Predigt: Pfarrer Johann Hillermann
Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus,
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.
30 Und Jesus sprach: Womit wollen wir das Reich Gottes vergleichen, und durch welches Gleichnis wollen wir es abbilden?
Markus 4, 30-32
31 Es ist wie ein Senfkorn: wenn das gesät wird aufs Land, so ist’s das kleinste unter allen Samenkörnern auf Erden;
32 und wenn es gesät ist, so geht es auf und wird größer als alle Kräuter und treibt große Zweige, sodaß die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können.
Gebet: Heiliger Gott, du erkennst unsere Herzen und prüfst uns, wie wir’s meinen. Entzünde uns durch deinen Geist, daß wir deinen Willen lieben und dir mit ganzen Herzen folgen. Durch Jesus Christus, unsern HERRN. Amen.
Liebe Gemeinde!
Ein Senfkorn kann man gerade so mit zwei Fingern fassen.
Ihm sieht man es nicht an, daß aus ihm ein Strauch wird, in dem Vögel ihre Nester bauen, und unter sein Zweigen wohnen können. Ja: Der Vogel bewohnt etwas, das aus dem entsteht, was er mir nichts dir nichts hätte aufpicken und verschlucken können.
So ist das Reich Gottes: Es drängt sich nicht auf; man kann es ohne Mühe beiseite schieben – aber, wenn man es nicht beiseite schiebt, dann bietet es Leib und Seele ein ewiges Zuhause.
Das, was der Vogel nicht tut – nämlich das kleine Senfkorn entfernen, das ist wirklich etwas sehr Kleines! – steht in keinem Verhältnis zu dem, was er dann bekommt, nämlich ein Nest. Es heißt: Vögel wohnen unter seinem Schatten. Unter dem Schatten heißt geschützt von der sengenden Sonne, geborgen vor Wind und Wetter.
So geschieht das Kleine: Gott spricht zu uns durch Sein heiliges Wort, Gott sendet uns Seinen Sohn als ein leiblicher Mensch, Gott beschließt mit der Taufe und mit dem einfachen Mahl unter Brot und Wein – – alles zu tun, alles zu geben, alles zu sagen — Menschen halten sich daran, freuen sich daran, erschrecken über sich selbst , und das alles ganz unauffällig in ihrem Herzen.
Das alles ist vor der Welt klein, wie ein Senfkorn. Einmal „pick!“, und es ist weg. Man kann einfach das Radio lauter drehen, oder einen weiteren Film anschauen, und es scheint ganz verschwunden zu sein.
Aber wenn es bleibt, dann tut Gott damit große Dinge. Er bringt dich in Sicherheit vor dem Tod. Er heilt deine Seele, weil sie endlich die zuverlässige Wahrheit hört. Er öffnet deine Augen für Seine Güte in der Schöpfung, die trotz allem noch für dich da ist. Er heilt und erweitert dein Herz, daß es Platz für den Nächsten hat, und daß Liebe möglich ist. Er zeigt dir wie hohl und vergeblich ein Leben ohne Seine Gebote ist.
Wir feiern heute Kirchweih. 166 Jahre steht unsere Kirche.
Gott hat eine Adresse, in der Er sich finden läßt.
Gott hat Sein Sprechzimmer.
Unsere Seele hat ein Nest.
Ein Gottesdienstbesuch – so leicht kann er versäumt werden, und es scheint keinen Unterschied zu machen, wie ein Senfkorn, das nicht da ist.
Aber am Ende wirst du nicht aufhören können, Gott zu preisen dafür, daß du diese Stunde hier zugebracht hast. Diese Stunde wirst Du niemals bereuehn, sie wird dir Schatten geben, ein geborgenes Nest für deine Seele,
Der Verstand wird sagen: Gott ist überall, du kannst die Bibel unter deinem Bett oder im Badezimmer lesen. Du kannst in der U-Bahn beten, du kannst Gott in der Natur begegnen.
Doch Gottes Wort kennt uns besser. Du sollst Gott einen Raum und eine Zeit weihen. Für Gottes Wort, für das Gebet, für die Versammlung, für das Mahl des Herrn wird ein Christ und eine Gemeinde einen Raum und eine Zeit festlegen? Warum, weil man für alles, was einem wichtig ist, Räume und Zeiten reserviert. Zeige mir, wofür du Zeiten und Räume reservierst, und ich zeige dir, was dein Gott ist.
