
Pfarrer Johann Hillermann
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
und die Liebe Gottes,
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes,
sei mit euch allen. Amen.
Groß ist, wie jedermann bekennen muß,
Timotheus 3, 16
das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit.
Gebet: Lieber Gott, bitte segne jetzt Reden und Hören. Amen.
Liebe Gemeinde!
Mariä Heimsuchung. Das ist der 2. Juli.
Maria, die Mutter Gottes, sucht Elisabeth daheim auf. Maria besucht Elisabeth. Das ist Mariä Heimsuchung.
Zwei Frauen begegnen einander.
Zwei schwangere Frauen begegnen einander.
Der Mittelpunkt der Geschichte ist die Begegnung zwischen Johannes, dem späteren Täufer, und Jesus, dem ewigen Sohn Gottes.
Johannes ist im Leib seiner Mutter Elisabeth.
Jesus ist im Leib seiner Mutter Maria.
Jesus und Johannes begegnen einander und erkennen einander, obwohl sie beide noch verborgen im Mutterleib sind.
Das bezeugen ihre werdenden Mütter, damit es vermittelbar ist.
Elisabeth, die hochbetagte Frau, wurde gegen alle Erfahrung im Alter schwanger von ihrem Mann Zacharias, dem Priester.
Der Erzengel Gabriel hatte die Geburt dem überforderten, zweifelnden Zacharias im Tempel angekündigt.
Derselbe Gabriel wurde gesandt zu der Jungfrau Maria, um ihr zu verkündigen, daß sie den Sohn Gottes zur Welt bringen würde. Maria zweifelt nicht, sondern fragt: Wie soll das zugehen, sintemal ich von keinem Manne weiß? Der Erzengel sagt es ihr, und verweist auf ihre Verwandte Elisabeth: Bei Gott ist kein Ding unmöglich. Da glaubt Maria und sagt: Siehe, ich bin des HERRN Magd, mir geschehe, wie du gesagt hast.
Maria ist verlobt. Eine Schwangerschaft ist das letzte, was man von ihr erwartet. Elisabeth ist der einzige Mensch auf Erden, mit dem sie sprechen kann. Niemand wird sie sonst verstehen. Jeder wird nur Ehebruch sehen, eine andere Erklärung kann es nicht geben. Darum eilt Maria zu Elisabeth, um sie zu besuchen, heimzusuchen.
Was kann Maria der alten, würdigen, strengen Elisabeth sagen? Wie soll Maria überhaupt anfangen, darüber zu sprechen? „Du. Tante Elisabeth, du wirst es nicht glauben, aber …. also, ich war ganz normal zuhause, da ….Tante Elisabeth, ich verspreche dir, daß …“ Wie konnte Maria denn wissen, daß sie wirklich schwanger ist? War sie es überhaupt?
Und dann diese unendlich zarte Begegnung!
Bevor Maria überhaupt ein Wort aussprechen muß, spricht Elisabeth die ganze Wahrheit so aus, daß Maria nichts, aber auch gar nichts erklären muß, sondern Gott lobt und preist mit ihrem unvergänglichen Lobgesang, der jedem Christen die Tür zur ewigen Freude öffnet. Wer bei Gott ist, freut sich mit Maria über diese Tat Gottes, er sich mit Maria über Jesus freut, ist bei Gott.
„Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.“
In dem Augenblick weiß Maria alles; es ist alles einfach wahr:
1. Elisabeth ist schwanger in ihrem Alter – also ist bei Gott kein Ding unmöglich. 2. Der Engel war keine Einbildung. 3. Die Worte des Engels sind wahr. 4. Sie, die Jungfrau, ist schwanger. 5. Sie trägt Gottes Sohn ihn ihrem Leib. 6. Gott erfüllt seine seine Verheißung, Gott macht Sein Wort wahr, Gott hält Sein Versprechen. Alle diese Wahrheiten sind ihr mit einem Mal gewiß und klar.
Jetzt ist ihre Freude vollkommen und unzerstörbar. Gott beweist sich an ihrem Leib. Mit dem, was Maria unter ihrem Herzen trägt, wendet der allmächtige Gott sich der ganzen elenden, verlorenen Menschheit zu.
Liebe Gemeinde, die Heimsuchung Mariä ist der zweitkleinste Beweis für Gottes Wahrheit: Das Hüpfen der ungeborenen Johannes des Täufers. So ein unwirklich kleine, verborgene Regung, die nur seine Mutter spürt. Da ist Gott mit Seiner ganzen Macht und Wahrheit drin.
Der kleinste Beweis ist die Zellenteilung in Maria am 25. März, als der Erzengel Gabriel ihr verkündigt und sie glaubt. Mit der Zellenteilung, in der Gott selbst ist, wird alles für immer anders.
Für dich und dich und auch für dich.
Liebe Gemeinde, müßten wir nicht jedes Jahr Mariä Heimsuchung feiern, und uns in dieses Geheimnis, in diese ganz göttliche Freude hineinsteigern, die in den 100%ig ganz weiblichen Leibern von Elisabeth und Maria ereignet?
