2. Sonntag nach Epiphanias

Von | Februar 5, 2023
Die Predigt zum Nachlesen

Predigt: Pfarrer Johann Hillermann

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus,
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.


18 Mose sprach: Laß mich deine Herrlichkeit sehen!
19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.
20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.
21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen.
22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin.
23 Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

Mose 33, 18-23

Gebet: HERR, segne Dein Wort an uns – Dein Wort ist die Wahrheit. Amen.

Liebe Gemeinde!
„Laß mich deine Herrlichkeit sehen!“ – Wir hören das aus einem Gespräch zwischen dem Mann Mose und dem lebendigen, allmächtigen Gott. Es war ein Gespräch „von Angesicht zu Angesicht, wie mit einem Freund“ (2. Mose 33, 11) – also voller Vertrauen und Freude.
Das war ein Gespräch nach einer furchtbaren Krise.
Während Mose auf dem Berg Sinai die Zehn Gebote von Gott empfing, hatte das ungeduldige Volk Israel Moses Bruder, Aaron, dazu gebracht, ein Bild Gottes zu machen, das Goldene Kalb. Man meinte, den richtigen Gott zu meinen, aber es war eigenmächtig. Unser Gottesbild, die menschliche Meinung und Vorstellung über Gott ist niemals Gott selbst, sondern immer nur rein menschlich, und nicht nur das, sondern ohne und gegen Gott. Gott ist nur so, wie Er sich selbst offenbart, und Seine Offenbarung ist der Maßstab.
Mose hatte die steinernen Tafeln mit den Geboten zerbrochen und das Goldene Kalb vernichtet. Gott hatte allen Grund, mit Seinem Volk Israel ganz und gar Schluß zu machen.
Doch Mose wirft seine ganze Person in das Gespräch mit Gott, Mose nimmt Gott bei Seinem Wort, das Er den Vorfahren: Abraham, Isaak und Jakob gegeben hatte.
Ein ringendes Gespräch um Leben und Tod.
Und so kommt es denn auch, daß Gott den Weg mit Mose und dem Volk Israel weitergeht. Es ist ein Weg der Gnade, der unverdienten Gnade, ein Weg, dessen einziger Grund Gottes Liebe und Treue ist.
„Von Angesicht zu Angesicht, wie mit einem Freund“ – da konnte alles gesagt werden – aber auch alles Gesagte und Gehörte erinnert und ernstgenommen werden.
Das ist der Vorspann zu der Bitte des Mose.
„Laß mich deine Herrlichkeit sehen!“
Mose hat das Gespräch mit Gott, in diesem Gespräch hat Gott Seine Gnade für Mose, Seine Entscheidung zur Freundschaft mit Mose, klar zum Ausdruck gebracht. Mose ist in Sicherheit bei Gott. Was kann er noch mehr wollen?
Mose will sehen.
Je vertraulicher das Gespräch, je deutlicher und klarer die Worte, desto dringender fühlt Mose diese Grenze, daß Gott unsichtbar ist.
Was wäre denn dieses „Mehr“, was über Gottes Gnade und Freundschaft hinausginge?
Es ist sicher die letzte Gewißheit, der Beweis, wenn alle Zweifel mit einem Mal verschwunden sind.
Mose will das sehen, was er glaubt.
Ein Grundsatz der ganzen Bibel lautet: „Der Glaube kommt aus dem Gehörten – aus dem verkündigten Wort Gottes“ (Römer 10, 17) –und für uns heißt das: Der Glaube entsteht, wo die Bibel als Gottes Heilige Schrift im Sinne der Bibel ausgelegt, verkündigt wird. Das ist schon bei Mose so. Auch Mose bezieht sich in der Krise auf das, was Gott zu den Vorfahren verbindlich gesprochen hatte. Das Ohr ist das Organ des Glaubens.
Doch obwohl wir Menschen „ganz Ohr“ sein können, und im Hören ganz und gar bei einer Sache sein können – so sind wir doch mehr als nur Ohren. Wir haben Augen zum Sehen, Nasen zum Riechen, Zungen zum Schmecken, Haut zum Tasten ….
Mose will sehen. Sein ganzer Mensch soll Gott noch mehr erfahren.
Das spricht Mose nicht aus dem Mißtrauen heraus, wie das Volk Israel, das mißtrauisch wurde, weil Mose so lange fort war – und deshalb sagte: „Wir wissen nicht, was diesem Mose widerfahren ist“ (2. Mose 32, 1). Das Goldene Kalb, wie alle Gottesbilder, soll den Glauben, der da fehlt, mit einer anderen Gewißheit ersetzen. Der fehlende Glaube soll mit einem eindeutigen Bild ersetzt werden.
Das will Mose hier nicht. Er will Gott selbst sehen, wie Er ist. Er will als ganzer Mensch ganz und gar Gott begegnen, nicht nur über das Wort, das Ohr, das Gespräch.
Die Antwort ist klar: „Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht.“
Das überlebst du nicht, Mensch. Das ist zuviel. Die Sonne kann dich mit ihrem Schein blenden. Und sie ist nur ein Geschöpf. Donner kann dich taub machen, und der Donner ist nur eine Wirkung des Schöpfers. Deinem Schöpfer, deiner Ursache zu begegnen, das verkraftest du nicht, Mose. Das geht nicht gut.
Wir leben unser leben, verstehen einiges, aber: Wenn wir nur mit dem leben dürften, was wir durchschauen, dann könnten wir nicht leben. Es ist alles größer als du. Ohne Vertrauen läuft überhaupt nichts. Wir können nicht nachvollziehen, wie leblose Materie sich so zusammensetzt, daß daraus unser Auge wird. Und wenn Menschen auch das Auge genau studiert haben, dann haben sie das mit Augen getan, die funktionierten, bevor sie sie verstanden.
Unser Herz würde es nicht verkraften, ohne Filter mit der Liebe Gottes konfrontiert zu werden, die uns so gewollt hat. Wir können den Schritt nicht Eins zu Eins nachvollziehen, wie Gott aus dem Nichts Etwas gemacht hat: Das Licht, Oben und Unten, Zeit, Leben. Es wäre ein Überforderung, die uns auflösen würde.
Und nicht nur das.
Gottes Herrlichkeit ist ja nicht nur Seine Schöpfermacht.
Seine Herrlichkeit ist auch Seine Gnade und Geduld.
Wenn Gott uns diese Herrlichkeit zeigen würde – nämlich Seine unendliche Bereitschaft, uns zu helfen, heilig zu sein, das würde uns dermaßen beschämen, daß uns unsere Kraft verlassen würde.
Gott ist doch ständig dabei, uns vor den Konsequenzen unserer Dummheit zu schützen. Krisenmanagement. Wir bekommen die Folgen unseres Kleinglaubens doch nicht sofort zu spüren. Gott gibt uns mehr „als wir bitten und verstehen.“ (Epheser 3,20). Es ist nichts selbstverständlich. Gott erhält die Ordnung von Vater und Mutter, Eltern und Kinder, obwohl wir Menschen – jeder für sich und insgesamt – sie ständig in Frage stellen.
Und bei jeder Sünde, die du tust, wendet Gott nicht nur eine totale Katastrophe ab, sondern Gott ist mit allen Kapazitäten da, und würde dir helfen, umzukehren. Gott ist ganz da, dich zu begleiten, wenn du die Wahrheit sagst – aber du siehst keinen anderen Weg, als zu lügen.
Liebe Gemeinde, wenn uns das alles offen vor Augen liegen würde, dann würde es uns zerstören.
Kein Mensch kann Gott sehen und leben.
Das ist einfach eine Grenze. Nicht nur, weil Gott unendlich ist, und wir endlich, nicht nur, weil Gott absolut ist, und wir relativ – sondern vor allem auch, weil Gott heilig ist, und wir eben nicht heilig. Wir können nicht gewinnen.
„Wir wandeln im Glauben, und nicht im Schauen“, sagt uns der Apostel Paulus (2. Korinther 5, 7).
Doch das Gespräch ist damit nicht zu Ende.
Mose hat Unmögliches gebeten.
Das dürfen wir als Gottes Kinder alle.
Mose hat Unmögliches gebeten, und Gott erhört das Gebet nicht so, wie Mose es dachte.
Aber Mose bekommt eine Antwort. Das ist es.
„Siehe, es ist ein Raum bei mir“. Mose, du hast eine festen, geschützten Raum bei mir, bei dem lebendigen, allmächtigen, heiligen Gott. So wahr ich Gott bin, hast du Platz, einen festen Platz bei mir. Gott selbst schafft die Bedingungen, unter denen der Mensch die Herrlichkeit aufnehmen, und verkraften kann.
Eine Kluft im Felsen, eine Höhle, und dann hält Gott Seine Hand über Mose, und Mose darf hinterherschauen, die Spuren, die Wirkungen. Ich denke da an das Psalmwort: Liebe Seele – vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat. Laß dir aus Gottes Wort zeigen, welche Gaben Gott dir gegeben hat. Laß dir sagen, welch ein Schutz es jeden Tag und jede Nacht war.
Die wichtigste und größte Spur Gottes ist, daß er selbst Mensch wurde. Gott selbst hat Seine Herrlichkeit so verpackt, daß Jeder überleben kann, ja, er hat sie so verpackt, daß nicht wir an ihm sterben, sondern er an uns. Der Gott, der Mose so behutsam in einem Felsen einen Schutzraum schenkt, ist derselbe Gott, der in dem Leib der Jungfrau Maria sein wollte, und von ihr zur Welt gebracht werden wollte, um bei uns zu sein.

