3. Sonntag nach Epiphanias

Von | Januar 23, 2022

Gnade, Barmherzigkeit und Friede,
von Gott, dem Vater, und unserem HERRN, Jesus Christus. Amen.

5 Als aber Jesus nach Kapernaum hineinging, trat ein Hauptmann zu ihm; der bat ihn
6 und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.
7 Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. 8 Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, daß du unter mein Dach gehst, sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund.
9 Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Soldaten unter mir; und wenn ich zu einem sage: Geh hin!, so geht er; und zu einem andern: Komm her!, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das!, so tut er’s.
10 Als das Jesus hörte, wunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich, ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel bei keinem gefunden!
11 Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen;
12 aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.
13 Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin;
dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht wurde gesund zu derselben Stunde.

Matthäus 8, 5-13

Liebe Gemeinde!

Das Reich Gottes ist ein Bereich der Wunder. Das macht das Reich Gottes unheimlich, das macht auch Jesus unheimlich. Was machen wir mit den Wundern? Sie sind aus dem Evangelium nicht wegzudenken. Es gibt ein Thomas-Evangelium. Das besteht nur aus Gleichnissen und Gesprächen mit den Jüngern. Keine Wunder. Aber, und das ist bezeichnend: Diese Schrift berichtet auch nicht über die Kreuzigung und den Tod Jesu, und folglich auch nicht über die Überwindung des Todes in der Auferstehung. Im Evangelium ist alles notwendig. Nichts darf fehlen. Auch die Wunder sind notwendig; das Leiden Jesu ist notwendig, die Auferstehung ist notwendig. Und notwendig heißt: Wir kommen nicht daran vorbei. Die Begegnung mit Jesus, mit dem Evangelium, macht Wunder zum Thema.

Es ist ein großes Thema, es gibt sehr viel, was man dazu sagen könnte, oft sind es dann ermüdende Diskussionen, die sich im Kreise drehen.

Am besten, wir halten uns daran, wie uns das Wunder verkündigt wird. Die Person Jesu, das Wunder und der Bericht bilden eine untrennbare Einheit.

Wir hören, daß Jesus nach Kapernaum kommt. Er kommt von einer großen Predigt, der Bergpredigt. Die Hörer waren Gott in der Predigt begegnet. In Kapernaum, einer kleinen Stadt am See Genezareth, hatte Jesus ein Haus, eine Adresse.  Hier kommt ein Hauptmann, ein Soldat und Offizier auf Jesus zu. Ein Mann, der durch Zuverlässigkeit und Mut eine Stellung im Militär hatte. Dazu mußte er Realist sein. Er kannte die Realitäten von Leben und Tod. Zugleich war er nicht aus dem Volk Israel. Ja, als Soldat war er eindeutig nicht Teil des Volkes Gottes, wenn nicht sogar ein Feind.

Es treffen also Welten aufeinander: Jesus, der Prediger, der „spricht, wie kein anderer Mensch gesprochen hat“ (Johannes 7, 46)  – das sagen übrigens auch Soldaten, die Jesus im Auftrag der Pharisäer und Hohenpriester verhaften sollten – und dann ein Mann, der nach damaligen Vorstellungen so weit von Gott entfernt war, wie es nur möglich war. Also nach der damaligen Erwartung überhaupt keine Voraussetzungen für Wunder.

Und doch: Der Hauptmann nähert sich. Er tut etwas, was er sonst nicht getan hätte. Er tut etwas, weil es Jesus gibt, weil Jesus da ist. Es ist eine Wirkung Jesu, daß dieser Mann sich auf den Weg macht. Was er sich dabei denkt, welche Vorstellungen er hat, das ist nur ein Teil des Gesamtbildes. Mit Jesus ist die Situation sofort ganz anders.  

„HERR“, sagt er. „Du hast die Macht“ – sagt der, der in den Augen der Welt selbst die Macht hatte. Er gibt die Macht ab. Er wird ein Geschöpf vor Gott. Da hat das Wunder schon angefangen, wir werden das später aus dem Mund Jesu hören. Mit diesem Wort ist die Entscheidung gefallen. Aber das Wort hat deshalb die Bedeutung, weil es an den HERRN gerichtet ist.

Der Hauptmann gibt die Macht ab, besser: Er erkennt die Macht an.

