Stephanustag

Von | April 17, 2024
Steinigung des Stephanus

von Pfarrer Sebastian Stork

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
Schwestern und Brüder,
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

1 Dies ist das Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams. 2 Abraham zeugte Isaak. Isaak zeugte Jakob. Jakob zeugte Juda und seine Brüder. 3 Juda zeugte Perez und Serach mit der Tamar. Perez zeugte Hezron. Hezron zeugte Ram. 4 Ram zeugte Amminadab. Amminadab zeugte Nachschon. Nachschon zeugte Salmon. 5 Salmon zeugte Boas mit der Rahab. Boas zeugte Obed mit der Rut. Obed zeugte Isai. 6 Isai zeugte den König David. David zeugte Salomo mit der Frau des Uria. 7 Salomo zeugte Rehabeam. Rehabeam zeugte Abija. Abija zeugte Asa. 8 Asa zeugte Joschafat. Joschafat zeugte Joram. Joram zeugte Usija. 9 Usija zeugte Jotam. Jotam zeugte Ahas. Ahas zeugte Hiskia. 10 Hiskia zeugte Manasse. Manasse zeugte Amon. Amon zeugte Josia. 11 Josia zeugte Jojachin und seine Brüder um die Zeit der babylonischen Gefangenschaft. 12 Nach der babylonischen Gefangenschaft zeugte Jojachin Schealtiël. Schealtiël zeugte Serubbabel. 13 Serubbabel zeugte Abihud. Abihud zeugte Eljakim. Eljakim zeugte Azor. 14 Azor zeugte Zadok. Zadok zeugte Achim. Achim zeugte Eliud. 15 Eliud zeugte Eleasar. Eleasar zeugte Mattan. Mattan zeugte Jakob. 16 Jakob zeugte Josef, den Mann Marias, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus. 17 Alle Geschlechter von Abraham bis zu David sind vierzehn Geschlechter. Von David bis zur babylonischen Gefangenschaft sind vierzehn Geschlechter. Von der babylonischen Gefangenschaft bis zu Christus sind vierzehn Geschlechter.

Matthäus 1, 1-17

Gebet: Der Herr segne unser Reden und Hören. Amen.

