Predigt: 12. 5.2024
Pfarrer Johann Hillermann
Beitragsbild: Fragment von Johannes 16,22-30 auf der Rückseite des Papyrus 5, geschrieben um ca. 250 n. Chr.
Gnade, Barmherzigkeit, Friede
von Gott, dem Vater
und von dem HERRN Jesus Christus
sei mit euch. Amen.
5 Jetzt aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wo gehst du hin?
Johannes 16, 5-15
6 Doch weil ich dies zu euch geredet habe, ist euer Herz voll Trauer.
7 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, daß ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, werde ich ihn zu euch senden.
8 Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;
9 über die Sünde: daß sie nicht an mich glauben;
10 über die Gerechtigkeit: daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
11 über das Gericht: daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.
12 Ich habe euch noch viel zu sagen; aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen.
13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in aller Wahrheit leiten. Denn er wird nicht aus sich selber reden; sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen.
14 Er wird mich verherrlichen; denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen.
15 Alles, was der Vater hat, das ist mein. Darum habe ich gesagt: Er nimmt es von dem Meinen und wird es euch verkündigen.
Gebet: HERR Jesus Christus, sende uns vom Himmel herab Deinen Heiligen Geist, der uns zeigt, was Du für uns getan hast. Amen.
Liebe Gemeinde!
Was tut der Heilige Geist, also der Atem Gottes?
Er macht, daß Menschen nicht aufhören, von Herzen zu sagen: Es ist gut, was Jesus getan hat; alles, was Jesus getan hat, ist das Beste, was der Menschheit hätte passieren können, daß Beste, was der gesamten Menschheit geschehen ist und geschehen wird.
Das ist keine Übertreibung. Gott, der Heilige Geist, hat alles im Himmel und auf der Erde zu Seiner Verfügung, Jesus zu verherrlichen.
Jesus selbst hat Ihn dazu gesandt.
Er ist der Tröster. Er Tröstet alle, die alles verlieren, wenn sie Jesus verlieren. Der Heilige Geist macht, daß nichts von Jesus verlorengeht. Damit meine ich nicht, daß man wie eine vollständige Briefmarkensammlung alle wichtigsten Sprüche und Taten beisammen hat. Sondern der Heilige Geist macht, daß alles von Jesus so da ist, daß ein ICH da ist. Jesus sagt: „Er wird M I C H verherrlichen.“
Die niedrigste Stufe der Herrlichkeit ist, daß wir Jesus zur Kenntnis nehmen, und nicht vergessen. Jesus, Sein Name, Sein Kreuz – ist nicht aus der Welt zu schaffen. Damit geht es aber erst los.
Der Heilige Geist erinnert nicht nur an Jesus, sondern Er verbindet Menschen so mit Jesus, daß sie alles an Ihm haben, was auch die Apostel an Jesus hatten. Das ist Verherrlichen, und das geschieht. Denn wo Jesus herrlich ist, da ist Kirche, da sind Christen. Wo Menschen dankbar sagen: Jesus mußte als Mensch geboren werden. Jesus mußte das sagen, was Er gesagt hat, jedes einzelne Wort. Jesus mußte das Verloren suchen und finden. Jesus mußte mit den Mächten der Lüge auf Konfrontation gehen.
Das tut der Heilige Geist, und der Heilige Geist hat keine Ruhe, im Gegenteil: Der Heilige Geist ist Gottes höchsteigene Unruhe, die nicht Ruhe gibt, bis alle Zungen bekennen: Wie gut, daß Jesus gestorben ist, das mußte so kommen, daß mußte sein! Wie gut, daß genau dieser Jesus genau nach diesem Tod am Kreuz NICHT im Grab geblieben ist. Das mußte so sein.
Das ist die Herrlichkeit Jesu, daß du und ich von Herzen mit tiefem Frieden und innerer Überzeugung zu dem gesamten Weg Jesu JA sagen. „Ja“ deshalb, weil das der Weg ist, der uns heil macht.
