Lätare

Von | März 19, 2023
Die Predigt zum Nachlesen

Predigt: Pfarrer Johann Hillermann

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus,
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Amen.

7 Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.
8 Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser.
9 Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, daß die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, daß ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will.
10 Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.

Jesaja 54, 7-10

Liebe Gemeinde!

Wie ein liebender Mensch von Herzen sagt, wie er es meint, so spricht Gott hier mit denen, die Er liebt.

Gott ist die Liebe (1. Johannes 4, 16) – also nicht unsere Liebe ist Gott. Sondern Gott liebt Seine Menschen mit Seiner Liebe. Und wie Seine Liebe ist, das sagt Gott selbst. Wenn die Liebe spricht, dann sagt sie, daß sie unerschütterlich ist und bleibt. Gottes Liebe ist vollkommene Liebe, sie kommt, um zu bleiben.

Das kann kein Mensch sich selbst einreden, sondern das kann ausgesprochen werden, weil Gott es sagt. Es bleibt Gottes Aussage, und das ist gut so.

Unser Predigttext ist Teil einer Predigt aus Jesaja. Gott legt fest, wie diese Worte verstanden werden sollen.

Es sind wirklich Liebesworte.

Wie heißt es direkt vorher?

„Denn der dich gemacht hat, ist dein Mann –Denn der HERR hat dich zu sich gerufen … wie eine verlassene und von Herzen betrübte Frau; und die Frau der Jugendzeit, wie könnte sie verstoßen bleiben!, spricht dein Gott.“ (Jesaja 54, 5+6).

Gott als der liebende Mann, der alles tut, der von Herzen betrübten Frau die Liebe zu versichern.

Liebe Gemeinde. Das alles ist göttlich, und niemals weltlich, menschlich oder selbstverständlich.

Gottes Wort, die ganze Bibel spricht diese Sprache. Wer in Gottes Nähe kommt, der betritt den Raum dieser Sprache. Wer vor Gott lebt, der lebt sich in diese Sprache ein. Diese Sprache ist für Gott unantastbar und von unendlicher Bedeutung. Diese Sprache soll mit der größten Ehrfurcht gehört werden, und alles, was ihr widerspricht, sich an ihr ärgert oder sich über sie erhebt, und stolz meint, sie hinter sich zu lassen, das alles wird zum Schweigen kommen, denn Gott ist größer.

Eine Zusicherung der Liebe ist nötig, weil die Liebe verunsichert ist. Die Liebe ist verunsichert, wenn geglaubt wird, daß die Liebe aufhört. Die größte Furcht ist es, ohne Liebe zu sein. Doch Gottes „vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.“ (1. Johannes 4, 18).

Gottes Liebessprache spricht es aus: „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen.

Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen.“

Das ist beides das Gegenteil von Liebe, und stellt sie in Frage:

Verlassen.

Verbergen.

Zorn.

Das trifft. Das erschüttert und schmerzt und stellt in Frage.

Verlassen – nicht da sein.

Verbergen – nicht in Sicht sein, nicht erkennbar sein, sondern fremd. Alles scheint vorbei zu sein. Die Liebe ist weg.

Aber dann kommt noch der Zorn.

Im Zorn kommt die Absicht zum Ausdruck. Die bewußte Ablehnung, um nicht zu sagen: Die Verstoßung. Wenn der Zorn berechtigt ist, dann ist Anklage und Verurteilung drinnen: Du hast es verdient, daß die Liebe weg ist.

Jesaja sagt das, als es für Gottes Volk Israel genau so war. Gottes Liebe war nicht in Sicht. Fremde Mächte hatten Gottes Volk besiegt, gedemütigt und vernichtet. Gott hatte es nicht verhindert. Er war nicht da, er hatte es verlassen. Er war nicht wie sonst ein Retter und Beschützer, nein, er hatte Sein Angesicht verborgen, Gott der HERR war Israel fremd geworden.

Hinzu kam der Zorn. „So spricht der HERR: Ihr habt mich verlassen; darum habe ich euch auch verlassen.“ (2. Chronik 12, 5. vgl. 2. Chronik 24, 20). Israel hatte sich durch Unglauben und Lieblosigkeit von Gott losgesagt, es hatte sich aus dem Bereich von Gottes Liebe entfernt. Mit frecher Selbstgerechtigkeit und Überzeugung. Israel hatte Gottes Liebe verletzt.

Das ist die Essenz von Sünde. Jedes Gebot trägt die Überschrift: Ich bin der HERR, dein Gott. Meine Liebe für dich steht fest. Ich will alles für dich sein.

Darum: Mißbrauche meinen Namen nicht (2. Gebot).

Darum: Mach Zeiten fest, auf mein Wort zu hören (3. Gebot). Darum: Ehre Gott an den Menschen, die dir das Leben geschenkt haben (4. Gebot).

Darum: Töte nicht! (5. Gebot).

Darum: Schenke deinen Leib und Leben einem Menschen, mit dem Ich, Gott, dir die Einsamkeit vernichten werde (6. Gebot). Darum: Nimm an, was Gott selbst dir gibt. Was Gott deinem Nächsten gibt, wird dich niemals glücklich machen; stiehl nicht! (7. Gebot).

Darum: Schütze deinen Nächsten mit dem, was du sagst; schütze, und schade nicht! (8. Gebot).

Darum: Sei nicht von dem besessen, was du nicht hast! (9.+10. Gebot).
Dann bin ich ganz bei dir. Sagt Gott.

Sünder wissen es besser, und übertreten Gottes Gebot.

Gott nimmt das ernst, weil Gott sich selbst ernst nimmt.

Gottes Zorn wäre ohne Gottes Liebe nicht.