Dann spricht er von seinem „Jungen“, seinem Knecht, der ihn begleitet und Besorgungen macht. „Mein Knecht liegt zu Hause und ist gelähmt und leidet große Qualen.“ Eine desolate Situation. Der Hauptmann gibt die Macht auch deshalb ab, weil er seine eigene Ohnmacht erleben muß. Er muß mit ansehen, wie der Junge, der für ihn da war, hilflos einer furchtbaren Qual ausgeliefert ist. Da passiert auch sehr viel. Es geschieht unzählige Male auch jetzt – bei uns und bei anderen. Dieser Offizier weicht aber nicht aus. Er hält sich nicht daraus, er bleibt darunter. Obwohl er wirklich nichts machen kann, sagt er doch nicht: „Da kann man eben nichts machen!“ Er kommt mit der Not des Jungen zu dem HERRN, ja, die Not des Jungen kommt mit diesen Hauptmann zu Jesus, er trägt die Qual mit sich uns schüttelt sie gerade nicht ab.

Und wohlgemerkt: Es ist noch nicht mal eine Bitte – der Hauptmann sagt nur: „Mein Knecht liegt zuhause ….“ Der Hauptmann überläßt es also Jesus ganz, was Er deswegen tut.

Jesus sagt sofort: „Ich will kommen und ihn gesund machen.“ Das sollten wir bei unserem Gebet für andere niemals vergessen. Die Fürbitte ist eine große Realität. Wollen wir einmal den Vorwurf oder die Anklage hören: „Warum hast du denn nicht gebetet?“ Der Hauptmann zeigt uns: Gebet ist Abgabe von Macht, oder besser: Anerkennen, daß die Macht bei dem HERRN ist; und Fürbitte schließt in sich, daß die Not des anderen mich treibt. Das ist auch ein Wunder – noch bevor die Heilung geschieht. Denn es ist eine Überwindung des Egoismus. Der Hauptmann ist ja nicht selber gelähmt, und doch gehen ihm die Schmerzen des Jungen zu Herzen. Schon das ist ein Wunder. Jesus sieht das, und der Glaube staunt mit.

Nun kommt etwas ganz Merkwürdiges: Der Hauptmann sagt: „HERR ich bin nicht würdig, daß du unter mein Dach kommst.“ Warum? Er ist ein Nicht-Jude. Er gehört nicht zu dem Volk Israel, dem Volk Gottes. Er will sich kein Privileg erschleichen. Damit macht er deutlich: Ich kenne mich mit Gott nicht aus. Gerade als Soldat weiß er, was ihm zusteht, und was nicht. Er kann von Jesus nicht verlangen, in ein nicht—jüdisches Haus zu gehen. Das würde Jesus nur Ärger bringen. Also: dieser Offizier ist selbstlos auch Jesus gegenüber. „Du sollst meinetwegen keinen Ärger haben.“ Dabei ist es bestimmt oft geschehen, daß Soldaten und Offiziere das nicht berücksichtigt haben. Sie hatten schließlich die Macht, nicht wahr?

Aber das ist noch nicht alles: Der Hauptmann, der Macht ja abgegeben hat, sagt weiter: „Mein Wort wirkt. Ich befehle und die Soldaten unter mir gehorchen. Dein Wort kann der Krankheit befehlen, und sie wird Dir gehorchen.“ Dieses Wort ist auch ein Teil des Wunders, das im Offizier geschieht. Ein Wunder, das nur deshalb geschieht, weil Jesus, der HERR, in der Nähe ist. Der Hauptmann ist ohne Macht der Krankheit gegenüber. Aber er traut Jesus die Macht zu.

Darüber muß Jesus nun staunen. „Solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden.“  Eine erschütternde Aussage. Gott hatte Israel Seinen Willen und Seine Absichten mitgeteilt. Israel war privilegiert vor allen anderen Völkern. Das Privileg zeigte sich auch darin, daß Jesus sich zuerst und ganz dem Volk Israel zuwandte. Jesus predigte und legte dem Volk Israel das Alte Testament als Gottes Wort aus. Jesus hat dieses Privileg keinesfalls geleugnet. Doch diese Begegnung zeigte, daß das Privileg nicht seinen Zweck erreicht hatte. Es mündete nicht in dem totalen Vertrauen, wie es der Hauptmann hatte. Das Privileg führte nicht dazu, die Macht abzugeben und sie bei Gott zu erwarten, sondern das Privileg endete in einem Anspruch auf eigene Macht. Das Privileg führte nicht dazu, daß man die Not des anderen aus eigener Ohnmacht vor Gott brachte. Statt dessen fragte man: Wer ist wohl schuld daran, daß er krank ist? (Johannes 9,2).  Jesus ist verwundert: Hier ist der Glaube, den Gott sucht, mit dem Gott etwas anfangen kann – ohne die Starthilfe des Privilegs von Israel. Der Hauptmann ist am Ziel, er ist bei Gott angekommen – einfach durch die Begegnung mit Jesus, dem HERRN. Dieser Heide liebt Gott über alle Dinge und seinen Nächsten wie sich selbst. Das ist der schwarze Gürtel. Diesem Mann steht Gottes ganze Macht zur Verfügung, er ist im Reich Gottes!

