Das Lamm, das gewürget ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum
und Weisheit und Stärke
und Ehre und Preis und Lob.
Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.
39 Und Jesus ging nach seiner Gewohnheit hinaus an den Ölberg. Es folgten ihm aber auch die Jünger.
Lukas 22, 39-46
40 Und als er dahin kam, sprach er zu ihnen: Betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt!
41 Und er riß sich von ihnen los, etwa einen Steinwurf weit, und kniete nieder, betete
42 und sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern
dein Wille geschehe!
43 Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. 44 Und er rang mit dem Tode und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.
45 Und er stand auf von dem Gebet und kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend vor Traurigkeit
46 und sprach zu ihnen: Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt!
HERR, segne Dein Wort an unser aller Herzen. Amen.
Liebe Gemeinde!
Heute ist „die Nacht, da er verraten ward …“, die Quelle des Altarsakraments. „Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht da er verraten ward, nahm er das Brot“.
Diese Worte sind Teil der Einsetzungsworte, die das Sakrament zu dem machen, was es ist. Die definieren es.
Im Abendmahl empfangen wir, zu essen und zu trinken, den Leib und das Blut Christi – den Leib, und das Blut, das in dieser Nacht verraten wurde.
Wir kennen den Verrat: Judas geht ihn und liefert Jesus aus für Geld. Dazu paßt aber auch, daß die Jünger Jesus alle verlassen, und Petrus ihn verleugnet. Alle sagen sich von ihm los.
Parallel zu dem Verrat – dem Ausliefern, Überantworten – geschieht noch etwas, nämlich das, was auf Jesu Seite geschieht.
Davon handelt der Predigttext. Es ist der Gebetskampf in Gethsemane.
Durch das Gebet ist Jesus schon weiter auf seinem Leidensweg, als es Judas und die Soldaten, aber auch Petrus und die anderen Jünger fassen können.
Als die internationale Truppe der Juden und Römer von der Tempelwache kommt, ihn wie einen Mörder zu fangen, da hat Jesus schon mit dem Tode gekämpft. Jesus braucht den Kuß des Judas nicht mehr – Judas und die Soldaten brauchen den Kuß, um ihre eigene Heuchelei zu beweisen. Bei Jesus sind die Waffen überflüssig, er gibt sich ungezwungen gefangen. Bevor Verrat und Waffen ihn binden und verhaften, hat sich Jesus schon verbunden, nämlich an den Willen Seines Vaters. Und Gottes Wille ist es, daß „der Sohn nicht verschont wird, sondern für uns alle dahingegeben wird.“ (Römer 8, 32).
Jesus ist schon weiter. Judas und die Soldaten rechnen noch mit Widerstand und Kampf – oder aber mit Flucht und Versteck, denn sonst wären sie nicht mit Waffen und Fackeln dahergekommen.
Jesus erwartet sie. Bevor er gefangen wird, hat er sich schon dahingegeben. Seine Freiheit ist größer als die Bosheit und Feigheit des Judas. Judas kannte den Ort, weil Jesus dort zu beten pflegte. Für Judas ist diese Gewohnheit Jesu, an einem Ort zu beten, eine Schwachstelle. Judas mag gedacht haben: „Jesus, du und dein Gebet. Jetzt wird dein Gebet dir das Leben kosten!“ Doch Jesus hatte schon mit dem Tod gerungen, als Judas mit den Soldaten kam.
Jesu göttliche Freiheit ist größer.
Direkt vorher, hatte Jesus das Abendmahl eingesetzt. Er hat seinen Leib und sein Blut den Jüngern und uns vermacht. Der Leib ist gegeben – für euch!, das Blut ist vergossen – für euch! Die Hingabe, das Leiden und Sterben standen für ihn längst fest. Es war nur noch eine Frage der Zeit.
Doch unmittelbar vor der Gefangennahme muß er beten.
Und er bittet die Jünger, mit ihm zu beten.
Wozu? Daß ihr nicht in Anfechtung fallt. Daß ihr frei bleibt in Gott.
Was passiert denn, wenn man nicht betet? Wer merkt schon, wenn das Gebet vernachlässigt wird? Was bewirkt das Gebet überhaupt? Für die Welt ist das Gebet nicht nur verzichtbar, sondern auch eine Zeitverschwendung. Ja, das Gebet ist für die Welt geradezu schädlich, weil das Gebet den Menschen hindert, zu handeln. Man verläßt sich auf Hilfe – die doch nicht kommen wird.
Jesus hat noch eine Stunde. Und er nutzt sie zum Gebet.
Nach dieser Stunde ist Er frei. Nach dieser Stunde bewahrt Jesus Seine göttliche Freiheit Judas gegenüber, den Soldaten gegenüber, dem Richter aus Israel und dem Richter aus Rom gegenüber. Er bewahrt diese Freiheit auch den Soldaten gegenüber, Er bittet um ihre Vergebung: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23, 34). Bis in den Tod ist Jesus frei, denn Er bittet seinen himmlischen Vater, sein Leben in seine Hände zu nehmen. „Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ (Lukas 23,46).
Im Gebet hat Jesus seine Freiheit von seinem himmlischen Vater empfangen und gesichert.
Liebe Gemeinde. Trauen wir dem Gebet das zu?
Jesus hat es getan. Wenn er auch der Sohn Gottes war, so hat er doch vor seinem schweren Gang gebetet. Das war das Erste, vor allem anderen. Gott ist die Erste Hilfe. Darum ist das Gebet der Anfang aller Hilfe. Im Gebet wird wahr, daß wir einen Gott haben. Im Gebet wird wahr, daß alles, kommen soll, von Gott kommt, und daß alle guten Gaben von Gott kommen, von Oben. (Jakobus 1, 17).
Das Gebet macht ernst mit der Wahrheit: Wenn es etwas Gutes gibt, und geben soll, dann kommt es von Gott – und im Gebet beginnt das Empfangen der Gaben Gottes.
Gottes Wille geschieht, wie im Himmel, so auf Erden.
Was auf Erden geschieht, wird im Himmel beschlossen.
Es lohnt sich an dieser Stelle, den Katechismus zu hören.
Gottes Wille ist nicht einfach ein blindes, gnadenloses, unabwendbares Schicksal, in das man sich ohne Vertrauen, ohne Freiheit ergeben muß. Das Schicksal ist unpersönlich, ungnädig, hart und sinnlos. Gottes Wille ist das nicht.
Was sagt der Katechismus?
Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.
Was ist das?
Gottes guter, gnädiger Wille geschieht auch ohne unser Gebet; aber wir bitten in diesem Gebet, daß er auch bei uns geschehe.
Wie geschieht das?
Wenn Gott allen bösen Rat und Willen bricht und hindert, die uns den Namen Gottes nicht heiligen und sein Reich nicht kommen lassen wollen, wie der Teufel, die Welt und unsres Fleisches Wille; sondern stärkt und behält uns fest in seinem Wort und Glauben bis an unser Ende. Das ist sein gnädiger, guter Wille.
Der Katechismus lehrt uns, von Gottes gutem Willen zu sprechen. Er geschieht auch ohne unser Gebet. Gott tut Seinen Willen in völliger Freiheit. Ohne unser Gebet. Davon ist Gott nicht abhängig. Aber wir sollen Gott bitten, daß Sein guter Wille bei uns geschehe. Gottes guter Wille ist, daß wir Seine Kinder werden, daß wir Seine Gaben empfangen, und vor allem, daß wir Seine Liebe erfahren. Darum sollen wir beten. Es soll nicht irgendwo und zufällig geschehen, sondern hier bei uns.
In dem Moment, in dem wir beten, fängt es an, daß Gottes Wille bei uns geschieht. Das Gebet ist der Anfang. Auf unserer Seite jedenfalls!
Dann hören wir weiter, daß Gottes Wille dann bei uns geschieht, wenn er allen bösen Rat und Willen bricht und hindert, die nicht wollen, daß wir Gottes Kinder werden, die nicht wollen, daß wir Gottes Gaben voller Vertrauen annehmen und Ihm für Seine Liebe in Seinen Gaben danken. Das sind Kräfte wie der Teufel und die Welt – aber auch unser Fleisch. Die können sich unter Gottes Willen nichts Gutes vorstellen. Wenn wir um Gottes Willen bitten, dann beten wir gegen den Teufel, gegen die Welt und gegen uns selbst, gegen unser Fleisch. Wenn Gottes Wille durch das Gebet in uns anfängt zu geschehen, dann ist das auch der Anfang vom ewigen Leben. Dann „stärkt und behält [Gott] fest in seinen Wort und Glauben bis an unser Ende. Das ist sein gnädiger, guter Wille.“
Wenn ich weiß, daß Gott Seinen Willen, Seinen Plan in mir angefangen hat, dann bin ich frei.
Das sehen wir an Jesus. Wir sehen es, wie er nach dem Gebet sich in Freiheit stellt. Und alles von Oben annimmt. Durch das Gebet wird alles zu einer Sache zwischen ihm und seinem Vater. Sie bleiben im Gespräch, in Verbindung.
Das Gespräch ist ganz offen. Jesus legt alles ganz in die Hände Seines Vaters: „Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“
Man könnte meinen: Jesus zweifelt, oder er begehrt auf, er rebelliert gegen seinen Vater. Will Jesus etwas anderes, als sein Vater? Ist es Protest?
Jesu lebt danach, daß der Wille seines Vaters vom Himmel auf ihn zukommt, und daß das Gebet ihn mit seinem Vater verbindet. Das Gebet zeigt einfach, daß Jesus nicht eigenmächtig vorgeht. Jesus willigt ein in den Willen seines Vaters. Er fügt sich bewußt in den Willen Gottes sein. Weil er ein wirklicher, wahrer Mensch ist, tut er das so, wie Menschen es tun sollen: Im Gebet. Jesus hat sich nicht in ein tragisches und sinnloses Schicksal ergeben, und das dann beschönigend Gottes Willen genannt.
Liebe Gemeinde! Die Nacht, in der Jesus verraten ward, hat er mit Gebet betreten. Der Leib, den wir essen im Sakrament, und das Blut, das wir trinken, kommt zu uns, weil Jesus, der Sohn Gottes seinen Leib dahingegeben und sein Blut vergossen hat. Sein Opfer, seine Hingabe begann schon lange, bevor man ihn gefangennahm. Er hat es in Freiheit getan. Göttlicher Freiheit.
Wir essen den Leib, der immer frei war, bis in die Auferstehung hinein. Es ist der Leib, der uns Gottes guten und gnädigen Willen bringt. Seine Freiheit und Liebe ist größer als unsere Lieblosigkeit und Gebundenheit. Laßt uns diese Gaben mit Gebet und Freude empfangen. Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.