Das Lamm, das erwürget ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum,
und Weisheit und Stärke,
und Ehre und Preis und Ruhm.
Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.
1 Und die ganze Versammlung stand auf, und sie führten ihn vor Pilatus 2 und fingen an, ihn zu verklagen, und sprachen: Wir haben gefunden, daß dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König. 3 Pilatus aber fragte ihn und sprach: Bist du der Juden König? Er antwortete ihm und sprach: Du sagst es. 4 Pilatus sprach zu den Hohenpriestern und zum Volk: Ich finde keine Schuld an diesem Menschen. 5 Sie aber wurden noch ungestümer und sprachen: Er wiegelt das Volk auf damit, daß er lehrt hier und dort in ganz Judäa, angefangen von Galiläa bis hierher.
Lukas 23, 1 – 25
6 Als aber Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mensch aus Galiläa wäre.
7 Und als er vernahm, daß er ein Untertan des Herodes war, sandte er ihn zu Herodes, der in diesen Tagen auch in Jerusalem war. 8 Als aber Herodes Jesus sah, freute er sich sehr; denn er hätte ihn längst gerne gesehen; denn er hatte von ihm gehört und hoffte, er würde ein Zeichen von ihm sehen. 9 Und er fragte ihn viel. Er aber antwortete ihm nichts. 10 Die Hohenpriester aber und Schriftgelehrten standen dabei und verklagten ihn hart. 11 Aber Herodes mit seinen Soldaten verachtete und verspottete ihn, legte ihm ein weißes Gewand an und sandte ihn zurück zu Pilatus.
12 An dem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde; denn vorher waren sie einander feind.
13 Pilatus aber rief die Hohenpriester und die Oberen und das Volk zusammen 14 und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt; und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden, derentwegen ihr ihn anklagt; 15 Herodes auch nicht, denn er hat ihn uns zurückgesandt. Und siehe, er hat nichts getan, was den Tod verdient. 16 Darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben. 17 Er mußte ihnen aber zum Fest einen Gefangenen losgeben.
18 Da schrien sie alle miteinander: Hinweg mit diesem, gib uns Barabbas los! 19 Der war wegen eines Aufruhrs, der in der Stadt geschehen war, und wegen eines Mordes ins Gefängnis geworfen worden. 20 Da redete Pilatus abermals auf sie ein, weil er Jesus losgeben wollte. 21 Sie riefen aber: Kreuzige, kreuzige ihn! 22 Er aber sprach zum dritten Mal zu ihnen: Was hat denn dieser Böses getan? Ich habe nichts an ihm gefunden, was den Tod verdient; darum will ich ihn schlagen lassen und losgeben. 23 Aber sie setzten ihm zu mit großem Geschrei und forderten, daß er gekreuzigt würde. Und ihr Geschrei nahm überhand. 24 Und Pilatus urteilte, daß ihre Bitte erfüllt werde, 25 und ließ den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen.
Lieber Gott, segne Du nun Reden und Hören. Amen.
Liebe Gemeinde!
Jesus tritt seine Macht ja nicht erst zu Ostern oder Himmelfahrt an. Da wird offenbar, was von Anfang an wahr ist.
Die Johannes-Passion von Bach spricht das gleich im Eingangschor aus:
„Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm
in allen Landen herrlich ist.
Zeig uns durch deine Passion,
daß du, der wahre Gottessohn,
zu aller Zeit,
auch in der größten Niedrigkeit,
verherrlicht worden bist.“
Im heutigen Abschnitt der Passionsgeschichte können wir sehen, wie Jesus seine Macht ausübt, über den Hohen Rat, Pilatus und Herodes. Sie alle haben ihn in ihrer Macht, und Jesus läßt ihnen ihre Macht, Jesus macht dem Hohen Rat, dem Pilatus, und auch dem Vierfürsten Herodes, die Macht nicht streitig. Doch Jesus behält seine Eindeutigkeit. Alle anderen verwickeln sich in Widersprüchen. Jesus verwickelt sich in keinen Widerspruch.
- Der Hohe Rat – Einerseits stand für ihn fest, daß Jesus
beseitigt werden mußte. Anderseits war er darauf bedacht, daß alle Regeln des Gerichts beachtet werden. Das ging sogar so weit, daß ihre (falschen Zeugen) keinen schlüssigen Beweis liefern konnten. Erst als Jesus selbst bekennt, daß er der Messias und der Sohn Gottes sei, da war der Fall klar – „Was brauchen wir weiter Zeugnis?“
Einerseits wollte der Hohe Rat die Todesstrafe für Jesus. Und nach seiner Überzeugung war die Todesstrafe auch rechtens. Andererseits legte er Wert darauf, daß er nicht selbst es vollstreckte, sondern die Römer. Wenn der Hohe Rat das Urteil im Namen Gottes fällte, dann sollte er die Vollstreckung des Urteils auch guten Gewissens wollen. Es ist ein Widerspruch. Die Verurteilung: Ja. Die Hinrichtung : Ja. Aber die Verantwortung für die Hinrichtung: Nein.