Man muß schon göttlich sein, um Gott sehen zu können, und das überleben.
Das ist wird uns auch verheißen.
Paulus schreibt uns: Philipper 3, 21: Jesus der Sohn Gottes wird … „unsern nichtigen Leib verklären, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe nach der Wirkung, mit der er kann auch alle Dinge sich untertänig machen.“
Johannes schreibt an alle Christen: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder; und es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.“ (1. Johannes 3,2).

Die Kirche hat eine Bitte, die fast so unmöglich ist, die des Mose:
Es ist die Bitte: Gott, mache uns göttlich.
Ich lese dieses Gebet aus unserm Gottesdienstbuch vor:
„HERR, gib uns Anteil am göttlichen Leben durch die Menschwerdung deines Sohnes, mit dessen Fleisch und Blut du uns genährt hast. Durch ihn, unser Herrn Jesus Christus, deinen Sohn, der mit dir und dem Heiligen Geiste lebt und regiert in Ewigkeit. Amen.“
Sie wird in der Epiphaniaszeit nach dem Abendmahl vor Gott gebracht.
Das ist dieselbe Bitte, wie Mose. Aber jetzt mit der Grundlage, die Gott uns geschenkt hat. Und darum wird sie auch erhört.
Wer da bittet, der empfängt, sagt Jesus. (Matthäus 7,8).
Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.