Karfreitag

Von | April 19, 2022
Kreuzigung

Das Lamm, das gewürget ist,
ist würdig zu nehmen Kraft und Reichtum,
und Weisheit und Stärke,
und Ehre und Preis und Lob.
Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.

32 Es wurden aber auch andere hingeführt, zwei Übeltäter, daß sie mit ihm hingerichtet würden.
33 Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken.
34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum.
35 Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.
36 Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig
37 und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber!
38 Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.
39 Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!
40 Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist?
41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.
42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!
43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde,
45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riß mitten entzwei.
46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.
47 Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! 48 Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um.
49 Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die
Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.

Lukas 23, 32-49

Gebet: O Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünde der Welt, erbarm dich unser, und gib uns deinen Frieden. Amen.

Liebe Gemeinde!
Heute ist die Grundsteinlegung der Kirche. Zwischen Vorher und Nachher ist ein himmelweiter Unterschied. Karfreitag ist der EINE Tag, der aus der Menschheit nicht mehr weggedacht werden kann. Es gibt einfach zu viele Kreuze überall, wo die Menschen sind, die können nicht auf einmal gelöscht werden. Sie alle zeigen auf das eine Kreuz, an dem der Sohn Gottes, der König der Juden, der Messias Israels hing. Hier wird das Alte alt, und das Neue bleibt ewig neu. Hier beginnt die Zukunft, die Gott für die Menschheit festgelegt hat. Ein altes Lied zum Palmsonntag sagt: „Gott herrscht vom Holz herab.“ Vom Kreuz aus beweist Gott, daß er Gott ist. Das wird bis zum Ende der Welt jeden vor den Kopf stoßen. Das kannst du dir nicht ausdenken. Vor allem: Hier am Kreuz und heute am Karfreitag etabliert Gott nicht nur für die Menschheit allgemein, sondern für dich und mich Seine göttliche Schaltstelle, wo Er, Gott, alles zum Guten wendet, alles. Das Kreuz ist der Hebel, der jede Last bewegen kann und bewegen wird. Und die größte Last ist nicht der Tod, sondern das, was den Tod verursacht, und die Ursache eines jeden Todes ist die Anklage von Gottes Gesetz. Du hast Gottes Gebot übertreten. Das ist der Grund, warum du dein Leben verlierst. Wenn es Hilfe geben soll, dann muß es hier Hilfe geben. Wenn es eine göttliche Macht gibt, dann muß sie sich gegen diese Last, die uns alle so fürchterlich runterzieht, dann muß sie sich gegen diese Last beweisen.
Der Heilige Lukas hat Augenzeugen befragt, und einen Bericht über den Karfreitag für uns zusammengestellt. Ohne den vollständigen Beistand Gottes, des Heiligen Geistes, hätte Lukas nicht ein passendes Wort gefunden, ohne die Inspiration und Eingebung des Heiligen Geistes hätte Lukas keine zwei Wörter nebeneinander setzen können, ohne zu verstummen und zusammenzubrechen unter dem, was da geschah.
Lassen wir uns nun vom Bericht des Lukas leiten. Es ist ein Schritt mit dem Heiligen Geist nach dem anderen.
