13. Sonntag nach Trinitatis

Von | September 19, 2020
Die Ausgießung des Heiligen Geistes - Apostelgeschichte 2, 2 - 4.

Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung.
Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, daß wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen.
Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben.
Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia.
Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie.
Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

Apostelgeschichte 6, 1-7

Gott Heiliger Geist, baue Dein Reich bei uns durch Menschen, die Du rufst und begabst. Amen

Liebe Gemeinde!

Auch Apostel kommen an ihre Grenzen. Die Apostel hatten zu Pfingsten 3000 Menschen getauft – es war der Geburtstag der christlichen Kirche. Der Heilige Geist, den Jesus vor seinem Tod angekündigt und verheißen hatte, war gekommen und wirkte mächtig. Die Gemeinde wuchs täglich.
„Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam.
Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk.
Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden.“ (Apostelgeschichte 2, 45-47).
Wo Menschen zusammenkommen, muß organisiert werden, und wo organisiert wird, muß man sich verstehen, und den Überblick behalten.
Die große Freude, bei Gott angekommen zu sein, wurde getrübt und bedroht.
Und so hören wir heute, daß es Unzufriedenheit gab: Die Versorgung der griechisch sprachigen Witwen kam zu kurz.
Dazu muß man wissen: Die ersten Christen waren zum allergrößten Teil getaufte Juden. In Jerusalem lebten einerseits die einheimischen Juden, die Aramäisch sprachen, ähnlich wie Hebräisch, die Sprache des Alten Testaments. Die Juden aus dem Ausland sprachen überwiegend Griechisch, die damalige Weltsprache. Man kann annehmen, daß Jesus neben Aramäisch auch Griechisch gesprochen hat. Viele ausländische Juden zogen nach Jerusalem im Alter, um einmal in der Heiligen Stadt begraben werden. Und so kann man sich vorstellen, daß es griechisch sprachige Witwen gab, die sich hatten taufen lassen. Durch die Taufe fielen sie aus dem jüdischen Wohlfahrtssystem heraus. Das war damals gut organisiert. Hinzu kam, daß sie weniger Verwandtschaft vor Ort hatten, und dann auch noch eine Fremdsprache sprachen. Ergebnis: Sie wurden übersehen bei der täglichen Versorgung.
Wo so viele Menschen neu zusammengefügt werden, muß man sich verstehen, und muß man den Überblick behalten. Das klappte an dieser Stelle nicht. Die Gemeinde wuchs – das ist erfreulich und ein Geschenk Gottes. Aber dieser Segen brachte auch Herausforderungen, ja Nöte. Unzufriedenheit.
Es mußte etwas geschehen, und zwar schnell! Denn die Kirche ist der Leib Christi und Paulus schreibt: „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ (1. Korinther 12, 26). Freud und Leid wird geteilt und gemeinsam getragen, wie es irgendwie geht.
Was taten die Apostel?

