
Pfarrer Johann Hillermann
Das Lamm, das erwürget ist,
ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum,
und Weisheit und Stärke,
und Ehre und Preis und Lob.
Die Gnade unseres HERRN Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes
sei mit euch allen.
Amen.
26 Denn einen solchen Hohenpriester mußten wir auch haben, der heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern geschieden und höher ist als der Himmel.
27 Er hat es nicht nötig wie jene Hohenpriester, täglich zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst opferte.
28 Denn das Gesetz macht Menschen zu Hohenpriestern, die Schwachheit an sich haben; dies Wort des Eides aber, das erst nach dem Gesetz gesagt worden ist, setzt den Sohn ein, der ewig und vollkommen ist.
Hebräer 7, 26-28
Liebe Gemeinde!
Gottes Wort sagt uns, daß Sprachlosigkeit zum Ende der Lüge und der Sünde gehört – so hören wir zum Beispiel im 31. Psalm: „Die Gottlosen sollen zuschanden werden
und hinabfahren zu den Toten und schweigen.“ (V. 18), und in Psalm 113: „Die Toten werden dich, HERR, nicht loben,
keiner, der hinunterfährt in die Stille;
aber wir loben den HERRN
von nun an bis in Ewigkeit.“ (V. 17-18).
Wir haben in diesem Jahr in den Passionsandachten Worte gehört und betrachtet, die Gott durch Seinen Heiligen Geist gegeben und bereitgelegt hat, die dazu dienten, daß die Apostel über den Tod Jesu richtig sprechen konnten, und nicht vor Schreck verstummen und vor Entsetzen über die Bosheit der Menschen – auch über sich selbst! – die Sprache verlieren mußten.
So hörten wir vom Lösegeld, vom Lamm Gottes, von der Sühne, oder besser: Dem Gnadenstuhl, von dem Leidenspsalm 22, und heute abend nun von dem Hohenpriester und dem Opfer.
Der Mensch braucht eine Person, die für ihn spricht.
Eltern sprechen für ihre Kinder, vor allem dann, wenn sie noch nicht selber sprechen können, aber darüber hinaus auch noch eine Zeit.
Menschen, die durch Alter oder Krankheit beeinträchtigt sind, benötigen einen Betreuer, der mit dem Arzt oder mit der Bank für in spricht.
Ein Angeklagter braucht einen Anwalt, der vor Gericht für ihn spricht.
Weil wir schwach und unwissend sind, wie Kinder, gebrechlich wie Alte, und vor allem Angeklagte und Schuldige sind vor Gott, brauchen wir dringend und lebensnotwendig einen Fürsprecher, der für uns vor und zu Gott spricht.
Der Fürsprecher überhaupt im Alten Testament war der Hohepriester. Israel mußte immer einen Hohenpriester haben, der für es vor Gott trat, und betete. Das Gesetz des Mose legte alles genau fest. Einer der 12. Stämme Israels, der Stamm Levi, erhielt keinen Anteil vom verheißenen Land, sondern sollte am Tempel dienen (5. Mose 18, 1; 5. Mose 10, 8). Aus diesem Stamm waren die die Nachkommen Aarons, die als Hohepriester zu dienen hatten (2. Mose 28, 1). Aaron war der Bruder Moses, und hatte von Anfang an die Aufgabe, ein Fürsprecher zu sein, nämlich für seinen Bruder vor dem mächtigen Pharao von Ägypten. (2. Mose 4, 14).
Als Priester, der Menschen repräsentierte, die vor Gott schuldig geworden waren, war eine Fürsprache ohne Opfer nicht möglich. Gott hört nur auf den, mit dem Er in Frieden ist. Weil nur Gott überblicken kann, was ein Sünder durch seine Sünde an Schaden angerichtet hat, kann nur Gott bestimmen, was nötig ist für einen Neuanfang. Daher das Opfer.
Der Hohepriester hatte vor allem die Aufgabe, einmal im Jahr, am Großen Versöhnungstag, als einziger Mensch in das Allerheiligste des Tempels zu gehen und dort Opferblut an den Ort der Begegnung zwischen Gott und Mensch, dem Gnadenstuhl oder Gnadenthron, zu sprengen.
Hinzu kam natürlich auch, daß der Hohepriester selbst als sterblicher Mensch auch für seine eigenen Sünden Opfer darbringen mußte, damit er im Frieden mit Gott diese Fürsprache für sein Volk vollziehen konnte.
Der Hebräerbrief zählt alle diese Schwächen des menschlichen Hohenpriesters auf.
