Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.
21 Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen (Jesaja 1.11-15) – 22 es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar –, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. (Micha 6.6-7) 23 Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! 24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Amos 5, 21 – 24
Laßt uns beten: Herr, segne unser Reden und Hören, damit wir bereitet werden für das Sterben und die Auferstehung Deines Sohnes. Amen.
Schwestern und Brüder,
wie reagieren wir auf diese Rede?
Eine mögliche Reaktion sagt, das ist ja nur der Amos der hier redet, der darf seine persönliche Meinung äußern. Kann ihm niemand verbieten. Aber ob wir darauf hören oder nicht, ob wir zustimmen oder nicht, ob wir darauf antworten oder nicht, das bleibt dann wieder uns und unserer Meinung überlassen. Diese Reaktion geht aber an der Rede des Amos vorbei. Amos hat vor diesen Versen am Anfang seiner Rede eindeutig gesagt: 4 so spricht der HERR zum Hause Israel. Und auch in den vorgelesenen Versen redet derjenige, an den die Opfer gerichtet sind. Das ist eindeutig nicht Amos, sondern Gott selber. Wer diese Rede als persönliche Meinung des Amos relativieren will, der hat nicht hingehört. Nicht Amos redet hier, sondern der Gott Israels.
Eine andere Reaktion sagt, so schlimm sind die Vorwürfe doch nicht. Amos übertreibt. Das ist verständlich, denn er will gehört werden. Aber wir können von seinen Behauptungen unbeschadet die Hälfte überhören. Ist diese Reaktion angemessen, ist sie überhaupt möglich? Ich hasse und verachte eure Feste. Wenn einer meint, Amos übertreibe, dann kann er ja das hasse oder verachte wegdenken. Dann wird gleich deutlich: diese Verkürzung ist nicht angemessen, und an der Aussage dieser Verse ändert sich dadurch gar nichts. Ich sehe eure Brandopfer nicht an. Wenn wir sagen, Amos übertreibt, was heißt das? Gott sieht die Hälfte der Opfer an, die andere Hälfte aber nicht? Diese Situation kennen wir, und wir wissen auch, daß sie zu Gehässigkeit und Mord geführt hat. Die Ablehnung und Zurückweisung durch Gott, die in diesen Versen des Amos ergeht, die sind nicht rhetorisch übertrieben. Gottes Zorn weist ohne Ausnahme alle zurück, die zu Festen oder Opfern oder Liedern zusammen kommen.
Eine dritte Reaktion sagt, wir sind nicht gemeint. Amos oder Gott durch Amos verwirft in dieser Rede alle, die nicht an Gott interessiert sind. Wir aber kommen genau dazu hier zusammen, um Gottes Wort zu hören, und unser Leben dadurch gestalten zu lassen. Auch diese Reaktion hat nicht auf die Verse gehört. Wenn ich diese Verse etwas ausgewählt zusammenstellen darf, besagen sie dies: Gott mag unsere Zusammenkünfte nicht, Er will unsere Lieder nicht hören, Er sieht unsere Opfer nicht an. Das entspricht unserer eigenen Kennzeichnung, wir kommen hier zusammen, um Gottes Wort zu hören, Ihn in Lied und Gebet anzurufen, und den wahren Leib und das wahre Blut Jesu Christi zu empfangen.
Diese Verse sind eindeutig: wir sind gemeint und die Zurückweisung durch Gott ist ausnahmslos und unnachgiebig.
Es gibt tatsächlich einen Unterschied zwischen dem Wort des Amos, wie er es damals geredet hat, und wie wir es heute hören müssen. Im Alten Bund brachte Gottes Volk Ihm einzelne Opfer dar. Was dabei genau geopfert wurde, das richtete sich nach dem Anlaß für das Opfer und auch nach der Situation dessen, der das Opfer dargebracht hat. Deswegen zählt Amos hier Brandopfer, Speiseopfer, und Schlachtopfer auf. Solche Opfer begehen wir im Neuen Bund nicht mehr. Im Neuen Bund gedenken wir in unseren Festen und Versammlungen an das eine und allgenügsame Opfer Christi. Vergegenwärtigung des Opfers Christi ist ein sehr sperriger Ausdruck, dafür können wir auch sagen Sakramentsfeier. Statt eine Mehrzahl unterschiedlicher Opfer im Alten Bund im Neuen Bund Sakramentsfeier zu begehen: ändert das irgendetwas an der Aussage des Amos? Ich hasse eure Feste, eure Versammlungen kann ich nicht riechen, tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder, daran ändert sich auch im Neuen Bund gar nichts. Nur der Vers: eure Brandopfer kann ich nicht riechen, eure Schlachtopfer sehe ich nicht an, der ist im Neuen Bund überholt. Nur diesen Vers müssen wir im Neuen Bund verändern. An euren Sakramentsfeiern habe ich keinen Gefallen, und euer Bibellesen sehe ich nicht an. Die Verse des Amos haben die Israeliten im Alten Bund aus der Gegenwart Gottes in Seinem Volk verscheucht. Genau so vollständig schließen diese Verse uns im Neuen Bund aus der Gegenwart und Zuwendung Gottes aus.
