Peter und Paul

Von | Juni 30, 2024
Von Michelangelo Merisi da Caravaggio - Web Gallery of Art:   Abbild  Info about artwork, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=363483

Pfarrer Johann Hillermann
29. Juni 2022

Gnade sei mit euch und Friede,
von Gott, unserem Vater,
und dem HERRN,
Jesus Christus. Amen.

Darum siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, daß man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat«, sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten geführt hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte.« Denn ich will sie zurückbringen in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe. Siehe, ich will viele Fischer aussenden, spricht der HERR, die sollen sie fischen; und danach will ich viele Jäger aussenden, die sollen sie fangen auf allen Bergen und auf allen Hügeln und in allen Felsklüften. Denn meine Augen sehen auf alle ihre Wege, daß sie sich nicht vor mir verstecken können, und ihre Missetat ist vor meinen Augen nicht verborgen. Aber zuvor will ich ihre Missetat und Sünde zwiefach vergelten, weil sie mein Land mit ihren toten Götzen unrein gemacht und mein Erbland mit ihren Gräueln angefüllt haben. HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not! Die Heiden werden zu dir kommen von den Enden der Erde und sagen: Nur Lüge haben unsere Väter gehabt, nichtige Götter, die nicht helfen können. Wie kann ein Mensch sich Götter machen? Das sind doch keine Götter! Darum siehe, diesmal will ich sie lehren und meine Kraft und Gewalt ihnen kundtun, daß sie erfahren sollen: Ich heiße der HERR.

Jeremia 16, 14-21

Gebet: Lieber himmlischer Vater, wir glauben die eine, heilige, allumfassende und apostolische Kirche – rede zu uns durch das Wort Deiner Apostel und Propheten und erfülle Deine Zusagen an und bei uns. Amen.

Liebe Gemeinde!

Die letzte Juniwoche ist gefüllt mit kirchlichen Tagen. Am 24. Juni ist der Tag der Geburt Johannes des Täufers. Der Vorläufer Jesu, der Fackelträger der Prophezeiung aus dem Alten ins Neue Testament. Am 25. Juni ist der Tag des Bekenntnisses von Augsburg, 1530 – das Bekenntnis des Evangeliums vor der Weltmacht und Weltgeschichte, die Grundlage aller Predigt und Lehre in unserer Kirche – aber als etwas Besonderes, nur für uns, sondern ein Bekenntnis, das es mit jeder Konfession und Kirche aufnehmen will, und bereit ist, sich vor jeder Theologie zu verantworten.

Und heute, am 29. Juni der Tag der Apostel Petrus und Paulus. Die beiden Hauptapostel. Ausgerechnet die beiden müssen sich ihren Ehrentag teilen. Die kirchliche Überlieferung weiß zu sagen, daß beide Petrus und Paulus unter dem Kaiser Nero am selben Tag den Märtyrertod erlitten. Petrus wurde gekreuzigt, mit dem Kopf nach unten, und Paulus – als Römischer Bürger – mit dem Schwert enthauptet. Nero regierte bis 68 nach Christus. Seit dem dritten Jahrhundert gibt es Spuren von diesem gemeinsamen Gedenken in Rom.

Wir wissen gerade genug über Petrus und Paulus, als es dem Evangelium dient. Jesus selbst hat sie beide vollmächtig in Seinen Dienst genommen, zu Seinen auserwählten Werkzeugen gemacht. (Apostelgeschichte 9, 15). Petrus war erschrocken und sagte: HERR, gehe hinaus von mir, ich bin ein sündiger Mensch! – und Jesus antwortete: „Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.“ (Lukas 5, 10). Nach der Auferstehung fragte Jesus Petrus dreimal: „Simon, Sohn des Jonas, hast du mich lieb?“ – Und zu dem „Ja“ des Petrus sagte Jesus: „Weide meine Schafe, weide meine Lämmer!“ (Johannes 21).

