7. Sonntag nach Trinitatis

Von | August 14, 2024
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Pfarrer (im Ehrenamt) Sebastian Stork
Predigt am 14. Juli 2024

Gnade sei mit euch
und Friede von Gott unserem Vater
und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

2 Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten wider Mose und Aaron in der Wüste. 3 Und die Israeliten sprachen: Wollte Gott, wir wären in Ägypten gestorben durch des HERRN Hand, als wir bei den Fleischtöpfen saßen und hatten Brot die Fülle zu essen. Denn ihr habt uns dazu herausgeführt in diese Wüste, dass ihr diese ganze Gemeinde an Hunger sterben lasst. 11 Und der HERR sprach zu Mose: 12 Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sage ihnen: Gegen Abend sollt ihr Fleisch zu essen haben und am Morgen von Brot satt werden und sollt innewerden, dass ich, der HERR, euer Gott bin. 13 Und am Abend kamen Wachteln herauf und bedeckten das Lager. Und am Morgen lag Tau rings um das Lager. 14 Und als der Tau weg war, siehe, da lag’s in der Wüste rund und klein wie Reif auf der Erde. 15 Und als es die Israeliten sahen, sprachen sie untereinander: Man hu? Denn sie wussten nicht, was es war. Mose aber sprach zu ihnen: Es ist das Brot, das euch der HERR zu essen gegeben hat. 16 Das ist’s aber, was der HERR geboten hat: Ein jeder sammle, so viel er zum Essen braucht, einen Krug voll für jeden nach der Zahl der Leute in seinem Zelte. 17 Und die Israeliten taten’s und sammelten, einer viel, der andere wenig. 18 Aber als man’s nachmaß, hatte der nicht darüber, der viel gesammelt hatte, und der nicht darunter, der wenig gesammelt hatte. Jeder hatte gesammelt, so viel er zum Essen brauchte.

2 Moses 16

Laßt uns beten: Herr, segne unser Reden und Hören, damit wir Dein Wort recht empfangen. Amen.

Schwestern und Brüder,

[Israel, meckern, Wüste]

Israel ist gerade Ägypten, der Supermacht der damaligen Zeit, entkommen. Israel hatte gerade die Wahl zwischen erschlagen werden oder ertrinken. Es brauchte nicht weniger als 10 Plagen, bis die Ägypter die Israeliten frei ließen. Keine dieser Plagen war durch die Israeliten bewirkt. Bei der letzten Plage heißt es ausdrücklich der Herr selber oder der Engel des Herrn geht durch Ägyptenland und erschlägt alle Erstgeburt. Eingeklemmt zwischen dem Heer der Ägypter und rotem Meer waren die Israeliten durch zwei Mächte bedroht, von denen jede allein das Volk Israel komplett auslöschen konnte. Und wieder hatte Israel keine Möglichkeit, sich aus eigener Kraft aus dieser doppelten Bedrohung zu lösen. Die Befreiung daraus und die Vernichtung beider Bedrohungen war wieder allein Gottes Werk.

Und wie reagieren die Israeliten? Sie vergessen. Sie vergessen innerhalb von drei Tagen bis zu drei Wochen.

Wer die Zeit nachrechnen möchte, der findet zwei Angaben. Die eine Angabe hält fest: 2Mo 15,22 Da ließ Mose Israel vom Schilfmeer aufbrechen, und sie zogen zur Wüste Schur. Und sie wanderten drei Tage in der Wüste und fanden kein Wasser. 24 Da murrte das Volk wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken? Und die andere Angabe: 2Mo 16,1 […] die ganze Gemeinde der Israeliten kam in die Wüste Sin, die zwischen Elim und Sinai liegt, am fünfzehnten Tage des zweiten Monats, nachdem sie von Ägypten ausgezogen waren. Die drei Tagen sind die Zeit zwischen Durchzug durchs Schilfmeer und dem Murren wegen Wassermangel. Wieviel Zeit bis zu dem Murren aus dem heutigen Bericht vergeht, ist nicht bekannt. Nach der zweiten Angabe murren die Israeliten anderthalb Monate also 6 Wochen nach dem Aufbruch aus Ägypten. Davon ist dann die Zeit bis zum Schilfmeer abzuziehen. Nehmen wir an, der Durchzug geschieht in der Mitte dieser Zeit, dann vergißt Israel innerhalb von drei Wochen die Rettung aus der doppelten Bedrohung. Wir brauchen die Tage nicht zu zählen. Die Israeliten entkommen mehrfach aus akuter Bedrohung ihres Lebens. Jedes Mal nicht aus eigener Kraft, sondern allein durch Gottes Hilfe. Das sollten sie noch ihren Enkeln erzählen in aller Bewunderung und Dankbarkeit. Aber die Israeliten vergessen Gottes Zuwendung und Hilfe innerhalb weniger Wochen.