Warum überrascht und verletzt uns dieser Ausschluß so sehr? Wir alle erfahren täglich, daß unser Leben beschädigt ist. Wir sehen, daß Gottes Weisung der Weg zum Leben ist, und möchten diesen Weg gehen. Aber mit diesem Wunsch sind wir eine Minderheit, und die Mehrheit zwingt uns oft, von diesem Weg abzuweichen. Etwa die Hampeleien und Kompromisse, die ich eingehen muß, um meinen job zu behalten, sind albern und zerstörerisch. Es wäre zutreffend und zu erwarten, wenn Gott uns wegen dieser Halbherzigkeiten und Untreue zurück weisen würde. Aber in unseren Festen und Versammlungen, da haben wir die Nötigungen der Welt hinter uns gelassen. Hier hören wir Gottes Wort und bitten um Seine Hilfe. Hier erwarten wir Zuspruch, Bestätigung und Ermutigung. Statt dessen müssen wir diese vollständige Ablehnung hören. Gerade da, wo wir wie Kinder Gottes handeln können und handeln, da weist Gott uns zurück. Das macht diese Rede so unerträglich.
Gibt es einen Weg aus dieser Unerträglichkeit? Was ist der Unterschied zwischen den Tätigkeiten, die Amos hier kompromißlos verwirft, und den rechten Opfern, die Gott riechen kann? Amos nennt einen Weg: 24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Eben eine Zwischenbemerkung, von der ich nicht weiß, wie notwendig sie ist. Wasser gilt uns nicht gerade als ein Beispiel für inhaltliche Deutlichkeit und beständige Mahnung. Blut ist dicker als Wasser, und im Wasser hinterläßt man keine Spuren. Diese Sprüche kennzeichnen unsere Einstellung zu Wasser. Ein Bach scheint uns auch eine sehr bescheidene Ansammlung von Wasser. Wir liegen hier zwischen Spree und Landwehrkanal, beide enthalten sehr viel mehr Wasser als jeder Bach. Das läßt sich noch erweitern mit den Erfahrungen der vorigen Woche. Die war so naß, daß alle Äcker zwischen Hennigsdorf und Neuruppin wenigstens knöcheltief unter Wasser standen. Aber das sind unsere Erfahrungen. In Israel waren der Tau am Morgen und der Nebel in der Nacht die größten Ansammlungen von Wasser. Beides ist viel zu wenig, um fließen zu können. Verglichen mit dieser Ansammlung von Tropfen oder eher Tröpfchen ist ein Bach sehr viel Wasser. Selbst die waren in Israel nicht vorhanden. Der Mangel an Wasser gehört zu den Grundlagen des Daseins für Israel. Wasser und Bäche sind für Israel überwältigende Ereignisse der Zuwendung Gottes. Diese Ausführungen jetzt nur, damit wir nachempfinden können, was Amos mit diesem Vers sagt: 24 Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Es gibt eine Kennzeichnung von Gerechtigkeit, die ist uns allen bekannt, aber nicht immer bewußt. Gott hat sich in Seinem Bund auf Sein Volk an Recht und Gerechtigkeit gebunden. Und wie sieht die Realität der Gerechtigkeit Gottes aus? Gott befreit Israel aus der Gefangenschaft in Ägypten. Prompt meckert Israel, daß ihm die Fleischtöpfe Ägyptens nicht mehr zur Verfügung stehen. Gott gibt Israel Brot, in Form des Manna. Israel mault, es will Fleisch haben. Gott gibt Israel Fleisch durch die Wachteln. Und immer noch mault Israel, und vertraut Gott nicht. Israel hat Angst, es könne nicht genügend Wasser für die Herden geben, Israel sieht die Götzen der Umgebung, und bastelt sich gleich einen Fruchtbarkeitsstier. Die Untreue, die Undankbarkeit, das mangelnde Vertrauen trotz aller wirkmächtigen Hilfe, es wäre nur gerecht, wenn Gott mit Abwendung, Dreinschlagen und Zorn antworten würde. Statt dessen schützt Gott Israel gegen alle Feinde, rettet es vor Giftschlangen, und führt Israel in das versprochene Land. So versteht und so tut Gott Seine Gerechtigkeit.