Paulus war der unwahrscheinlichste Apostel. Ein Feind Jesu, ein Verfolger der Kirche. Mit allen Argumenten. Paulus hatte studiert, hatte alle Antworten, kannte sich aus. Ebenso wenig wie Petrus hatte er sich um den Posten „Apostel“ beworben. Dann stellt sich der Auferstandene Jesus dem Saul in den Weg. Er wird Christ und Apostel. Petrus und Paulus haben Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen verkündigt, und zwar so, daß ihre Worte und Gedanken, ihr Zeugnis, bis heute von Gott gesegnet sind: Sie schaffen Glauben, sie verbinden mit Jesus, sie rufen weg von falschen Göttern, sie öffnen die Augen für Gottes Gaben und für den Nächsten und wecken selbstlose Liebe. Petrus und Paulus waren Kinder ihrer Zeit – was sonst? Doch ihr Zeugnis gilt durch alle Zeiten bis ans Ende der Zeiten, weil es einmalig ist.

Durch dieses Zeugnis kommt Jesus zu uns. Ihr Zeugnis vermittelt nicht nur das, was Jesus gesagt hat, sondern auch genau das, was Jesus an ihnen getan hat. Beide Petrus und Paulus hat Jesus zu absoluten Anfängern gemacht, so sehr, daß sie erst dann den nächsten Schritt gingen, wenn Jesus ihnen den Schritt zeigte. Dieser Neuanfang, diese Neue Geburt, begleitet jedes Wort und jede Tat der Apostel. Ihr Zeugnis bewirkt die Neue Geburt, Gottes Neuanfang bei ihren Schülern. Beide Petrus und Paulus haben von Jesus gesprochen, indem sie die Heilige Schrift des Alten Testaments auslegten. Gott hatte schon gesprochen. Ein Apostel vergißt das nie. Was Gott schon gesprochen hatte, das hat zu Christus geführt, und wird immer wieder aufs Neue zu Christus führen. Darum hören wir heute den Propheten Jeremia.

Auch diese Worte haben zu Jesus geführt. Sein Geist hat sie eingegeben, Jesus ist der Herr dieser Worte.

Darum siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, daß man nicht mehr sagen wird: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten aus Ägyptenland geführt hat«, sondern: »So wahr der HERR lebt, der die Israeliten geführt hat aus dem Lande des Nordens und aus allen Ländern, wohin er sie verstoßen hatte.« Denn ich will sie zurückbringen in das Land, das ich ihren Vätern gegeben habe.

Hier ist das Neue Testament im Alten. Das Israel des Alten Testaments war seinem Gott untreu geworden. Andere Götter waren faszinierender, praktischer, aussichtsvoller gewesen. Die Folgen waren Zerstörung und Demütigung. Der Alte Bund sagte: Tu das, so wirst du leben. Tust du es nicht, dann wirst du erfahren, daß du Gott verlassen hast. Das mußte Jeremia unter Schmerzen dem Volk Israel immer wieder sagen. Das ist aber nicht alles: Zur Botschaft des Jeremia gehörte ebenso auch: Ein neuer Bund kommt, ein Neues Testament, eine neue Grundlage für die Begegnung zwischen Gott und Mensch – Gott wird sein Volk aufs neue sammeln. Und das auf einer neuen Grundlage. Gott wird die Verstoßung aufgrund von Schuld beenden. Dieser neue Bund ist im Neuen Testament in Kraft getreten.

Schon das Alte Testament ist offen für das Neue Testament. „So wahr der HERR lebt“ – das heißt: Gott wird darin zeigen, daß er Gott ist, und wie er Gott ist. Nämlich in der Vergebung. Das hat Jesus gebracht.

Siehe, ich will viele Fischer aussenden, spricht der HERR, die sollen sie fischen; und danach will ich viele Jäger aussenden, die sollen sie fangen auf allen Bergen und auf allen Hügeln und in allen Felsklüften. Denn meine Augen sehen auf alle ihre Wege, daß sie sich nicht vor mir verstecken können, und ihre Missetat ist vor meinen Augen nicht verborgen. Aber zuvor will ich ihre Missetat und Sünde zwiefach vergelten, weil sie mein Land mit ihren toten Götzen unrein gemacht und mein Erbland mit ihren Gräueln angefüllt haben.

Hier hören wir die Anknüpfung für heute. Jesus sagt ja zu Petrus bei seiner Berufung: „Von nun an sollst du Menschen fangen“, oder „Ich will euch zu Menschenfischern machen.