Schwestern und Brüder,
mit welchen Gefühlen sind Sie heute hierher gekommen? Die aufregenden Ereignisse an Weihnachten scheinen vorbei. Am HeiligAbend gab es hier die Vesper mit Krippenspiel, anschließend Bescherung im Familienkreis. Am Weihnachtstag gestern wieder feierlicher Gottesdienst hier, dann im erweiterten Familienkreis festliches Essen und weiterer Austausch von Geschenken. Das zumindest ist der Ablauf, den ich von den meisten Familien gehört habe. Damit sind die aufregenden Ereignisse an Weihnachten jetzt geschafft. Und es beginnen die ruhigen Tage zwischen Weihnachten und Jahreswechsel. Also die vorherrschende Gemütslage heute am zweiten Weihnachtstag ist ein großes Entspannen und Luftablassen.
Dieser große Seufzer, kommt der aus Bedauern oder aus Erleichterung? Das Krippenspiel war eine große Freude für alle. Aber wir alle haben auch mitbekommen, wie viel Mühe, Geduld, Proben und Herzblut während der Vorbereitung notwendig war, bis das Krippenspiel aus verstreuten Anfängen zu einer gemeinsamen Aufgabe gediehen war. Nach dem Spiel mischen sich darum die Freude über das gelungene Werk, und die Erleichterung über das Ende der Proben. Ebenso bedeuten erweiterte Familienkreise gemischte Erfahrungen. Nicht alle Glieder aus der erweiterten Familie passen zueinander. Einigen Verwandten begegnen wir gern, anderen gehen wir lieber aus dem Weg. Viel Arbeit bedeutet so ein Treffen allemal. Auch diese Erfahrung ist gemischt aus Freude über das Treffen, und Erleichterung, daß Spannungen und Arbeit vorüber sind.
Und in diese gemischte Stimmung treffen Verse, deren Bedeutung beim ersten Hören nicht deutlich ist, und an die wir daher eine ganze Reihe von Fragen stellen. Bekommen wir im Gottesdienst etwa Unterricht in der Geschichte Israels? An Weihnachten? Gibt es in der Geschichte Israels nicht genügend auffallende Ereignisse und Personen? Was sollen diese langweiligen Geschlechterfolgen? Sollen wir etwa nachprüfen, ob Matthäus die Namen und Abfolge auch richtig hinbekommen hat? An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu als Mensch. Kann uns diese Liste der Generationen Einsicht darein geben, was uns an Weihnachten geschenkt wird?
Tatsächlich geht die Auskunft über Jesus gleich im ersten Vers los. Allerdings verpassen wir im Deutschen die erste Aussage des Matthäus über Jesus. Auf Griechisch schrieb Matthäus Βίβλος γενέσεως. Keine Sorge, es gibt jetzt nicht eine Einführung in die Griechische Sprache. Aber Βίβλος γενέσεως erinnert doch uns alle an Buch Genesis. Im Buch Genesis werden beschrieben die Schöpfung der Welt, die Wahl Israels zu Gottes Volk und die Errichtung des Bundes Gottes auf Sein Volk. Mit dieser Wortwahl ist die allererste Aussage des Matthäus: Jesus ist mindestens so wichtig wie Schöpfung und Erwählung durch Gott.
Nachdem Matthäus Jesus als Eckpunkt in der Geschichte Israels und der Welt vorgestellt hat, kennzeichnet er Ihn als Sohn Davids, und Sohn Abrahams. Abraham und David und ihre Nachkommen sind Menschen wie wir alle. Sie sind weder Schöpfer der Welt, noch können sie ein Volk erwählen und zu Gottes Volk machen. Aber in Abraham und David und ihren Nachkommen wird Gottes Zuwendung zu Seinem Volk real. Abraham und seinen Nachkommen macht Gott die Zusage Seines Bundes (Gen12-17). Unter David wird die Einnahme des gelobten Landes vollständig. Und auf dem Thron Israels soll immer ein Sohn Davids sitzen (2Sam 7,16). Matthäus betont, daß Jesus als Glied des Volkes geboren ist, auf das Gott Seinen Bund errichtet hat. Und daß Jesus zu einer Gruppe in diesem Volk gehört, die besondere Verantwortung für dieses Volk trägt.
Matthäus beginnt mit einer mehrfachen Kennzeichnung Jesu. Jesus ist ein Eckpunkt in der Geschichte der Welt und Israels, Er ist Mitglied dieses Volkes und trägt Verantwortung für das Volk.
Dieser Anfang weckt Erwartungen. Aber dann redet Matthäus nicht weiter über Jesus. Sondern er fährt fort mit der Abfolge der Generationen. Statt die Vollmacht des Menschensohnes weiter zu schildern, verfällt er in eine monotone Chronologie? So eine Wendung kann doch dem Vorhaben des Evangelisten, das Leben Jesu zu erzählen, nicht entsprechen. Was also sagt Matthäus uns mit dieser Aufzählung über Jesus, Seinen Vater und dessen Geschichte mit dem Volk Israel?
Tatsächlich zeigt uns Matthäus von Anfang an die Eigenarten Gottes und Seines Handelns. Gleich in der ersten Generation: Abraham zeugte den Isaak, schreibt Matthäus. Abraham zeugte nicht nur den Isaak. Abraham zeugte auch den Ismael. Aber den Ismael hat Gott nicht erwählt, sondern den Isaak hat Gott erwählt. Nur die Kinder der Verheißung werden zur Nachkommenschaft Abrahams gezählt (Röm 9,8). Die Folge der Generationen in Gottes Volk ist nicht nach dem Fleisch, oder wie wir heute sagen biologisch-genetisch bestimmt. Sondern Gottes souveräne Gnadenwahl bestimmt die Generationenfolge in Gottes Volk. Abraham zeugte den Isaak, das sieht wie eine triviale chronologische Notiz aus. Tatsächlich zerstört sie die Illusionen derer, die sich für erwählt halten. Wir sind Abrahams Kinder, wir sind von Gott erwählt, wir handeln immer richtig und uns kann keiner. Das ist die Mauer in den Köpfen gegen die Einsicht in unsere Hilfsbedürftigkeit. Wenn ihr Abrahams Kinder wärt, so tätet ihr Abrahams Werke. (Joh 8,39), und: die aus dem Glauben sind, das sind Abrahams Kinder (Gal 3,7), an diese Realität erinnert gleich die erste Generation in der Aufzählung des Matthäus.