Jesus hatte sich als Messias und Gottessohn bekannt. Damit konnte Pilatus nichts anfangen. Also verklagte der Hohe Rat Jesus als Revolutionär und Terrorist vor Pilatus. Bis dahin hatte Jesus sich nie mit den Römern angelegt. Im Gegenteil: Er hatte öffentlich gelehrt, daß man dem Kaiser geben solle, was des Kaisers ist – also den Römern Steuern zahlen. Er hat den Diener eines römischen Offiziers geheilt, und den Offizier selbst als Vorbild des Glaubens hingestellt (Matthäus 8). Trotzdem stellen sie Jesus als aufrührerischen Gegenkönig vor, der nach der Macht greift, gegen den Kaiser in Rom. – Dabei gehörte die Hoffnung auf den Messias zur Identität Israels. Nun meinen sie, sie können Jesus als Messias bei den Feinden denunzieren – als wäre Messias-Sein ein Verbrechen. – Ein furchtbarer Widerspruch. Im Johannes-Evangelium hören wir dann, wie der Hohe Rat sich völlig von dieser Hoffnung lossagt: „Wir haben keinen König, denn den Kaiser.“ (Johannes 19, 15). Der Hohe Rat meint, er könne das taktisch vor einem Heiden sagen. Aber am Ende kann er es nicht zurücknehmen.
Ein weiterer Widerspruch: Eben verklagen sie Jesus als einen gefährlichen Revolutionär und Terroristen, aber ohne Beweis; und dann wählen Barabbas zur Amnestie, zur Freilassung aus. Barabbas war ein verurteilter Terrorist. Das war bewiesen. Dessen Freiheit fordert der Hohe Rat, und die Hinrichtung Jesu. Freiheit für den Mörder und Hinrichtung des Heilers.
Und dann: Einerseits die römische Macht anerkennen, indem man zu Pilatus kommt, und ihm einen vermutlichen Feind Roms ausliefert – und dann Pilatus vorschreiben, wie er zu urteilen hätte.
Das ist noch nicht alles: Der Hohe Rat beschuldigt Jesus, daß er Volk „aufhetze und aufwiegele“. Niedrige Instinkte bedienen, enthemmen. – Eben ausgesprochen, tun sie genau das. Sie überreden das Volk, um Barabbas zu bitten. Sie enthemmen das Volk, die Kreuzigung zu fordern. Sie wiegeln das Volk auf, Pilatus niederzuschreien.
Ein Widerspruch nach dem anderen! - Der Vierfürst Herodes. Er war kein Nachkomme Davids. Er
war kein Jude. Durch Intrige und Kontakte war er unter dem Schutz der Römer an der Macht. Und doch mochten er und Pilatus sich nicht. Er kommt zum Passafest nach Jerusalem. Will er mitfeiern? Will er der Jüdischen Religion seinen Respekt zollen? Nun wird seine Meinung von Pilatus gefragt – Er wird ernstgenommen! Doch ein Urteil gibt er nicht ab. Er hofft, ein Zeichen zu sehen. Also Sensation. Etwas zum angeben und erzählen. Ob Jesus der Messias ist oder nicht, scheint ihn nicht zu interessieren. Sicher spürt sein geübter Machtinstinkt, daß Jesus überhaupt keine Gefahr darstellt. Jesus greift nicht nach der Macht, wie Herodes sie hat. Er läßt Jesus vorführen. Auffällig ist das weiße Kleid, mit dem er Jesus abführen läßt, zurück zu Pilatus. Sollte das Kleid Jesu Unschuld bezeugen? – Im Alten Testament war ein Weißes Kleid (1. Mose 41, 42) das Gewand des Königs – oder auch des Hohenpriesters. Eine große Würde war damit verbunden! – Im Römischen Reich wurden Bewerber auf ein hohes Amt so bekleidet. Wollte Herodes Jesus als Bewerber zum Römer Pilatus schicken? Es ist alles sehr mehrdeutig! – Aber ein diplomatischer Erfolg auf Kosten Jesu: Denn nun ist das Eis zwischen Herodes und Pilatus gebrochen. Sie werden Freunde. - Pilatus: Auch hier zwingt allein die Anwesenheit Jesu
Pilatus zu krassen Widersprüchen. Pilatus bezeugt wiederholt, daß er keine Schuld an Jesus finde. Unschuldig im Sinne der Anklage. Jesus stellt keine Gefahr für die römische Macht dar. Jeder Versuch, Jesus „loszuwerden“ schlägt fehl. Ihn zu Herodes zu schicken, ist ja auch so ein Versuch, die Zuständigkeit abzugeben, auch das Angebot der Amnestie, der Freilassung. Das alles kann er nur anbieten, weil er als römischer Statthalter die Macht hat. Und doch will er es mit dem jüdischen Volk nicht verderben. Auch er handelt gegen sein klares Urteil, gegen sein Gewissen. Er urteilt, daß ihre Bitte erfüllt würde. Geschrei der Masse als Bitte. - Das Volk. Das Volk hatte Jesus als König mit „Hosianna!“
begrüßt. Schon früher hatte es ihn zum König ausrufen wollen (Johannes 6, 15). Und dann jetzt das krasse Gegenteil. „Kreuzige!“ –also nicht nur nicht König, sondern Vernichtung. - Jesus verwickelt sich nicht in Widersprüchen. Das kostet ihm
sein Leben. Und rettet die Wahrheit, die Treue Gottes, der Israel ja nicht nur einen König, sondern auch einen leidenden, heilenden Knecht verheißen hatte: „Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Jesaja 53.
Jesus wird auch in dir und in mir Widersprüche auslösen. Widersprüche, die vorher da waren, und vor ihm ans Licht kommen. Das ist ein Zeichen seiner Macht. Dann kommt es darauf an, diese Macht als heilsam anzunehmen, und nicht mit Aggression Jesus wegzuschieben. So werde ich die Widersprüche nicht los, sie werden nur größer.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Beitragsbild: Christus vor Pilatus, Gemälde von Mihály von Munkácsy, 1881, Gemeinfrei