Der HERR ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.
Die Gnade unseres Herr Jesus Christus,
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.
Gebet: Herr, segne dein Wort an uns mit bleibender Kraft gegen alles, was uns bedrückt. Amen.
Liebe Gemeinde!
Auf dem Friedhof will man kein Durcheinander. Unser Gesetz kennt den Straftatbestand der „Störung der Totenruhe“. Die Überreste der Verstorbenen sollen in Ruhe gelassen werden, und die Gefühle der Angehörigen, der Trauernden, sollen nicht verletzt werden.
Die heiligen Frauen mußten einen ganzen Sabbat lang warten.
Am Freitag war Jesus begraben worden.
Liebe Gemeinde eine kurze Zwischenbemerkung:
Normalerweise wurde ein Gekreuzigter nicht beerdigt. Normalerweise ließ man die Gekreuzigten hängen.
DOCH! Jesus starb an einem Freitag. Das Gesetz des Alten Testaments ließ es nicht zu, daß Leichen über den Sabbat öffentlich hingen. Deshalb mußte er abgenommen werden.
In Psalm 16 betet der Heilige Geist: Gott, du wirst nicht zugeben, daß dein Heiliger verwese. Die Apostel zitieren diesen Psalm und erkennen darin diese Fügung, daß Jesus anders als alle Gekreuzigten, tatsächlich in ein Grab gelegt wurde.
Und: Ein wohlhabender Verehrer, Joseph und Arimathäa, stellt sein eigenes Grab zur Verfügung. Und noch weiter: Die Hohenpriester und Pharisäer erbaten sich eine Soldatenwache von Pilatus, das Grab zu bewachen. Als Jesus ins Grab gelegt wurde, saßen Frauen da, die sich alles genau anschauten, und merkten. Da liegt unser Herr Jesus. Genau da. Sie sahen auch, wie der schwere Stein vor des Grabes Tür gewälzt wurde. Dieser Stein wurde dann von den Pharisäern versiegelt.
Jesus sagte selbst, daß der Menschensohn „mitten in der Erde“ sein würde. (Matthäus 12, 40).
Dieser Tote sollte in seiner Ruhe nicht gestört werden.
Die Frauen wollten in aller Ruhe dem geliebten Herrn eine letzte Ehre erweisen. Einmal noch zeigen, was er ihnen bedeutet hatte. Abschließen. Von dieser Absicht waren sie erfüllt. Es war ein schwerer Gang, aber er mußte sein. Ein ruhiger Morgen in Trauer. Das Gewicht der Liebe, die schwere Seite der Liebe mußte zu ihrem Recht kommen.
So! Genug vom Tod, von Trauer, vom Grab!
Aber, was für ein Durcheinander! Was ist mit dem Stein? Daran hatten sie nicht gedacht! Ob sie überhaupt daran dachten, daß sie ja auch die Soldaten dort antreffen würden? Darüber erfahren wir nichts.
Aber der Stein! Mehrere Männer hatten ihn mit gemeinsamer Kraft vor der Grabes Tür gewälzt. Und jetzt?
Bei dieser Frage waren sie noch einmal ganz bei sich selbst: „Wie töricht, wie unüberlegt von uns!“ Man kann sich sogar vorstellen, daß sie bei sich gedacht haben: „Ach wir Frauen! Die Jünger schließen sich ein aus Furcht, wir gehen zum Grab, und dann übersehen wir das Hauptproblem!“
Eine Sorge, die jeder verstehen kann. Man kann für einen Moment den Kopf schütteln.
Aber dann wird diese verständliche Sorge auf einmal ganz klein: „Sie sahen hin, und wurden gewahr, das der Stein weggewälzt war, denn er war sehr groß.“ Die Sprache deutet an, daß der Stein also nicht nur ordentlich beiseite gerollt wurde, sondern wahrscheinlich umgeworfen war – auf jeden Fall nicht so, daß er einfach wieder zurückgerollt werden konnte. Da war eine andere Kraft im Spiel gewesen!
So. Jetzt denken wir mal nach.
Die Frauen suchen den Gekreuzigten da, wo jeder Mensch ihn suchen würde, da, wo er begraben wurde.
Der Stein wäre zwischen ihnen und dem Toten.
Ein schwerer Stein, den sie nicht bewegen können.
Ein Problem, eine Sorge.
Aber nun ist der große Stein gewaltsam umgeschmissen, mit Wucht von des Grabes Tür geworfen worden.
