Ostermontag

Von | April 10, 2023
Fritz von Uhde, Public domain, via Wikimedia Commons

Der HERR ist auferstanden –
er ist wahrhaftig auferstanden!
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN, Jesus Christus.
Amen.

13 Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus.
14 Und sie redeten miteinander von allen diesen Geschichten.
15 Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.
16 Aber ihre Augen wurden gehalten, dass sie ihn nicht erkannten.
17 Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs? Da blieben sie traurig stehen.
18 Und der eine, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der Einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?
19 Und er sprach zu ihnen: Was denn? Sie aber sprachen zu ihm: Das mit Jesus von Nazareth, der ein Prophet war, mächtig in Taten und Worten vor Gott und allem Volk;20 wie ihn unsre Hohenpriester und Oberen zur Todesstrafe überantwortet und gekreuzigt haben.
21 Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde. Und über das alles ist heute der dritte Tag, dass dies geschehen ist.
22 Auch haben uns erschreckt einige Frauen aus unserer Mitte, die sind früh bei dem Grab gewesen,
23 haben seinen Leib nicht gefunden, kommen und sagen, sie haben eine Erscheinung von Engeln gesehen, die sagen, er lebe.
24 Und einige von uns gingen hin zum Grab und fanden’s so, wie die Frauen sagten; aber ihn sahen sie nicht.
25 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!
26 Musste nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?
27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.
28 Und sie kamen nahe an das Dorf, wo sie hingingen. Und er stellte sich, als wollte er weitergehen.
29 Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt. Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.
30 Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach’s und gab’s ihnen.
31 Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.
32 Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
33 Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren;
34 die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen.
35 Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.

Lukas 24, 13-35

Gebet: Lieber Gott, bitte sei Du selbst dabei, wenn wir Dein Wort hören und zu Herzen nehmen. Amen.

Liebe Gemeinde!
Diese wunderbare Ostergeschichte hat Modellcharakter. Das heißt, man kann unendlich viel daraus erkennen und lernen. Sie spricht, und hört nicht auf, zu sprechen, sie zeigt, und das tut sie ohne Aufhören. Diese Eigenschaften allein weisen darauf hin, daß sie von einer neuen Wirklichkeit berichtet; einer Wirklichkeit, die neu bleibt, und nicht veraltet.
Was hören und sehen wir in der Geschichte von den Emmaus-Jüngern?