Dieses JA ist uns Menschen nicht angeboren.
Jesus kündigt die Heiligen Geist, diese Unruhe Gottes, an in der Nacht vor Seiner Kreuzigung, unmittelbar vor der Verhaftung und dem Todesurteil.
Dazu konnten die Jünger nicht JA sagen. Sie konnten nicht sagen: Das ist gut! Das ist gut für mich und für alle Menschen.
Im Gegenteil. Das war überhaupt nicht einzusehen. Das Kreuz ist kein Segen, sondern ein Fluch. Dieser Weg Jesu in den Tod ist ein Weg in die Vernichtung. Alles, was Jesus gelehrt hat, würde dadurch vor den Augen der Menschheit für alle Zeiten widerlegt werden. Das war ja auch die Absicht.
Darum sind die Jünger ja auch traurig und sprachlos. „Euer Herz ist voll Trauer, und niemand fragt mich: Wo gehst du hin?“.
Das kann nicht gut sein!
Jesus, der Gottes Güte auftut vor den Augen und Herzen der Menschen, soll zum Fluch gemacht werden?
Jesus, der Gottes Willen wieder aus aller Komplikation der menschlichen Diskussionen wieder schlicht gelehrt hat – soll Seine Stimme ausgelöscht werden?
Jesus, der keinen aufgibt, sondern das Verlorene sucht und findet und in Gottes Freude hineinträgt – soll der selber verloren sein?
Alles in den Jüngern sagte dazu NEIN.
Jesus sagt: Es ist anders. Der Weg vor mir ist der Weg zum Vater, zu Gott, meinem Vater. Diesen Weg gehe ich in Liebe zu euch und im Gehorsam zu meinem Vater. Ihr werdet dazu noch JA sagen.
Es ist euch gut, daß ich zu dem gehe, der mich gesandt hat. Diese Sendung, dieser Auftrag Gottes des Vaters ist die Energie des Weges Jesu. Solange Jesus dieser Sendung gehorsam ist, ist Gott da, ganz da in allem, was Jesus tut und – das ist das große Geheimnis: Gott ist vor allem ganz da in allem, was Jesus erleidet. Darum ist der Weg Jesu ganz anders, als der Weg aller anderen Menschen. Sein Weg ist Gottes eigener Weg zu uns Menschen und mit uns Menschen.
„Ich gehe hin“ sagt Jesus. Vor den Augen der Welt wird Er ans Kreuz gebracht, begraben.
Doch das ist nicht das Ziel. Jesus geht zu Seinem Vater aus dem Grab heraus, bis zur Himmelfahrt. Dann ist er ganz bei Seinem Vater, als Gottes Sohn, ganzer, wahrer Gott zur Rechten Gottes des Vaters, als Machthaber über Himmel und Erde. Von ganz unten nach ganz oben.
Jesus sagt: Ich gehe meinen Weg bis ans Ziel. Aber es ist mein Weg für euch, damit ihr auch ans Ziel kommt.
Damit ihr ans Ziel kommt, liebe Jünger, werde ich den Tröster zu euch schicken. Den Heiligen Geist. Er wird mich und meinen Weg euch so vor Augen halten, daß NICHTS von mir verlorengehen wird. Er wird euch an ALLES erinnern und euch in ALLE Wahrheit leiten.
Der Heilige Geist zeigt, daß es gut ist, daß Jesus „zum Vater geht“ – er zeigt, daß der Tod Jesu eine gewaltige, nie dagewesene Kampfhandlung war, und keine Niederlage. Denn am Kreuz und in Seinem Leiden hat Er die Anklage von Gottes Gesetz auf sich gezogen, damit diese Anklage dich und mich nicht vor Gott in Frage stellt. Damit nicht bewiesen werden kann: Du verdienst den Segen nicht. Du hast mit deinen Gedanken, Worten und Werken bewiesen, daß du das Leben nicht verdienst. Das ist das Gute, von dem Jesus spricht, wenn er sagt: Es ist euch gut, daß ich hingehe. Durch meine Wunden seid ihr geheilt. (vgl. Jesaja 53, 5). Mein Tod ist euer Leben.
