Trinitatis

Von | Juni 4, 2023
Prophet Jesaja

Die Gnade unseres HERRN, Jesus Christus,
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.

1 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel.
2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße und mit zweien flogen sie.
3 Und einer rief zum andern und sprach:
Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!
4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch.
5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn
ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.
6 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm,
7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, daß deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.
8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!
9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht!
10 Verstocke das Herz dieses Volks und laß ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, daß sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.
11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt.
12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, sodaß das Land sehr verlassen sein wird.
13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.

Jesaja 6, 1-13

Gebet: Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist: Öffne unsere Augen, Ohren und Herzen für Deine Herrlichkeit! Amen.

Liebe Gemeinde!
Jeden Sonntag singen Christen auf der Erde zwei Gesänge mit den Engeln im Himmel:
Der erste Gesang ist das „Ehre sei Gott in der Höhe, und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Das ist der Gesang der himmlischen Heerscharen bei der Geburt unseres HERRN Jesus Christus, der Menschwerdung Gottes in Bethlehem.
Der andere Gesang ist in unserem heutigen Predigttext zum Sonntag Trinitatis: Es ist das „Heilig, heilig, heilig ist Gott der HERR Zebaoth, alle Lande sind Seiner Ehre voll.“
Diese Gesänge der Engel machen klar: Der Ursprung des christlichen Gottesdienstes ist im Himmel. Der Maßstab, das Urbild, die Grundlage und die eigentliche Bedeutung unserer Feier als versammelte Christen kommt nicht aus unseren Gedanken oder Gefühlen, sondern vom Himmel. Der Sinn von allem, von jedem Wort im Gottesdienst kommt aus der größeren Wirklichkeit, die alles trägt, was wir sind und tun. Der Ursprung ist im Himmel. Gottes Überlegenheit.
Das kommt uns unwirklich vor.
Jesaja aber merkt ganz überdeutlich: „Weh mir! Ich vergehe!“
Warum sagt er: „Ich vergehe?“ Weil Jesaja einfach erlebt, daß er einer Wirklichkeit begegnet, die größer, wichtiger, schöner, heiler, ja heiliger ist als er. Unendlich größer, wichtiger, heiler und schöner. „Ich vergehe!“ Jesaja begegnet seinem Schöpfer, Jesaja begegnet seiner eigenen Ursache, den Grund dafür, daß es ihn gibt. Jesaja erlebt sich selbst als unwirklich.
Und das stellt ihn vollständig in Frage. Er fühlt, als könnte er jeden Moment verschwinden – in sich empfindet er keinen Grund dafür, daß es ihn geben muß. Jesaja erlebt die Wahrheit, daß er sich und sein Leben nicht sich selbst verdankt. Er hat sich nicht gemacht. Er hat sein Leben nicht in der Hand.
Und das alles, weil er einen Moment den HERRN auf Seinem Thron sitzen sieht, und einen Moment den ewigen Gottesdienst der unsichtbaren Welt miterlebt.
Er sieht den HERRN auf Seinem Thron. Vom Thron aus wird Macht ausgeübt, regiert, bestimmt, geurteilt, über Sein oder Nichtsein entschieden. Der Thron ist „hoch und erhaben“, also er ist über alles. Über ihn bestimmt nichts. Auch nicht die Zeit, liebe Gemeinde, das ist ganz wichtig!, auch nicht der Strom der Zeit, der für uns alles wegspült, verändert, entwickelt, oder untergehen läßt. Wir sind der Zeit völlig unterworfen. Man kann aus der Zeit einen Götzen machen. Die Zeit soll alles erklären. Warum man heute andere Regeln hat. Warum Gottes Wort nicht mehr gelten soll. Das ist eben „die Zeit“. Dieser Thron ist über den Zeiten und lenkt sie, herrscht über sie, wird nicht durch die Zeit verändert, oder gar beseitigt.
Dann ist interessant, daß Jesaja beschreibt: „Sein Saum füllte den Tempel“. Der Saum ist der Übergang von, sagen wir mal, „Kleid“ und „Nicht-Kleid“. Der Saum ist der Rand, die Grenze. Aber das Kleid steht für die Person, für die Würde und auch das Gegenüber. Durch Kleidung stellt ein Mensch sich mir dar, ich kann mich auf ihn beziehen, ihm begegnen.
Nun sagt Jesaja: Der Rand, die Grenze der Person Gottes, füllt den Tempel aus. Das heißt: Der Tempel ist von Gott erfüllt – der Mensch begegnet im Tempel sofort und nur Gott, und nicht sich selbst, oder anderen Menschen. Nur Gott. Aber was ist im Tempel ist, das ist nur der Rand, nur der Übergang. Im Tempel begegnet Jesaja mehr, als der Tempel überhaupt fassen kann. Die Unendlichkeit legt sich einen Saum an, damit der Mensch überhaupt eine Möglichkeit hat, ihr zu begegnen.
Diese Herrlichkeit ist umgeben von zwei flammenden Engeln, Seraphim, die mit 6 Flügeln ausgestattet das Lob des HERRN singen:
„Heilig, Heilig, Heilig ist Gott der HERR Zebaoth.“ Zebaoth heißt: Die Heerscharen, die Armeen, die Massen der gehorsamen Schöpfung in der unsichtbaren Welt.
Also Jesaja spürt am eigenen Leib:

  1. Er ist eine verschwindende Minderheit. Er wird völlig überstimmt und übertönt. Mit irgendeiner Meinung kommt hier nicht gegenan. Drei Mal heilig. Das steht fest. Der Herr ist heilig. Im Recht. Gerecht. Rein. Wahr. Würdig. Voller Herrlichkeit. Quelle aller guten Gaben. Urheber aller Schönheit. Geber alles, was sinnvoll ist. Unvereinbar mit Lüge, Häßlichkeit, Bosheit.
    Jede christliche Gemeinde, ja alle Christen einer Generation sind eine kleine Minderheit gegen die Engel im Himmel, und im Vergleich zu deren Gesang.
  2. Jesaja spürt aber auch: Ich passe hier nicht hin.
    Gott begegnen ist gefährlich. Weil wir Menschen aus kompletter Dummheit sein wollen wie Gott, oder gar im Wahn uns an Gottes Stelle setzen wollen. Selbst bestimmen wollen, was Gut und Böse ist.
    „Weh mir, denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.“ Jesaja wird überwältigt von der Erkenntnis: Ich habe gelebt, aber nicht vor diesem Heiligen Gott. Meine Worte sind unpassend gewesen. Mein Leben ist geprägt davon, daß es unheilig ist, nicht mit Gott rechnet, Gott nicht ernst nimmt. Mein Leben ist dabei, sich aufzulösen, weil es nichts taugt. Das ist ein Sündenbekenntnis. Jesaja fühlt in seiner Haut: Nur Gott ist wirklich, ich, meine Gedanken Worte und Werke sind unwirklich, haben keinen Bestand. Sie haben keinen Halt in Gott, sie lösen sich auf, wie Wachs im Feuer.
    Dann erlebt Jesaja eine Reinigung. Gott sendet einen Engel, der mit einer feurigen Kohle seine Lippen berührt und ihm die Sünden vergibt. Das kann nur vom Himmel, vom Thron, aus der Überlegenheit Gottes kommen. Und es geschieht.
    Danach wird Jesaja zum Propheten gesandt:
    „Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich! Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk“ – eben noch war Jesaja so gut wie tot – und dann gibt der HERR ihm einen Auftrag für das Volk Gottes. Große Dinge passieren in ganz kurzer Zeit, in einer Begegnung.
    Liebe Gemeinde, zu diesem Lobgesang der Engel möchte ich heute zwei weitere Dinge hervorheben:
  3. Der Gesang war schon sehr früh Teil des christlichen Gebetslebens. Seinen festen Platz bekam er im 4. Jahrhundert, um die Dreieinigkeit Gottes, Vater, Sohn und Heiliger Geist, vor Gott und den Menschen zu bekennen und zu preisen. Der Schöpfer, der Jesaja geschaffen hat, und die Engel, Gott der Sohn, der mit Jesaja spricht, und ihm seine Sünden vergibt, und Gott der Heilige Geist, der Jesaja neu schafft, umbaut, und für seinen Beruf als Propheten begabt. Die Christenheit hat von Anfang an Gott als den Dreieinigen bezeugt. Noch besser: Die Christenheit hat von Anfang an bezeugt, daß Gott sich immer schon als der Dreieinige offenbart hat. Das ist nicht ein Ergebnis einer Entwicklung, die der Zeit unterworfen wäre. Diese Wahrheit ist der Zeit überlegen. Das erkennen wir auch daran, daß wir im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes hören : „Und eine jede der vier Gestalten vor Gottes Thron hatte sechs Flügel, und sie waren außen und innen voller Augen, und sie hatten keine Ruhe Tag und Nacht und sprachen: Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war und der da ist und der da kommt.“ (Offenbarung 4,8).