Ist das nicht eine Freude, die entstehen muß, wenn wir alles Begehren, alle Sorge, alle Angst, allen Frust aus dem Sinn bannen und liegen lassen, um bei diesen beiden heiligen Frauen zu sein, und ihre einmalige Freude teilen? Es muß sein!
Diese Begegnung schwebt und schwingt und schimmert mit, überall, wo Christen sind. Wir müssen sie im Herzen tragen, dann tut sie sich uns auf. Ja. Auch wir Männer müssen sie mit Gottes Hilfe als Geheimnis in uns tragen. Die Frauen erst recht. Auch die unbedingte Ehrfurcht von dem Ungeborenen Leben im mütterlichen Leib. Das sind wir Männer und Frauen einander als Christen schuldig.
Liebe Gemeinde, an dem Tag Mariä Heimsuchung wird die Materie durch Gottes Geist untergeordnet und in Gottes Ordnung gefügt. Elisabeth ist voll des Heiligen Geistes – der macht es ihr möglich, Maria so zu grüßen.
Die Materie, das Fleisch, das Diesseitige, das, was der Mensch aus sich heraus ist, oder glaubt zu sein, könnte und kann das nicht. Der Heilige Geist macht das Unmögliche möglich: die Alte Elisabeth wird schwanger – gegen die Natur; und die Jungfrau Maria wird schwanger – gegen die Natur.
Der Heilige Geist ist nicht Teil der Natur. Der Heilige Geist ist niemals Materie, sondern Er ist alle dem überlegen.
Das sagt uns unser Predigttext aus dem 1. Brief an Timotheus:
Groß ist, wie jedermann bekennen muß,
das Geheimnis des Glaubens:
Er ist offenbart im Fleisch,
gerechtfertigt im Geist,
erschienen den Engeln,
gepredigt den Heiden,
geglaubt in der Welt,
aufgenommen in die Herrlichkeit.
1. Wir glauben einem großen Geheimnis. Gerade an Mariä Heimsuchung kann man das beobachten. So etwas kann man sich nicht ausdenken! Jede Einzelheit, jedes Wort ist ganz einfach. Man kann verstehen, warum Maria es eilig hatte, man kann die große Begeisterung der greisen Elisabeth verstehen. Aber daß diese Begegnung mit einem Mal diese große Gewißheit schenkt: Alles, was Gott seinem Volk verheißen und versprochen hat – das wird jetzt ganz und gar wahr! Das ist ein Geheimnis. Es ist aber ein Geheimnis, das sich nicht verschließt, sondern öffnet. Jeder, der es hört, darf und soll sich mitfreuen.
Das wird ganz hell und deutlich in dem Lobgesang, den Maria nach dieser Begegnung anstimmt: Dem Magnificat. Meine Seele erhebt den HERRN. In diesem Gesang wird das ganze Alte Testament zusammengefaßt. Maria sagt: Gott hat große Dinge an mir getan …. wie Er es dem Vorfahren Abraham und seinen Nachkommen versprochen hat. (Lukas 1, 46-55).
Daß Gottes Geschichte und Handeln am Menschen so zart, so verborgen, so persönlich und so klein sein kann, und zugleich ganz und gar göttlich, allmächtig, weise und wahrhaftig sein kann. Jedermann muß bekennen: Das Geheimnis des Glaubens ist groß! Es ist eine ganz und gar einmalige und spezielle Freude der Mutter Maria – und zugleich ist es völlig passend, daß wir alle, die es hören, uns mitfreuen, und mit Maria glauben.
Daß diese Begegnung im Gebirge ganz tief in der Provinz, abseits aller Öffentlichkeit seit Jahrhunderten in aller Welt unvergessen ist und Herzen bewegt und Seelen zu Gott führt, das ist ein riesiges Geheimnis. Und wer es glaubt, und sich mitfreut, der wird Teil von Gottes Geheimnis.
2. Gott ist offenbart im Fleisch. Das kann man an Mariä Heimsuchung sehr genau beobachten. Ohne die Schöpfungsordnungen von Männlich und Weiblich, von Schwangerschaft und Mutterschaft, ohne die Verbindung von Leib und Seele gäbe es dieses Geheimnis nicht, und wenn wir nicht in dieser Schöpfungsordnung drinsteckten, dann könnten wir an dieser Freude nicht teilhaben, und nicht Teil des großen Geheimnisses werden.
Gott offenbart sich im Fleisch. In Jesus „wohnte die Fülle der Gottheit leibhaftig“, und zwar von Anfang an. Schon in der ungeborene Leibesfrucht ließ Gott sich ganz begegnen. Alles, was Jesus tat, war göttlich, alles was Jesus litt, war göttlich – in allem, was wir von Jesus wissen, zeigt sich Gott ganz und gar, eindeutig, klar, und zwar für alles Zeiten. Es gibt keinen Moment, keine Situation, keine Zeit, in der der Menschgewordene Jesus nicht Gott selbst ganz und gar offenbart. Von der Empfängnis im Leib Seiner Mutter bis hin zum Tod und zur Grablegung. Durch die leibliche Auferstehung und die Himmelfahrt wird das erst recht deutlich.