In der Folge der Generationen fallen mehrere Namen und Ereignisse auf. Davon greife ich hier nur zwei heraus. König David und die babylonische Gefangenschaft. König David ist einer der Höhepunkte in der Geschichte Israels. Das geeinte Reich auf dem Höhepunkt seiner Ausdehnung, aber mehr noch geschlossen in der Treue zu Gott und Seiner Weisung. Dagegen ist die babylonische Gefangenschaft einer der Tiefpunkte. Sie bedeutet die Vernichtung Israels als Staat, und die Tötung oder Wegführung der gesamten Oberschicht. Aber das sind nur Anzeichen. Der tatsächliche Tiefpunkt ist die Hinwendung Israels zu anderen Göttern. Die taugen dann nicht. Sie vermögen nicht, das Leben des Volkes zu ordnen, und daher liefern sie Israel hilflos den Mächten dieser Welt aus.
Gott zeigt sich in der Geschichte Seines Volkes als der strenge Gott. Folgen wir nicht Seiner Weisung, dann werden wir Untertanen und Opfer der Mächte dieser Welt. Unter deren Herrschaft haben wir keinen Ort in dieser Welt und wir kommen um. Gott zeigt sich zeigt sich in der Geschichte Seines Volkes als der freundliche Gott. Gottes Volk hält sich gerne und häufig für klüger als Gott und Seine Weisung, und jedes Mal bringt es sich dadurch in Schwierigkeiten. Gottes Zuwendung ist zuverlässig und hilft dem Volk jedes Mal heraus.
Die Abfolge der Generationen in Israel ist eine Folge von Vätern und Söhnen. Zwischen den vielen Männern fallen vier Frauen auf: Tamar, Rahab, Rut, und die Frau des Uria. Diese vier Frauen haben eines gemeinsam: ihre Herkunft ist nicht das Volk Israel. Tamar kommt aus Kanaan, Rahab aus Jericho, Rut aus Moabit, und Uria ist ein Hetiter. So unterschiedlich wie ihre Herkunft sind auch die Lebensläufe und das Verhalten dieser Frauen. Rahab wird als Hure Rahab vorgestellt, dagegen ist Rut ein Vorbild an Tugend und Treue. Treue sowohl in der Treue zu der Familie ihres Mannes als auch Treue zu dem Gott Israels. In diesen Frauen öffnet sich die Zuwendung Gottes über das Volk Israel hinaus. Diese Aufnahme in Gottes Volk zeigt wiederum: nicht die Abstammung von Abraham entscheidet über Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zu Gottes Volk. Aus Israel oder von außerhalb Israels und aus allen gesellschaftlichen Gruppen, es ist Gottes souveräne Entscheidung allein, die Menschen in Sein Volk holt. Das scheint uns heute selbstverständlich. Aber es ist nur selbstverständlich, weil Gott es uns vorgemacht hat.
Die eintönige Aufzählung der Generationen durch den Ausdruck Vater zeugte Sohn, wird unterbrochen bei der Geburt Jesu. V 16 Jakob zeugte Josef, den Mann Marias, von der geboren ist Jesus, der da heißt Christus. Es fällt auf, Jesus ist nicht von einem Mann gezeugt, sondern Er ist von Maria geboren. Die Vorstellungen Israels von Zeugung und Wachsen eines Kindes werden wir nicht im Gottesdienst besprechen. Es reicht zu sagen, daß für die biblischen Schriften die Identität des Kindes allein vom Vater bestimmt wird. Für uns heute ist selbstverständlich, die Identität eines Kindes kommt zu gleichen Teilen von Vater und Mutter. Aber nochmal, in den biblischen Schriften leitet sich die Identität des Kindes allein vom Vater her. Darum ist mit der Aussage, geboren aus Maria, gesagt: Jesus ist geboren als Mensch wie wir alle. Über die Eigenarten Jesu ist damit noch nichts gesagt. Um so wichtiger ist die folgende Kennzeichnung Jesu, als: der da heißt Christus. Christus ist, wie wir alle wissen, die griechische Übersetzung von Messias. Auch das wissen wir alle, der Messias ist die zentrale Mitte der Hoffnungen Israels. Es gibt unterschiedliche Vorstellungen in Israel darüber, was genau der Messias tun wird. Aber ohne Ihn hat Israel keine Zukunft.
Matthäus erreicht durch diese Kombination aus Generationenfolge und besonderer Einführung Jesu zwei Dinge. Zum Einen zeigt Matthäus, Jesus ist Mensch wie wir alle, Er ist geboren als Teil der Geschichte Israels. Zum Anderen zeigt Matthäus, daß in Jesus Gottes Zuwendung zu uns Menschen eine bislang unbekannte Intensität erfährt. Die Geschichte Israels zeigt die Freundlichkeit und Strenge Gottes gegenüber Seinem Volk. Bisher hat Gott Seine Freundlichkeit und Strenge durch Weisung und Boten vermittelt. Durch die Geburt Jesu kommt Er selber, um sich um uns zu kümmern.
Aus dem trockenen Gerippe der Generationen-Folge tritt hervor die dauerhafte und zuverlässige Zuwendung Gottes zu Seinem Volk. Allein durch Gottes Zuwendung wird Sein Volk befreit aus den selbstgemachten Problemen, aus dem Exil in Babylon, und von allen Mächten dieser Welt. Unsere Erfahrungen an Weihnachten sind gemischt, Mühe und Erwartung, Freude und Enttäuschung. In dem unentschlossenen Gemisch verschiedener und gegensätzlicher Erfahrungen an Weihnachten kommt uns Gott in Seiner Fülle entgegen. Er kommt als der strenge Gott, Der uns alle Illusionen nimmt, wir könnten diese Welt und unser Leben selber gelingen lassen. Der uns darauf verweist, daß Seine Weisung der einzige Weg zum Leben ist. Er kommt ebenso als der freundliche Gott, der nicht nur unser Herr und Meister ist, sondern durch Seine Geburt unser Bruder wird. So ereignet sich die Zuwendung Gottes: Er selber verbirgt uns vor Seiner Strenge unter Seiner Barmherzigkeit.

Und der Friede Gottes, Der unser Herr und Bruder zugleich ist, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen.


Beitragsbild: Die Steinigung des heiligen Stephanus (Rembrandt van Rijn)