Wer die Propheten liest, wird sehr oft von Gottes Zorn lesen. Wie sieht es aus, wenn Gott Israel verläßt, weil Israel Gott verlassen hat?

Zusammenfassend kann man sagen: Gott gibt den Menschen preis. Der Mensch ist dann sich selbst ausgeliefert. Es gibt keinen Schutz mehr. Jede Gabe, die Gott mit Seinen Geboten schützt, geht kaputt, kann nicht erkannt werden und wird ersetzt.

So kommt es dazu, daß Menschen ihre Herzen an falsche Götter hängen. Es kommt dahin, daß Menschen nicht mehr zur Wahrheit zurückfinden. Es kommt soweit, daß Menschen Liebe verachten, daß man zwischen Mein und Dein nicht mehr unterscheiden kann.

Und es kommt dazu daß Gott Leiden zuläßt, weil die Menschen sonst jeden Segen als eine Bestätigung für den falschen Weg mißbrauchen.

Der Prophet Hosea sagt:

„So spricht der HERR: Ich will mich zurückziehen, bis sie ihre Schuld erkennen und mein Angesicht suchen; wenn’s ihnen übel geht, so werden sie mich suchen und sagen: Kommt, wir wollen wieder zum HERRN; denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen; er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. Er macht uns lebendig nach zwei Tagen; er wird uns am dritten Tag aufrichten, daß wir vor ihm leben werden.“ (Hosea 5,15 – 6, 2).

So sagt es auch unser Predigttext.

Gott kann verlassen und tut es auch, Gott kann zürnen, und tut es auch.

Menschen, gerade Christen, vor allem aber Christen, die im Glauben unsicher sind, hören nicht gerne von Gottes Zorn. Denn menschlicher Zorn ist meistens lieblos und egoistisch. Doch Gottes Zorn ist heilig und niemals ungerecht. Gott ist ein ernster Gott. Er nimmt sich selbst ernst, und vor allem auch uns. Gott nimmt uns ernster, als wir selbst.

Auch Jesus spricht vom Zorn Gottes, auch das Neue Testament.

So hören wir in Johannes 3: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“

Das Evangelium ist nicht, daß es keinen Zorn Gottes gibt, sondern daß der Zorn Gottes ein Ende hat.

Das kündigt der Prophet Jesaja in unserem Predigttext:

Ja, Gott hat sich zurückgezogen, ja, Gott hat sich verborgen, ja, Gott ist fremd geworden –

ABER – aber nur einen kleinen Augenblick, nur für eine begrenzte Zeit. Nicht für immer:

„Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Barmherzigkeit will ich dich sammeln.

Ich habe mein Angesicht im Augenblick des Zorns ein wenig vor dir verborgen, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen, spricht der HERR, dein Erlöser.“

Die Liebe hinter dem Zorn bricht durch. Die Liebe, die dafür sorgt, daß wir Menschen Gott niemals egal sein werden, diese Liebe geht wieder auf, wie die Sonne.

Der Schrecken, der Zweifel, die Unsicherheit, die Hölle hat eine klare Grenze und ein Ende.

Warum? Weil Gott sich selbst ernst nimmt, weil Gott Sein gegebenes Wort unter allen Umständen wahr machen will und wird:

So spricht Gott: „Ich halte es wie zur Zeit Noahs, als ich schwor, daß die Wasser Noahs nicht mehr über die Erde gehen sollten. So habe ich geschworen, daß ich nicht mehr über dich zürnen und dich nicht mehr schelten will.“

Die Sintflut war ein Werk des Zornes Gottes über die Gottlosigkeit der Menschen. Doch danach hatte Gott feierlich bei sich selbst geschworen: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.“ (1. Mose 8,21). Gott setzt Seinem Zorn selbst eine Grenze. Wir singen es xmal im Jahr: „All Fehd‘ hat nun ein Ende.“ Also: Der Zank ist vorbei, Gott will, daß es dich gibt, und Seine Liebe soll dich erreichen.

Die Liebe steht fest. Das wird überdeutlich, wenn wir sehen, was im Neuen Testament geschieht. Jesus nimmt Gottes Zorn auf sich. Aus Liebe. Er weicht nicht aus, als die Anklage des Gesetzes kommt und ihn anklagt und verurteilt. Obwohl er wirklich nichts Böses getan hat. Seine Schuld ist, daß er sich zur Verfügung stellt. In Seinem Leiden hat er den Zorn Gottes über uns Menschen auf sich gezogen und gelenkt. Darum sprechen wir über das Kreuz Jesu. Nur deshalb. Weil das der Ort ist, wo mir und dir überdeutlich gesagt wird: Da ist der Zornableiter. Du mußt dich nicht mehr verstecken, oder aufgeben oder trotzig und grimmig denken: Gott ist sowieso gegen mich. Das ist nicht mehr wahr.

„Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.“

Das ist der neue Bund, die neue Grundlage, auf der Gott mit uns Menschen umgehen will. Das ewig Neue Testament. Es wird im Alten Testament angekündigt und vorbereitet, und im Neuen Testament offenbart und in Kraft gesetzt. Der Gott des Alten und des Neuen Testaments ist ganz und gar ein und derselbe. Jesus zeigt, daß Gott Sein Wort hält.

So spricht Gott als der liebende Mann zu der Frau, die sich verlassen und verstoßen und preisgegeben fühlte, Sein Volk Israel.

Liebe Gemeinde – wir sind hier in Seinem Namen versammelt. Hier hört der Zorn Gottes auf. Um uns herum tobt der Zorn Gottes, auch in uns. Die Folgen der Gottlosigkeit werden immer deutlicher und immer bedrückender. Doch wir kennen sein Ende. Wir wissen, daß es nur ein Augenblick ist im Vergleich zu der Liebe, die Jesus gebracht hat.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.