Jetzt ist die Ruhe dahin!
Und dann wird ihnen auch noch von einem Engel klargemacht: Er ist nicht hier! – Siehe da die Stätte, wo sie ihn hinlegten.
Jetzt stehen sie da mit ihren wohlriechenden Ölen – wohin damit? Sie stehen da mit ihrer Trauer – wohin damit? Sie stehen da mit allem, was sie im Angesicht des Todes in der Hand haben, und – wohin damit?
Liebe Gemeinde! – Ich möchte das mal etwas übertragen. Wir Menschen kennen auch eine Grabesruhe der Hoffnung. Wir finden uns damit ab, daß unser Leben seine Grenzen hat. Wir finden uns damit ab, daß es sich nicht mehr lohnt, auf Freude zu hoffen. Unter dem Schatten des Todes können wir oft nur noch ein paar wenige schöne Erinnerungen salben. Wir wollen in Ruhe gelassen werden. Ja, es gibt diese Resignation: ich muß mich damit abfinden. Es wird keine Freude mehr geben.
Diese Resignation wird mit dem Stein abgebildet: Es ist, wie es ist. Es hilft nicht zu klagen!
Man richtet sich ein. Man leistet sich keine Erwartungen mehr.
Es kann soweit kommen, daß man nicht mehr an Hoffnungen erinnert werden will, weil es weh tut.
Das ist ein schwerer Stein. Aber es ist wenigstens Ruhe. Man weiß wo man dran ist.
Aber Ostern stört diese Ruhe.
Gott will das nicht. Er will nicht, daß wir den Tod als etwas Natürliches hinnehmen. Er will, daß das Leben uns erfüllt und die einzige Wirklichkeit ist.
Zu Ostern gehört auch dieser Schrecken: Der Stein ist weggewälzt! Das heißt: Die Türen sind nicht alle zu! Nein, sie sind es nicht!
Die armen Frauen! Eben war der Stein die größte Sorge – und dann ist da noch eine größere Sorge: Der Stein ist weg!
Eben noch waren sie erfüllt von der Trauer.
Aber jetzt? Was kommt danach?
Es ist kein Wunder, daß sie Zittern, und entsetzt sind, und verstummen von Schreck.
Sie fassen zusammen, was die Sünde aus uns macht. Die Sünde produziert Tod. Die Sünde versucht, sich mit dem Tod abzufinden. Irgendwie. Die Sünde pflegt eine Grabesruhe. Ich verdiene keine Freude, ich verdiene keine Liebe, ich verdiene keine Hoffnung. Diese Resignation wird mit wohlriechenden Ölen gesalbt. Aber sie bleibt.
Das gibt es. Menschen kommen soweit.
Und wehren sich mit Händen und Füßen, wenn das Evangelium sie ruft.
Dann zeigen sie auf den großen Stein: Die Tür ist doch zu.
Nein. Nein. Nein.
Nach Ostern können wir das nicht mehr sagen.
Die armen Frauen gehen los. Wie werden sie es den Jüngern sagen? Werden die Jünger ihnen überhaupt glauben?
Der Engel sagt: „Sagt es den Jüngern UND PETRUS“ Petrus, der bitterlich geweint hatte, nachdem er so abgründig von sich selbst so enttäuscht war. Den Herrn verleugnet.
Aber der Frauen sind los gegangen. Mit Schrecken und Ratlosigkeit. Aber sie haben es getan. Sie haben es den Jüngern gesagt. Die glaubten erstmal nichts.
Bis sie selber hingingen.
Wir Christen müssen Ostern bezeugen. Manchmal hat man das Gefühl, wir wollen den Stein lieber irgendwie zurückrollen, damit wir lieber trauern, als hoffen. Aber wir haben den Auftrag, zu sagen: Der HERR ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden.
Auch mit Furcht und Zittern. Aber der Stein ist weg. Er ist weg.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum Ewigen Leben. Amen.
Beitragsbild:
Meister von Hohenfurth: Die Auferstehung Christi
um 1350, Leinwand auf Holz, 95 × 85,5 cm
Prag, Národni Galerie
Kommentar: Gemälde zur Serie der neun Tafelbilder zum Leben Christi gehörig, urspr. für das Zistersienser Kloster Vyssi Brod
Land: Tschechien (Böhmen)
Stil: Gotik
[Meister von Hohenfurth. The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei, S. 8001 (c) 2005 The Yorck Project]