Es gibt eine weitere Beschreibung von Gerechtigkeit, die uns allen geläufig ist. Maria ist mit Josef verlobt, und wird schwanger. Dafür hat sie eine Erklärung, die sehr schwierig zu verstehen ist, und das nicht nur für Biologen. Wie reagiert Josef? Mt 2, 19 Josef aber, ihr Mann, der fromm und gerecht war und sie nicht in Schande bringen wollte. Josef hat nach dem Wortlaut des Gesetzes mehrere Möglichkeiten. Er kann Maria anzeigen als eine Frau, die außerehelich Mutter wird. Josef kann auf die verbindliche Geltung der Verlobung verweisen, dann Maria auch als Ehebrecherin anzeigen, darauf steht die Todesstrafe. Unabhängig von allen Beurteilungen und Verurteilungen nach dem Gesetz kann Josef die Maria öffentlich bloßstellen. Damit ruiniert er ihr Leben für immer, selbst wenn sie von keinem Gericht verurteilt wird. Von all diesen Möglichkeiten nach dem Gesetz tut Josef keine. Josef ist gerecht, nicht dadurch, daß er nach dem Wortlaut des Gesetzes handelt. Josef ist gerecht, weil er den Schaden möglichst gering halten will. Josef ist gerecht, weil er zuerst an andere, und dann an sich denkt. Josef tut nicht Werke des Gesetzes, sondern er erfüllt das Gesetz. Dadurch ist Josef gerecht und fromm.
Gottes Zorn in der Rede des Amos verwirft genau die, die zu Gott und zu Seiner Weisung kommen, und die um Seine Hilfe bitten. Ich sage nicht Neues, wenn ich darauf verweise: Es gibt heute unter den Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften eine Vielzahl von Gruppen, die nicht mehr an Gottes Wort und Sakrament interessiert sind. Statt dessen verfolgen sie gesellschaftlich-politische Absichten. Deren Herkunft und deren Inhalt ist nicht das Wort Gottes. Tatsächlich stehen diese gesellschaftlichen Absichten oft im Gegensatz zu dem Wort und der Zuwendung Gottes. Es gibt in der säkularen Gesellschaft viele Gruppen, die von Gott und Seiner Anweisung zum Leben für Mensch und Welt nichts mehr wissen und auch nicht mehr wissen wollen. Es gibt viele Gruppen in dieser Gesellschaft, die offensichtlich den Zorn Gottes verdient haben. Warum wendet sich Amos nicht an diese Gruppen? Warum fällt Gott über die her, die Seine Hilfe suchen, und denen Er Zuwendung zugesagt hat?
Die vollständige und ausnahmslose Verwerfung der Kinder Gottes enthält ein Angebot. Gottes Zorn zerstört nicht Gottes Zuwendung. Heb1,1 Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, 2 hat er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn. Die Rede des Amos erinnert uns, wenn wir uns selber für tüchtig halten, haben wir unsere wirkliche Hoffnung verloren. Auch wo wir meinen, in Übereinstimmung mit Gottes Wort und Gottes Gerechtigkeit zu handeln, auch da beruht unsere Hoffnung darauf, daß wir unsere Hilfsbedürftigkeit sehen. Unser Hören auf das Wort bleibt unvollständig. Unsere Erkenntnis bleibt Stückwerk. Die Sakramente sind wirkmächtig, nicht weil wir sie begehen und mögen, sondern weil Christus sie uns gegeben und aufgetragen hat. Wir werden Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht durch unser Tun, auch nicht durch unser Befolgen des Wortes Gottes. Wir werden gerecht vor Gott allein durch die Fürsprache Christi.
Amos Worte klingen wie Abneigung und Bedrohung. Aber diese Worte bedrohen nur unseren Hochmut, und sie zerstören nur unsere Selbstüberschätzung. Gott eifert für das Wohlergehen Seines Volkes. Gottes Handeln an uns ist hilfreicher zum Leben als alle menschliche Gerechtigkeit. Daran wollen die Worte des Amos uns erinnern.
Amen.
Und der Friede Gottes, Der uns mit Zorn und Gnade zugleich begegnet, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.
Amen.