, ich bin vom Himmel gekommen?“ (Johannes 7, 42). Das, was Jesus geschah, das geschieht auch der Taufe.
Kann Gott durch, und in diesem Menschen wirken? – Kann Gott durch schlichtes Wasser wirken? Der Zweifel an Jesus und der Zweifel an der Taufe sind so wenig zu trennen, wie der Glaube an Jesus und das Vertrauen auf die Taufe.
Es klingt fromm, wenn man sagt: Gott läßt sich nicht zwingen. Gott ist zu groß, zu sehr frei, zu erhaben, zu heilig, oder was auch immer – Gott ist zu groß für dieses Wasser und diese Handlung.
Aber was, wenn Gott sich zwingen läßt? Aber was, wenn Gott sich klein macht? Was, wenn nicht wir Menschen Gott zwingen oder klein machen, sondern Gott selbst?
Unser Gesangbuch singt in einem Abendmahlslied (163, 2 „Gott sei gelobet und gebenedeiet“): „HERR, dein Lieb so groß dich zwungen hat“. Es ist die große göttliche Liebe. Die hat Gott gezwungen. „Also hat Gott die Welt GELIEBT, daß er seinen eingbornen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Es war Liebe, die Gott gezwungen hat, als Mensch geboren zu werden, und in unendlicher Geduld mit uns Menschen zu reden, und zu heilen, zu rufen und einzuladen. Die Liebe hat ihn gezwungen, sich klein zu machen, daß wir ihm begegnen können, ohne zu vergehen. Das konnte kein Mensch sich ausdenken, darauf wäre keiner gekommen. Wir als Sünder schon garnicht. Sünder können sich überhaupt nicht vorstellen, daß Gott liebt. Sie können sich nur vorstellen, daß Gott straft oder gleichgültig ist, oder sich abwendet. Doch Gott hat sich zwingen lassen. Aus Liebe.
Gott hat sich zwingen lassen. Wenn Gott uns das nicht selber sagen würde, dann würde das kein Mensch glauben.
Darum ist Gottes Wort immer dabei.
Unser Katechismus sagt denn auch: „Die Taufe wirkt … alles … allen, die da glauben, WIE DIE WORTE UND VERHEIßUNG GOTTES LAUTEN.“
Die Taufe tut, was Jesus tut, weil Jesus sein Wort an die Taufe gebunden hat. Wenn wir Jesus glauben, dann glauben wir seinem Wort, und wenn wir seinem Wort glauben, dann halten wir uns im Glauben auch an die Taufe. Darum sagt uns auch der Katechismus – gepriesen sei der Katechismus! – „Das Wasser an sich tut es freilich nicht, sondern das Wort Gottes, das mit und bei dem Wasser ist, und der Glaube, der dem Wort Gottes im Wasser traut.“ (Gesangbuch S. 1273).
Die Taufe tut, was Jesus tut. Da kommen wir jetzt nicht mehr raus. Gott will das so.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Beitragsbild:

Fra Angelico: Aufnahme des Namens für die Taufe, Fragment eines Polyptychon

1434-1435, Tempera auf Holz, 26 × 24 cm
Florenz, Museo di San Marco
Land: Italien
Stil: Gotik, Frührenaissance
[Angelico, Fra. The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, S. 187 (c) 2005 The Yorck Project]