Exaudi

Von | Mai 21, 2023
Eli und der junge Samuel (1780)

Predigt: Pfarrer Johann Hillermann

Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen. Amen.

1 Und zu der Zeit, als der Knabe Samuel dem HERRN diente unter Eli, war des HERRN Wort selten, und es gab kaum noch Offenbarung.
2 Und es begab sich zur selben Zeit, daß Eli lag an seinem Ort und seine Augen hatten angefangen, schwach zu werden, sodaß er nicht mehr sehen konnte.
3 Die Lampe Gottes war noch nicht verloschen. Und Samuel hatte sich gelegt im Heiligtum des HERRN, wo die Lade Gottes war.
4 Und der HERR rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hier bin ich!,
5 und lief zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen; geh wieder hin und lege dich schlafen. Und er ging hin und legte sich schlafen.
6 Der HERR rief abermals: Samuel! Und Samuel stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Er aber sprach: Ich habe nicht gerufen, mein Sohn; geh wieder hin und lege dich schlafen.
7 Aber Samuel hatte den HERRN noch nicht erkannt, und des HERRN Wort war ihm noch nicht offenbart.
8 Und der HERR rief Samuel wieder, zum dritten Mal. Und er stand auf und ging zu Eli und sprach: Siehe, hier bin ich! Du hast mich gerufen. Da merkte Eli, daß der HERR den Knaben rief,
9 und sprach zu ihm: Geh wieder hin und lege dich schlafen; und wenn du gerufen wirst, so sprich: Rede, HERR, denn dein Knecht hört. Samuel ging hin und legte sich an seinen Ort.
10 Da kam der HERR und trat herzu und rief wie vorher: Samuel, Samuel! Und Samuel sprach: Rede, denn dein Knecht hört.

1. Samuel 3, 1-10

Liebe Gemeinde!
Aus Samuel, der hier noch ein Knabe ist, also ein kleiner Junge, wurde dann der große Prophet, der die Könige Saul und David in Israel salbte. Hier ist der Anfang. Hier wird er von Gott selbst berufen.
Es ist ein kleine Geschichte: Ein Knabe, Samuel, dann ein alter Mann, der Priester Eli – das sind die Personen.
Der Ort ist das Heiligtum Israels, die Stiftshütte, das war damals ein Zelt 5 mal 15 Meter groß. In diesem Zelt fand der Gottesdienst der Priester Israels statt. Zu der Zeit stand das Zelt als Tempel in Silo, etwa 30 km nördlich von Jerusalem
Und die Zeit? Etwa 1070 vor Christus.
Die Zeiten sind für Israel nicht gut. „Das Wort des HERRN war selten, es gab kaum noch Offenbarung“. Das Wort Gottes wurde nicht gelehrt. Es wurde nicht als von Gott selbst gesprochen gehört. Es wurde nicht als entscheidende Wahrheit bezeugt. Es wurde nicht ernstgenommen. Man behandelte das Wort Gottes wie einen Besitz, über den man verfügte. Wie ein wertvolles, interessantes Gemälde, oder eine geerbte Standuhr.
Es gab kaum noch Offenbarung. Das heißt, es passierte kaum noch, daß Menschen vor Gott gebracht wurden durch Gottes Wort. Es wurde nur mehr diskutiert. Es gab nichts mehr als menschliche Meinungen; Meinungen von begabten Einzelnen, oder Meinungen von Mehrheiten, die sich gegenseitig bestätigten.
Das ist für das Volk Gottes keine gute Zeit. In Psalm 74 wird darüber geklagt:
„Unsere Zeichen sehen wir nicht, und kein Prophet predigt mehr, und keiner ist bei uns, der weiß, wie lange.“ (Psalm 74, 9).
Das Problem ist einfach: Wenn Gottes Wort nicht als Gottes Wort da ist, dann wird unweigerlich etwas an seine Stelle kommen, was nicht Gottes Wort ist. Dann kommt Menschenwort. Und Menschenwort ist immer Sünderwort. Und Sünderwort ist ein Wort, das nicht haben will, daß Gott Gott ist. Und wenn Gott nicht Gott ist, dann gehen alle Gaben Gottes mit der Zeit kaputt. Jesus sagt: „Die Liebe erkaltet.“ (Matthäus 24, 12). Diese Zeit ohne Gottes Wort wird von den meisten nicht als Problem empfunden. Doch fängt man an, sich darüber zu wundern, wie Gottes Gaben doch nicht mehr sind, was sie mal waren. Gott selbst schützt mit Seinen Geboten: Die Liebe zwischen Vater, Mutter und Kindern. Gott schützt das Leben. Gott schützt die Ehe zwischen Mann und Frau. Gott schützt das Eigentum. Gott schützt Sprache und Wahrheit.
Ohne Gott und sein Wort kann es noch eine zeitlang gut gehen. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, dann fangen Menschen an, darüber zu verfügen, und die Zerstörung geht los. Ohne Gott ist man bald gegen Gott, und damit auch gegen Gottes Gaben.
Solche Zeiten gab es auch schon vor 3000 Jahren.
Diese kleine Geschichte – wie Gott den Knaben Samuel ruft – zeigt uns, wie Gott einen Anfang macht. Wenn Gott beruft, dann macht er deutlich: Und du bist nicht mehr Teil der Welt ohne mich!
Wie kann das aussehen?

