Matthäus 26, 69 – 27, 14
69 Petrus aber saß draußen im Hof; da trat eine Magd zu ihm und sprach: Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa.
70 Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Ich weiß nicht, was du sagst.
71 Als er aber hinausging in die Torhalle, sah ihn eine andere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth.
72 Und er leugnete abermals und schwor dazu: Ich kenne den Menschen nicht.
73 Und nach einer kleinen Weile traten hinzu, die da standen, und sprachen zu Petrus: Wahrhaftig, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich.
74 Da fing er an, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht. Und alsbald krähte der Hahn.
75 Da dachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.
1 Am Morgen aber faßten alle Hohenpriester und die Ältesten des Volkes den Beschluß über Jesus, ihn zu töten,
2 und sie banden ihn, führten ihn ab und überantworteten ihn dem Statthalter Pilatus.
3 Als Judas, der ihn verraten hatte, sah, daß er zum Tode verurteilt war, reute es ihn, und er brachte die dreißig Silberlinge den Hohenpriestern und Ältesten zurück
4 und sprach: Ich habe Unrecht getan, daß ich unschuldiges Blut verraten habe. Sie aber sprachen: Was geht uns das an? Da sieh du zu!
5 Und er warf die Silberlinge in den Tempel, ging fort und erhängte sich.
6 Aber die Hohenpriester nahmen die Silberlinge und sprachen:
Es ist nicht recht, daß wir sie in den Gotteskasten legen; denn es ist Blutgeld.
7 Sie beschlossen aber, den Töpferacker davon zu kaufen zum Begräbnis für Fremde.
8 Daher heißt dieser Acker Blutacker bis auf den heutigen Tag. 9 Da wurde erfüllt, was gesagt ist durch den Propheten Jeremia, der da spricht: »Sie haben die dreißig Silberlinge genommen, den Preis für den Verkauften, der geschätzt wurde bei den Israeliten,
10 und sie haben das Geld für den Töpferacker gegeben, wie mir der Herr befohlen hat« (Jer 32,9; Sach 11,12-13).
11 Jesus aber stand vor dem Statthalter; und der Statthalter fragte ihn und sprach: Bist du der König der Juden? Jesus aber sprach: Du sagst es.
12 Und als er von den Hohenpriestern und Ältesten verklagt wurde, antwortete er nichts.
13 Da sprach Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, wie hart sie dich verklagen?
14 Und er antwortete ihm nicht auf ein einziges Wort, sodaß sich der Statthalter sehr verwunderte.
- Die Verleugnung des Petrus
Petrus wollte nur zugucken – unverbindlich sehen „worauf es hinauswollte“ (Matthäus 26, 58). Anonym bleiben. Erst gucken, und sich dann entscheiden. Sozusagen neutral, ohne sich festzulegen. Er hatte sich ja festgelegt: Er wollte nicht an Jesus irre werden (Matthäus 26, 33), ja, mit Jesus sterben (Matthäus 26, 35). Er hatte im Garten das Schwert gezogen, um für Jesus zu kämpfen (26, 51). Doch Jesus hatte ihm gesagt: „Stecke das Schwert an seinen Ort!“. Petrus will nur zugucken aus einem sicheren Abstand.
Es gibt Jesus gegenüber aber keine Neutralität. In der Passionsgeschichte werden alle schuldig. Alle entscheiden sich gegen Jesus, oder können sich jedenfalls nicht für Jesus entscheiden.
Eine Magd spricht ihn an. Aus dem Johannes-Evangelium wissen wir, daß der Apostel Johannes mit ihr gesprochen hatte, damit sie Petrus in den Palast hineinließ. Sie wußte etwas. Sie konnte es nicht für sich behalten. Es war eine gute Gelegenheit, sich interessant zu machen. „Und du warst auch mit dem Jesus aus Galiläa!“. Da ist es aus mit der Anonymität, und vorbei mit der Neutralität. Petrus bestimmt nicht mehr darüber, was mit ihm geschieht.
Liebe Gemeinde! Wie gern und selbstverständlich bewegen Christen sich in die Anonymität, um neutral zu sein, nur zuzugucken! Erst mal sehen, wo man da hineinpaßt in die Situation! Erst mal überschauen, wie sicher oder gefährlich es ist!
