Palmsonntag

Von | April 7, 2023
Palmarum

Das Lamm, das gewürget ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum,
und Weisheit und Stärke,
und Ehre und Preis und Lob.
Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

12 Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, daß Jesus nach Jerusalem käme,
13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!
14 Jesus aber fand einen jungen Esel und ritt darauf, wie geschrieben steht (Sach 9,9):
15 »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.«
16 Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, daß dies von ihm geschrieben stand und man so mit ihm getan hatte.
17 Das Volk aber, das bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, rühmte die Tat.
18 Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan.
19 Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, daß ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach.

Johannes 12, 12-19

Gebet: Lieber Herr Jesus Christus! Du bist der König der Könige, laß uns wirklich unter Deine Macht kommen, bestimme Du über uns, führe uns aus der Finsternis in das Licht, aus dem Unrecht in die Gerechtigkeit, aus dem Tod ins Leben. Amen.

Liebe Gemeinde!
Wenn eine Menschenmenge in Aufregung versammelt ist, dann kann man das nicht ignorieren. Was ist los? Warum laufen die Menschen zusammen? Ist es ein Unfall? Ist es ein Streit? Oder ist es etwas Positives? Ist eine Berühmtheit erschienen, die alle unbedingt sehen wollen, und in ihre Nähe kommen?
Man kann bei aufgeregten Massen von Menschen auch nervös werden. Was alle Menschen gemeinsam haben, und was sie dann verbindet, ist nicht immer das Beste vom Menschen. Das Gaffen nach Unfällen ist ein Beispiel dafür. Da kommt ganz Niedriges und Unwürdiges von uns Menschen zum Vorschein. Doch Massen von Menschen sind auch ein Zeichen von Macht. Menschen, die Macht haben, ziehen Menschenmassen an, wenn sie irgendwo erscheinen. Man will sehen: Aha! Das sind also die, oder das ist der! Die entscheiden über unser Leben.
In der Alten Welt – in der Zeit der Bibel – war das Erscheinen des Machthabers, des Herrschers, ein großes Ereignis. Die Machtlosen, die Menschenmassen begrüßten den König, Kaiser oder Feldherrn, erkannten seine Macht an, und begrüßten ihn. Der normale Mensch war getrieben von dem Wunsch: Möge diese Macht für mich, und nicht gegen mich sein! Man zeigte nicht Widerstand oder Verachtung, sondern man begab sich unter die Hand der Macht, und sagte: Kyrie eleison! – Herr, bitte meine es gut mit mir! Mein Leben ist in deiner Hand, bitte benutze deine Macht, mein Leben zu schützen! HERR, erbarme dich! – Dieser Huldigungsruf, dieser Gruß lautete auf Hebräisch: Hoscha-na! Das besagte: Hilf doch! Rette doch!
Liebe Gemeinde! Wir kennen beide Worte aus unserem Gottesdienst. Sie sind so grundlegend für den Glauben, daß man sie unübersetzt im Gottesdienst stehengelassen hat. Nicht nur aus Ehrfurcht. Oder doch: Aus großer Ehrfurcht: Diese Ehrfurcht, die den Wortlaut bewahren will, mit dem Jesus selbst begrüßt wurde. – Hosianna! Dieser Gruß, den Jesus selbst als wahrer Mensch in der Zeit und als wahrer Gott über alle Zeiten gehört hat, dieser Ruf verbindet alle Christen mit Jesus, und auch untereinander. – Hosianna! Das war das Bekenntnis: Dieser ist der Eine, der da kommt im Namen des HERRN. Hier kommt Gottes Hilfe für Israel und für die Menschheit, Gottes Hilfe für mich und dich! Hosianna! Das Wort „Hoscha“ hat dieselbe Wurzel wie der Name: Jehoschua – „Je“ ist kurz der Gottesname, und „Hoschua“ heißt „Helfer“ oder „Geholfener“: Also: Gott hilft, Gott ist Helfer.
