Bild: Umwandlung des Saulus, Caravaggio, 1601
JUBILATE – 21.4.2024
Pfarrer Johann Hillermann
Der HERR ist auferstanden – Er ist wahrhaftig auferstanden.
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus. Amen.
14 Denn wir wissen, daß der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch.
2. Korinther 4, 14-18
15 Denn es geschieht alles um euretwillen, damit die überschwängliche Gnade durch die Danksagung vieler noch reicher werde zur Ehre Gottes.
16 Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.
17 Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,
18 uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
Gebet: HERR, segne Dein Wort an unseren Herzen, bitte stärke den inneren Menschen durch das Unsichtbare, das ewig ist. Amen.
Liebe Gemeinde!
Man spricht von dem „inneren Schweinehund“. Der sucht die Bequemlichkeit. Den will man überwinden. Der schwere Weg ist der richtige. Der innere Schweinehund ist träge, er verweigert sich. Er will das Leckere, das Angenehme, das Leichte – und zwar sofort! Den soll man überwinden – durch Verzicht, durch Übung, durch Einsicht. Dieser „innere Schweinehund“ ist ein lästiges Teil von mir. Wenn ich ihn schon nicht loswerden kann, dann sollte ich ihn wenigstens überwinden, mich nicht von ihm bestimmen lassen – oder wenigstens nicht immer … ihr versteht schon! Das ärgerliche am „inneren Schweinehund“ ist ja, daß man ihn nie richtig in den Griff bekommt. Er ist in dir, ganz nahe, und doch nicht greifbar; spürbar und doch mir entnommen.
Der Apostel Paulus lehrt uns vom „inneren Menschen“.
Das ist nicht ein unentrinnbarer Teil von uns, mit dem wir geboren werden, sondern dieser innere Mensch ist Gottes neue Kreatur. Dieser „innere Mensch“ ist ein Tagesanbruch von Innen, Gottes eigener Sonnenaufgang über die Landschaft unserer Seele an der Stelle, wo nur und exklusiv allein Gott selbst an uns ran kommt. Dieser Neuanfang Gottes ist ganz und gar nicht in unserer Macht, und ist doch die entscheidende Realität für jeden Christen.
Diese „neue Kreatur“ (2. Korinther 5, 17) hat ihren Ursprung in der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus. Er, der Auferstandene, ist die Sonne der Gerechtigkeit (Maleachi 3, 20), die aufgeht und alle Finsternis vertreibt. Und die schlimmste Finsternis ist die Nacht der Ferne von Gott. Jesus rief die furchtbaren Worte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ als die Finsternis sich über das ganze Land ausbreitete (Matthäus 27, 45-46). Darum ist die tiefste Finsternis nicht außerhalb vom Menschen, sondern im Menschen. Wenn Gott aufs Neue spricht: „Es werde Licht!“ dann geschieht das nicht irgendwo im Weltall, sondern in der tiefsten Mitte des Menschen, da, wo nur Gott selbst Zugang hat. Was hilft uns alles Licht im Universum, wenn es nicht innerhalb von unserer Seele endlich hell wird, endlich Tag wird, endlich Klarheit aufscheint?
Jesus ist aus der tiefsten Finsternis der Ungerechtigkeit aufgegangen als Sonne der Gerechtigkeit. „Er ist um unserer Sünde willen dahingegeben, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.“ (Römer 4, 25).
Die Passion, die zum Kreuz führte, faßte zusammen, was die Sünde tut: Sie macht das Licht aus.
Wie? Sie verstößt den Nächsten, und damit zugleich seinen Schöpfer. Alle wurden an Jesus schuldig – sie trafen einen Menschen, und damit zugleich auch Gott selbst. Gott ließ sich so treffen. Das tut die Finsternis der Sünde. Sie hat uns alle fest im Griff. Dagegen ist der „innere Schweinehund“ ein Witz.
Jesus ist die Sonne, die über diese Nacht aufgeht und diese Finsternis vertreibt.