Von allen, die um Petrus sind, geht von der Magd die geringste Drohung aus. Während Petrus sich vielleicht ausgemalt hatte, daß er als Held vor der Weltöffentlichkeit für Jesus kämpfen und gar sterben würde, reicht schon eine wehrlose Magd im kleinen verborgenen Kreis, im Halbdunkel, Petrus zu Fall zu bringen. Es ist so unnötig und so absolut peinlich. Nicht einmal, sondern dreimal. Nicht nebenher, sondern schließlich mit einem feierlichen Schwur. „Gott möge mich vernichten, wenn ich diesen Menschen kenne!“
Das zeigt uns zwei Dinge:
a. die Schwäche und die Selbstüberschätzung von uns Menschen. Wir sonnen uns in unseren Vorsätzen und guten Absichten. Der Mensch denkt, daß seine Gedanken schon Taten sind, und ist bereit, in Gedanken ganz wunderbar Ideale zu erfüllen.
b. Petrus sagt sich von Jesus los. Jesus ist wirklich allein. Er hat wirklich keinen Mitstreiter, keinen Mitarbeiter. Was Jesus tut, das tut er wirklich ganz allein für die ganze Menschheit. Jesus ist nicht nur zufällig allein. Sondern er wird mit Willen, um nicht zu sagen: Mit Anlauf, verlassen. Es ist keine Neutralität. Jesus ist der HERR und der König. Er gebietet Gehorsam und Nachfolge, Bekenntnis und Öffentlichkeit – und der Mensch gehorcht und folgt, oder er ist gegen ihn. Und damit aber auch gegen alles, wofür Jesus steht. Denn wofür Jesus steht, das ist sein königliches Eigentum. Das kann der Mensch nicht einfach so nehmen.
Die Früchte des Glaubens, die Erkenntnis des Glaubens sich aneignen, aber Jesus nicht als König und HERRN bekennen, das wird nicht gelingen. Im Kleinen, wie im Großen.
Unsere Kultur, die einen christlichen Aufbau hat, und sich dem christlichen Glauben verdankt, möchte neutral sein. Die Früchte des christlichen Glaubens haben, ohne Jesus als den König zu verehren. Wie wird Jesus sich als der HERR erweisen? Auch der Eifer, mit Jesus nichts zu tun zu haben, beweist, daß Jesus Macht hat! - Der Todesbeschluß des Hohen Rates
Die Hohenpriester und der Hohe Rat hatten vergeblich versucht, mit falschen Beweisen Jesus zu verurteilen. Es ist ein verrücktes Schauspiel. Der Beschluß, ihn zu töten, steht von vornherein fest. Und doch wollen sie innerhalb ihrer Regeln einen Schein des Rechts aufbauen. Sie wollen, daß das ganze Volk, um nicht zu sagen: Die ganze Menschheit ihnen in ihrem Urteil Recht gibt. Dabei soll in Israel in Verantwortung vor Gott das Urteil gefällt werden. Stattdessen urteilt man aus Furcht vor dem Volk und aus Furcht vor den Römern.
Auch hier wird deutlich: Die Repräsentanten des Volkes Israel haben keinen Anteil am Erlösungswerk. Jesus steht wirklich der ganzen Menschheit als Angeklagter, als Verurteilter, aber dann auch als das Lamm Gottes, als der Erlöser gegenüber. Er „trägt die Sünde der Welt.“ (Johannes 1, 29).
Der Hohe Rat und die Priester übergeben Jesus dem heidnischen Statthalter Pontius Pilatus. Damit stellen sie fest: Jesus gehört nicht mehr dem Volk Israel an. Er ist ausgeschlossen – auch von Gott selbst. So wird Israel als menschliches Volk auch nicht beitragen zum Erlösungswerk. Jesus tut es wirklich ganz allein. Und umgekehrt kommt ihm gegenüber die Schuld aller Menschen ans Licht.
Gerade die Passionsgeschichte zeigt uns: Zur Schuld gehört es, daß Menschen sie mit Überzeugung, und mit den allerbesten Absichten begehen.