Dazu sagen wir im Glauben JA. Dieses JA ist möglich, weil Gottes heilige Unruhe, der Tröster, der Heilige Geist, uns Jesus in diesem Licht zeigt. Daß wir erkennen: Es geht da um mich. Um meine Sicherheit bei Gott.
Darum können und müssen Christen immer wieder aufs neue Gott bitten, daß der Heilige Geist kommt. Ohne den Heiligen Geist steckt in uns nur ein NEIN zu dem Kreuz. Darum muß er kommen und uns zusprechen, trösten, uns gegen unsere eigenen Zweifel verteidigen, gegen alles, was uns in Frage stellt, anklagt.
Das ist gut für uns. Gut in Ewigkeit. Darauf können wir uns verlassen. Wichtig ist folgendes: Gott gibt den Heiligen Geist nach einer Ordnung. Durch äußerliche Mittel, auf die wir als leibliche, gebrechliche Menschen uns beziehen können. Das wichtigste Mittel ist die Predigt. Gottes Wort in einer menschlichen, lebendigen Stimme einer Person, die dazu beauftragt ist. Gott gibt Seinen Geist auch durch die Sakramente: Taufe und Abendmahl. Das sind die Gnadenmittel. Der Heilige Geist kommt immer so, daß Gott unsere Aufmerksamkeit von uns selbst, von unserem Inneren, wegzieht und ruft, so daß wir ganz bei dem sind, was Er sagt und tut. Der Heilige Geist verherrlicht Jesus so, daß Er Gottes Wort gibt. Die Heilige Schrift; die wird öffentlich ausgelegt. Sie zeigt uns Jesus – vor allem Jesus als den, der für uns armen, verzweifelten, verführten Sünder das Opfer bringt und für uns kämpft. Das ist die Herrlichkeit. Denn Jesus ist nicht für sich selbst, zum eigenen Genuß herrlich, sondern Er will nur herrlich sein, wenn Er uns herrlich macht.
Bis jetzt haben wir darüber gehört, was der Heilige Geist in der Kirche, in der Gemeinde, in dem Herzen des Christen tut.
Das ist ein wunderbarer Schatz, ein wertvolles Wunder.
Jetzt kommt aber eine Dimension, die unbedingt dazugehört. Und das ist die öffentliche Dimension.
Jesus sagt, was der Heilige Geist weiter tut:
„Wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht;
über die Sünde: daß sie nicht an mich glauben;
über die Gerechtigkeit: daß ich zum Vater gehe und ihr mich hinfort nicht seht;
über das Gericht: daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.“
Was an dir und mir im Herzen durch den Glauben passiert ist Teil eines kosmischen Geschehens, das nicht groß genug gedacht werden kann.
Der Heilige Geist – in der Weise, die ich oben beschrieben habe, also durch Wort und Sakrament – tritt der Welt gegen über, dem Kosmos. Er stellt die ganze Welt vor Jesus. Hier ist Gott unruhig, und der Heilige Geist ist diese göttliche Unruhe, bis alle Jesus recht geben müssen. Denn was hilft unser Glaube an Jesus, wenn am Ende gesagt wird: Das war alles ein Fehler! Oder, es gibt etwas Neues! Oder: Die Anklage des Gesetzes hat doch mehr Recht über dich!
Nein. Jesus Christus – der ganze Christus des Neuen Testaments, wie in die Apostel unter der allmächtigen Leitung des Heiligen Geistes gepredigt haben, Er hat Gottes Kinder in Sicherheit gebracht.