Aber die Israeliten vergessen nicht nur. Sie erfinden ein Leben, das von der Realität beliebig weit entfernt ist. Sie kennzeichnen Ägypten durch Fleischtöpfe und Brot in Fülle. Der Bericht über die Zeit vor dem Auszug aus Ägypten hält fest, daß der Pharao mehrmals das Volk Israel besonders hart unterdrücken ließ. Die notwendigen Materialien für ihr Arbeit wurden nicht geliefert, die Menge der abzuliefernden Ziegelsteine wurde erhöht. Nicht nur die Arbeitskraft der Israeliten wird ausgebeutet. Auch ihr Leben ist bedroht. (2Mo 1,22) 22 Da gebot der Pharao seinem ganzen Volk und sprach: Alle Söhne, [der Pharao redet über die Kinder der Hebräer] alle Söhne, die geboren werden, werft in den Nil, aber alle Töchter lasst leben. Zu dem Massenmord kommt es dann zwar nicht, weil die Hebammen sich weigern, die Kinder umzubringen. Dennoch ist die Realität, in Ägypten war das Überleben schwieriger als auf dem Marsch durch die Wüste. Das vermeintlich gute Leben in der Gefangenschaft Ägyptens sah so aus: (2Mo 2,23b) Und die Israeliten seufzten über ihre Knechtschaft und schrien, und ihr Schreien aus ihrer Knechtschaft stieg auf zu Gott.  Die Fleischtöpfe und das Brot, das gute Leben in Ägypten ist Phantasie und Wunschdenken.

Also die Israeliten meckern. Sie haben nicht mal einen konkreten Grund dafür. Zwar befürchten die Israeliten Hunger. Aber es gibt keinen Hinweis vorher, daß ihnen etwas zu essen fehlt. Beim Auszug aus Ägypten werden die vielen Vorräte und Herden beschrieben, die Israel mit sich führt. Bei dem Murren wegen des Wassers in Mara, direkt vor dem Meckern in den heute gelesenen Versen, werden diese Herden wieder genannt. Israel hat eine gute Grundlage für seine Ernährung. Das Meckern Israels hat keinen aktuellen Grund. Ohnehin setzt es das Vergessen und das Wunschdenken Israels voraus.

[reales Ereignis]

Wie reagiert Gott auf das Geschrei Israels. Was geschieht nun?

Israel findet Wachteln. Wachteln klingt für uns heute ungewohnt. Darum meinen wir gerne, Gott hätte zur Versorgung Israels besonders tief in die Trickkiste gegriffen. Tatsächlich waren Wachteln als Hühnervögel in Israel und Umgebung bekannt. Sie haben weniger Fleisch und legen kleinere Eier als die heutigen Hühner. Aber weil die heutigen Hühner dem Volk Israel unbekannt waren, bleibt es bei den Wachteln. Daher sind Wachteln im Lager kein unbekanntes Geschehen für die Israeliten.

Israel findet Manna. Es gibt eine Pflanze, die wird Manna-Tamariske genannt. Dieser Baum sondert einen harzartigen Stoff in kleinen Körnchen ab, der schmeckt süßlich. Auch dieser Baum und sein Produkt sind natürliche Erscheinungen und im antiken Nahen Osten bekannt. Sie bedeuten nicht Gottes unmittelbares Eingreifen.

Die Beschreibung, wie die Israeliten das Manna sammeln, ist deutlich ausführlicher als das Finden des Manna. Kennzeichen dieses Sammelns sind, daß die Israeliten nicht ungehemmt möglichst viel sammeln, sondern daß jeder etwas davon bekommt, und zwar so viel, wie jeder zum Essen braucht.

Was sollen alle diese Erklärungen? Das Besondere am Manna ist doch, daß es Brot vom Himmel ist. Manna ist Brot vom Himmel, daran gibt es keinen Zweifel. Aber Brot vom Himmel heißt nicht, daß Gottes Gaben aus dem physikalischen oder kosmischen Himmel fallen. Brot vom Himmel heißt, durch Gottes Anleitung die natürlichen Gaben klug nutzen und gerecht verteilen.

Die Tamarisken-Bäume sind nicht häufig. Entsprechend bringen sie nicht genügend Saft und getrocknete Körner daraus hervor, um die Israeliten zu ernähren. Wie Jesus im Evangelium aus fünf Broten und zwei Fischen mehr als genügend Essen für Tausende macht, so muß auch Gott aus wenigen Körnern getrockneten Safts genügend Essen für alle Israeliten machen. Das ist mehr als unsere Erkenntnis der Welt verstehen kann. Das können wir nur als unmittelbare Tat Gottes verstehen. Gott hilft uns in vielerlei Weise. Er ist dabei nicht an unsere Vorstellungen über diese Welt gebunden. Darum, wer Wachteln und Manna als natürliches Geschehen ansieht, danke Gott für Seine Gaben, und wer Wachteln und Manna als direktes Eingreifen Gottes ansieht, der danke Gott nicht weniger.

