3. Advent

Von | Dezember 24, 2024
3. Advent

Pfarrer Johann Hillermann
17.12.2023

Gnade sei mit euch und Friede,
von dem, der da ist, und der da war,
und der da kommt;
Jesus Christus, welcher ist der wahrhaftige Zeuge,
der Erstgeborene von den Toten,
und ein Fürst über die Könige auf Erden.
Amen.

2 Als aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger
3 und ließ ihn fragen: Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?
4 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht:
5 Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt;
6 und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.

Matthäus 11, 2-6

Gebet: HERR, segne Dein Wort an unseren Herzen. Amen.

Liebe Gemeinde!
Johannes der Täufer ist schon eine unheimliche Gestalt. Er lebt in der Wüste – von Heuschrecken und wildem Honig. Er trägt Kleider aus rauhem, hartem Kamelhaar. Und er ist alles andere als ein Schmeichler. Als die Besten, als die Elite Israels zu ihm kommt, um seine Predigt zu hören wirft er ihnen an den Kopf: „Ihr Otterngezücht! Wer hat euch weisgemacht, daß ihr dem Gericht Gottes entrinnen werdet? Fangt doch endlich mal richtig an! Tut endlich was Brauchbares für Gott! Denkt nur nicht, daß ihr für Gott unersetzlich seid! Gott kann sich aus diesen harten toten Steinen Kinder erwecken!“ Also: er ist komplett unbestechlich!
Sein ganzes Dasein hat nur den einen Sinn: Das Volk Israel vor Gott zu stellen, so daß es nicht ausweichen kann. Und zwar so vor Gott zu stellen, daß jeder merkt: O Gott! Was wird aus mir? Du lieber Gott! Bitte sei mir Sünder gnädig!
Das ist die schwerste Aufgabe jedes Predigers. Nehmt das einem Prediger ab!
Eine undankbare Aufgabe. Aber nicht nur das!
Johannes mußte immer von sich weg auf einen anderen zeigen. Die Massen kamen ja zu ihm. Seit dem letzten Propheten Maleachi, der 500 Jahre früher Gottes Wort sagte, war Johannes der erste, durch den Gott wieder alle Israeliten unter sein Wort brachte. Also eine epochale Persönlichkeit! Er hätte alle an sich binden können, etwas für sich aufbauen.
Doch nein! „Ich bin nicht Christus, nicht der Messias!“, muß er sagen. „Der nach mir kommt, ist größer als ich. Ich bin nicht einmal würdig, seine Schuhe aufzubinden.“
Also: Undankbare Aufgabe: Buße predigen. Dann: Von sich weg auf den Kommenden zeigen.
Und dann auch noch für seine Predigt ins Gefängnis kommen.
Der Fürst Herodes hatte seinem Bruder die Frau weggenommen. Weil er es konnte. Johannes widersprach öffentlich. „Ich zeige dir, wer hier das Sagen hat!“, sagte Herodes und verhaftete ihn.
Das hat Johannes also von seinem ganzen selbstlosen Einsatz: Fesseln.
Doch er hatte Jesus getauft. Er war Zeuge der Stimme vom Himmel: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!“ – Johannes hatte auf Jesus gezeigt: „Das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ Als er hörte, daß Jesus Jünger um sich sammelte, sagte er: „Das neue Volk Gottes beginnt. Meine Freude ist vollkommen.“
Johannes bleibt uns unheimlich. Daß Gott endlich Seine Versprechen an Israel erfüllt, das ist für ihn eine größere Realität, als sein Gefängnis.
Wir hören jetzt, daß Johannes im Gefängnis „die Werke des Messias hörte“. Man sprach von Jesus. Von Predigten, die völlig anders waren. Von Heilungen.