Kyrie eleison ist der Gruß auf Griechisch, der Sprache des damaligen Weltreiches. Der römische Kaiser, wenn er erschien – seine Erscheinung in einer Stadt wurde „Adventus“ genannt – wurde gegrüßt mit: Kyrie eleison! Herr, erbarme dich! Die Christen haben von Anfang an im Gottesdienst gesagt: Kyrie eleison – CHRISTE, eleison! – Kyrie eleison. Christus ist der Herr aller Herren. Wir stellen uns unter Seine Macht. Er hat die Macht über Leben und Tod. Das haben Christen gesagt, als der Kaiser mit Waffen, Geld und Propaganda alle Macht der Welt innehatte. Die Christen kamen mit ihrem vom Kaiser gekreuzigten Jesus, mit dem leeren Grab an und sagten: Wir sind unter Seiner Macht.
Liebe Gemeinde, ich kann gut verstehen, weshalb die Christenheit eine Scheu hatte, und eine Scheu hat, diese Worte aus dem Gottesdienst wegzunehmen, oder auch nur zu übersetzen. Ich habe eine riesige Schwäche dafür, diese Worte: Hosianna! und Kyrie eleison! erfürchtig im Gottesdienst zu singen und zu sprechen. Denn ich will zu denen gehören, die Jesus als den König von Israel begrüßen, und Christus als den HERRN der Welt gegenüber allen anderen Machthabern und Mächten zu bekennen. Unter dieser Macht stehen wir, unter dieser Macht begeben wir uns, zu dieser Macht bekennen wir uns, diese Macht bestimmt über uns, dies Macht hilft und rettet uns, dieser König hat himmlische Gaben, dieser König holt mich raus, wo keine andere Macht mich rausholen kann und oft auch nicht rausholen will – ja, Jesus holt mich da raus, wo andere Mächte mich geradezu haben wollen. Der Betrug will mich im Irrtum hängenlassen. Jesus Christus holt mich da raus. Die Sünde will mich süchtig und unfrei machen. Jesus hilft. Der Teufel will mich von Gott trennen. Der König von Israel bringt mich zu Gott. Der Tod will mich in seinem Reich festhalten, der Kyrios Jesus Christus weckt mich auf mit Seiner allmächtigen, gebietenden Stimme.
Am Palmsonntag gingen Menschenmengen aufeinander zu. Die einen kamen mit Jesus von Bethanien aus, über den Ölberg auf die Heilige Stadt zu. Andere kamen von der Stadt aus auf den Ölberg zu. Jesus kam. Bis dahin war Jesus nur heimlich in Jerusalem gewesen. In Galiläa und in der Gegend um Jerusalem hatte er öffentlich gepredigt, Wunder getan und mit den Schriftgelehrten und Pharisäern gestritten. Kurz davor hatte er Lazarus von den Toten auferweckt. Das war eine Sensation. Das war etwas für die Massen. Das hatte Anziehungskraft, das weckte Neugier und Hoffnung! Denn jeder Mensch ist dem Tode unterworfen. Jeder hofft auf Hilfe gegen den Tod. Spätestens jetzt wurde gefragt: „Ist dieser nicht Davids Sohn?“ Ist dieser nicht der, den Gott verheißen hat? Oft hat Jesus sich in solchen Situationen zurückgezogen, war auf einmal nicht da.
Doch heute ist es anders. Jesus verbirgt sich nicht, sondern er zeigt sich, er erscheint, er hält einen „adventus“. Er präsentiert sich der Menge.
Jesus kommt nach Jerusalem. Er kommt zu der Stadt, in der Gott sich mit seinem Volk verabredet hat. Hier wird sich zeigen, wer Jesus wirklich ist. Und die Tatsache, daß er sich zeigt, sich präsentiert, macht deutlich: Jetzt wird in Jerusalem, vor Israel, und damit vor der ganzen Menschheit klar werden, wie Jesus alles gemeint hat, was hinter seiner Predigt steckt und hinter seinen Wundern.
Die Menge grüßt ihn, wie man einen König grüßt: Mit Palmzweigen, mit Rufen. Und Jesus nimmt diesen Gruß, diese Huldigung an. Diesmal wird er der König. Er nimmt die Wahl an, sozusagen.
Man muß genau hinsehen: Jesus hat sich nicht selbst zum König erklärt. Er nicht die bestehenden Machthaber zum Kampf herausgefordert und beseitigt. Er hat nicht mit Organisation, Öffentlichkeitsarbeit, großem Geld oder Einschüchterung durch Waffengewalt die Masse mobilisiert oder hypnotisiert. Er hat Lazarus aus dem Grab gerufen und von den Toten auferweckt. Und alles andere getan, was Könige eigentlich nicht tun. Geduldig gepredigt, die Verlorenen gesucht, sich von Arroganten nicht beeindrucken lassen, Hungrige gespeist, Besessene befreit. Und doch wird er als ein König gegrüßt.