Man war sich auch im Alten Testament schon davon bewußt. So in Psalm 51: „Denn Schlachtopfer willst du nicht, / ich wollte sie dir sonst geben, und Brandopfer gefallen dir nicht.
Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist,
ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ (Psalm 51, 18-19)Dennoch forderte Gott selbst diese Opfer, und nahm sie an. Entscheidend war, daß die Erkenntnis eben auch da war: „An dir allein habe ich gesündigt und übel vor dir getan.“ (Psalm 51, 6).
Nun kann man sich denken: Wer in seinem Gewissen spürt, was er getan hat. Wie er die Güte Gottes mißachtet hat, wie er in seinem Nächsten Gott selbst beleidigt hat, und darüber erschrocken ist – solch ein Mensch kann sich natürlich fragen: Wie kommen diese drei vor Gott zusammen: Ich als Sünder, der Hohepriester, der eine andere Person ist, auch sterblich und ein Sünder wie ich – und dann … ein Tier? Ein Tier, das keine Sünde begangen hat?
Diese drei Elemente konnte nur Gott selbst zusammenhalten, und der Glaube mußte Gott vertrauen, daß es so Sein Wille war.
Der Sünder, der Priester und das Opfer, als Opfertier. Diese drei bestimmen das Alte Testament. Gott hat seinem Volk Israel diese drei über viele Jahrhunderte tief eingeprägt.
Auch alle Apostel, die allerersten Christen, kannten diesen Gottesdienst und lebten darin.
Er lieferte die Kategorien, die Sprache, die der ganzen Menschheit für immer klarmachen konnte und sollte, was am Kreuz auf Golgatha geschah.
Der Hebräerbrief geht ausführlich darauf ein.
In unserem Abschnitt spricht er von Jesus Christus:
„Denn einen solchen Hohenpriester mußten wir auch haben, der heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern geschieden und höher ist als der Himmel.
Er hat es nicht nötig wie jene Hohenpriester, täglich zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst opferte.“
Worauf es mir heute abend ankommt ist die letzte Aussage:
Jesus ist Hoherpriester und Opfergabe zugleich.
Er hat sich selbst geopfert.
In Jesus kommen Hoherpriester, Opfer und Sünder zusammen, ja, sie werden miteinander vereinigt.
Im Alten Testament vollzog der Hohepriester für den Sünder das Opfer. Das Tier starb für den Sünder. Wenn man es genau nimmt: Das Tier weiß von nichts. Aber es muß sterben. Der Priester weiß die Sünde eines anderen, und opfert das Tier. Der Sünder ist schuldig, und weiß es –aber er muß nur glauben, denn der Hohepriester handelt für ihn, und das Opfertier stirbt für ihn.
Im Neuen Testament kommt das alles in einer Person zusammen.
Jesus kommt durch die Anklage und Verurteilung aller Instanzen dorthin, wo der Sünder hingehört, nämlich in die Gottverlassenheit am Kreuz. In Jesu Person kommen Priester, Sünder und Opfer vor Gott zusammen.
Aber Jesus tut das freiwillig, und nicht für sich. Er ist das Opfertier, das weiß, und sich aus Liebe hingibt. Und zugleich ist er der Priester, der das Leben hingibt. Im Johannes –Evangelium sagt der die geheimnisvollen Worte: „Darum liebt mich mein Vater, weil ich mein Leben lasse, daß ich’s wieder nehme. Niemand nimmt es von mir, sondern ich selber lasse es. Ich habe Macht, es zu lassen, und habe Macht, es wieder zu nehmen. Dies Gebot habe ich empfangen von meinem Vater.“ (Johannes 10, 17-18). Er gibt sein Leben hin auf Gebot des Vaters, Gott der Vater liebt ihn dafür, und Gott der Sohn tut es aus Liebe.
Das, was über 1000 Jahre lang in Israel getrennt war, hat Jesus ein für alle Mal in sich vereinigt.
Diese Liebe, diese Hingabe, dieses Opfer spricht ununterbrochen für uns zu Gott.
August Vilmar, ein lutherische Theologe des 19. Jahrhunderts, spricht über den Hohenpriester Jesus Christus: „Er ist nicht ein Fremder für uns; sondern unser eigenes Ich; wir finden für Alles Anklang bei Ihm.“ Christus ist unsere Unschuld, die wir verloren haben, die Er aber wiederbringt, weil er für uns spricht. Mit Ihm kann alles vor Gott vorkommen und erscheinen. Er spricht für uns. Er hat sogar für die Menschen gesprochen, die ihn folterten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34). Unser Glaube ist nichts anderes, als zu sagen: „Jesus, Du sprich für mich, Du bist mein Priester!“
Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.