Es fängt schon damit an, daß Jesus mit zwei verurteilten Verbrechern gekreuzigt wird. Einen zur Rechten, und den anderen zur Linken. Jesus mitten drin. Mit dieser Gesellschaft präsentiert Jesus sich der Weltöffentlichkeit. Das ist die schwächste, hoffnungsloseste Öffentlichkeitsarbeit. Die Verbrecher sind dort, weil das Gesetz sie zwingt. Jesus ist dort, weil der himmlische Vater ihn sendet, und weil die Liebe ihn zwingt. Daß es Verbrecher gibt, ist alt. Leider aber auch immer wieder neu. Als der Krieg in der Ukraine ausbrach, fragten sich viele Menschen: „Hat die Menschheit noch nicht gelernt?“ Nein. Die Menschheit lernt nicht. Um dieses Alte alt werden zu lassen, geht Jesus unter die Verbrecher. Wenn Gott hier nichts Neues schaffen kann, dann gibt es eben nichts Neues. Über 500 Jahre früher hatte der Prophet Jesaja gesagt: „Er ist unter die Übeltäter gerechnet.“ (Jesaja 53, 12). Jesus geht ganz in das Alte, was nicht vergehen will, in die Sünde hinein. Da rekrutiert er, da sammelt er sein Volk.
Das Neue ist also: Der von keiner Sünde wußte, wurde für uns zur Sünde gemacht. So sagt es uns die Epistel, die wir eben gehört haben. (2. Korinther 5, 21). Gott der Vater hat Gott den Sohn zur Sünde gemacht; und Gott der Sohn hat das erduldet, gehorsam erduldet. Das ist wirklich ganz neu.
Dann kommt das Gebet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Sie machen Gott kaputt, und merken es nicht. So sind wir Sünder: Wir machen Gott kaputt und jammern dann, daß wir ihn nicht sehen. Das ist das Alte, was immer wieder neu ist. Es ist zum Verzweifeln.
Die Soldaten wußten ganz genau, was sie taten. Kreuzigen war ihr Handwerk. Sie waren Teil vom römischen System. Das System funktionierte. Das war alt. Aber es wurde nicht alt. Immer wieder aufs Neue kommen Systeme, die Menschen finden, die es nicht geben sollte. Alle vier Evangelisten sagen uns: Jedes System hätte Jesus gekreuzigt. Auch eine Demokratie. Das ist alt. Das Neue ist: Jesus vergibt ihnen. Er unterbricht den Teufelskreis von Rache, Vergeltung. Überhaupt ist Beten der Anfang von allem Neuen. Nicht-Beten, das ist alt. Jesus betet aus dem Nichts. Im extremen Leiden sieht er noch, wie die Soldaten sich selbst schaden, wenn sie ihn kreuzigen, und bittet seinen Vater, diesen Schaden zu verhindern. Das wird immer neu sein, immer ein Anfang. Dieses eine Gebet ist der Hebel. Im System der Welt wußten die Soldaten, was sie taten. Jesus betet, und fängt sein System an, es ist das Reich Gottes.
Die Soldaten behandeln ihn schon wie einen Toten: Sie würfeln um seinen letzten Besitz, seine Kleider. Das ist alt. Und immer wieder neu. Wehrlose werden beraubt. Das ungenähte Gewand hatte Jesus wahrscheinlich von seiner Mutter. Jetzt bestimmt der blinde Zufall, wem es gehören soll. Die Liebe darin wird brutal gelöscht. Das ist alt. Das Neue ist: Jesus betet einen Psalm, der genau das beschreibt: Sie teilen meine Kleider unter sich, es ist Psalm 22. Sie wissen nicht, was sie tun, sie erfüllen eine Prophezeiung. Danke, Soldaten! Noch ein Beweis, daß Jesus von Gott kommt! Das ist neu. Jesus lebt noch, und wir schon wie ein Toter behandelt. Jesus nimmt diese Unmenschlichkeit auf sich, damit Gott alle finden kann, die darunter begraben sind. Er nimmt das auf sich, um die Verlorenen zu finden, die ihre Identität verloren oder selbst zerstört haben. Das ist etwas Neues, das nicht alt werden kann. Das ist gut für uns alle. Auf jeden Fall für die, die fühlen, wie ihre Identität ihnen entgleitet, und keiner ist da, das aufzuhalten. Der Sohn Gottes ist schon da. Die Soldaten befördern ihn dort hin. Da findet er die verlorenen Seelen. Das ist neu, und wird immer neu bleiben.
Dann kommt der Spott. Die Hohenpriester stimmen auf einmal mit den Massen überein, ja sie stimmen mit den Verbrechern überein, mit denen sie sonst niemals zu tun haben würden: „Andern hat er geholfen, und kann sich selber nicht helfen!“ In seinem Leiden leistet Jesus die größte Inklusion aller Zeiten. Hohepriester, Verbrecher und die Leute da draußen. Sie sind sich alle einig über ihn. Im Spott. Das ist alt. Und immer wieder neu. Das Alte triumphiert: Jesus hat doch nichts Neues gebracht! Es bleibt alles beim Alten. Das Böse siegt immer. Dann lieber spotten. Ist es nicht furchtbar? Die größte Ökumene ist die der Spötter, der Zyniker: Helfen lohnt sich nicht, am Ende ist der Helfer der Dumme. Das ist das System der Welt. Die Spötter sind aber die Erbärmlichsten, die am dringendsten Hilfe brauchen. Jesus sieht das, und im Leiden schafft er ihnen Hilfe. Das ist neu. Die Spötter werden alt aussehen. Neu wäre es, wenn sie dann seine Hilfe annehmen.
Schließlich berichtet uns der Evangelist zwei Wunder. Wir erleben mit, wie Gott der Vater das Gebet seines Sohnes schon erhört. Wir hören von zwei Menschen, die Jesus in sein Reich aufnimmt in der letzten Stunde seines Lebens. Der erste ist der Schächer, der neben ihm hängt. Er ist genau das Menschenmaterial, das Jesus für sein neues System sucht: Dieser Verbrecher, der sein Leben nie wieder gut machen kann. Es ist ein weggeschmissenes Leben, dem Terror gewidmet. Dieser Mann sagt: Ich hänge zu recht hier. Dieser Jesus aber nicht. Das ist neu. Dann sieht er auch noch, daß Jesus hier der wirklich mächtige ist: „Gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Er sieht und spürt, wie das Alte alt wird, und erkennt, daß Jesus das Neue, das Ewige bringt. „Denk an mich!“ Mehr nicht. Aber das ist der Anfang. Und Jesus antwortet: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Der, den das System der Welt schon abgeschrieben hat, aufgegeben – der spricht hier als der Herr des Paradieses, als der, der die Macht hat, Seelen ins Paradies zu bringen. Das ist neu, das wird nicht mehr alt. Dieses: „Gedenk an mich, wenn du in dein Reich kommst!“ – diese Worte hat der Heilige Geist aus dem Nichts in das Leben des Schächers hineingesprochen. Da hat die Kirche angefangen, der wir heute angehören. Das ist der Anfang der neuen Schöpfung, die nicht veralten wird.
Der zweite Kandidat ist der Hauptmann, der Offizier, der dafür gesorgt hat, daß auf Golgota richtig gekreuzigt wird. Der Verbrecher war gegen Rom, dieser Hauptmann repräsentierte Rom. Im System der Welt waren sie Gegensätze, Feinde. Aber hier werden sie in das neue System Jesu eingefügt. Der Schächer sagt: „Dieser hat nichts Unrechtes getan.“ Und der Hauptmann sagt: „Fürwahr, dieser ist ein frommer Mann gewesen.“ Das sagt ein Offizier. Offiziere sind äußerst sparsam mit anerkennenden Worten. Damit gibt er ja zu: Ich habe Unrecht getan. Wenn es wieder gut werden soll, dann kann das nur Gott machen.
Das sind die Mitgliednummern 1 und 2 von unserem Verein. Ein Terrorist und ein Folterer. Sie stehen dafür, daß das Alte endlich alt geworden ist, und daß das Neue bleiben wird.
Wenn Gott mit ihnen unter dem Kreuz etwas anfangen konnte, dann doch auch mit dir.
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum Ewigen Leben. Amen.


Beitragsbild:

The Crucifixion
Francesco Botticini (1446–1497) (attributed to)
The National Gallery, London