Er nimmt den Gruß an. Und präsentiert sich auf einem Esel.
Das Tier ist nicht königlich, aber es ist biblisch und göttlich. Gott hatte durch den Propheten Sacharja über 500 Jahre zuvor festgelegt: Dein König kommt, sanftmütig auf einem Esel. Er übt seine Macht nicht kriegerisch mit Zwang und Drohgebärde aus. Es ist ein geliehener Esel. Kein Besitz. Also: Weder Militär noch Reichtum. Nur Gottes Verheißung, die Heilige Schrift, hat Jesus im Rücken. Das ist die Grundlage seiner Macht. Daß Gott wahrmacht, was Er sagt, daß Gott treu und zuverlässig ist.
Das verstehen die Jünger nicht. Das versteht die Menge auch nicht. Sie sehen den Mann, der Lazarus aus dem Grab und dem Tod zurückgeholt hat. Sie sehen den Mann, der 5000 Menschen mit 5 Broten und 2 Fischen sattgemacht hat, und wollen den jetzt haben. Jetzt kann er sich nicht mehr entziehen, jetzt muß er wirklich König werden! Hilf doch! Rette doch! Hosianna! Gegen Hunger, gegen Tod, gegen alles, was uns plagt! Gegen alle Sorgen! Gegen die Fremdherrschaft der Römer, die uns so demütigt und unseren Gott in Frage stellt! Und was man sonst so auf dem Programm haben kann.
Der Evangelist sagt: Die Jünger verstanden das nicht. Was verstanden sie nicht? Es war nicht, daß sie die Prophezeiung des Sacharja vergessen hätten, sie hatten nicht vergessen, daß der König Israels auf dem Esel Advent halten würde in Jerusalem.
Die Jünger verstanden nicht, was genau die Herrlichkeit Jesu war. „Als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran“. Wie wurde Jesus verherrlicht? Seine Herrlichkeit war es, den Fluch Gottes allein zu tragen, bis in den Tod hinein, und dann Recht zu behalten. Nicht gegen Hunger oder Armut, sondern gegen Schuld und Tod. Und das als Erfüllung von Gottes Versprechen. Als Wahrmachen von den heiligen aufgeschriebenen Worten der Propheten. Das verstand in dem Moment keiner.
Jetzt müssen wir nocheinmal überlegen.
Jesus beschließt, sich der Menge nicht mehr zu entziehen. Er verbirgt sich nicht mehr. Er nimmt die Begeisterung an. Bei Matthäus heißt es: „Die ganze Stadt erregte sich“. (Matthäus 21, 10). Die Zustimmung war so groß, wie noch nie! Die Umfragewerte schossen nach oben! Und doch weiß Jesus genau und gewiß: Er wird am Kreuz König werden. Er wird in seinem Opfertod seine Königsmacht aufrichten und begründen. Er wird vor Pilatus sagen: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit bezeuge.“ (Johannes 18 36 +37). Das ist seine Herrlichkeit, da ist die Hilfe, die Gott uns gibt.
Für Jesus müssen diese begeisterten Rufe ein Schmerz gewesen sein. Sein Herz wird gedacht haben: „Ihr wißt nicht, was euch helfen wird, ihr wißt gar nicht, aus welcher Macht ihr befreit werden müßt, ihr wißt nicht, wie ich euch regieren werde, ihr wißt nicht, wie ich euer König werde. Ihr werdet erschrecken. Das kann ich euch nicht ersparen.“

Liebe Gemeinde. Der Palmsonntag ist fröhlich, mit seinen Zweigen, mit dem Einzug der Kinder, mit dem Hosianna-Ruf. Das muß sein. Doch wir müssen wissen: Jesus ist der König, der uns aus der Sünde holt, über die wir zu Tode erschrocken sind. Er hat eine Macht aufgebaut, die den Fluch über unser Leben bricht. Wie sehr bist du noch Teil der Menge, die denkt: Jesus macht mir ein schönes Leben, und nimmt mir meine Sorgen? – Die größte Sorge für deinen König Jesus, ist, daß du Gott nicht über alle Dinge fürchtest, liebst und vertraust. Daß du dir von Gott nichts sagen läßt, das muß anders werden. Das ist Seine Herrlichkeit, dich da raus zu holen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.