  1. Pflege
    Es gab die Stiftshütte noch. In ihr standen noch die Heiligen Geräte. Vor allem die Bundelade –also ein Kasten, in dem unter anderem die steinernen Tafeln mit den 10 Geboten sich befand. Auch wenn sie nicht mehr gepredigt wurden, sie waren noch da. Der Priester Eli hielt noch die Gottesdienste, es gab noch diese Erinnerung an Gott, und daß Gott gedient werden sollte. Der Knabe Samuel war in diesem Tempel zuhause, er kannte sich aus. Das Wissen war vorhanden. Auch wenn der Rest des Volkes es kaum noch ernst nahm. Samuel hatte die Aufgabe, den siebenarmigen Leuchter zu pflegen: täglich zu reinigen, mit Öl zu versehen, und dafür zu sorgen, daß die Lampen leuchteten. Und das zu festen Zeiten, jeden Tag. Das war Routine. Und doch zeigte diese Routine auf Gottes Wahrheit und Gottes Handeln. Es kamen auch immer noch Israeliten nach Silo zum Gottesdienst. Es wurde gepflegt.
    Liebe Gemeinde! Wir bitten um den Heiligen Geist. Der Heilige Geist soll uns Gott zeigen, er soll in uns Glauben wecken, der Heilige Geist soll in uns Früchte schaffen, und den Samenkorn des Ewigen Lebens in uns legen.
    Zum Wirken des Heiligen Geistes gehört auch diese Routine. Der alte Eli und der junge Samuel pflegten diese Routine, diese Übung. Eli gab weiter und lehrte, und Samuel empfing und lernte. Eli lebte vor und Samuel guckte ab und folgte nach.
    Das ist heilig. Das ist ein unverzichtbarer Teil von Gottes Wahrheit und Gottes Wirken.
    Man nennt es Tradition. Das ist es auch. Man sagt gerne, daß Tradition mechanisch sei, oder ohne innere Beteiligung – eine Antwort auf Fragen, die wir vergessen haben.
    Gott will, daß wir sein Wort und sein Handeln und seine Gaben nicht vergessen. Das geht nur, wenn sie gepflegt werden.
    Diese Pflege bringt zum Ausdruck: Das hier kann ich nur empfangen. Das kann ich mir nicht selber sagen. Gott muß es mir sagen. Denn Gottesdienst kann sich kein Mensch ausdenken. Wir sind Empfangende. Gottes Gaben kommen nicht einfach, weil wir sie fordern, oder sie sind auch nicht einfach so, wie wir sie uns jetzt gerne vorstellen. Sie sind so, wie Gott sie gibt, und wie wir sie empfangen.
    Ohne Pflege werden wir nie zu Empfangenden von Gottes Gaben.
  2. Gehorsam
    Samuel wird dreimal gerufen. Zweimal steht er sofort vom Schlaf auf, und geht zu dem Alten Eli. Das konnte nur passieren, weil es zwischen Eli und Samuel so war. Samuel hörte auf Eli. Eli hat mit Geduld und Strenge erreicht, daß Samuel auf ihn hörte. Samuel war offen und geübt, diszipliniert. Der Knabe war darin geübt, seine Bequemlichkeit zu überwinden. Samuel liebte seine Aufgabe mehr als den Schlaf. Und zweimal nacheinander schien es ja ein Mißverständnis zu sein. Samuel hätte ja auch denken können: Der alte Eli spinnt. Samuel hätte genervt sein können. Doch er bleibt ruhig. Er hat Geduld, er hat innere Kraft.