Nun muß Jesus das den Privilegierten klar machen:  „Aber ich sage euch: Viele werden kommen von Osten und von Westen und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich zu Tisch sitzen;

aber die Kinder des Reichs werden hinausgestoßen in die Finsternis; da wird sein Heulen und Zähneklappern.“

Dieser Heide sitzt mit Abraham, Isaak und Jakob an Gottes Tisch. Er ißt und trinkt mit den Erzvätern  Israels von Gottes Tisch – durch den Glauben nimmt er Gottes Liebe, Gottes Macht, Gottes Freundlichkeit in sich auf. Es ist ein Fest!

Das heißt: Ihr Privilegierten, die ihr euch schon auskennt: Es bleibt euch nicht erspart: Sucht Gottes Macht, gebt sie ihm ab! Das Privileg muß zur Selbstlosigkeit führen! Es darf euch nicht immunisieren gegen die Not eurer Mitmenschen! Ihr dürft nicht zu stolz sein, Gott zu bitten! Ihr seid im Grunde genau solche Anfänger, wie dieser Hauptmann! Ihr sollt nicht nach Links und Rechts beweisen, wieviel ihr korrekt über Gott labern könnt – habt ihr überhaupt schon einmal euch unter Gottes Macht gestellt? Habt ihr überhaupt einmal alles vergessen, nur um eine Not eines Mitmenschen vor Gott zu bringen?

Das ist die Tür zu Gottes Herz, zu Gottes Fest, daß Er alles mit euch teilt. Das Privileg ist ein Ruf, und kein Besitz. Das Privileg stellt euch nicht über alle anderen Menschen, sondern unter Gott, und tiefer als die Not des anderen. Da ist euer Platz, wo Gott euch finden will!

Jesus sagt: Die Kinder des Reichs werden ausgestoßen werden. Also die, die es mit sich selbst ausmachen, die sich mit anderen vergleichen, und daraus schließen: Ich kenne mich aus, ich mache keine Fehler, ich gehöre dazu. Israel damals hielt sich daran fest: „Wir sind Nachkommen Abrahams! Wir sind anders als die Heiden! Wir machen alles richtig!“ Aber es kam kein Glaube dabei heraus. Deshalb mußte Johannes der Täufer schon zu ihnen sagen: „Denkt nur nicht bei euch selbst: Wir haben Abraham zum Vater! Ich sage euch, daß Gott vermag dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken!“ (Matthäus 3, 9). Auch Abraham, Isaak und Jakob mußten glauben, wie dieser Hauptmann. Auch sie mußten um ihr Leben Gott bitten. Ja, Abraham hat für die böse, ungerechte Stadt Sodom vor Gott gefleht. (1. Mose 18, 16). Je mehr Israel sich auf sein Privileg zurückzog, um so schärfer spricht das Neue Testament: Mit dem Ziel, endlich Gott Gott sein zu lassen. Sonst ist die Gefahr, daß sie Gott endgültig verpassen. Und das ist nur schrecklich.

Wir sind ja auch privilegiert. Viele von uns hören ein Leben lang schon diese Worte, und kennen uns bei Gott aus. Aber auch bei den Privilegierten hilft nur ein Wunder, nichts weniger als ein Wunder.

Deshalb dürfen wir Christen niemals leugnen, daß es Wunder gibt. Gott und Wunder sind untrennbar. Ja, wir haben vor Gott die Aufgabe, uns selbst und einander als Wunder zu sehen. Wer Wunder leugnet, der leugnet auch, daß Gott in seinem Leben Macht ausübt. Damit das nicht passiert, beten wir: Dein Reich komme, Deine Macht komme!

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.