Aber eins hörte Johannes nicht: Er hörte nichts vom Feuer. Er hatte ja gesagt: „Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; aber der nach mir kommt, der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Es ist die Axt den Bäumen schon an die Wurzeln gelegt. Welcher Baum nicht gute Frucht bringt, der wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Der nach mir kommt, wir das Stroh vom Weizen trennen. Der Weizen wird gesammelt und gesichert, aber das Stroh wird verbrannt.“ Gericht. Davon hörte Johannes nicht! Sollte Jesus nicht dem Herodes drohen, und sich öffentlich zu Johannes bekennen? Hatte Johannes dies alles nicht für Jesus auf sich genommen?
Wird der Messias nicht aufräumen in großem Stil? Wo bleibt das Machtwort? Wann kommt der große Auftritt gegen alle Verkommenheit und alle Einbildung und alle Verlogenheit?
Jeder, der an Gott glaubt, wird sich das einmal fragen! Eine heilige Ungeduld, ein heiliger Zorn über all das Böse, das sich nicht schämt, und wie Herodes nicht nur öffentlich Gottes Gebote übertritt „weil er es kann“, sondern auch jeden Widerspruch einsperren läßt, „weil er es kann“, und für dieses „Können“ auch noch bewundert und gefürchtet wird!
Wo ist Gott?!
Darum die Frage: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Johannes schickt seine Jünger. Sie sollen Jesus selbst fragen. Johannes will es wissen!
Jesus antwortet diese Frage so unerwartet anders. Seine Antwort ist wie eine aufgehende Sonne, die die Frage wie nächtliche Schatten vertreibt. Jesus antwortet aus eine himmlischen Freiheit heraus. Er antwortet aus der Fülle und der Gewißheit; nicht aus dem Mangel und aus dem Zweifel.
Jesus antwortet, wie ein König. Denn er läßt für sich reden. „Geht hin,“ sagt er zu den Beauftragten des Johannes, „Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht.“ Jesus macht diese Johannesjünger selber zu seinen Zeugen. Er liefert keine Argumente, sondern fordert sie auf, das zu berichten, was sie selber sehen und hören. Wenn sie also zu Johannes zurückkommen, dann werden sie im Auftrag Jesu, unter dem Schutz seiner Macht und von Jesus inspiriert mit Johannes sprechen. Aber was?
Ja. Und jetzt läßt Jesus das ganze Alte Testament für sich sprechen. Er nimmt Weissagungen aus dem Buch des Propheten Jesaja, und mit diesen Worten läßt er Johannes dem Täufer sagen, was da passiert.
„Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt.“
Johannes, du suchst das Feuer des Gerichts. Du suchst die Stirn gegen Herodes. Doch wer sagt denn, daß das Gericht denen helfen wird, die wirklich Hilfe brauchen? Wird das große Aufräumen den Blinden, Lahmen, Aussätzigen, Tauben, den Armen, und gar den Toten irgend etwas bringen?
Liebe Gemeinde! Jesus antwortet sehr überlegen. Jeder von uns würde um Vergeltung, Abrechnung und reinen Tisch machen bitten! Doch Jesus weiß: Das ist noch keine Hilfe.
Jesus fängt in göttlicher Freiheit mit der Hilfe an. Seine Hilfe fängt nicht erst nach dem großen Aufräumen an, sondern Jetzt.
Das muß Johannes glauben und erkennen.
Jesus zitiert Worte aus Jesaja.
In Kapitel 29 heißt es dort:
„Zu der Zeit werden die Tauben hören die Worte des Buches, und die Augen der Blinden werden aus Dunkel und Finsternis sehen; und die Elenden werden wieder Freude haben am Herrn, und die Ärmsten unter den Menschen werden fröhlich sein in dem Heiligen Israels.“
Und in Kapitel 35: „Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden.
Dann werden die Lahmen springen wie ein Hirsch, und die Zunge der Stummen wird frohlocken.“
Ja auch über die Totenauferweckung hören wir schon bei Jesaja im 26. Kapitel:
„Deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen. Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Toten herausgeben.“
Das alles läßt Jesus für sich reden. Er braucht keine eigenen Worte. Ja, man kann sagen: Er läßt Gott selbst für sich reden.
Es ist ganz entscheidend, wie Jesus antwortet.
Das Reich Gottes ist mit ihm ganz da. Er ist der Anfang. Jesus Gottes Anfang mit jedem Menschen. Jesus ist nicht abhängig von einer großen Revolution, von einer erschütternden Umwälzung aller Umstände, von einem Reset, den Menschen erst alle vollziehen müssen. Bei Jesus kommt jede Revolution zu spät. Er ist schon da. Er heilt schon, er tröstet schon, er verbindet schon mit Gott, Er bringt schon die Gnade, er schafft Vergebung, während die Pharisäer und Schriftgelehrten noch Programme entwerfen, wie ein ideales Israel aussehen soll.
Liebe Gemeinde. Jeder Christ steht in der Versuchung, „auf einen anderen zu warten“. Was heißt das?
Man hört das Evangelium. Man hört die Einladung zur Taufe, zur Beichte, zum Abendmahl. Man hört Gottes Wort. Man erlebt die Gemeinde, die Kirche.
Und dann denkt man: Der richtige Anfang kommt erst noch. Es muß noch irgend etwas geschehen, was mich umwirft.
Doch Jesus hat schon angefangen. Deine Taufe ist schon längst der Anfang, den du suchst. Mit dem Evangelium, das du hörst, will und wird Gott wirklich alles tun, was Er versprochen hat. Er hat schon damit angefangen. Du bist schon in Gottes Anfang drin.
Ach ja, wirklich?
Kann sein: Daß deine Augen aufgetan werden müssen, für Gottes Gaben und Taten. Aber sie sind schon da.
Kann sein: Daß deine Ohren nochmal extra geöffnet werden müssen für das Wort des Lebens. Aber sie sind schon da.
Kann sein: Daß du lahm, träge und unbeweglich bist, auf Gottes Wegen zu gehen. Deinen Egoismus zu überwinden. Aber Gott hat schon angefangen damit.
Kann sein, daß deine Schuld dich von anderen isoliert, oder eine Verletzung. Aber die Heilung beginnt jetzt. Jesus ist dein Anfang mit Gott.
Es gibt kein Zurück mehr. Jesus ist übersetzt: Für dich bin ich Kein Zurück Mehr. Das geht jetzt weiter bis zur Auferstehung der Toten. Du sitzt in diesem Zug, und er ist losgefahren.
Mit dem Glauben fängt das alles an.
So werden die Jünger des Johannes mit Johannes gesprochen haben. Und ihre Worte sind noch nicht aus der Welt. Johannes trug sie in sich, als Herodes ihn dann enthaupten ließ. Doch seine Freude blieb vollkommen.
Liebe Gemeinde! Das will einem alles unwirklich vorkommen. Jesus wußte das. Darum schickt er dem Johannes noch hinterher:
„Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert.“ Es ist genug, wenn man an Jesus nicht irre wird. Denn den Rest übernimmt er selbst. Jesus weiß doch, wie schwer wir uns tun. Also: Nur nicht ärgern. Also: Nicht sich verschließen. Nicht es besser wissen. Nicht an die Macht des Bösen glauben, auch bei einem selbst nicht! Wenigstens das! Wenigstens nicht sich an Jesus ärgern. Das an sich ist schon ein Wunder. Denn dazu muß man alle Selbstgerechtigkeit hinter sich lassen, alle Ansprüche an Gott, alle Erwartungen an seine Mitmenschen, alle Urteile über sich und andere aus seinen Kopf tun. Ja, auch wie Johannes der Täufer, sich vom eigenen Gefängnis nicht bestimmen lassen, sondern von dem, was wir von Jesus hören und sehen. Amen.

Der Friede Gottes, welcher höher ist, als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.