[wir]

Und es murrte die ganze Gemeinde der Israeliten. Welche Reaktion darauf ist stärker? Das Unverständnis über den Undank und die Dummheit der Israeliten? Oder sind wir mehr erschrocken über die präzise Beschreibung unseres Verhaltens?

Die Israeliten tun Vergessen, Wunschdenken, und Meckern ohne konkreten Grund. Wir tun das auch, und sind dabei mindestens so gut wie die Israeliten.

Wir vergessen die Gaben Gottes für unser Leben. Die Aufnahme in die Gemeinde bedeutet von Beginn unseres Lebens Orientierung. Selbst wenn wir Gottes Weisung nicht verstehen, ob wir diese Weisung abarbeiten, oder uns an dieser Weisung abarbeiten, in beiden Versionen gelingt unser Leben besser als ohne Weisung Gottes.

Und wie die Israeliten sitzen wir Wunschdenken auf. Wir meinen, bei uns kämen zu wenig Leute und Geld ist immer zu wenig, aber in der säkularen Gesellschaft um uns herum gibt es Geld und Leute. Schon mal versucht, einen Lesepaten für lernschwache Kinder zu finden, nicht hier, sondern draußen? Das kann dauern, wie alles, was nicht in coolen Fotos auf instagramm endet. In Gottes Volk sammelt jeder so viel, wie er braucht. Nicht mehr, nicht weniger. In der derzeitigen säkularen Gesellschaft leben wir alle über unsere Verhältnisse. Über 70% der Kosten im Gesundheitswesen gehen auf drei Krankheiten zurück. Zu wenig Bewegung, zu viele Kalorien und Rauchen. Die tödliche Realität des Lebens ohne Gottes Weisung wird hier sichtbar. Seit Beginn dieses Monats ist der Gebrauch von Cannabis legalisiert. Damit hat sich die Gesellschaft in diesem Land selber das Zeugnis ausgestellt: sie ist unerträglich. Es ist notwendig, sich die Realität dieser Gesellschaft schön zu kiffen. Diese Realitäten übersehen wir häufig, und sind daher ständig in der Versuchung, wie die Israeliten nach Fleischtöpfen zu laufen, die es tatsächlich nicht gibt.

So kommt es dann, daß wir wie die Israeliten anfangen zu meckern, obwohl kein Grund dazu vorhanden ist. Der Rat der Schrift lautet: Eph 5,19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen. Ebenso im Jak 5,13 Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen. Und was tun wir? Wir vergessen die Weisung der Schrift so schnell wie die Israeliten Gottes Hilfe. Statt bei Lied und Psalm zu bleiben, setzen wir Kommissionen ein. Eine Kommission ist ein Chor, der seinen Dirigenten verloren hat. So klingt das auch. Aktuelles Beispiel: Nicht einigen konnte sich die Kommission in der Grundsatzdebatte über den Gebrauch männlicher und weiblicher Sprachformen. Dagegen, wenn wir dem Rat der Schrift folgen, dann singen wir: Aus tiefer Not schrei ich zu Dir,/ o Herr erhör mein Flehen (ELKG2, 257). Und ebenso: Mein Herze geht in Sprüngen/ und kann nicht traurig sein (ELKG2, 529). Und dennoch folgen wir nicht dem Rat der Schrift, sondern wir sehen einer Kommission zu, wie sie viele Seiten Kommissionsgeschwätz produziert, inhaltsarm, selbstgefällig, gottvergessen. Und dann wundern wir uns, daß die Freude an Gott und Seinen Gaben unkenntlich wird und verloren geht.

Auch wenn das Kommissionsgeschwätz ein Atlas genannt wird, daraus erhalten wir keine Orientierung. Folgen wir dem Rat der Schrift, werden wir von allem Kommissionsgeschnatter befreit. Dann singen wir: Zünd‘ uns ein Licht an im Verstand,/ daß uns Dein Nam‘ werd‘ wohl bekannt. Zwei Zeilen geben mehr Orientierung als alle Absonderungen von Kommissionen. Und der Rat der Schrift führt uns zu noch mehr: Meine Seele erhebt den Herren, und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter/ denn auf die Niedrigkeit Seiner Magd hat Er geschaut. Jeder Kommentar dazu wäre einfach unangemessen, und legt nur offen unsere Lücken, unsere Überheblichkeit, und unsere Hilfsbedürftigkeit. Diese Worte, Lieder, und Gebete können wir nur dankbar entgegen nehmen, uns über Gottes Zuwendung und Seine Gaben freuen, und unser Leben nach ihnen gestalten.

Manna ist nicht vom Himmel gefallen, aber es ist Brot vom Himmel, Gottes Gabe an Sein Volk. Gottes Gaben sind auch uns nahe. Diese Gaben wahrzunehmen und gemeinsam zu nutzen sichert auch unser Leben in den Wüsten heute.

Amen.

Und der Friede Gottes, den Seine Barmherzigkeit uns gibt, der bewahre Eure Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen.


Beitragsbild: Nicolas Poussin, Das Manna, 1638 oder 1639, Louvre, Paris