In diesem Haus soll alles passieren, was Gott eingesetzt hat, wie er uns begegnen will. Der Altar, an dem gebetet wird, an dem Das Abendmahl gefeiert wird, hat seinen festen Platz. Das Taufbecken, wo Christen gemacht werden, hat seinen festen Platz. Die Kanzel, von wo aus verbindlich und ordentlich und allein von der apostolischen und prophetischen Schrift aus die Gemeinde gelehrt werden soll, hat ihren festen Platz. Das Lesepult, von dem aus die Gemeinde Gottes Wort aus der Bibel hören soll, hat seinen festen Platz. Diese heiligen Möbel haben deshalb ihren festen Platz, weil sie dem Wort und den Handlungen dienen, die für den Glauben notwendig sind.
Die Seele muß ein Zuhause haben, wo es eindeutig ist: Ich bin hier, um Gott zu begegnen, ich bin hier, weil Gott mich ruft, ich bin hier, weil ich zu Gottes Familie gehöre, ich bin hier, um nichts anderes zu tun, als zu hören, zu beten, zu empfangen, und Gott die Ehre zu geben.
Diese Eindeutigkeit ist unter meinem Bett, in meinem Badezimmer, in der Natur oder in der U-Bahn einfach nicht gegeben. Doch der Glaube sehnt sich nach Eindeutigkeit.
Der 86. Psalm betet: „Erhalte mein Herz bei dem Einen!“ Laß mich alles hinter mich lassen! Ich will in meiner Gemeinde allein mit Dir sein, o Gott! Dazu hat die Christenheit schon sehr früh angefangen, Gotteshäuser zu bauen. Es ist gut, richtig und notwendig so.
Das Gotteshaus steht für noch eine weitere Wahrheit: Du mußt das Christentum nicht erfinden. Ganz im Gegenteil: Gott findet dich, und fügt dich in die Christenheit ein. Gott wartet auf dich und hat Platz für dich wie dieses geliebte Gebäude hier. Wir sind Dazugekommene. Als wir dazukamen, war schon alles fertig.
Der Heilige Geist sammelt dich ein und fügt dich hinzu zu der Kirche Gottes, die schon immer da war. Wir haben eben aus dem Gesangbuch gesungen:
„Die recht in dieser Kirche wohnen,
die werden in Gott selig sein;
des Todes Flut wird sie verschonen,
denn Gottes Arche schließt sie ein.
Für sie ist Christi Blut vergossen,
das sie im Glauben nehmen an,
und werden Gottes Hausgenossen,
sind ihm auch willig untertan.“
Wir sitzen durch den Glauben an Jesus hier auf diesen Kirchenbänken in Gottes Arche. Wir haben sie nicht gebaut, Gott selbst hat sie gebaut. Wir Menschen können gar nicht etwas bauen, das uns vor „der Todes Flut“ verschont.
Jesus hat Sein unschuldiges Blut für uns vergossen. Da ist Vergebung der Sünden, da müssen „des Todes Fluten“ aufhören. Das paßt zum Reich Gottes als ein Senfkorn: Ein einzelner stirbt am Kreuz wie vor und nach ihm Hunderttausende; aber dieses Eine Kreuz, das Blut genau dieses Einzigen – hier ist das Senfkorn, aus dem der Baum des Reiches Gottes wächst, und wir wohnen darin.
Liebe Gemeinde!
Schon seit Jahren wird angekündigt, daß das Dach unseres Gotteshauses erneuert werden muß. Die Zeit kommt immer näher, daß die Arbeiten beginnen. Architekten und andere Experten haben dem Bauausschuß und dem Vorstand berichtet. Die Schäden sind festgestellt und dokumentiert. Was daran getan werden muß, ist jetzt bekannt. Und natürlich liegen auch Kostenschätzungen vor – nicht Angebote oder Voranschläge, sondern Schätzungen!
Mit welch einem Herzen werden wir als Gemeinde diese Zahlen einmal zur Kenntnis nehmen? Es werden Summen sein, die für unsere Gemeinde nicht alltäglich sind. Man wird sich dann fragen: Kann unsere Gemeinde das schaffen?
Manche antworten auf diese Frage: Wir müssen es schaffen! Die Maßnahmen sind notwendig! Andere werden vielleicht lieber nicht das sagen, was sie denken.