  4. Im Johannesevangelium hören wir, daß Jesaja in dieser Begegnung die Herrlichkeit des Sohnes Gottes gesehen hat:
    „Das hat Jesaja gesagt, weil er seine Herrlichkeit sah und redete von ihm.“ „Seine“: Das ist Jesu Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes Gottes. Jesus ist Gott. Jesus ist heilig. Jesus muß sich nicht ändern, Jesus ist nie unpassend. Wenn er kommt, dann kommt Gott, wenn er spricht, dann spricht Gott, wenn er handelt, dann handelt Gott. Wer zu ihm kommt, der kommt zu Gott. Wer ihn ablehnt, der lehnt Gott Gott ab, wer ihn annimmt, der nimmt Gott an. (Matthäus 10, 40; Johannes 13,20).
    Wo wir beim Neuen Testament sind:
    Der Auftrag, den Jesaja bekommt, ist ja erschreckend. Er soll predigen, aber ohne Aussicht auf Erfolg: „Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! Verstocke das Herz dieses Volks und laß ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, daß sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.“
    „Höret, und verstehet’s nicht!“ Diese Worte werden im Matthäusevangelium (Matthäus 13, 14), im Johannesevangelium (Johannes 12, 40) und im Römerbrief (Römer 11, 8) zitiert. Man kommt an ihnen einfach nicht vorbei.
    Es geht um das Geheimnis, daß das Volk Israel, zu dem Gott in seinem Sohn gekommen ist, ihn mehrheitlich ablehnte. Das ist erschütternd und erschreckend. Was ist es mit uns Menschen, daß so etwas passieren kann? Wie deutlich muß Gott denn noch werden?
    Kann das wirklich so gemeint sein? Verstocke das Herz dieses Volkes? Wozu dann predigen? Jesaja fragt dann auch: „HERR, wie lange?“ Und die Antwort ist: Gott wird einen neuen Anfang machen.
    Das heißt: Gott selbst wirkt durch die Predigt des Propheten. Jesaja und alle Prediger sollen nicht versuchen, auf Menschen zu wirken, als Menschen. Sie sollen predigen, und Gott wirken lassen. Das heißt aber auch: Die Hörer sollen nicht dem Prediger zuliebe hören oder eben nicht. Das Wort Gottes stellt sie nicht vor Menschen, die man ignorieren kann, wenn man will, sondern vor den Thron Gottes. Gott der Heilige Geist ist da am Werk, und die Engel begleiten ihn.
    Und das Ziel ist dann nicht mehr: „Weh mir, ich vergehe, denn ich voller Unreinheit!“ sondern. „Wohl mir! Ich werde nicht vergehen, niemals!, denn ich bin dem HERRN begegnet, und er hat mir geholfen.“

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Amen.


Bild: Der Prophet Jesaja, russische Ikone aus dem 18. Jh