Wir wissen, daß Jesus ja nicht von allen mit offenen Armen begrüßt und aufgenommen wurde. Jesus hatte erbitterte Feinde. Sie hatten keine Ruhe, bis Er beseitigt war, am Kreuz. Sie hatten keine Ruhe, bis nicht jedes Wort von Ihm widerlegt war, bis nicht jedes Wunder lächerlich gemacht war, bis Sein Name ausgelöscht und nur noch als Fluch im Gedächtnis blieb.
Die Passionsgeschichte führt uns das vor Augen. Im Namen Gottes, im Namen des Gesetzes, im Namen des Volkes, im Namen des Friedens wurde Jesus gekreuzigt.
Der Heilige Geist wird diesen Repräsentanten der Welt beweisen, die Augen darüber auftun: Damit habt ihr Gott selbst Unrecht getan. Nicht an Jesus glauben: Das ist nicht eine private Geschmacksentscheidung, sondern schuldhafte Entscheidung gegen Gott. Der Heilige Geist offenbart das. Als die Jünger am Pfingsttag den Heiligen Geist empfangen hatten, taten sie in ihrer Predigt genau das. Petrus sagte den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und Pharisäern: „Diesen Mann, der durch Gottes Ratschluß und Vorsehung dahingegeben war, habt ihr durch die Hand der Ungerechten ans Kreuz geschlagen und umgebracht. Den hat Gott auferweckt und hat ihn befreit aus den Wehen des Todes, denn es war unmöglich, daß er vom Tod festgehalten wurde.“ (Apostelgeschichte 2,23-24).
Das war tödlich. Es ging den Hörern durchs Herz. Sie standen ratlos vor Gott. Doch Gott war nicht ratlos. Er rief sie zur Taufe im Namen Jesu.
Damit wird das zweite klar: Jesu Gang zum Vater bringt Gerechtigkeit. Die Welt wollte Jesus loswerden in aller Form. Und glaubte sich im Recht. Die Welt wird immer so sein. Wo Jesus herrlich ist, das hält die Welt nicht aus. Auch heute nicht. Doch der Heilige Geist zeigt: Gott bringt dich zurecht durch Vergebung. Durch die Vergebung, die Jesus geschaffen hat, als er durch den Tod zu Seinem Vater ging, der ihn gesandt hat. Jesu Tod bringt uns in Sicherheit. Durch Seine Wunden sind wir geheilt.
Und das dritte ist das Größte: „Das Gericht, daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist.“ Das ist die unsichtbare Dimension der Welt. Jesus war in allem was Er tat, sagte, und vor allem auch in Seinem Leiden, in Konfrontation mit dem Teufel. Er nennt ihn den Fürst dieser Welt. Er ist der Verführer. Er ist der, der den Menschen einredet: Mit Gott lohnt sich das nicht. Er regiert durch Illusion und Lüge, er gibt deinem Begehren sofort Recht, um dich an sich zu binden und von Gott zu trennen. Es war der Fürst dieser Welt, der Menschen dazu verführte, Jesus in den Tod zu bringen. Da war Gott selbst bei den Menschen, und die Menschen haben ihn nicht nur nicht erkannt, sondern verstoßen. Eine schreckliche Verführung.
Der Heilige Geist ist Gottes Unruhe gegen diese Verführung und Lüge.
Liebe Gemeinde. Der Heilige Geist hat keine Ruhe, bis er aufdeckt, daß hinter den persönlichen, privaten Entscheidungen gegen Jesus nicht gleichberechtigte Ideen oder Gedanken sind, sondern Wirkungen des Fürsts dieser Welt. Es gibt diesen realen bösen Willen, der betreibt, daß Menschen Jesus nicht erkennen und ihm nicht glauben, sondern irgend etwas anderem.
Der Heilige Geist zeigt an Jesus: Der Fürst dieser Welt hat schon verloren. Er wird nicht Recht behalten.
Das ist eine unheimliche unsichtbare Dimension unseres Glaubens. Aber sie ist notwendig. Es muß und wird feststehen, daß „weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HERRN.“ (Römer 8, 38-39)
Amen.
Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Amen.