Es wird helfen, wenn wir uns sagen lassen: Mit dem Senfkorn des Reiches Gottes werden Dinge passieren.
Der Anfang liegt nicht bei den Architekten, oder bei den Finanzberatern – die wir alle brauchen werden! Der Anfang liegt auch nicht bei dem Bauausschuß oder dem Kirchenvorstand – die damit noch sehr beschäftigt sein werden!
Der Anfang liegt bei einem jeden von uns mit der Überzeugung, daß das was in diesem Hause geschieht, lebensnotwendig ist. Es ist notwendig gegen mein Verderben, daß Gott mit mir spricht, so wie Er es geordnet hat. Es ist notwendig, daß die Gemeinde als der Leib Christi sich zum Gebet und Lobgesang versammelt. Es ist eine Notwendigkeit, daß Gott eine Adresse in der Annenstraße hat, damit meine Seele eine Heimat hat. Es muß diese Hütte Gottes geben, in der Gott Tränen abwischt, aber in der Gott auch Seinen Willen mitteilt und uns rettet.
Liebe Gemeinde, da fängt es an. Und wenn diese großen wunderbaren Wahrheiten für uns feststehen, dann ist das Senfkorn da, dann ist auch das Reich Gottes da und wird sich so ausprägen, daß „es aufgeht und größer wird als alle Kräuter und große Zweige treibt, sodaß die Vögel unter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen können.“
Ich möchte an ein Wort Jesu erinnern, daß ich selbst viele Jahre nicht verstanden habe, aber jetzt Gott sei Dank so weit verstehe, daß ich euch etwas dazu sagen kann.
Mehr als einmal sagt Jesus: „Wer da hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, von dem wird auch was er hat, genommen werden.“ (Matthäus 13, 12 und Matthäus 25, 29).
Das wird oft als eine brutale Ungerechtigkeit empfunden. Wer nichts hat, der verliert noch das wenige, was er hat, und wer schon etwas hat, der bekommt noch mehr dazu.
Doch. Man muß hier haargenau fragen und wissen, was hier „Haben“ bedeutet. Der Mann in dem Gleichnis, dem auch noch das genommen wird, was bei ihm war – der Mann hatte Gottes Gabe nicht als Gottes Gabe dankbar angenommen. Gott hatte ihn beschenkt und ihm eine Gabe anvertraut, und der Mann hatte diese Gabe mißtrauisch versteckt, als wollte er nichts damit zu tun haben. Und das bedeutet: Er hatte sie nicht wirklich. Wenn Gott sie ihm am Ende wegnehmen läßt, dann war das nur eine Konsequenz davon.
„Haben“ heißt hier: Bewußt und dankbar Gottes Gabe als Zeichen von Gottes Liebe und Gnade annehmen, und damit leben. Wenn Gott sieht, daß Seine Gabe in dir Frucht bringt: Frucht des Dankes, des Vertrauens – auch daß man seine Sorgen auf Gott wirft, auch das ist eine Frucht des Glaubens! Wenn Gottes Gabe durch den Glauben bei dir richtig ankommt und durch den Glauben bei dir gut aufgehoben ist – dann kann Gott über dich sagen: Du hast. Das ist ein göttliches Haben.
Wer so hat, dem wird Gott weiter geben.
Denn wer so hat, der hat vor allem Gottes Liebe und Güte. Und Gottes Güte bleibt ewiglich. (Psalm 136). Gottes Güte hat kein Ende (Klagelieder 3, 22-23).
Mit welchem Herzen sollen wir dieser großen Aufgabe begegnen?
Mit einem, mit DEM Senfkorn im Herzen.
Haben wir den Altar wirklich? Haben wir das Lesepult wirklich? Haben wir die Kanzel wirklich? Haben wir die Kirchenbänke wirklich? Haben wir die Orgel wirklich? Haben wir die Kniekissen wirklich?
„Wirklich haben“ das ist: Was Gott hier sagt und tut ist notwendig. Es ist für mich notwendig, es ist für alle Menschen, die es noch nicht wissen, notwendig. Denn Gottes Gnade ist notwendig. Gott muß vergeben und verschonen mit Seiner Arche, sonst sind wir der „Flut des Todes ausgeliefert.“
Es hat seinen festen Platz und muß ihn haben. Laßt uns unser Gotteshaus so haben.
Das ist der Anfang. Der muß sicher sein.
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.