Der Übergang vom Hohen Rat zu Pilatus ist ein ganz entscheidender Schritt. Das Leiden Jesu und sein Tod sind spätestens ab dem Moment nicht mehr eine nur innerjüdische Angelegenheit. Jetzt steht Jesus der Menschheit gegenüber. - Das Ende des Judas
Judas sagt sich auf seine Weise von dem, was Jesus leidet und tut, los. Wir könnten ja denken: Hm. Judas hat Jesus ja verraten und ausgeliefert. Also ist Judas notwendig für die Erlösung.
Doch das ist nicht möglich. Judas will seine Tat ungeschehen machen. Er will das mit Geld tun. Denn er bringt die 30 Silberlinge zurück.
Da wird in ganz wenigen Worten unendlich viel über das Wesen des Geldes gesagt. Es erweckt den Schein, Taten ungeschehen machen zu können. Mit Geld sich freikaufen. Mit Geld wieder gut machen. In der Welt macht das Geld vieles möglich.
Doch Jesus steht über dem Geld. Jesus gegenüber ist sogar das Geld nicht neutral. Der Wille Jesu, sich zu opfern, Seine Liebe für uns Menschen ist größer und stärker als Geld.
Das zeigt sich ja auch nach der Auferstehung: Der Hohe Rat will mit Geld die Wachen vom Grab Jesu und Pilatus zum Schweigen bringen, und sich damit eine eigene Wahrheit verschaffen.
Doch es gelingt nicht.
Judas erhängt sich. Er vollzieht ein Todesurteil an sich selbst. An Gott vorbei. Er sieht keine Gnade. Anders als Petrus. Seine Tränen zeigen, daß er auf eine Gnade hofft, die er nicht verdient.
Judas kennt keine Gnade.
Judas ist ein abschreckendes Beispiel für alle Christen. - Der Töpfersacker
Die 30 Silberlinge verdienen eine eigene Predigt. Sie sprechen eine vielfältige geheimnisvolle Sprache.
Judas wirft sie in den Tempel. Damit gehören sie Gott selbst. Doch die Hohenpriester und Schriftgelehrten, von denen ja genau dieses Geld herkommt, bezeichnen es als Blutgeld. Sie bestätigen, daß Judas Verrat verübt hat. Sie bekennen damit, daß sie Verrat angenommen und in Kauf genommen haben, um ihre Absicht durchzuführen. Jesus zwingt sich noch in der äußersten Machlosigkeit, das zu bekennen.
Gerade indem sie peinlich genau darauf achten, daß dieses schmutzige Geld nicht in den Gotteskasten gelegt wird, klagen sie sich selbst vor Gott an.
Und das tun sie? Sie kaufen einen Töpfersacker zum Begräbnis der Pilger. Matthäus selbst sagt uns, daß sie damit eine Prophezeiung aus den Propheten genau erfüllen. Sie erfüllen Gottes Willen.
Und noch etwas: Dieses Geld ermöglicht ein Grab in Jerusalem für die, die es sich nicht leisten konnten.
Das Leiden, die Schmach Jesu kommt den Armen zugute. Ähnlich, wie seine Kleider den Soldaten zugute kommen. Jesus gibt alles alles her. Er gibt es zum Vorteil derer, die vor Gott arm sind. Die um einen Platz bei Gott bitten. - Jesus vor Pilatus
Jesus ist so erhaben über alle Mächtigen. Vor den Augen der Welt ist er machtlos, und muß sich alles gefallen lassen. Aber vor Gott ist es so, daß genau dadurch Gottes Wille geschieht. Jesus wird im Namen Israels und im Namen der Heiden zum Tode verurteilt. Auch Rom wird an Jesus schuldig. Ganz deutlich: Denn Pilatus wird ja sagen: Dieser ist unschuldig. Und dann läßt er ihn doch kreuzigen und töten.
Pilatus wird auf Drängen der Hohenpriester ein für allemal vor der Welt dokumentieren: Jesus von Nazareth ist der König der Juden.
Jesus ist so erhaben, daß er sich der Weltöffentlichkeit nicht aufdrängt, sondern sich durch seine Feinde an die Weltöffentlichkeit bringen läßt.
Jesus verteidigt sich nicht. Das ist für Pilatus und für die Menschheit ein Rätsel. Ein göttliches Rätsel. Pilatus kann im Grunde nichts mit Jesus anfangen.
Jesus spricht nicht für sich. Er läßt seinen himmlischen Vater für ihn sprechen. Das wird bei der Auferstehung geschehen.