  1. Diese Jünger folgern aus dem Kreuz und Tod Jesu, daß es mit ihm aus ist. Sie verlassen Jerusalem und kehren in ihr früheres Leben zurück. Was sie gesehen haben, das haben sie gesehen: Jesus gefangen, verurteilt, hingerichtet, begraben. Das war’s. So war es bei allen Jüngern, auch bei den Frauen, die noch den Toten salben wollten.
    Hier war keine Stimmung, von „Jetzt erst recht!“. Sie hatten keinen Wunsch in sich, daß Jesus doch noch irgendwie „Da sein“ muß. Zu allen Zeiten wird den Jüngern unterstellt, daß sie von dem Schock der Kreuzigung so traumatisiert waren, daß sie sich die Auferstehung Jesu einfach zum Trost einredeten und also an einen Wunschtraum glaubten. – Diese Theorie ist ein Wunschtraum. Denn keine Ostergeschichte beweist das. Alle hatten mit Jesus abgeschlossen. Es gab Trauer über einen, den sie geliebt und verehrt hatten, der aber nicht mehr da war.
  2. Diese Trauer wird gesteigert durch eine Erwartung, die Jesus nie bedient hatte: „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde.“ Also die Hoffnung, daß der Messias Israels ein politischer Messias sein würde: Die römischen Besatzer des Heiligen Landes würde dieser bekämpfen und besiegen, und die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs zu einer neuen Macht zu führen. Mit politischem, wirtschaftlichem und sozialem Erfolg. Davon träumten sie immer noch, obwohl Jesus sich für diesen Traum niemals zur Verfügung gestellt hatte. – Die Jünger hatten nicht nur abgeschlossen; sie hatten auch nicht dazugelernt, sondern hielten an einem verfehlten Wunschtraum fest.
  3. Weiter qualifizierten sie sich nicht, indem sie vergaßen, daß Jesus ihnen mehrfach vorhergesagt hatte, daß er leiden, sterben und auferstehen würde. Nicht einmal das hatten sie abgespeichert. Und wenn sie es abgespeichert hatten, dann waren das für sie unwirkliche Worte, die ihnen nichts zu sagen hatten.
  4. Zu allen Zeiten werden Christen die Zeugen der Auferstehung beneiden: „Hatten die es gut! Sie haben ihn wirklich gesehen!“ – Wer das sagt, muß unbedingt mitbedenken, daß die Augen nichts halfen. Jesus steht vor den Jüngern – wie auch vor Maria von Magdala – und sie erkennen ihn nicht. Die Emmaus – Jünger gehen mit dem Auferstandenen eine gute Strecke, und ihre Augen helfen ihnen gar nicht zum Glauben. Darum brauchen wir sie nicht zu beneiden. Der Glaube kommt von woanders.
  5. Der Glaube entsteht erstens dadurch, daß Jesus, der Auferstandene – sich selbst ihnen naht. Er kommt zu ihnen. Es ist sein Wille. Was ihre Herzen erfüllt an Trauer, Sorge, Angst, Enttäuschung zieht ihn nicht herbei. Im Gegenteil, was ihre Herzen erfüllt, macht sie blind für ihren Herrn. Sie erkennen ihn nicht. Auch unser Glaube beginnt damit, daß Jesus sich uns zuwendet, für uns entscheidet, ja, uns unerkannt begleitet.
  6. Jesus hat ein Ohr für alle Zweifel: „Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Dinge, die ihr miteinander verhandelt unterwegs?“ fragt er. „Da blieben sie traurig stehen.“ Sie schütten ihr Herz aus. Sprechen alles aus, was sie bekümmert. Das wird Jesus nicht zuviel. – Auch das gehört zu unserem Glauben, daß das Herz nicht verstummen soll. Kein Kummer ist zu groß, zu klein, zu lächerlich, wie auch immer. Es darf alles vorkommen.
  7. Aber es bleibt nicht dabei. Jesus der Auferstandene sagt dazu ein großes: „O!“ – Da hätte ich gerne mal den Ton gehört, der da die Musik gemacht hat! Die ganze Verzweiflung, der ganze Jammer war raus, und lag da. Und die Antwort darauf: „ O!“- Jesus kann das alles verkraften und vertragen, es ist ihm niemals zu kompliziert. Aber das jetzt geht es erst richtig los! „Ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben!“ – Ihr Toren! Ihr denkt, ihr seid am Ende! Ach nein. – Wir Menschen mögen es nicht, wenn unser Kummer und unsere Zweifel beleidigt werden. Aber wie sollen sie denn ihre Macht verlieren über uns, wenn nicht einer kommt, und sie beleidigt? In der Depression erscheint dem Menschen sein Leid und seine Last wie eine unausweichliche Notwendigkeit: „Es muß so sein, es kann nicht anders sein und wird niemals anders werden, und nichts kann das ändern.“ Jesus hört sich das alles liebevoll und geduldig an. Um es hinweg zu tragen. Darum darf er das beleidigen.
  8. Er spricht von einer anderen Notwendigkeit. „Mußte nicht Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen?“ – Das ist notwendig. Das Kreuz war kein Unglück, keine Widerlegung Jesu. Es mußte sein. So ist Christus in seine Herrlichkeit eingegangen. Er hat Verrat, Verschwörung, Versagen, Verleugnung, Demütigung, und alles andere auf sich genommen, um es zu überwinden und zu entmachten.
  9. Die Lösung sieht anders aus, als das Problem. Jesus erzählt Geschichten. Er liefert keine Argumente mit Logik und Beweisen, sondern erzählt das Alte Testament. Das ist eine Beleidigung für die menschliche Vernunft. – Aber war denn die Vernunft nicht gerade an ihr Ende gekommen in Trauer und Verzweiflung? – Sie soll jetzt keine Vorschriften machen, sondern einfach zuhören. Nicht Sehen, sondern Hören macht den Glauben.
  10. Der Auferstandene wird nicht ohne Heilige Schrift erkannt. Wer die Auferstehung sucht, wer die Überwindung des Todes kennenlernen will, kommt an der Heiligen Schrift nicht vorbei. Hier ist das Wort, das Himmel und Erde geschaffen hat, hier ist das Wort, das uns zu Gott bringt und alles tut, was Gott an uns tun will. Es ist das Wort, das die Geschichte in Gang gebracht hat, die zu Jesus führte. Im Alten Testament werden die Koordinaten und Weichenstellungen gegeben, die Kreuz und Auferstehung verständlich und fruchtbar machen. Man kann nicht die Auferstehung suchen, und gleichzeitig das Alte Testament ignorieren. Hier finden wir die Worte, die in Jesus ans Ziel kommen, sie sind der Anfang der Ostergeschichte.
  11. Die Emmaus Jünger sagen: Daß ihnen das Herz brannte, als Jesus ihnen die Schrift öffnete. Das Herz wird von der alten Notwendigkeit der Depression gelöst, während es die Worte der Schrift hört. Eine neue Notwendigkeit tut sich auf: Jesus mußte kommen und alles tun und sagen und tun, was er gesagt und getan hat. – Ja, das mußte sein! So, und nicht anders! – Jede Predigt zielt darauf, diese neue Notwendigkeit dem Herzen nahe zu bringen, und mit der Hilfe des Heiligen Geistes geschieht das auch.
  12. Die Jünger werden wie Kinder, die ihre Eltern anbetteln, nicht mit dem Vorlesen aufzuhören, weil es so spannend ist: „Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneiget.“ Hier ist Licht, hier ist Tag. Wenn diese Erzählung aufhören sollte, kommt die Nacht zurück. Nein! Diese Geschichte ist jetzt notwendig! Bleibe bei uns!
  13. „Und er ging hinein, bei ihnen zu bleiben.“ – Da zeigt er sich. Im Brotbrechen. Im Sakrament. Ohne das Abendmahl darf nicht über die Auferstehung gesprochen werden. Das hat der Auferstandene selbst so festgelegt. Wir dürfen das nicht eigenmächtig voneinander trennen. Der Glaube an die Auferstehung ist nicht nur eine Erkenntnis neben anderen Ideen oder Gedanken, die man haben kann, oder nicht. Dieser Glaube ist der Anfang der Neuen Schöpfung, und dazu gehört auch die Gemeinschaft mit dem Auferstandenen. Eine leibliche Gemeinschaft.
  14. Dann sehen sie ihn – für nicht mal einen Moment. Aber es reicht: „Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn. Und er verschwand vor ihnen.“ – Er verschwand – aber er blieb. Nun trauerten sie ihm nicht mehr nach. Im Gegenteil!
  15. Jesus hat sie umgeschaffen. – Alle Ostergeschichten beginnen mit dem Zweifel, der Trauer, und enden damit, daß die Zeugen sich aufmachen, und es den anderen erzählen. Die Osterwirklichkeit breitet sich aus. Es gibt kein Zurück mehr. – Von Emmaus bis Berlin, oder wo ihr auch seid, die mit den Emmausjüngern aufatmen. Für immer aufatmen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der regiere und bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Bild: Fritz von Uhde-Der Gang nach Emmaus (1891)