  1. Auf jeden Fall nahmen sie die Situation ernst. Die Not der griechisch sprachigen Witwen wird nicht als unwichtig abgetan. Es wird nicht gesagt: „Das ist nicht Theologie, also geht es uns nichts an!“. Die Liebe Gottes führt sie dazu, die Liebe zum Nächsten, vor allem zu Mitchristen, zu verwirklichen. Es muß eine Lösung gesucht werden. Und mit Gottes Hilfe finden sie eine Lösung.
  2. Bei der Lösung beziehen sie die Gemeinde mit ein. Es heißt: „Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen …“ – Die Apostel sind sich einig, also es werden nur Lösungen auf den Tisch gebracht, die die Apostel gut heißen. Doch die Lösung wird nicht ohne Mitsprache und Zustimmung der Gemeinde aufgezwungen. Es ist transparent und öffentlich. Die gemeinsame Grundlage des Glaubens – die Apostel haben keinen anderen Glauben als die Gemeinde insgesamt – und das gemeinsame Vertrauen auf Gottes Leitung ist die Basis, auf der Apostel und Kirche handeln. Vieles, was hier passiert, sieht ähnlich aus, wie das, was in der Welt passiert. Aber es ist anders. Es ist weder Demokratie, noch Diktatur, oder irgendwas dazwischen. Das ist in der Kirche und in der Gemeinde bis heute so. Der Heilige Geist wirkt durch Amtsträger, in der Gemeindeversammlung – aber man kann nicht sagen: Hier überstimmt die Gemeinde den Pastor oder den Vorstand, oder hier diktiert der Pastor oder der Vorstand und setzt sich gegen die anderen durch. Es scheint, wie Politik und Macht zu sein, ist aber etwas ganz anderes.
  3. Dann kommt die Grundentscheidung: „Es ist nicht recht, daß wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen.“ Das sagen die Apostel. In der Kirche Jesu Christi, die immer auch apostolische Kirche ist, da hat das Wort Gottes den Vorrang. Das muß sein. Die Not der Witwen kann nicht dahin führen, daß nicht mehr gepredigt wird. Das ist keine Entscheidung gegen die Fürsorge. Es ist eine Entscheidung für das, was uns und diese notleidenden Witwen überhaupt zusammengeführt hat. Das Wort Gottes schafft erst einen Leib aus uns allen, fügt uns in den Leib Christi ein; durch das Evangelium geht uns die Not der griechischen Witwen überhaupt was an. Darum ist es in der Kirche er Apostel keine Frage: Es muß die Heilige Schrift gepredigt und ausgelegt werden. Die Gottesdienste sind nicht verhandelbar. Wenn das feststeht, dann kann über alles andere gesprochen werden. Wenn das nicht feststeht, dann fällt der Grund auch weg, warum die Gemeinde ein Problem erkennt und eine Lösung sucht.
    Wenn die Apostel nicht so gesprochen hätten, dann hätte die Gemeinde darauf bestehen müssen: „Liebe Apostel: Das Wort Gottes muß gesagt und gehört werden; für die Gemeinde muß gebetet werden. Jeder trägt dazu bei, das zu ermöglichen. Ihr Apostel müßt dann aber auch predigen und beten.“ – Nun, soweit kam es in Jerusalem nicht. Aber die Gemeinde muß es sagen, wenn es nötig ist, und der Heilige Geist wird ihr dabei helfen.
  4. Dann wird es konkret: „Darum, liebe Gemeinde, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben.“ Jetzt ist die Gemeinde gefragt. Gott teilt Gaben aus, Gott bringt Gaben und Aufgaben zusammen. Und der Heilige Geist schafft das. Christen mit Gaben und Aufgaben in der Gemeinde führt Gott zusammen. Wieder: es sieht weltlich oder politisch aus, ist es aber überhaupt nicht. Weder drängt sich einer auf, mit Kampagne oder irgendwas, noch zwingt eine Mehrheit einer Minderheit ihren Willen auf. Sicher: Man spricht, man fragt, man überlegt … aber am Ende ist es Gott selbst, der ruft. Denn der Grund, weshalb die Gemeinde überhaupt zusammen ist, und Aufgaben erkennt und anvertraut ist ja der: Das Evangelium hat uns zusammengeführt. Diese Überzeugung ändert alles. Die Diakone, oder Helfer sollen „ … einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit“ sein. Also im Gottesdienst und im Gemeindeleben bekannt und vertraut. Es ist nicht zu unterschätzen, was es bedeutet, das Gottes Gemeinde dahintersteht, und mitträgt, und im Vertrauen den Dienst von Mitarbeitern annimmt. Und umgekehrt, liebe Gemeinde: Laßt uns diese Dienerinnen und Diener annehmen und würdigen als Geschenke Gottes. Auch das ist anders als in der Welt. Wir schmeicheln uns nicht gegenseitig, und lassen uns nicht von Ehrgeiz oder Neid treiben. Nein. Sondern wir sind dankbar und „kommen einander in Ehrerbietung zuvor“ (Römer 12, 10). Kennen wir unsere Kirchenvorsteher, unseren Rendanten, unsere Küsterinnen, unsere Kirchenmusiker, und die praktischen Helfer? Ohne das Evangelium ohne den Heiligen Geist hätten wir nichts miteinander zu tun. Durch das Evangelium sind wir im Leib Christi miteinander verbunden und erleben an diesen Helfern, daß der Leib Christi eine Realität ist.
  5. Dann wiederholen die Apostel das, was notwendig und unverhandelbar das Fundament ist: „Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben.“ Hier möchte ich mal einen paradoxen Satz wagen, einen Widerspruch: Je weniger die Helfer Apostel sind, um so mehr sind sie apostolisch. Je weniger, desto mehr. Das scheint ein Widerspruch zu sein. „Mehr“ und „weniger“ zugleich. Wie geht das? „Weniger Apostel sein“ – damit meine ich: Nicht mit dem Predigt- und Gebets-amt konkurrieren. Sondern es ganz und gar anerkennen und annehmen. Nicht versuchen, es zu ersetzen, oder zu schmälern, oder für überflüssig halten. Das ist eine Versuchung. Die Apostel waren auch nur Menschen, ja Sünder. Da konnte es mal schwierig werden, ihren Dienst anzunehmen und anzuerkennen. Es konnte der Gedanke aufkommen: „Das kann ich auch, das kann ich besser, das kann ja jeder.“ Doch das Apostelamt war keine menschliche Fähigkeit, sondern eine Aufgabe, die Gott gegeben hat. Da ist es eine Sache des Glaubens, dennoch das Evangelium und den Dienst um Gottes Willen anzunehmen.
    Umgekehrt konnte es auch für die Apostel eine Versuchung sein, sich auf menschliche Weise beliebt zu machen. Die Hungernden zu speisen – dagegen wird niemand etwas haben. Das kann sofort populär machen. Aber das Evangelium von dem Kreuz und der Auferstehung Jesu zu predigen – das ist ein Risiko. Das sieht nicht jeder ein. Oder „Ganz beim Gebet“ zu sein – wie überflüssig erscheint das der menschlichen Vernunft! Da möchte man lieber mal etwas tun, das auch die Welt draußen toll findet, wie zum Beispiel Hungernde speisen. Dann haben wir mehr leibliches Wohl. Aber wo bleibt das Wort Gottes? Wenn der Apostel nicht apostolisch ist – was dann? Wenn er nicht mehr predigt und betet? Jesus sagt: „Wenn das Salz nicht mehr salzt, dann ist es überflüssig und kann weggeschmissen werden.“ (Matthäus 5, 13).
    Darum- die Apostel müssen bei ihrer Aufgabe bleiben! Und die Helfer sollen das anerkennen und annehmen als eine Notwendigkeit. Also nicht in Konkurrenz mit ihnen treten, sondern: Auf der Grundlage der Predigt und des Gebets folgt alles andere. Diakonie, Kirchenmusik, Organisation von Festen, Finanzen. Wenn das mit Anerkennung des Evangeliums getan wird, dann ist es nicht nur Organisation, oder Musik oder Buchhaltung, sondern es ist apostolische Speisung der Hungernden, apostolische Musik, apostolische Buchhaltung. Direkt von und mit dem Heiligen Geist. – Gut, wir hören dabei nicht auf, Menschen und leider auch Sünder zu sein. Aber wir sind lebendige Glieder am Leib Christi, und unterwegs zum ewigen Leben.
    Vollständigkeitshalber: Für diese Gemeinde wird gebetet. Mit wenigen Ausnahmen täglich.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen