2. Passionsandacht

Von | März 11, 2023
Abendmahl

Predigt: Pfarrer Johann Hillermann

    26 Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach’s und gab’s den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib.
    27 Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus;
    28 das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
    29 Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich von Neuem davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. 30 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
    31 Da sprach Jesus zu ihnen: In dieser Nacht werdet ihr alle Ärgernis nehmen an mir. Denn es steht geschrieben (Sach 13,7): »Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen.«
    32 Wenn ich aber auferstanden bin, will ich vor euch hingehen nach Galiläa.
    33 Petrus aber antwortete und sprach zu ihm: Wenn sie auch alle Ärgernis nehmen, so will ich doch niemals Ärgernis nehmen an dir.
    34 Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.35 Petrus sprach zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste, will ich dich nicht verleugnen. Das Gleiche sagten auch alle Jünger.
    36 Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hier, solange ich dorthin gehe und bete.
    37 Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
    38 Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wacht mit mir!
    39 Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!
    40 Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?
    41 Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
    42 Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, daß dieser Kelch an mir vorübergehe, ohne daß ich ihn trinke, so geschehe dein Wille! 43 Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf.
    44 Und er ließ sie und ging abermals hin und betete zum dritten Mal und redete dieselben Worte.
    45 Dann kam er zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, daß der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird.
    46 Steht auf, laßt uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.

    Matthäus 26, 26 – 46

    Gebet: HERR, Du bist nicht ausgewichen vor der schwersten Last und dem bittersten Leiden: Nimm von uns, was uns runterzieht, erbarme Dich! Amen.

    Liebe Gemeinde!
    Die Leidensgeschichte unseres HERRN prägt uns die Liebe ein, mit der wir geliebt werden, mit der Gott uns liebt.
    Man kann die Liebe bewundern, man kann das Unmögliche versuchen, sie nachzuahmen.
    Wer liebhat, weiß: Die Liebe will ankommen. Solange sie nicht ankommt, ist sie nicht am Ziel. Sie zielt auf Annahme und Dank. Liebe, die kommentiert, oder verglichen wird, wo gefragt, ob sie nötig sei: Das alles würde zeigen, daß Liebe noch nicht erkannt wurde.
    „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab ….“ (Johannes 3, 16).
    Wir werden hier geliebt. Das soll ankommen. Diese Überwältigung. Die Passion Jesu soll den Menschen umwerfen, wie Liebe umwirft.
    Am vergangenen Mittwoch habe ich versucht zu zeigen, daß Jesus am Ende seines Lehrens, als er alle Rede vollendet hatte, sich zum Leiden anschickte. Alle Aktivität in Worten und Taten dienten Seiner Passivität. Jede Aktion zeigen Seinen Willen zur Passion. Das Leiden, bis in den furchtbaren Tod, ereilt ihn nicht, überfällt ihn nicht, sondern er opfert sich.
    Bisher ging er diese Schritte:

    1. Er sagt Seinen Kreuzestod voraus.
    2. Er nimmt die Salbung von der Frau an, und sagt: Das ist für mein Begräbnis.
    3. Er sagt den Verrat durch Judas an, und hindert den Verrat nicht.

    Heute hören wir von der Einsetzung des Heiligen Abendmahls,
    von der Ankündigung der Verleugnung des Petrus und der Flucht der Jünger,
    und dann das Gebet im Garten Gethsemane.

    1. Die Einsetzung des Abendmahls.
      Das ist ein einmaliger, ein ungeheurer Vorgang. Jesus gibt sich zu essen und zu trinken. Er vermacht seinen Leib und sein Blut seinen Jüngern.
      Christen feiern es seit bald 2000 Jahren überall auf der Welt, jeden Tag, und vor allem sonntags. Dann geschieht das, was Jesus in der letzten Stunde seiner Freiheit befohlen hat. Dann kommt Gottes Liebe bei denen an, die Jesu Liebe erkennen. Christentum ist geliebt werden. Genau so geliebt werden, wie Jesus liebt. Wie er es festgelegt hat. Über diese Liebe bestimmen wir nicht, sondern sie bestimmt über uns. Es ist die eine große Liebe, die einem jeden Menschen zugedacht ist, mit der wir geliebt werden.
      Liebe will, daß der Geliebte lebt, und unversehrt, und ganz und im Frieden ist. Dazu tut die Liebe alles, was sie kann. Es ist eine Hingabe an Gedanken, Gefühlen, Taten, Kräften, Zeit – die Liebe hat diesen Zug, diese Richtung in sich, und ist unglücklich, wenn sie bei sich auf eine Grenze stößt – daß man nicht so ganz und gar und völlig für den anderen da sein kann, wie man will, oder wie es nötig erscheint. Eine solche Grenze ist der Tod. Deshalb gibt es Testamente, die über den Tod hinaus bestimmen, was im Sinne der Liebe weiter gehen soll.
      Jesus setzt am letzten Abend Seines irdischen Lebens Seine Jünger zu Erben ein. Sie werden Ihn, Jesus, erben. Das Abendmahl macht deutlich, wer oder was oder wie Jesus für Seine Jünger sein will: Eine Speise und ein Trank. Also eine Gabe, die restlos und uneingeschränkt dem Leben der Erben dient. Es ist doch so: Wenn du ißt und trinkst, dann gehen beide, Brot und Wein, als Speise und Trank ganz und gar in dein Leben über. Sie kommen in deinen Leib und dienen deinem Leben. Ja, der Geschmack, das Aroma diese scheinbar überflüssigen Eigenschaften sprechen die Sinne, und damit deine Seele an und rufen auch der Seele, am Leben teilzunehmen, sie rufen zur Freude.
      Jesus setzt sich als Gabe, als Liebesgabe für Seine Jünger ein. Mit allem, was Er gesagt hat, getan hat, und nun vor allem mit Seinem Tode ist Jesus Gottes Liebe, die deinem und meinem Leben dient. Das ist die größte Liebe. Jesus hat bestimmt, daß wir diese Seine große Liebe empfangen – dazu gibt Er uns Seinen Leib, für uns gegeben, und Sein Blut des Neuen Testaments, für uns und für viele vergossen.
      Damit wird der Begriff „Für dich da sein“ auf die höchste, unüberbietbare Stufe gebracht, für alle Zeiten. Eine größere Liebe gibt es nicht, und wer sie angenommen hat, wird auch keine andere suchen. Einen solchen Willen, daß ich lebe, wird man nicht finden.
    2. Ankündigung der Flucht der Jünger und der Verleugnung des Petrus
      Diese Liebe bekommt eine weitere, ungeheure Dimension, wenn Jesus genau Seinen Erben auf den Kopf ankündigt, daß sie sich alle von ihm lossagen werden. Sie werden sozusagen das Erbe ausschlagen – sich selbst enterben. Das steigert die Liebe noch: Da ist keine Gegenliebe. Paulus bringt es auf den Punkt: „Gott erweist seine Liebe zu uns darin, daß Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Römer 5). Also menschlich gesprochen: Es ist eine aussichtslose Liebe. Das bedeutet aber vor allem: Diese Liebe hat ihren Grund nur in sich selbst. Sie ist nicht abhängig von Eigenschaften oder Leistungen im Geliebten. Sie hat ihren Grund in sich selbst. Sie liebt, weil sie liebt. Das ist göttlich.
      Diese Ankündigungen von Verleugnung und Flucht der Jünger zeigen auch, daß diese göttliche Liebe alle Schuld, alle Fehler, alles Versagen, alle Sünde auf sich nimmt. Alles, was der Liebe widerspricht, erleidet und trägt Jesus, damit die Liebe bleibt. Diese Liebe ist ohne Ausnahme vor allem vergebende Liebe. Bis dahin, daß Jesus ja für die Kriegsknechte betet: „Vater VERGIB ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“
    3. Das Gebet in Gethsemane
      Über diese Gebete kann es viele Gedanken geben. Es ist einmalig, es erklingt zwischen Himmel und Hölle, zwischen Leben und Tod. Jesus sagt ja: „Meine Seele ist betrübt, bis an den Tod.“ Er beginnt, den Tod am lebendigen Leibe zu spüren, und in Seiner Seele. Und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als er nun endgültig Seinen Jüngern ganz allein gegenübersteht. Er bittet sie, mit ihm zu beten. Aber sie schlafen. Jetzt steht Jesus allein dem ganzen Versagen der Menschheit gegenüber. Was tut Er? Er betet. Er verbindet sich mit Seinem Vater im Himmel. Dieses Gebet zeigt, daß Jesus mit bewußter voller eigener persönlicher Freiheit diese Liebeshingabe vollzieht. Jesus nimmt die ganze vollständige göttliche Freiheit mit sich, als Er verraten und gefangengenommen wird. Seine Freiheit ist immer größer als alles, was Ihm angetan wird. Diese Freiheit, die aus dem Gebet kommt, ist untrennbar Teil der Liebe, mit der wir geliebt werden.
      Jesus tut alles, daß Seine Liebe, die zugleich Gottes Liebe ist, bei uns ankommt und unserem Leben dienst. „Du sollst unter allen Umständen leben, Gott will das!“ Diese Worte kommen immer wieder durch in der Passionsgeschichte.

    Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


    Beitragsbild: Fresko in Sant’ Angelo in Formis bei Capua, um 1100