Und der Schein seiner Strahlen, mit Wärme, kommt zu uns durch das Evangelium, durch Gottes Weckruf. Das Evangelium von Jesus Christus schafft in dir, lieber Hörer, eine ganz neue Realität, die absolut nicht das Ergebnis von deinem bisherigen Lebens ist. Der Glaube ist etwas, was genau so neu und frisch und unbeschwert und hell ist wie der Anfang der Schöpfung. Der Glaube an den Auferstandenen Jesus Christus, der vor den Augen der Welt in die tiefste Finsternis verbannt wurde, dessen Gedächtnis und Name vollständig ausgelöscht werden sollte, dieser Glaube ist der absolute Anfang von Gottes Zukunft. Der Glaube ist das das Allerneuste, das alles andere alt aussehen läßt. Sonst ist es nicht Glaube, sondern noch Teil der alten Nacht und Finsternis.
Wir Christen sind oft leider viel zu bescheiden über unseren Glauben. Er ist nichts weniger als der Anfang von Gottes Zukunft in uns. Im Vergleich zum Glauben ist alles in uns und an uns äußerlich, zeitlich und vergänglich. Leider ist es meistens umgekehrt. Christen sind beeindruckt von allem, was sichtbar ist.
In unserer Zeit gehören Medien unbedingt zum Sichtbaren. Sie nehmen uns ganz gefangen. Natürlich nicht jeden von uns. Aber wir sind umgeben von Menschen, die ihre Seele öffnen für Bilder, Töne, Texte, Nachrichten, Erlebnisse, Gefühle, die medial vermittelt werden. Diese Informationen dringen sehr tief in unsere Seele ein. Wieviel Aufregung und Angst ist nur von diesem riesigen, allgegenwärtigen Scheingebilde bewirkt? Es geschieht schneller, als man denken kann! Es erfaßt die Menschheit immer wieder aufs Neue. Themen, Ereignisse, Meinungen … Das ist alles von vornherein alt, vergänglich, zeitlich, sichtbar. Du mußt mit Gottes Hilfe dahin kommen, daß die Sonne der Gerechtigkeit dich mit ihren Strahlen erreicht. Dann sieht das alles alt aus. Dann fängt der Glaube an, weil dann der Morgen der Auferstehung, der Ostermorgen deinen inneren Menschen endlich berührt.
Das wäre für den Apostel Paulus aber erst Glauben für Anfänger. Paulus war nicht zugedröhnt von Serien und Nachrichten und Podcasts, er war nicht von Ängsten und Empörung getrieben, die er aus Scheinwelten in sich hineinließ.
Paulus hatte eine unheilbare Krankheit. Er wurde verfolgt und verspottet. Steinigung, Gefängnis, Schiffbruch, Gerichte. Das war seine Realität. Sein äußerer Mensch kannte Trübsale. Er erlebte genau, wie sein äußerer Mensch verfiel. Es war so, daß man in Korinth Fragen hatte. Wo ist an diesem Apostel die Kraft Gottes? Wo ist denn das ganz neue an Paulus? Wo ist denn die Zukunft Gottes an ihm zu erkennen? Ist Paulus nicht ein Gegenbeweis? –
Also: Liebe Gemeinde: Nicht nur hat Paulus an vielem zu leiden, sondern seine Gemeinde hält es ihm auch noch vor: Du bist ein Gegenbeweis. Was du, Paulus, bist und erleidest, spricht gegen deine Predigt.
Unser Predigttext ist Teil seiner Antwort.
„Denn es geschieht alles um euretwillen, damit die überschwängliche Gnade durch die Danksagung vieler noch reicher werde zur Ehre Gottes.“ Paulus ist fast kaputt, damit auf jeden Fall klar ist: Hier ist Gott am Werk. Die Krankheit und Schwachheit des Paulus wecken nicht den Glauben. Sondern es ist seine Predigt. Und diese Predigt bringt ja nichts anderes, als die Auferstehung Jesu. „Jesus Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht“ – das klingt doch bekannt, oder? Es geht aber noch weiter: „Durch das Evangelium“ (2. Tim. 1,10). Durch das Evangelium heißt: Durch die Predigt, die Verkündigung der Apostel.
Paulus erlebt Folgendes: Durch seine Verkündigung breitet sich das Licht der Auferstehung aus. Er überzeugt nicht durch seine eigene menschliche, sichtbare Stärke und Überlegenheit. Menschen erfahren die Gnade Gottes und danken am Ende Gott, und nicht Paulus.
Die Sonne der Gerechtigkeit, der auferstandene Jesus Christus, erreicht immer mehr Menschen, und diese Menschen geben Gott die Ehre. Sie erkennen Gott an, als Schöpfer, als Erlöser, der in ihnen einen wunderbaren neuen Anfang gemacht hat.
„Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.
Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit“, – Paulus macht die Erfahrung, wie Gott bescheidene, schwache Werkzeuge benutzt, um große Dinge zu tun. Gott hatte zu Paulus gesagt: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2. Korinther 12,9).
In der sichtbaren Welt ist Paulus – und mit ihm der gekreuzigte Jesus – nicht attraktiv, ohne Macht. Doch in der unsichtbaren Welt ist das Evangelium unschlagbar. Das bezeugt Paulus.
Der innere Mensch erneuert sich von Tag zu Tag. Gott ist gegenüber alledem, was äußerlich ist, frei. Die Krankheit des Paulus und all die anderen Nöte und Trübsalen hindern Gott nicht daran, zu wirken und Großes zu tun.
Liebe Gemeinde: Jedes Hören auf Gottes Wort, jedes Gebet, jede Bitte, jeder Dank, jede Frucht des Glaubens erneuert den inneren Menschen, belebt und erfrischt Gottes Zukunft in dir. Und Gottes Zukunft ist immer ganz. Paulus sagt ja ganz klar: „Wir wissen, daß der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch.“ So fängt Gott deine Auferweckung von den Toten an. Nicht in ferner, unbestimmter, unvorstellbarer Zukunft – nicht irgendwann, sondern jetzt. Nicht irgendwo, sondern hier. Wenn Gottes Vergebung über dich kommt, dann wirst du Teil von dem Tag, dessen Sonne nicht untergeht, denn die Sonne der Gerechtigkeit geht auf über dir (vgl. Jesaja 60, 1). Diese Wirklichkeit ist größer, denn sie ist Gottes Zukunft für alle, die zu Jesus gehören. Das ist tiefer im Christen, als alles andere. Es kann sein, daß der „äußere Mensch verfällt.“ Das ist schwer, aber es ist eben nicht alles. Es ist längst nicht alles.
„Denn unsre Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,
uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.“
Weil Paulus sich um Gottes willen nicht kleinkriegen läßt, wird Gott herrlich in seinen Hörern. Die Freude an der Auferstehung, an der Vertreibung der Finsternis, am Sonnenaufgang und dem Ende der Nacht, diese Freude kommt an, um zu bleiben.
Suchst du sie? Willst du mehr davon? Sieh nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Und das heißt: Jesus und Seine Auferstehung als größer und wirklicher anerkennen als alles. Denn das ist es ja auch. Die Auferstehung macht alles zeitlich. Ostern macht alles relativ, sogar den Tod.
Paulus kann sagen, die Auferstehung macht auch alle Trübsal leicht. Er wußte, wovon er spricht. So etwas weiß man nicht vorher. In der Trübsal, die einen ganz erfaßt und drückt, kommt Gott und schafft den neuen, inneren Menschen, der nicht von Trübsal bestimmt ist. Dieser neue, innere Mensch ist leicht. Er ist voller Anfang, er ist durch Gottes Gnade und Vergebung von allem Sichtbaren, Fühlbaren unbelastet. Diese Erfahrung hat Paulus gemacht. Diese Erfahrung steht für jeden Christen bereit. Gott hat zu Ostern damit angefangen, und im Evangelium ist Er auf den Weg zu dir. Das Unsichtbare, was ewig ist, ist hörbar. Ein Christ muß wirklich ganz Ohr sein und ganz Ohr werden. Der ganz entscheidende Punkt, wo Gott den inneren Menschen schafft, und den unzerstörbaren Anfangspunkt Seiner Zukunft setzt ist: Die Vergebung deiner Sünden. „Christus ist um unserer Sünde willen in den Tod gegeben worden, und um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt.“ Gottes Vergebung ist unser Licht. Gottes Vergebung der Anfang vom Ende der Nacht und der Last und der Verzweiflung. In der Vergebung ist alles drin. Vergebung ist das Größte. Wie unser Katechismus sagt: „Wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit.“ Vergebung der Sünden im Namen Jesu ist der der Anbruch des Tages, die Dämmerung, die zum neuen Tag führt.
Man kann es nicht sehen, man kann es nicht fühlen, weil es ewig ist, es ist göttlich. Was wir sehen, was wir fühlen, das kann und wird Gott nicht aufhalten. Die Sonne der Gerechtigkeit i s t aufgegangen, die neue Schöpfung i s t da. Wir haben es gehört.
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Amen.