Bei Jeremia ist das noch bedrohlich. Menschen wollen sich nicht finden lassen. Sie verstecken sich, wie Adam und Eva nach dem Sündenfall im Paradies. Sie schämen sich vor Gott, sie ahnen, daß es in ihrem Leben anders werden muß. Sie verstecken sich vor Gott, wie ein Kind, das die Hände vor die Augen hält und meint, es sei unsichtbar. Ein Sünder bemüht sich, vor Gott zu sagen: Ich bins nicht, ich wars nicht, das bin ich nicht. Er flieht, er verbirgt sich vor Gott. Und merkt nicht, daß er sich damit zugleich vom Leben abtrennt. Darum schickt Gott Fischer und Jäger aus. Die Sünder sollen nicht in ihrem Versteck bleiben. Mit der Predigt von Gottes Zehn Geboten werden sie vor Gott gerufen und vor Gott gestellt. Warum soll die Sünde „zwiefach vergolten“ werden? Ein Schmerz ist doppelt, wenn mir klar wird, was ich angerichtet habe, wenn ich erkenne, daß ich gegen Gott war. Ein Leiden wird schwerer, wenn mir bewußt wird, daß ich mit meinem Tun anderen den Glauben schwer gemacht habe. Petrus und Paulus mußten beide auch ihre Schuld mit Schmerzen erkennen und durchleiden. Dann wurde ihnen klar, was Vergebung ist.

Tote Götzen und Greuel. Sünder verehren die Geschöpfe mehr als den Schöpfer (Römer 1, 25). Sie wollen Gottes Gaben besitzen ohne Regeln. Wenn das geschieht, dann gibt es kein Halten mehr. Man wendet sich von Gott ab und kommt unter die unbarmherzige Macht von Götzen. Götzen kann man nicht bitten, und ihnen nicht danken. Sie hören nichts und sagen nichts (siehe Psalm 115!). Und doch sind sie eine Realität und richten Schaden an. Sie belasten das Land. Gottes Gaben werden nicht mehr erkannt. Das ist kein neutraler Zustand. Früher meinte man: Was ist schon dabei? Scheidung ist manchmal unvermeidbar! – Und heute: Die Ehe liegt am Boden. Sie kann offen verachtet werden. Immer weniger Gesetze schützen sie. Was früher gemeinsam in der Gesellschaft gelang, weil man die Treue der Ehe öffentlich anerkannte, das muß jetzt jeder individuell erkämpfen, wenn er es kann. Es ist eine Überforderung.

Bei Überforderung führt schon das Alte Testament, in dem der Heilige Geist schon gesprochen hat, der Geist Jesu, ins Gebet: „HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“ – Paulus und Petrus konnten nur aus dem Gebet heraus Apostel sein. Alles in Gottes Hand legen, alles von ihm erbitten. Beide Petrus und Paulus mußten ganz bewußt mit dem Evangelium über die Grenzen Israels hinausgehen. Das war im Alten Testament schon angekündigt:

Die Heiden werden zu dir kommen von den Enden der Erde und sagen: Nur Lüge haben unsere Väter gehabt, nichtige Götter, die nicht helfen können. 20 Wie kann ein Mensch sich Götter machen? Das sind doch keine Götter!

Zu Jesus kommen heißt: Götter verlassen. Das Evangelium hören heißt: Einsehen, daß man von falschen Götzen betrogen wurde – ja, daß man sich selbst betrogen hat. Daß Menschen ich Götter machen, ist der Normalfall. Das, woran du dein Herz hängst, die falsche Unendlichkeit, die dir Sicherheit gibt, das ist dein Gott. Jesus wird das nicht bestätigen. Das mußten die Apostel sagen. Sie gingen auf der Spur dieser Worte aus dem Propheten Jeremia.

Darum siehe, diesmal will ich sie lehren und meine Kraft und Gewalt ihnen kundtun, daß sie erfahren sollen: Ich heiße der HERR.

Im Alten Testament ist Kraft und Gewalt oft militärische Gewalt, oder Naturgewalt. Im Neuen Testament ist die eigentliche Kraft und Gewalt Gottes: „Diesmal will ich sie LEHREN“ – also predigen lassen, Gottes Wort auslegen – ohne Androhung von Gewalt. Kein Apostel hat Gewalt angedroht, niemandem. Im Gegenteil, sie sind als Märtyrer gestorben. Sie sollen erfahren: Ich heiße der HERR – also durch diese Lehre werden sie nicht nur etwas ÜBER Gott erfahren, sondern ihm selbst begegnen. Es wird eine Sache zwischen dir und Gott. Dazu sind Petrus und Paulus ihren Weg gegangen.

Der Friede Gottes, der höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.