    Samuel hatte in sich aufgenommen, seine Seele hatte es erkannt: Dies alles ist größer als ich. Das Gotteshaus, die Pflege, vom Haus, von den Geräten, die Bedeutung von alle dem, die Erinnerung an die 10 Gebote, die Gegenstände für den Gottesdienst, das Wissen von dem Alten Eli – das alles ist größer als ich. Ich soll hier dienen. Pflegen. Nicht so, wie ich es mir ausdenke, sondern wie es gemeint ist. Wie es von Gott gemeint ist.
    Diese Haltung ist ohne Gehorsam nicht möglich. Ohne Gehorsam wird es nie etwas Größeres in deinem Leben geben.
    Pflege und Gehorsam gehören zum Wirken des Heiligen Geistes.
  3. Auf eine Besonderheit dieser kleinen Berufungsgeschichte möchte ich noch hinweisen:
    Die beiden Fehlstarts sind für Samuel und Eli gleich wichtig.
    Beide müssen auf ihre Weise merken: Hier passiert etwas. Das hier ist nicht nur etwas zwischen Menschen.
    Samuel ist nicht mit einer Erfahrung allein – zu der er dann nachher sagt: Ja, da hat Gott mich berufen, das müßt ihr mir glauben! – Das wäre eine Überforderung für Samuel gewesen. Es wäre aber auch eine Zumutung für Israel gewesen.
    Die Berufung des Samuel ist nicht rein subjektiv. Samuel muß dem Volk Israel nicht seine eigene innere Erfahrung aufzwingen. Sondern die Berufung wird von außen bestätigt.
    Das ist für das Wirken des Heiligen Geistes entscheidend.
    Paulus der Apostel ist dem Auferstandenen Herrn Jesus selbst begegnet. Jesus hat ihn direkt berufen. Und doch gab es den schlichten Christen Ananias in Damaskus, der zu Paulus kam und sagte: Lieber Bruder Saul, Jesus schickt mich zu dir. Da hatte Paulus von außen die Bestätigung. Er war nicht gezwungen, seine rein persönliche Erfahrung der Christenheit aufzunötigen. Und die Christenheit mußte nicht etwas glauben, was im Herzen eines Menschen sich abgespielt hatte.
    Die Wahrheit kommt aus mehr Quellen als einer Person.
    Aber auch für Eli waren diese Fehlstarts bedeutsam. Ihm wurde klar, daß jetzt etwas in Samuel begann, was größer war. Obwohl Samuel ein Knabe war, der Eli gehorchte, so war doch Gott selbst zwischen Eli und Samuel. Samuel stand Eli nicht einfach zur Verfügung. Beide dienten Gott in seinem Tempel.
    Und noch etwas. Die erste Prophezeiung des Samuel für Eli war eine schreckliche. Samuel mußte Eli im Auftrag Gottes sagen, daß Eli bald seine Söhne durch Blutvergießen verlieren würde.
    Da war es gut, daß Eli vorher wußte, Gott hat Samuel berufen. Es war nichts Persönliches. So konnte Eli diese schwere Botschaft von dem Knaben annehmen.
    Im Reich Gottes haben Menschen es nie direkt und unvermittelt miteinander zu tun. Gott ist dazwischen.
    Das zeigt sich auch bei uns in der christlichen Gemeinde. Wir beziehen uns gemeinsam auf Gottes Wort, auf den Versammlungsort, auf das Kirchenjahr, auf unsere Lieder und Gebete. Das pflegen wir, und helfen einander, auf Gott zu hören.
    Wir bitten um den Heiligen Geist. Er leitet uns an, zu pflegen, zu gehorchen, Hörende zu werden.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Bild: Eli und der junge Samuel (1780)