3. „Er ist gerechtfertigt im Geist,“ – das heißt: Er schafft Glauben, er verbindet mit Gott. Was wir hören, ist ja nicht nur wahr und wunderbar, sondern es wirkt in allen, die es hören. Der Heilige Geist ist dabei. Der Heilige Geist macht uns zu Teilhabern an der Begegnung von Maria und Elisabeth. Was das mit dir tut, das will Gott.
Überhaupt: Als Jesus gekreuzigt wurde, da wollte die Welt, daß damit auch das Geheimnis von Maria und Elisabeth vernichtet und vergessen wird. Doch, als Jesus auferstand, da wurde diese verborgene und zarte Begegnung gerechtfertigt, das heißt, sie wird unter allen Umständen Recht behalten. Ja, auch dieses Ereignis ist auf der Seite des Lebens gegen den Tod, auf der Seite der Gerechtigkeit gegen die Sünde, auf der Seite der Freude gegen die Trauer, auf der Seite der Liebe gegen den Haß.
Als Jesus gen Himmel fuhr, nahm er den Besuch seiner Mutter bei Elisabeth mit, er nahm das Hüpfen des Johannes mit; er wird niemals vergehen, sondern immer wieder wirksam sein, als würde er genau jetzt geschehen. Er ist gerechtfertigt im Geist – denn er bewirkt, was Gott will. Und was will Gott? Daß wir Jesus erkennen und uns mit Maria, Elisabeth und Johannes freuen.
4. Er ist „erschienen den Engeln,“ – also in der unsichtbaren Welt ist das alles ganz klar und bekannt. Psalm 103 sagt über Gottes Engel: „Lobet den HERRN, ihr seine Engel, / ihr starken Helden, die ihr seinen Befehl ausrichtet, daß man höre auf die Stimme seines Wortes!“ (Ps. 103. 20). Die Engel räumen alle Hindernisse, Ablenkungen und Widerstände aus dem Weg, damit Gottes Stimme ankommt.
5. Er ist „gepredigt den Heiden“ – also denen, die nichts davon wußten, die nicht qualifiziert waren, es zu hören und zu verstehen. Menschen, die Gott überhaupt nicht kannten, oder sogar ihr Herz falschen, betrügerischen Göttern geschenkt hatten. Falsche Götter sind normal, aber fatal. Doch Gott kann Heiden erreichen. Daß ein Mensch ein Heide ist, ist kein Problem. Gott spricht jeden Menschen an, und in allen schafft er denselben Glauben an den einen Herrn Jesus Christus. Der Mensch geworden ist, damit wir zu Gott kommen.
6. Er ist „geglaubt in der Welt“ – das ist das Resultat. Was im Mutterleib von Maria und Elisabeth angefangen hat, das wohnt jetzt in Menschenherzen – bei Männern und Frauen, bei Jungen und Alten überall auf der Welt. Es mag sein, daß ein Mann anders darüber denkt, als eine Frau, daß ein Kind anders darüber denkt, als ein Erwachsener –aber es ist doch überall derselbe Jesus, der da ist, und derselbe Johannes, der auf ihn zeigt. Der Glaube ändert sie nicht, sondern sie ändern uns.
7. Er ist „aufgenommen in die Herrlichkeit“ – damit ist alles zusammengefaßt. Zur Herrlichkeit gehört die Zukunft. Die Zukunft wird Marias Besuch bei Elisabeth, die Anwesenheit Jesu und die Freude und das Hüpfen des kleinen Johannes nur größer, wichtiger und herrlicher machen. Gott hat beschlossen, daß er nur noch Gott sein will, wenn der Mensch Jesus Gott ist, ohne dieses Menschsein will er nicht Gott sein. Gott ist so frei.
Maria und Elisabeth haben Gottes Freiheit in einmaliger Weise an ihrem eigenen Leib erfahren. Darum sollen wir uns mit ihnen freuen. Ihre Freude ist es, daß Gott Seine Freiheit praktiziert, indem er hält, was Er verspricht. Maria und Elisabeth erleben und erkennen durch ihre Kinder im Mutterleib, daß alles wahr ist, was Gott gesagt hat.
Und Gott tut es so eindeutig und so klar, daß sie ihren eigenen weiblichen Leib und ihre Mutterschaft verleugnen müßten, wenn sie Gott nicht glauben wollten. Gott tut es so, daß sie beide sagen können: „So wahr, wie ich weiß und erlebe, daß in meinem weiblichen Leib ein Kind ist, so wahr, wie ich jetzt Mutter werde, so wahr ist alles, was Gott in seinem Wort versprochen hat.“
Jesus ist diese leibhaftige Freiheit Gottes für dich. Die Materie kann und wird ihn nicht aufhalten. Er wird dir vergeben, von Sünde befreien, und der Tod wird ihn nicht aufhalten.
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in diesem Christus Jesus. Amen.
Beitragsbild: Giotto di Bondone: Mariä Heimsuchung, um 1305